Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Dezember.

Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Dezember.

1. Dezember

Mache es mit uns, wie dir's gefällt; allein errette uns zu dieser Zeit. Richt. 10,15.
Der Herr aber thue, was ihm gefällt. 2. Sam. 10,12.
Wir hören nicht auf zu beten, daß ihr erfüllet werdet mit der Erkenntniß seines Willens - daß ihr würdiglich wandelt, dem Herrn zu allem Gefallen. Col. 1,9.10.

Der Wille und das Wohlgefallen Gottes, seines Heilandes, ist der Compaß des Christen auf dem Meere dieses Lebens, nach dem er seinen Gang richtet, auf den er immer schauet, ohne den er keinen Schritt zu thun wagt; denn er weiß zuvor, daß er Schiffbruch leidet, oder auf Sandbänke geräth, oder ganz verkehrte Wege einschlägt, die seinem Heile und Ziele entgegengesetzte Richtung nimmt, sobald er den Willen und das Wohlgefallen Gottes aus dem Auge läßt, oder wissentlich dagegen handelt. Heiliger, wichtiger ist ihm daher nichts auf Erden oder im Himmel, als dieser heilige, wohlgefällige Wille Gottes; der ist ihm mehr, als alle Menschen-Weisheit, mehr, als Engels-Verstand. Er opfert ihm alle eigne und fremde Klugheit auf. Er kann nicht ruhen, bis er weiß, daß er auf der Bahn und in der Richtung ist, die ihm Gottes Wille, sein Compaß, anweiset. So dachte wohl auch Paulus; darum bat er und flehte ohne Unterlaß für die schon erleuchteten Colosser, daß sie Gott mit der Erkenntniß seines Willens erfüllen möchte. Es war ihm Alles daran gelegen, daß sie würdiglich wandelten, dem Herrn in Allem zu gefallen. Denn unser ganzes Christenthum, alle Erkenntniß, Gaben, Tugend- und Wunderwerke haben keinen Werth, wenn wir dabei nicht den Willen und das Wohlgefallen des Herrn im Auge haben; wenn uns eine andere Absicht, etwa Selbst- oder Menschengefälligkeit leitet. Das ist das Zünglein in der Waage, darauf du sehen mußt; das soll immer gerade stehen, sich weder rechts noch links neigen - Aufwärts, aufwärts!

2. Dezember

Der Herr ist mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils; denn es umfingen mich des Todes Banden - und er führete mich aus in den Raum, und er riß mich heraus. Ps. 18,3.5.20.
Und zog mich aus der grausamen Grube und aus dem Schlamm, und stellete meine Füße auf einen Fels, daß ich gewiß treten kann. Und hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben. Ps. 40,3.4.

Das sind Worte eines Geretteten, Erlösten, Begnadigten, der lange mit Fleisch und Blut, mit Welt und Teufel gekämpfet und gerungen hat, um los zu werden von der Macht und Herrschaft der Sünde; der endlich Heil, Ruhe und Kraft zum Siege gefunden hat im Glauben an Jesum, seinen Versöhner, und nun mit Herzenslust dem Herrn anhängt, voll Freude und Dankgefühl, daß er nun der Sünde und dem Teufel nicht mehr dienen muß; daß nun die Ketten des Sündenzwanges, das Joch des Treibers zerbrochen ist, daß nun sein Herz allein seine Freude und Lust daran findet, dem Herrn zu dienen und sich von seinem Geiste leiten zu lassen. Ist es also mit dir bestellt, lieber Leser? Bist du wirklich aus dem Schlamm, aus der grausamen Grube der bösen Lust? Bist du nicht vielleicht nur von einer Grube in die andere gesprungen, aus einem Schlamm heraus und in den andern hineingestürzt? Blick' doch in dein Herz, ob kein Schlamm darin, ob Jesus allein darin ist? Stehst du auf diesem Fels? Bist du in dieser Burg? und so von ihr eingeschlossen, daß deine Feinde dich nicht mehr stürzen können? Nimm dich in Acht! Lieber! Sing das neue Lied nicht zu laut - tritt noch nicht zu sicher auf - es könnte wieder Fehltritte geben. Das heißt: Laß bei deinem Vertrauen auf Gott kein Selbstvertrauen, keine Selbstgefälligkeit herbergen. Sei demüthig bei aller Freude deines Heils; und doch unverzagt; dein Herr ist wirklich ein Fels, auf dem du gewiß auftreten kannst - nur vor dir, vor dir selbst hüte dich, daß du dich selbst nicht für einen Fels haltest.

3. Dezember

Machet die Thore weit, und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe. Ps. 24,7.
Thut mir auf die Thore der Gerechtigkeit, daß ich da hinein gehe und dem Herrn danke. Ps. 118,19.
Saget der Tochter Zion, siehe, dein Heil kommt; siehe, dein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung ist vor ihm. Jes. 62,11.
Du Tochter Zion freue dich sehr, dein König kommt zu dir, ein Gerechter, ein Helfer. Zach. 9,9.

So ward der Sohn Gottes angekündigt den frommen Israeliten. So harrten und warteten sie Seiner. Nun er da ist, will ihn fast niemand. Dort machten sie die Thore weit auf und die Thüren ihres Herzens-Wunsches hoch, daß er eingehen könnte; jetzt, nachdem er gekommen, versperrt man Thür und Thor. Nicht also, liebe Seele! erweitere dein Herz; schließ die Thore deiner Sinne vielmehr der Welt nach außen zu und öffne sie nach innen dem kommenden, dem anklopfenden Erlöser. - Verlange nach ihm mit all deiner Begierde. Er klopft ja auch bei dir an, durch sein Wort in der Schrift und durch seinen Geist inwendig: Thu' mir auf! mach die Thore weit! Er läßt sich durch seine Boten bei dir anmelden, sie müssen auf seinen Befehl dir zurufen: Du Tochter Zion! Dein König kommt zu dir! Willst du nicht hören? Willst du mit aller Welt ihm länger dein Herz versperren, ihn immer warten lassen, bis seine Geduld und Barmherzigkeit ein Ende hat und die Zeit deiner Heimsuchung vorüber ist! Jetzt, jetzt, da er anklopft, da er sich melden läßt, jetzt öffne ihm dein Herz und verlange nach ihm, so wird er bei dir eingehen, er, der Gerechte, und dich gerecht machen; er, der Helfer, wird dir helfen, in allem, wo du dir selbst nicht helfen kannst, in deiner Heiligung und Beseligung, in dem Streite mit Sünde, Welt und Teufel; denn es heißt: Wer ist der König der Ehren, dem ich die Thore öffnen soll - Antwort: Es ist der Herr Zebaoth, der mächtig und stark im Streite. Einen solchen bedarfst du; ohne ihn kannst du nicht überwinden.

4. Dezember

Da die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn, geboren vom Weibe, dem Gesetze unterworfen, damit er die, so unter dem Gesetze waren, erlösete, und wir an Kindes Statt angenommen würden. Gal. 4,4.5.
Küsset den Sohn, daß er nicht zürne, und ihr umkommet auf dem Wege, denn sein Zorn wird bald anbrennen; aber wohl allen, die auf ihn trauen. Ps. 2,12.

Der Sohn kam, uns in unserm Blute zu suchen, uns als seine elenden Brüder zu küssen, zu umarmen, zu trösten und zu heilen. Er hat sich unsers Elends nicht geschämt. Wenn aber nun du dich seiner schämen, und ihm nicht seine für dich durchbohrten Hände und Füße küssen, d. i. dich ihm nicht vollkommen unterwerfen, ihm nicht mit ganzer Seele huldigen und dich von ihm retten und selig machen lassen willst, so wird am Ende, nachdem er dich das ganze Leben durch langmüthig getragen hat, sein Zorn anbrennen und um so stärker und heftiger brennen, je länger er dir nachgegangen ist und dich vergeblich gesucht hat, um dich küssen zu können. Wenn wir bedenken, sein Name heißt Wunderbar, Rath, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst, (Jes. 9,6.) soll uns ja das Herz leben und vor Freude hüpfen, daß wir diesen Hohen und Erhabenen küssen, d. i. kindlich, zuversichtlich, wie zu einem Bruder hinzunahen, uns in seine Arme werfen und Alles von ihm erwarten dürfen. Wer dies verachte, verdient der nicht am Ende seinen Zorn? Dies Lamm kann fürchterlich zürnen, wenn man seine Geduld mißbraucht und verachtet. Und da die Welt nur immer dreister wird, auf seine Geduld hin zu sündigen, seiner gar nicht mehr zu achten, so mag sein Zorn wohl bald anbrennen. Es ist hohe Zeit; wer sich retten will, der küsse den Sohn, der nahe sich ihm, so lange es Tag ist; es kommt die Stunde, wo er nicht mehr als Friedefürst, Vater und Rath erscheint, sondern als Richter und Rächer, der mit Feuerflammen Rache nehmen wird an allen, die seinem Evangelio nicht glaubten. (2. Thess. 1,8.) Menschenkinder! warum wollt ihr den jetzt nicht küssen, der euch jetzt so freundlich erscheint, einst so furchtbar werden wird?.

