Gerok, Karl - Der Heimat zu! - 18. Trinitatis.

1885.

(Joh. 9,24-39.) (24) Da riefen sie zum anderenmal den Menschen, der blind gewesen war, und sprachen zu ihm: Gib Gott die Ehre: wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist. (25) Er antwortete und sprach: Ist er ein Sünder, das weiß ich nicht; eines weiß ich wohl, dass ich blind war und bin nun sehend. (26) Da sprachen sie wieder zu ihm: Was tat er dir? Wie tat er deine Augen auf? (27) Er antwortete ihnen: Ich habe es euch jetzt gesagt; habt ihr's nicht gehört? Was wollt ihr's abermal hören? Wollt ihr auch seine Jünger werden? (28) Da schalten sie ihn und sprachen: Du bist sein Jünger; wir aber sind Moses Jünger. (29) Wir wissen, dass Gott mit Mose geredet hat; von wannen aber dieser ist, wissen wir nicht. (30) Der Mensch antwortete und sprach zu ihnen: Das ist ein wunderlich Ding, dass ihr nicht wisst, von wannen er sei; und er hat meine Augen aufgetan. (31) Wir wissen aber, dass Gott die Sünder nicht hört, sondern so jemand gottesfürchtig ist und tut seinen Willen, den hört er. (32) Von der Welt an ist es nicht erhört, dass jemand einem gebornen Blinden die Augen aufgetan hat. (33) Wäre dieser nicht von Gott, er könnte nichts tun. (34) Sie antworteten und sprachen zu ihm: Du bist ganz in Sünden geboren und lehrst uns? Und stießen ihn hinaus. (35) Es kam vor Jesum, dass sie ihn ausgestoßen hatten. Und da er ihn fand, sprach er zu ihm: Glaubst du an den Sohn Gottes? (36) Er antwortete und sprach: Herr, welcher ist es? auf dass ich an ihn glaube. (37) Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist es. (38) Er aber sprach: Herr, ich glaube; und betete ihn an. (39) Und Jesus sprach: Ich bin zum Gericht auf diese Welt kommen, auf dass, die da nicht sehen, sehend werden, und die da sehen, blind werden.

„Suche Jesum und sein Licht, alles andere hilft dir nicht!“ Eine schöne Bestätigung dieses Worts liefert uns unser heutiges Evangelium.

„Dieweil ich bin in der Welt, bin ich das Licht der Welt.“ Diesen erhabenen Ausspruch haben wir schon vor acht Tagen gehört aus dem Munde des Herrn, als er, wirkend so lang es Tag war, sich anschickte, dem Blindgebornen zu Jerusalem das Augenlicht zu schenken. Heute haben wir den Schluss jener Geschichte. Da sehen wir den Herrn sein Gnadenwunder vollenden, indem er dem Blindgewesenen zum leiblichen Augenlicht auch das Geistesauge auftut, bis zu dem Bekenntnis: Herr, ich glaube! Daraus können wir uns alle die Mahnung nehmen: Lass auch du dich heilen von deiner angebornen Blindheit; lass auch du dir dein Geistesauge auftun von dem, der gekommen ist als das Licht der Welt! Suche Jesum und sein Licht, alles andere hilft dir nicht! Aller Glanz und alle Lust der Welt, ja selbst all dein Wissen und Können in weltlichen Dingen es hilft dir nicht zum vollen Heil, ja es verwirrt dich nur und lässt dich im Finstern wandeln, wenn du die Augen verschließt gegen Christum, das Licht der Welt, gegen sein seligmachendes Wort, sein heilbringendes Werk, seine göttliche Person.

Auch das zeigt uns unsere Textgeschichte an jenen lichtscheuen Priestern und Pharisäern, die in ihrer Feindschaft gegen Jesum sich verblenden auch für seine herrlichsten Werke und im hartnäckigen Widerspruch gegen die offenbare Wahrheit sich immer tiefer hineinreden und hineinstreiten in ihre Verbitterung und Verstockung, so dass der Herr endlich die Verhandlung schließt mit dem majestätischen Spruch: Ich bin zum Gericht auf diese Welt kommen, auf dass, die da nicht sehen, sehend werden, und die da sehen oder zu sehen meinen, blind werden. Lasst uns dem weiter nachdenken:

Jesus das Licht der Welt.

  1. Die Blinden, die sein Licht suchen, macht er sehend.
  2. Die Sehenden, die sein Licht scheuen, macht er blind.

Jesu, gib gesunde Augen, welche taugen,
Rühre unsre Augen an,
Denn das ist die schwerste Plage, wenn am Tage
Man das Licht nicht sehen kann! Amen.

Jesus das Licht der Welt.

1) Die Blinden, die sein Licht suchen, macht er sehend.

Das sehen wir an dem Blindgebornen zu Jerusalem, dem der Herr nicht nur das leibliche Auge auftat, sondern den er Schritt für Schritt, auch zum inneren Lichte seligmachender Wahrheit