5. Dezember

Die auf den Herrn hoffen, die werden nicht fallen, sondern ewiglich bleiben, wie der Berg Zion. Um Jerusalem her sind Berge; und der Herr ist um sein Volk her, von nun an bis in Ewigkeit. Ps. 125,1-5.
Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und hilft ihnen aus. Ps. 34,8.

Welch eine Festung! welch eine Burg! Unbeweglich, unerschütterlich, wie der Berg Zion, auf dem der Tempel und die Burg Davids war; ewig, unzerstörbar, steht der Gott vertrauende Christ - Berge Gottes sind um ihn her, wie um Jerusalem; ja, der Herr, der Herr selbst, der Himmel und Erde hält, ist um ihn her, ist um alle die her, die auf ihn hoffen! Und überdies noch Engel Gottes, die starken Helden, die Gottes Befehle ausrichten, umgeben ihn wie ein verschanztes Lager. Verlassen sich die Feldherren der Erde auf ihre Lager, Festungen und Heere, sollte sich der Christ nicht verlassen auf diese Macht und Güte des Herrn, die ihn von allen Seiten umgibt? sollte er sich fürchten? Welch eine Festung ist also ein Christen-Herz! welch ein Lager, wenn mehrere solcher gläubigen Herzen beisammen sind und gemeinschaftlich beten und ringen? Wie fürchterlich muß es dem Feinde sein! wie unüberwindlich! wie schrecklich der Hölle und allen Kindern der Finsterniß. O hätten wir Augen, zu sehen, was den Gläubigen umgibt! wer in ihm ist! Berge würden wir sehen, die keine Macht der Hölle wegheben kann, eine Burg, eine Feste, würden wir sehen, die den Satan zittern macht. Denn in den Gläubigen wohnt der Herr. Wer will den überwältigen? Wer will das Herz, die Festung, überwinden, in der der Höchste wohnt? welche der Allmächtige umgibt? vor der die Engel lagern? Ihr Lieben, wenn euch Furcht anwandeln will, wenn der Satan schrecken, die Feinde drohen wollen, vergesset den nicht, der in euch und der stärker ist, als der in der Welt ist. (1. Joh. 4,4). Vergesset nicht, wer euch umgibt.

6. Dezember

Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde; du salbest mein Haupt mit Oel und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Lebenlang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Ps. 23,5.6.

Darum hat David immer geflehet; das war sein einziger Wunsch, (Ps. 27,4.) im Hause des Herrn zu bleiben sein Lebenlang. Was hat er denn da gefunden? Gutes und Barmherzigkeit. Was fehlt dem Menschen mehr als dieses? Am Guten gänzlich arm, am Bösen sehr reich, bedarf er ja nichts mehr als Barmherzigkeit. Und diese findet er nur beim Herrn, nur im Hause des Herrn, nicht in den Hütten der Gottlosen. Darum wollte David lieber der Thürhüter, der Pförtner, der Geringste im Hause Gottes sein, als der Vornehmste in den Hütten der Gottlosen. Was fand er noch? Einen Tisch - bereitet für ihn mit Speise, die ihn stärkte und waffnete, daß er seinen Feinden fürchterlich und unüberwindlich ward. Was noch? Eine Oelquelle, eine Salbe für sein Haupt, womit ihm voll eingeschenkt wurde; woran er nie Mangel leiden durfte, das sieht man an seinen gesalbten Psalmen, aus denen wir immer noch Oel und Salbung vollauf schöpfen. Kann man denn jetzt nicht mehr zu diesem Tische, zu dieser Salbungs-Quelle kommen? O freilich, jetzt vielmehr; nun ist sie Allen aufgethan; nun sind Alle zu diesem Tische geladen; nun ist Allen Alles bereitet in Christo Jesu. (Luc. 14,17.) Du kannst alle Tage, ja jede Stunde von diesem Tische essen, aus dieser Oelquelle schöpfen. Wer an Jesum glaubt, der wird selbst zu einer Quelle lebendigen Wassers. (Joh. 7,38.) Wer an Jesum glaubt, der hat das Brod des Lebens in sich, den wird nicht hungern noch dürsten. (Joh. 6,35.) Ach, warum glauben sie denn nicht alle an ihn? Weil der Satan, der Gott dieser Welt, ihre Augen verblendet hat, daß sie das helle Licht des Evangeliums nicht sehen. (2. Cor. 4,4.) Weil sie die Ehre bei Menschen mehr lieben als Gottes Ehre. (Joh. 5,44.)

7. Dezember

Gott, man lobet dich in der Stille zu Zion, - du erhörest Gebet, darum kommt alles Fleisch zu dir. Ps. 65,1.2.
Kommet her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist mit seinem Thun. - Du hast Menschen lassen über unser Haupt fahren. Wir sind in Feuer und Wasser gekommen; aber du hast uns ausgeführet und erquicket. Ps. 66, 5.12.

Ja, wie viel stille Lobpsalmen steigen zu Gott auf in den Herzen derer, die ihm vertrauen, die ihn anrufen in ihren Nöthen! O die wissen, wie gern, wie herrlich, wie wunderbar er hilft. Die können, wie der Psalmist, Zeugniß geben und die Menschen einladen: Kommt und sehet die Wunderwerke des Herrn, die er an den Menschenkindern thut. Er führt durch Feuer- und Wasser-Gefahren unverletzt hindurch; er läßt Menschen uns über den Kopf herfahren und weiß uns doch zu erhalten und noch zu erquicken dabei. Ja gewiß, wer im Leiden den Herrn bei sich hat, (und wer ihn anruft, der hat ihn bei sich,) der fühlt große Erquickung auch in der Hitze der Trübsal. Darum ruft in der Noth doch alle Welt, alles Fleisch, den Herrn an. Die Noth kann sie zu dem treiben, der allein aus der Noth erretten kann, den sie außer der Noth nicht zu bedürfen glauben. Wie würde er ihnen aber thun, wenn sie nicht blos von der Noth gedrungen, sondern auch aus Liebe und Sehnsucht zu ihm kämen? Wie würde er sie dann erquicken! Er ruft ja allen zur Erquickung, die mühselig und beladen sind. Dieses Wort belebe unsern Glauben, unser Vertrauen zu ihm, daß wir an seiner Hülfe nie verzagen. Er, er führt hinein, hindurch, heraus, hinüber.

8. Dezember

Wenn sich schon ein Heer wider mich legt, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht. Wenn sich Krieg wider mich erhebet, so verlasse ich mich auf ihn. - Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gern, daß ich bleiben möchte im Hause des Herrn mein Lebenlang rc. Ps. 27

Diesen ganzen Psalm wollen wir heute betrachten, denn er ist voll Glaubens-Muth, voll von Gefühl für Gottes Nähe. Wer Gott fürchtet, hat nichts zu fürchten. Wem Gottes Licht leuchtet, wen Gottes Heil tröstet, dem darf nicht grauen. Und wenn die Gottlosen wider ihn anziehen, ihn lebendig zu fressen, so werden sie anlaufen und fallen; denn sie haben es mit Gott zu thun, der die Gottesfürchtigen beschützet und eine feurige Mauer um sie her ist. Und wenn ganze Heere von Feinden und Teufeln auf den Gläubigen losgehen, so soll sein Herz doch nicht erschrecken, denn sie sind Alle nichts gegen Gott; und derer, die für uns streiten, sind immer mehr als derer, die wider uns zu Felde liegen. Gott verläßt keinen, der sich auf ihn verläßt. Wer aber so auf Gott vertrauen und sich in Allem so auf seine Macht und Güte verlassen will, der muß auch keinen andern Wunsch haben, als in der Nähe des Herrn zu wandeln, Gott immer im Auge und Herzen zu haben, und wie ein Hausgenosse Gottes mit Gott beständig umgehen, ihn eben so oft wieder suchen, als er ihn aus den Augen verloren hat. Das ist das Eine, das er sich erbittet von Herrn, das hätt' er gern. Seine Freude und sein Glück ist Gottes Wort und Befehl: Ihr sollt mein Antlitz suchen! Dies Gebot ist ihm mehr als tausend Welten; er ist kindlich, ja königlich vergnügt, daß ihm nicht nur erlaubt, sondern geboten ist, Gottes Antlitz zu suchen; und also Hoffnung gemacht ist es zu finden; darum sucht er beständig Gottes Antlitz, die Nähe des Herrn. Wenn ihm diese Feuersäule leuchtet von innen, was soll er fürchten? Er ist getrost und unverzagt, denn der Herr zieht voran und bahnet ihm den Weg.

9. Dezember

Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht (Grundfeste) deß, das man hoffet, und eine zweifellose Ueberzeugung von dem, was man nicht siehet. Heb. 11,1.
Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiß, er kann meine Beilage bewahren bis an jenen Tag. 2. Tim. 1,12.
Abraham wußte aufs gewisseste, was Gott verheißen hat, das kann er auch thun. Röm. 4,21.

Ist dein Glaube ein Werk Gottes, so bist du göttlich gewiß, so kann dein Glaube so wenig wanken, als Gott wanket. Wenn er Gott, Gottes Zeugniß und Kraft im Herzen zur Grundfeste hat, so steht er so fest als Gott selbst. Ist er aber nur Wahn und Einbildung, oder ein Fürwahrhalten aus menschlichen Gründen, eine selbstgemachte Ueberzeugung, so ist er der Veränderung unterworfen, wie alles Menschliche. Den Glauben, den Gott im Herzen wirkt, den kann niemand umstoßen; und der ist ein großes Gnadengeschenk Gottes. Viele machen sich ihren Glauben selbst, und deswegen ist er so menschlich, schwach und schwankend, als sie selbst sind, weil er ganz von ihrer Laune und von der Witterung abhängt. Ist es schön Wetter, so ist ihr Glaube groß; stürmt es aber, so hat ihnen der Wind den Glauben weggenommen, wie dem Petrus auf dem Meere. Nein, da der Glaube so viel in dem Menschen ausrichten soll, da er Welt, Fleisch und Teufel besiegen, den Tod überwinden, den Himmel und die Ewigkeit, ja Gott selbst, umfassen soll; da er den ganzen Menschen neu schaffen und ihn in ein himmlisches Wesen mit Christo versetzen, ihn Christi und seiner göttlichen Natur theilhaftig, zum Kinde und Erben Gottes, zum Mitbürger mit den Heiligen und Hausgenossen Gottes, heilig und gerecht, herrlich und selig, wie Gott, machen soll: so muß er mehr als ein eignes selbstgemachtes Werk des Menschen, muß göttlicher Natur, aus Gott geboren, von Gott selbst ins Menschenherz gelegt und ganz von Gottes Geist beseelt, belebt und erhalten werden. Und darum haben wir Ursache zu bitten: Herr, mehre uns den Glauben!

10. Dezember

Ich fürchte, daß ich bei meiner Ankunft euch nicht finde, wie ich wünsche, und ihr mich auch nicht findet, wie ihr wünschet; ich fürchte, es möchten Streitigkeiten, Eifersucht, Zorn, Zwist, Verläumdungen, Ohrenbläsereien, Aufgeblasenheit, Unordnungen unter euch sein - und daß ich also viele betrüben müsse, die vorher gesündiget und nicht Buße gethan haben rc. 2. Cor. 12,20.21.

Es kann sich bei erweckten Christen viel einschleichen und manche Sünde wieder erwachen, wenn die Erweckten nicht wachen. Alle die von Paulus genannten Dinge kommen oft wieder zum Vorschein, und wenn man denn leicht darüber hingeht, sich dennoch immerhin für gläubig, erweckt und bekehrt hält, ohne darüber Leid zu tragen, Buße zu thun und solche Dinge auszurotten, so geht man in einem verblendeten und verkehrten Zustande dahin, der ärger ist, als wenn man nie etwas von Christo gehört hätte. Man hält fest an seinen Andachten, am Singen, mündlich Beten, Lesen, Stunden halten und was so gang und gebe ist, ändert und bessert sich aber nicht und hält sich doch für einen Christen. Da sieht man 2. Petr. 2,20.21.222. O ihr Lieben! denket immer, wenn Paulus, wenn Christus käme und unter uns hereinträte, wenn er Zeuge all unserer Handlungen wäre, würde er uns nach Wunsch finden? würden wir ihn finden, wie wir ihn wünschen? Hat Paulus in seinen Gemeinen solche schändliche Dinge angetroffen; könnte er's nicht auch noch in den unsrigen finden? Und was für ein Gesicht würde er dazu machen? „Soll ich euch loben? oder soll ich mit der Ruthe kommen? Denn nicht in Worten besteht das Reich Gottes, sondern in der Kraft.“ (1. Cor. 4,20.21.) Es betrüge sich doch niemand, der sich selbst wohlgefällt, sondern er betrachte sich in dem Spiegel des Wortes und prüfe seinen Wandel nach der Richtschnur der Wahrheit.

11. Dezember

Denen zu Zion wird ein Erlöser kommen, und denen, die sich bekehren von den Sünden in Jacob. Jes. 59,20.
Siehe, ich komme, wie im Buche von mir geschrieben ist, deinen Willen, Gott, zu erfüllen. Hebr. 10,7.
Des Menschen Sohn ist gekommen, selig zu machen, was verloren ist. Luc. 19,10.

Es war verheißen; er wollte kommen, und siehe, er kam; und kam nicht, um die Welt zu richten, zu verdammen, sondern alle Menschen, die verloren waren, selig zu machen. Wer hätte ihn zwingen können, zu kommen, zu den Verlornen? Niemand, als seine Liebe, die trieb und zwang ihn, daß er, indem er das Verderben, das Elend und den ewigen Jammer der Menschen sah, zu sich selbst und zu seinem Vater sprach: Siehe, ich komme! Schone ihrer; ich will deinen Willen erfüllen. Also war es auch des Vaters Wille, daß er kommen und die Verlornen retten sollte. Er ist nicht im Zorn gesandt, nicht im Zorn gekommen, sondern in lauter Liebe. Die Liebe hat ihn uns gesendet. Die Liebe müssen wir anbeten; denn ihr haben wir diese große Himmelsgabe zu danken. Liebe riß ihn von dem Thron, Liebe schlug ihn ans Kreuz hier an. - Aber wem nützt sein Kommen? für wen ist er gekommen? Für Zion, für die, die sich bekehren von ihren Sünden. Wer sich von der Sünde und Welt nicht trennen will, kann und darf sich seines Kommens nicht freuen. Zu Zion gehört jeder, der sich zum Herrn, seinem Gott, von ganzem Herzen wendet; der sich eines Erlösers bedürftig fühlt und deswegen zu Gott seufzet und flehet, daß er ihm Hülfe aus Zion sende. Alle, die ihr Angesicht nach Zion richten, auf Gott vertrauen und sich aus der Sklaverei der Sünde heraussehnen: für die ist er da; ihnen ist er von Gott gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. (1. Cor. 1,30.)

12. Dezember

Wir haben den gefunden, von welchem Moses im Gesetze und die Propheten schreiben, Jesum, den Sohn Josephs von Nazareth. Joh. 1,45.
Ich liebe, die mich lieben, und die mich frühe suchen, finden mich. - Wer mich liebet, der findet das Leben, und wird Wohlgefallen an dem Herrn bekommen. Spr. 8,17.35.

Hiob rief (23,3.): Ach, daß ich wüßte, wo ich ihn finden könnte! Die Jünger: Wir haben ihn gefunden! Was sagst du, Lieber? Der Heiland ist gekommen, um sich finden zu lassen, ist Mensch geboren, um sich von Menschen finden zu lassen. Du hast deine ganze Bestimmung als Mensch verfehlt, wenn du ihn nicht gefunden hast oder nicht suchest. Es wäre dir besser, du wärest nie ein Mensch geboren, wenn du den Mensch-gewordnen Gott-Heiland nicht suchest und nicht findest. Ein Thier ist dann glücklicher als du. O Menschenkinder! Gott ist ein Menschenkind geworden, daß ihr ihn desto leichter finden sollt, und ihr wollt nicht zu ihm kommen, um das Leben von ihm zu erhalten? Gottes Weisheit und Liebe steht in Person leibhaftig in eurer Menschengestalt vor euch und ruft: Ich liebe, die mich lieben, und die mich frühe suchen, finden mich, und wer mich findet, findet das Leben. Wer nicht an mich glaubet, bleibet im Tode und wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet auf ihm. - Wie kann auf eine solche Einladung noch eine Menschen-Seele zurückbleiben und säumen, ihn zu suchen?! Wenn uns Gott seinen Sohn nicht in die Welt herabgegeben hätte, wir dürften uns zu Tod' suchen, wir würden nichts finden, was uns vollkommen ruhig und selig machen könnte. Nun ist er da, der Alle erquicken, Alle retten und selig machen will - und wer hat ihn gefunden?

13. Dezember

Mit uns aber ist der Herr, unser Gott, den wir nicht verlassen. - Siehe, mit uns ist an der Spitze der Herr und seine Priester. 2. Chron. 13,10.12.
Mit Gott wollen wir Thaten thun. Er wird unsere Feinde untertreten. Ps. 108,14.
Wo der Herr nicht bei uns wäre, wenn die Menschen sich wider uns setzen, so verschlängen sie uns lebendig, wenn ihr Zorn über uns ergrimmete, so ersäufete uns Wasser rc. Ps. 124,2-4.

Der Streit des Abia mit Jerobeam verdient nachgelesen zu werden im angezeigten Capitel. (2. Chron. 13.) Abia siegte mit 400.000 Mann, mit der Hälfte streitbarer Männer, über den Jerobeam mit 800.000 Mann. Denn dieser hatte die Priester des Herrn vertrieben und Götzendienst eingeführt; Abia konnte sagen: Mit uns ist der Herr und die Priester des Herrn. Dieser Eine ist stärker, als 800.000 Mann. Wer den auf seiner Seite, an der Spitze seiner Streitkräfte hat, wird allemal siegen, auch im Unterliegen. Wie es im weltlichen Streite, so ist es vielmehr im geistlichen Kampfe mit Fleisch, Welt und Teufel, wenn die Sünde, die bösen Lüste, der Satan, oder die Feinde Christi und der Wahrheit, uns verfolgen und sich mit aller Macht der Hölle verstärken, so werden sie uns doch nicht überwältigen, wenn Gott, wenn Christus mit uns und in uns ist. Wer aber den Herrn verläßt, und einen andern Schutz und Menschenhülfe sucht, der wird verschlungen. Nur der Herr ist in diesem Streite mächtig und stark. Nur er kann überwinden. Keiner vertraue auf seinen Arm; jeder gebe alle seine Hoffnung auf sich selbst verloren und hange dem Herrn an. Mit Gott wollen wir Thaten thun und unsere Feinde untertreten. Der Allmächtige, der Unüberwindliche, der Allbesiegende ist mit uns, ist unser Schutz und unsere Wehr, wer will wider uns sein? Nu sei das Wahrheit, daß der Herr mit uns und wir mit ihm sind. Es sei nicht bloße Einbildung oder Wahn, denn die Einbildung, die falsche Zueignung des Schutzes Gottes schützt nicht gegen einen Feind, geschweige gegen Tausende. Wenn der Herr mit dir sein soll, mußt du mit ihm sein, in ihm bleiben im Glauben, in der Liebe, im innigen, unablässigen Umgange und Gebete. Du muß beständig in dieser deiner Festung bleiben; denn wenn dich der Feind außer ihr findet, bist du verloren.

14. Dezember

Herr, du erforschest mich, und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es, du verstehest meine Gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich, und siehest alle meine Wege rc. Ps. 139.

Die Gesinnungen, die dieser Psalm ausdrückt, sind es, die den, der Glauben an Gott hat, beseelen. Wer da sagt, daß er einen Gott glaube, und nicht glaubt, daß Gott sieht, Alles sieht, was im Herzen und auf der Zunge und in der Hand des Menschen ist; wer sich nicht fürchtet vor diesem allsehenden Auge, der ist ein Lügner; es ist nicht wahr, er glaubt nicht an Gott. O Glaube Davids! belebe uns! verlaß uns nie! du Allsehender! du Allwaltender, Heiliger und Gerechter! Laß uns nicht einen Augenblick vergessen, daß du uns erforschest und kennest; daß du allenthalben und allezeit uns umgibst, daß sich kein Gedanke vor dir verbergen, kein Wort auf unserer Zunge dir entgehen kann! Wer kann dir, wer deinem Geiste entfliehen? Führe ich in den Himmel, so bist du da; bettete ich mir in die Hölle, so bist du auch da! Nähme ich Flügel der Morgenröthe und bliebe am äußersten Meere, so würde mich doch deine Hand daselbst führen, und deine Rechte mich halten. Finsterniß kann mich dir nicht verdecken; denn bei dir ist die Nacht auch Licht! - Wer nichts als diese Wahrheit im Geiste Jesu beständig lebendig vor Augen hätte und in diesem gottesfürchtigen Sinn wandelte, wie heilig, wie gerecht, wie zerknirscht und gebeugt, wie zuversichtlich und kindlich würde der immer leben und wandeln! Wer aber diese Wahrheit ganz vergiß, des allsehenden und allwissenden, allforschenden und allgegenwärtigen Heilandes vergißt, wie kann Gottesfurcht, Glauben und Gottseligkeit vor seinen Augen sein? Eitel ist sein Christenthum, gottlos ist seine Religion, Heuchelei seine Tugend, Sünde und Laster seine Gerechtigkeit.

15. Dezember

Leide dich als ein guter Streiter Jesu Christi. 2. Tim. 2,3.
Ein jeder, der da kämpfet, enthält sich alles Dinges: jene, daß sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. 1. Cor. 9,25.
Wer überwindet, der wird mit weißen Kleidern bekleidet rc., den mache ich zum Pfeiler im Tempel meines Gottes rc. Off. 3,5.12.

Es ist kein Zweifel, wer in Christo lebt, den läßt weder der Teufel, noch die Welt, noch sein eigen Fleisch unangefochten. Diese drei Feinde haben einen schwarzen Bund gegen dich gemacht; wenn du bestehen und nicht wieder in ihre Hände und Gewalt fallen willst, mußt du einen heiligen Bund mit Christo und seinem Geiste gegen sie machen; mußt die Waffenrüstung Gottes anziehen und beständig in derselben einhergehen, immer gerüstet mit Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, immer wachsam, immer bereit, Alles zurückzuschlagen und niederzutreten, was dir Welt, Fleisch und Hölle anbieten, oder wozu sie dich reizen wollen. Doch hüte dich vor Luftstreichen, die dem Feinde nichts schaden, und dir nichts helfen. Paulus sagt: Ich kämpfe, aber nicht wie Einer der Luftstreiche thut. (1. Cor. 9,24.) Man kämpft oft heftig gegen die Feinde außer dem Hause, und läßt den Feind im Hause unangefochten; man versagt sich äußere Dinge, und nährt und pflegt innere Feinde ohne Bedenken. Ein rechter Kämpfer enthält sich alles Dinges; er entsagt sich selbst, seiner Eigenliebe, dem Ehrgeize in jeder Beziehung, der Habsucht, der Weichlichkeit, der Sinnenlust, sie sei fein oder grob; dem Stolze der Selbstgefälligkeit, sie sei geistlich oder weltlich. Wer Alles überwindet, auch sich selbst, der wird gekrönet - wenn du nur Einen Feind nicht besiegst, so bist du kein Ueberwinder und wirst die Krone nicht sehen. Wenn du Eine Neigung in dir herrschen läßt, so hast du doch einen Dieb im Hause, einen Feind in den Grenzen deines Reiches, der dir deine Ruhe und den Frieden streitig macht, und dich zum vollen Siege, zum Triumphe und zur Krone nicht gelangen läßt.

16. Dezember

Schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn - der uns erlöset und berufen hat mit seinem heiligen Ruf - nach der Gnade - die nun offenbaret ist durch die Erscheinung unsers Heilandes Jesu Christi, der den Tod vernichtet - unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium. 3. Tim. 1,8-10.

Alle Welt schämt sich Christi und seines Evangeliums von unserer Erlösung. Willst du Christ sein, so schäme du dich ja nicht und niemals dieses allerheiligsten und herrlichsten Werkes. Der Teufel hat es dahin gebracht, daß man sich nicht nur Christi, sondern selbst Gottes und alles Göttlichen schämt. Man will ganz profan, weltlich und irdisch, sinnlich und fleischlich sein. So tief ist die Welt gesunken; so weit entfernt von Gott! - Wer will sie retten? Der barmherzige Gott läßt doch nicht nach, ihr sein seligmachendes Evangelium, so sehr sie es verachtet, immer noch anzubieten und zu verkündigen. Die Stimme der Zeugen von Gottes Heil in Christo ist noch nicht verhallt, sie ertönt noch allenthalben. Die Gnade wird gepriesen, die durch die Menschwerdung, das Leben und Leiden Jesu offenbaret ist. Es erschallt noch hie und da laut: Christus hat durch den Tod den Tod zernichtet, hat unvergängliches Wesen ans Licht gebracht, hat uns versöhnt, erlöst, hat uns Gott erkauft und ein ewiges, unverwelkliches Erbe im Himmel erworben. Deß schäme dich nicht, deß freue sich dein Herz, wenn es dieser Gnade theilhaftig geworden; preise deinen Erlöser und rühme, und bekenne ihn und sein Werk der Erlösung vor aller Welt; denn es ist's werth und es kann dem armen Menschen einmal nicht anders geholfen werden, als durch den, der im Stalle geboren, am Kreuze starb und nun zur Rechten Gottes sitzt. Bekenne und rühme aber das Christenthum nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit deinem ganzen Wesen und Wandel, so wirst du bald mehr Mitgenossen derselben Gnade und Freude zählen.

17. Dezember

Komm herein, du Gesegneter des Herrn, warum stehest du draußen? Ich habe das Haus geräumet. Also führte er den Mann ins Haus. 1. Mos. 24,31.32. und 26,29.
Ich will kommen. Matth. 8,7.
Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Joh. 14,23.

Möchtest du so gastfreundlich und so bereitwillig sein, den, der vor der Thüre deines Herzens steht und bei dir anklopft, aufzunehmen, ihn so freundlich und herzlich einzuladen und einzuführen in dein Herz, als Laban den Knecht Abrahams aufnahm, da er die Armspangen und Ringe, die schönen Geschenke sah, die dieser seiner Schwester gebracht hatte; möchtest du deinen Heiland so sehnlich verlangen zu besitzen; er würde dir mehr mitbringen als Elieser der Rebekka und dem Laban brachte. Er würde eben so bereitwillig zu dir eingehen und sieh! auch seinen Vater mitbringen. Er würde dir nicht nur Armbänder und Ringe, sondern das Band der Vollkommenheit, die ewige Liebe, den himmlischen Frieden, das ewige Leben, das Himmelreich in dein Herz pflanzen. Da der Hauptmann (Matth. 8) nur bat, daß er ein Wort sprechen möchte, seinen Knecht zu heilen, es nicht wagte ihn einzuladen, daß er selbst zu ihm komme, sagte der Heiland doch: Ich will kommen. Sollte er nicht zu dir kommen, wenn du Tag und Nacht zu ihm rufst: Herr Jesu, komm doch selbst zu mir! Ja, er kommt zu jeder Seele, die ihn herzlich verlangt. Er bleibt gewiß nicht aus. Er ist darum Mensch geboren, weil es seine Lust ist, bei den Menschenkindern zu sein. Er kann uns nicht Waisen lassen, er kommt zu uns und bleibt bei uns alle Tage, denn er hat's gesagt, und nicht nur einmal, sondern oft gesagt. Sollte er nicht Wort halten, der wahrhaftige und treue Zeuge?

18. Dezember

Bereitet dem Herrn den Weg, machet auf dem Gefilde eine ebene Bahn unserm Gott. Alle Thäler sollen erhöhet werden rc. Jes. 40,3. Matth. 3,3.
Sieh, ich will meinen Engel senden, der vor mir her den Weg bereiten soll. Und bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr suchet. Mal. 3,1.

Der Herr fordert uns auf, daß wir ihm den Weg zubereiten sollen, und verheißt zugleich, daß er seinen Engel senden wolle, der ihm den Weg bereiten werde. Darum sind wir es nicht allein, die es thun, darum sollen wir auch nicht verzagen und sagen: Wie kann ich Gott, dem Höchsten, den Weg bereiten? Wolle du nur; laß es dir nur recht sein, daß der Herr auch zu dir in dein Herz komme. Gib nur dein Herz dazu her; verlange nur nach ihm; gib nur Abschied den bisherigen Inwohnern deines Herzens, dem Stolze, der Verzagtheit, der Kälte und Trägheit rc. wolle nur, weil der Herr will; gib dich nur her; der Herr wird dir seinen Engel, seine vorlaufende Gnade der Bußfertigkeit, die Kraft zur Sinnesänderung, entgegensenden, die dem Herrn alle Fußsteige ebnet und die schönste Bahn in dein Herz macht. Der Herr gibt auch das, was er von uns fordert, was er bei seiner Zukunft ins Herz bei uns voraussetzt. Wenn er sagt: bereite mir den Weg, daß ich zu dir kommen kann, so heißt dies, laß mich den Weg in dein Herz bereiten; laß mich kommen zu dir, thu' mir auf, wenn ich anklopfe: höre meine Stimme, wenn ich dir rufe; lauf' mir nicht aus dem Wege; vertritt mir nicht den Weg; kehre dich nicht von mir weg, wenn ich mich zu dir kehre. Sei nicht satt in dir selber, vertraue nicht auf deine Tugend und Kraft; denn das ist ein Berg im Wege; der muß abgetragen werden. Verzage nicht an meiner Güte und Gnade; denn das ist ein Thal, das mit Vertrauen zu mir ausgefüllt werden muß. Suche nicht dich selbst, oder Ehre, Lust und was immer für andere Dinge, neben mir; denn das sind krumme Wege, die müssen gerade werden durch die reine Absicht, mir zu gefallen. Alle höckerichte Vorurtheile sollen eben werden, und in die reinste Sehnsucht, und in die Begierde, mit mir Eins zu werden, sich verwandeln.

19. Dezember

Jesus Christus, gestern, heute und in Ewigkeit derselbe. Lasset euch nicht von mancherlei und fremden Lehren umtreiben, das Beste ist, das Herz mit Gnade zu stärken. Hebr. 13,8.9.
Der Herr bleibet in Ewigkeit. Ps. 19,10.
Die Gnade des Herrn währet (und waltet) von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so ihn fürchten. Ps.- 103,17. und 117,2.

Der Unglaube stützt sich immer auf den Sandgrund: Es ist jetzt nicht mehr, wie vor Zeiten; Gott thut jetzt nicht mehr die Wunder, und offenbaret sich nicht mehr so, wie vor Alters. Er müßte aber aufgehört haben Gott, Heiland, Erlöser und Vater der Menschen zu sein, müßte seine Natur und sein Wesen verändert haben, der Unveränderliche, wenn dies wahr wäre. Habe du nur den Glauben, die Gottesfurcht der Alten, so hast und erfährst du den alten Gott. Alle seine Verheißungen in der Bibel gehen auf ewige Zeiten, auf alle Tage, bis ans Ende. (Matth. 28,20.) Sein Name bleibt ewiglich, so lange Sonne und Mond währet - sein Name wird auf die Nachkommen reichen. (Ps. 72,17.) Alle Geschlechter der Ede sollen in ihm gesegnet werden. (1. Mos. 12,3.) Zu allen Zeiten, in allen Jahrhunderten, aller Orten und Enden ist und bleibt er derselbe, und thut dieselben Wunder, erweiset dieselben Gnaden, wenn nur Empfänglichkeit, Aufnahme, Glaube da ist. Wer nicht denselben Gott, wie die Alten, hat, der hat nicht denselben Glauben, der ist abgefallen vom lebendigen Gott. Wer nicht denselben Christus hat und erfährt, wie die Apostel und ersten Christen, der hat nicht denselben Glauben, wie sie ihn hatten, der ist abgefallen vom christlichen, apostolischen Glauben. Christus ist nie gewesen, wie wir von ihm lesen im Evangelio, oder er ist noch derselbe und bleibet es in Ewigkeit. Warum hat er in seiner Vaterstadt nicht so viele Wunder gewirkt, als in Judäa? Um ihres Unglaubens willen. (Matth. 13,58.) Warum scheint er unserm Jahrhundert nicht mehr derselbe? Um seines Unglaubens willen. Glaube, wie Paulus; liebe, wie Johannes; so hast du den Christus des Paulus, des Johannes.

20. Dezember

Selig sind, die zum Hochzeitsmahle des Lammes berufen sind. Offenb. 19,9.
Freund! wie bist du herein gekommen, da du kein Hochzeitkleid anhast? Matth. 22,12.

Die Hochzeit des Lammes wird herrlich beschrieben. (Offenb. 19) Was für ein Jauchzen und Freudengeschrei wird da gehört (v. 6.7.), wie die Stimme einer großen Schaar, wie das Rauschen vieler Wasser, wie das Rollen starker Donner ertönte es: Lasset uns freuen und frohlocken; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, seine Braut ist geschmückt zur Hochzeit - und wie geschmückt! in glänzender Seide, eine Seide, nicht vom Seidenwurm - doch auch vom Baume, und von einem, der sie am Holze des Kreuzes würkte und sprach: Ich bin ein Wurm und kein Mensch; in dessen Seide, in dessen Gerechtigkeit gekleidet, erscheinet die Braut bei seinem Hochzeitmahle. Sie wird ihr gegeben; und sie nimmt sie und zieht sie an, und erscheinet in seinem Schmucke. Wie herrlich wird die Braut des Lammes dastehen! Wie selig, wer dazu berufen ist, und wer dabei erscheinen wird in der glänzenden Seide seiner Gerechtigkeit, im Hochzeitkleide! Denn der Schmarotzer (Matth. 22.), der kein Hochzeitkleid anhatte und deswegen wieder hinausgeworfen ward, ist ohne Zweifel der Patron derer, die sich die Gerechtigkeit Christi nur so zurechnen, ohne sie anzuziehen und in ihrem glänzenden Schmucke wirklich zu erscheinen. Wenn es heißt: Und es ward der Braut gegeben, daß sie sich kleide in glänzender Seide; die Seide aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen, so ist beides wohl zu merken: Erstens, daß dieses Kleid gegeben, geschenkt, umsonst dargereicht werden muß, daß es sich kein Mensch selber aus eignen Kräften weben kann; und zweitens, daß aber die Heiligen es annehmen, sich zueignen, anziehen und darin wandeln; darum heißt dann die Gerechtigkeit Christi auch die Gerechtigkeit der Heiligen, weil sie Jesum Christum, seinen Sinn und Geist angezogen, sich eigen gemacht haben, und weil das ihr eifriges Streben und Wesen auf Erden ist, daß sie sich stets mit dieser Seide der Braut des Lammes schmücken auf den Tag des Bräutigams, um ihm zu gefallen.

21. Dezember

Ich bin als das Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsterniß bleibe. Joh. 12,46.
Denn es ist die Gnade (Güte und Leutseligkeit) Gottes, unsers Heilandes, allen Menschen erschienen. Tit. 2,11. und 3,4.

Seine Geburt war wie die aufgehende Sonne für eine in Nacht und Finsterniß begrabene Welt. Ja, er ist der Aufgang aus der Höhe, (Luc. 1,78.) der uns besucht hat im Schatten des Todes. In Ihm war das Leben, und das Leben ist das Licht der Menschen. (Joh. 1,4.) Darum rufen die Apostel so freudig: Und das Leben ist erschienen, wir haben es gesehen, und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, welches beim Vater war und uns erschienen ist. (1. Joh. 1,2.) Dieses Leben, dieses Licht ist voll Gnade und Wahrheit, (Joh. 1,14.) voll Güte und Menschenfreundlichkeit. Welch eine Nacht war also die Nacht der Geburt Christi. Da hat die hellste Sonne geleuchtet. Nicht umsonst ward Christus in einer Nacht geboren. Da sollst du sehen, daß mit ihm das Licht in die Nacht dieser Welt herein geboren wurde; daß Alles lauter Finsterniß und schwarze Nacht ist allen Menschen, wenn nicht Christus, das Licht der Welt, in ihnen aufgeht und geboren wird. Wer dieses Lebenslicht nicht hat, ist und bleibet todt und finster in Ewigkeit. Ein todtes Licht hilft den Todten nichts. Ein lebendiges, belebendes Licht mußten Alle, und müssen wir haben. Dieses Licht verlöscht nicht, wenn alle Lichter des Himmels und der Erde verlöschen. Es ist aber erschienen, daß es dir leuchte und du dich von ihm erleuchten lässest, daß du in seinem Lichte wandelst. Denn wenn du jetzt noch in der Finsterniß wandelst und die Werke der Finsterniß liebst, so gehörest du zu den Kindern der Nacht und des Todes, die die Finsterniß mehr lieben, als das Licht.

22. Dezember

Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und sein Leben hingebe zum Lösegeld für Viele. Matth. 20,28.
Damit er uns erlösete von aller Ungerechtigkeit, und uns reinigte zum Volke des Eigenthums, das eifrig wäre in guten Werken. Tit. 2,14.

Er hat wahrhaftig Knechts-Gestalt angenommen, er, der in Gottes Gestalt, göttlicher Natur war, den alle Engel Gottes anbeteten und bereit standen, alle seine Winke blitzschnell zu befolgen - der erscheinet auf Erden, ein Knecht der Menschen zu werden und sich ganz zum Dienste der Menschen hinzugeben. Man sahe auch gar keine äußere Herrlichkeit an ihm, so lange er auf Erden wandelte. Er war der Allerverachtetste und Geringste. Er hat sich, obwohl er der Herr aller Herren war, selbst in die Gefangenschaft begeben, um die Knechte aus ihrer Gefangenschaft zu erlösen. Wenn das ein Mensch, der ein Herr genannt wir, für seine Knechte thäte, so würde man es bewundern, und es wäre doch nichts gegen das, was Gottes Sohn an uns gethan hat. Denn er ist nicht für Seinesgleichen Knecht geworden, sondern, der Schöpfer für seine Kreaturen, ja für gefallene, treulose, sündige und gottlose Kreaturen. Da stelle dich nun hin vor die Krippe des Herrn und betrachte ihn in Beziehung auf dich selbst. Sieh, liebe Seele, der Gott des Himmels und der Erden liegt für dich und um deinetwillen in Knechts-Gestalt in solcher Armuth und Niedrigkeit, mit Windeln gebunden, als ein ohnmächtig Kind. Um deinetwillen diente er wie ein Knecht drei und dreißig Jahre auf Erden, um dich von der Knechtschaft frei zu machen. Und du willst dich ihm, da er nun über Alles erhaben ist und alle Gewalt im Himmel und auf Erden in seiner Hand hat, doch nicht vollkommen ergeben? willst es nicht für die höchste Ehre halten, diesem Herrn zu dienen, der für dich so lange Knecht gewesen ist? Bedenke dieses wohl!

23. Dezember

Siehe, du wirst empfangen in deinem Leibe und einen Sohn gebären. - Dieser wird groß sein, und der Sohn des Höchsten genannt werden. Luk. 1,31.32.
Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnet. Joh. 1,14.
Kündlich groß ist das Geheimniß, Gott geoffenbaret im Fleisch. 1. Tim. 3,16.

Darum schämt er sich auch nicht uns seine Brüder zu nennen. (Hebr. 1,11.) Denn da die Kinder, die er dem Vater zuführen wollte, Fleisch und Blut hatten, wollte er's gleichfalls annehmen, (Hebr. 1,14.) um sie davon zu erlösen. Seine Liebe hat ihn getrieben, Alles mit uns gemein zu haben, nur die Sünde ausgenommen. Es ist ein nie genug zu bewunderndes und anbetungswürdiges Geheimniß: „Das Wort ist Fleisch geworden,“ ein Wort, bei dem die Alten, so oft sie es aussprachen, ihren Hut gezogen und ihre Kniee gebeugt haben. Willst du dieses nicht thun, so beuge sich doch dein Herz. Wir wären ja nie zu Gott gekommen, wenn Gott nicht zu uns gekommen wäre. Wir lagen zu tief im Verderben. Gott mußte von seiner Höhe herabsteigen; keine andere Hand reichte so tief herab; keine Macht, keine Liebe war so groß, uns aufzuhelfen. Nun aber ist unser Glück unaussprechlich, und schon der Gedanke, Gott ein Mensch! Gott im Fleische! sollte uns über Alles erheben und unsre Seele ganz glücklich machen. Allein, Christus außer uns, im Fleische geoffenbaret, kann uns doch nicht sein, was er uns sein soll und sein will: er muß in unserm Fleische, d. h. in uns offenbar werden. Das hat er auch (Joh. 14,21.23.) jedem verheißen. Davon spricht auch Paulus, als von einer unter den Christen bekannten Sache: da Gott seinen Sohn in mir offenbarte rc. (Gal. 1,16.) So unbekannt diese Wahrheit jetzt werden will, so bleibt sie doch die unentbehrlichste, so daß unmöglich ein Mensch Gott gefallen kann, wenn er nicht in Christo und Christus in ihm offenbaret ist.

24. Dezember

Denn da dies dem Gesetze unmöglich war, weil es durch's Fleisch geschwächt war, so hat Gott seinen Sohn gesandt in der Gestalt des sündlichen Fleisches - damit die vom Gesetze erforderte Gerechtigkeit in uns erfüllet würde, indem wir nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln. Röm. 8,3.4.

Nichts Gutes war von uns zu erwarten, ehe er kam; aber nun erwartet Gott Alles von uns, nachdem er uns seinen Sohn und durch ihn Alles geschenket hat. Er erwartet also doch nicht mehr, sondern nur so viel, als er gegeben hat. - Jesu Bild und Wesen soll in uns ausgebildet und wir ihm gleichförmig werden. Dazu ist er uns gegeben. Wer ihn nicht dazu braucht, dem wird genommen, was er hat, oder zu haben scheint. Jesus will sich oder sein Bild und Wesen selbst uns eindrücken, will in uns geboren werden, wachsen und das vollkommne Manns-Alter erreichen. (Ephes. 4,13.) Die wenigsten Menschen wissen, wozu ihnen Jesus gegeben ist, was er ihnen sein will, soll und kann. Wer es erkennet, der kann die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes nicht genug bewundern, der wendet allen Fleiß an, diesen Zweck und die liebenswürdige Absicht Gottes zu erreichen. Der Vater hat seinen Sohn so lieb, daß er in allen Menschen Abdrücke von ihm, sein Bild in ihnen und aus ihnen hervorstrahlen lassen möchte. Es kann ihm und wird ihm in Ewigkeit kein Mensch gefallen, in welchem er nicht Jesum, seinen Sohn, sein Bild und Wesen erblickt. Weißt du nun, mein Lieber! wozu du da bist? was du für eine Aufgabe hast? Es ist Zeit, daß du dazu thust, Jesum in dein Herz, in deinen Sinn und in dein ganzes Wesen aufzunehmen, sonst wird er dir wiedergenommen, wie dem faulen Knecht sein Pfund.

25. Dezember

Und sie gebar ihren erstgebornen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge sonst kein Platz für sie übrig war. Luc. 2,7.
Wer sich nun demüthiget, wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Matth. 18,4.
Der den Geringen aufrichtet aus dem Staube, und erhöhet den Armen aus dem Koth. Ps. 113,7.

Gottes Eingeborner wird der Erstgeborne einer armen Jungfrau, liegt im Stalle, in einer Krippe, in schlechte Windeln gewickelt, der den Himmel ausbreitet wie einen Teppich, der das Meer und alle Enden der Erde wie mit einer Spanne umfaßt. Welche Größe! welche Kleinheit! Gottes Sohn in Windeln! - Da sehen wir ja, was Gott will. Hat Er auch seinen Sohn, wie sie sagen, nur zum Beispiel und Vorbild in die Welt gesandt: nun, so kommt her da und sehet, welch ein Beispiel in der Krippe liegt; kommt her und lernet von diesem Vorbilde der Gottheit Demuth und Kleinheit. Lernet hier euren Stolz, Hochmuth, Eigendünkel, Ehrgeiz, Ruhmbegierde, Selbstgefälligkeit und all das hochherfahrende Wesen ablegen und diesem Kindlein zum Opfer bringen. Der Schöpfer Himmels und der Erde hat kaum ein Plätzchen, wo er geboren werden kann, und eurem breiten und dicken Stolze ist die Welt zu enge und nirgends Raum genug, euch auszubreiten und groß machen zu können, wie ihr gern wolltet. Nun, so sei es, Jesus sei blos euer Beispiel! Lasset es ihn doch sein, werdet so klein, wie er, dann werdet ihr die Größten im Himmelreiche. Versuchet es nur einmal, so werdet ihr bald finden, daß er euch noch mehr werden und sein muß, daß ihr ohne ihn das Kleinste, das Kleinwerden, nicht einmal vermöget; wie wollt ihr denn groß werden?! Fanget erst beim A, beim Kleinwerden an, wie Jesus. Werdet geringe in euren Augen, arm im Geiste, so wird sich dieses kleine, arme Kindlein euch ins Herz legen; wird euch erheben aus eurem Staube und Koth, wird euch groß machen. Denn was ist eure stolze Einbildung und Hoffart anders, als Staub und Koth? Weg damit, zum Kindlein hin! Betrachtet es recht; ergebet euch ihm, so wird etwas aus euch - sonst ewig nichts.

26. Dezember

Und dies sei euch das Zeichen, ihr werdet ein Kind finden in Windeln eingewickelt und in der Krippe liegend. - Und sie kamen eilend, und fanden Maria und Joseph, und das Kind in der Krippe liegend. Luc. 2,12.16.
Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Jes. 9,6.

Ach, daß sich Gott erbarme! Gottes Sohn in Windeln eingewickelt - und in welchen armen, schlechten Windeln - in einer Krippe! Ach, daß sich Gott erbarme! werden die guten Hirten gedacht haben, da sie das Kindlein sahen. Und dies sollte das Zeichen sein, an welchem sie den Sohn Gottes, den Messias, erkennen mußten. An dieses Zeichen haben gewiß alle Zeichendeuter in ganz Israel nicht gedacht. Aber die armen Hirten wußten es jetzt, denn der Herr hat es ihnen zur rechten Sunde noch gesagt. Sei nur fromm und treu deinem Herrn, das Zeichen wird er dir schon sagen. Zerbrich dir den Kopf nicht - zerbrich dein Herz und bereite dem Kindlein eine Wohnung, eine Krippe und Windeln; es wird schon kommen und wird dir schon sagen, wie? und wann? Ich glaube es gern, daß sich die ganze Welt nicht in Gottes Wege, in die Windeln, in einen Heiland in Windeln dargeboten, finden kann; er geht ja gerade lauter solche Wege, die aller Welt entgegen und zuwider sind. Und wer sich in ihn finden will, muß der Welt und ihrem Sinn und Wesen ganz den Rücken kehren, oder er ärgert sich an Gott und Jesu alle Augenblicke. Komm, mein Lieber! wir wollen uns an die Welt nicht kehren; laß sie, komm zur Krippe und ärgere dich an den schlechten Windeln nicht, an der Krippe, am Stalle nicht. Siehe auf das, was drinnen liegt. Was hilft dir ein goldnes Haus, wenn Fledermäuse oder Raubvögel darin wohnen. Ziere und verziere dich nicht nach der Welt Art, bilde dich nicht nach der Menschen Sitte, sondern so, wie es Gott will, rein und klein, arm und gering, so legt dir Gott seinen Sohn ins Herz; und du hast genug.

27. Dezember

Abraham war froh, daß er meinen Tag sehen sollte, und er sahe ihn und freuete sich. Joh. 8,56.
Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; lasset uns freuen und fröhlich sein darinnen. Ps. 118,24.
In denselbigen Tagen will ich dem David ein gerecht Gewächs aufgehen lassen, und soll ein König sein, der wohl regieren wird, und soll Recht und Gerechtigkeit anrichten auf Erden. Jer. 33,15.
Alle Propheten haben von diesem Tage verkündigt. Apstg. 3,24.

Wie lange voraus hat sich Abraham auf die Menschwerdung des Sohnes Gottes gefreuet, und wir sollten uns nicht freuen? nachdem wir die Geschichte wissen und die Gnade derselben an unsern Herzen erfahren können. Wie war das ganze Alte Testament darauf gespannt, wie streckten sie Alle ihre Hälse, wie hoben sie Alle ihre Häupter in die Höhe und schauten nach diesem Tage hin, ob er nicht bald komme! Und so viele Christen, denen der Tag erschienen ist, freuen sich nicht! Doch, wer da weiß und genießet, was ihm dieser Tag der Geburt des Herrn gebracht hat, der kann sich der Freue nicht erwehren. Das gerechte Gewächs, das Jesaja ankündigt, ist aufgegangen; der Baum des Lebens steht da, in den wir uns Alle einpfropfen lassen können, in ihm gerecht und selig zu werden und zur göttlichen Größe heran zu wachsen. Der König ist da, der wohl regiert, der Recht und Gerechtigkeit anrichtet in Allen, die sich ihm als freiwillige Unterthanen unterwerfen und sich ihm ergeben, denn er zwingt Niemand in sein Reich. Er ruft zwar mit Freundlichkeit und macht uns die allergrößten Verheißungen; aber wer sich dadurch nicht ziehen läßt, den beweint er und trägt ihn so lange wie möglich mit Geduld. O des göttlichen Königes! O des herrlichen Tages, der uns diesen König gebracht hat! Doch weißt du auch den Tag, wo er dir geboren, wo er dein König geworden ist?

28. Dezember

Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen. Luc. 2,14.

So sangen Gottes Engel in den Wolken am Tage der Geburt des Erlösers der Welt. So singt nun ewig die erlöste Menschheit; alle Kinder des Friedens, denen wirklich Gnade, Vergebung der Sünden und Friede durch seine Menschwerdung und durch seinen Tod zu Theil geworden ist. So können aber die noch nicht singen, in welchen Christus, unser Friede, (Eph. 2,14.) noch nicht geboren ist. Wo die Sünde und Welt noch lebt und herrscht, kann kein Gesang von Friede und Ehre Gottes Statt haben. Denn so lange der Mensch den nicht in sein Herz aufnimmt, den ihm Gott gesandt hat zu seinem Heile, gibt er Gott die Ehre nicht, und so lange gibt ihm Gott den Frieden nicht. Menschenkind! gib Gott die Ehre, so gibt er dir den Frieden, gibt dir seinen Sohn. Gib Gott die Ehre, bekenne vor ihm, daß du ein verdammter, verfluchter Sünder bist, für welchen Gottes Sohn vom Himmel hat kommen müssen, um seine Schuld und Sünden zu büßen, ihn zu retten und selig zu machen. Erkenne und bekenne dies mit gebeugtem, zerknirschtem Sinne, und bitte Gott um seinen Sohn, daß du seiner aus Gnaden theilhaftig wirst - so gibst du Gott die Ehre, und die Engel Gottes singen dann auch über dir diesen Lobgesang. - Nun hat Gott seine Ehre: darum Friede diesem Menschen! Gottes Wohlgefallen ruht auf ihm. Was hilft dir sonst der Engelgesang, wenn in dir noch der Welt- und Sünde-Klang erschallt, wenn immer kein Friede in dir ist?

29. Dezember

Meine Kinder, welche ich abermal mit Aengsten gebäre, bis daß Christus in euch eine Gestalt gewinne. Gal. 4,19.
Wisset ihr nicht, daß unsere Leiber Glieder Christi sind? - daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist? - darum so preiset Gott an eurem Leibe und Geiste, welche sind Gottes. 1. Cor. 6,15.19.20.

Wozu wäre der heilige Geist in den Herzen der Christen, wenn er nicht Christum in ihnen zeugte und verklärte? Der heilige Geist hat kein ander Amt und Geschäft bei den Menschen, als den neuen Menschen, Jesum Christum, in allen wieder herzustellen, daß in uns Allen das Ebenbild Gottes, welches Christus ist, wieder erneuert und verherrlichet werde. Wie Christus im Leibe der Jungfrau Maria durch den heiligen Geist leiblich gestaltet wurde, so muß er in jedem wahren Christen geistlich gestaltet werden. Das war auch der Sinn der Apostel; darauf gingen sie aus, dafür litten sie oft große Angst und Schmerzen, bis endlich Christus in den Gläubigen eine Gestalt gewann; bis sie Jesum ganz angezogen hatten, Jesu gleich gesinnt waren - nicht nur im gewöhnlichen profanen Sinne der Moralisten, einige seiner Gesinnungen annahmen: nein, Christi Sinn und Geist, Christi Leben und Wesen, Natur und Eigenschaften, nicht durch menschliche, eigne Kraft und Kunst, sondern wiedergeboren, von oben durch den heiligen Geist gezeugt, so daß nicht mehr sie lebten, sondern Christus in ihnen. Das ist wahre, innere Weihnacht, das heißt die Geburt Christi feiern. Wer also das neugeborne Kind in seinem Herzen findet und anbetet, der ist Christi theilhaftig geworden (Hebr. 3,6.), der kann sich der Geburt Christi freuen. Die Uebrigen wissen nicht, was sie thun; sie feiern das Geburtsfest Christi, wie man den Geburtstag eines Fürsten feiert, oder nicht einmal so, weil Christus sie nicht einmal so nahe anzugehen scheint.

30. Dezember

Simeon nahm das Kind auf seine Arme, und lobte Gott und sprach: Nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, nach deinem Wort. - Meine Augen haben dein Heil gesehen, das du bereitet hast im Angesichte aller Völker, das Licht, das die Heiden erleuchten soll, die Zierde des Hauses Israel. Luk. 2,28-32.

Beneide den frommen Simeon nicht - denn du kannst Jesum so nahe, ja noch näher haben, als er. Er hatte ihn in den Armen; Jesus will zu dir in dein Herz kommen und Ein Geist mit dir werden, in dir leben, wohnen und wandeln. Strecke die Arme deiner Seele, Glaube und Liebe, so nach ihm aus, öffne dein Herz dem neugebornen Heiland, so wie Simeon sich nach ihm sein ganzes Leben hindurch sehnte, auf ihn, als den Trost Israels, wartete und keine andre Freude kannte, als ihn zu sehen, und da er ihn sah, nun gern starb. Solche Herzen müssen ihn haben und haben ihn gewiß. Ist nichts in deinem Innern, als die heißeste Begierde, der brennendste Durst nach ihm: so ist er gewiß in diesem Durste, so offenbart er sich gewiß deinem sehnenden, durstenden Herzen so, daß dir die Freude, ihn zu besitzen, über alle Freuden des Lebens geht, und du nun nicht mehr der Welt, nicht mehr dir, nicht mehr der Sünde, sondern nur dem lebst, der sich dir geschenket hat. Ist uns doch Allen dieses Kind geboren. (Jes. 9,6.) Liegt es doch Allen vor Augen in seinem Worte; wird es uns doch durch die Verkündigung des Evangeliums dargeboten und uns ins Herz eingepflanzt. (Jac. 1,21.) Ei! so nimm es doch auf deine Arme, so hebe es doch mit Glauben und Liebe aus dem Worte heraus und schließ es in dein Herz ein; denn es kann und wird deine Seele selig machen.

31. Dezember

Ich dachte: Laß die Jahre reden. Hiob 32,7.
Herr, laß ihn noch dieses Jahr, bis ich um ihn her aufgegraben und Dünger daran gelegt habe. Luc. 13,8.
Ich will ihnen noch Frist geben 120 Jahre. 1. Mos. 6,3.

Wenn deine Jahre reden, was hörst du? Was hört Gott von dir? Was hören deine Mitbrüder? Das Ende, der Schluß dieser Rede, den du daraus ziehen sollst, wird wohl kein anderer als der sein: Thue Buße! Alle deine Jahre rufen dir zu: Bessere dich! - Der Gärtner kommt heute in seinen Garten und sucht Früchte. Wenn er sich nun vor den Baum deines Lebens stellt und deine Jahre frägt, dieses Jahr besonders frägt; was antworten sie? was spricht dieses Jahr von dir? Findet er die erwünschten Früchte? Er hat viele Gnaden an dich gewandt, hat dir viel gegeben: und wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert. - Wenn nun der Vater spricht: So viel Jahre komme ich schon und suche Frucht an diesem Baume und finde keine; haue ihn um! - Wie! wenn wirklich heute dieses im Himmel beschlossen würde! Und könnte es nicht sein? Hättest du es nicht verdient? Ich wohl. - Was wollen wir also thun? Wir wollen uns ohne Verzug und mit ganzem Herzen zu Jesu wenden, vor ihm niederfallen auf unser Angesicht, als vor unserm einzigen Mittler und Versöhner, daß er uns vertritt und für uns bittet beim Vater; so wird er auch für uns, für dich und für mich zu dem Vater sagen: Laß ihn noch dieses Jahr, bis ich um ihn her aufgrabe und Dünger daran lege, vielleicht bringt er dann Frucht. Wo nicht, so kannst du ihn umhauen. - Sieh, der Fürbitte Jesu hast du es allein zu verdanken, daß dir Gott so viel Jahre schenket. Aber vielleicht ist das kommende das letzte. Darum wende es so an, halte dich so an deinen Gott und Heiland, daß er nicht Ursache habe, zu sagen: Haue ihn weg, was soll er das Land umsonst einnehmen. Gott ist sehr langmüthig; das sehen wir an seiner Geduld zu den Zeiten Noahs: Er gab ihnen lange Frist - aber, je länger die Frist, je größer ihre Bosheit. Endlich brach er los mit seinen Gerichten. Der alt Gott lebt noch. Schließe daher dieses Jahr mit besonderm Gebete und innigem Flehen, daß Gott nicht ins Gericht mit dir gehe, sondern dein Herz durch Jesum zur wahren Buße und Besserung erneuere und dir ein Leben nach seinem Wohlgefallen schenke.

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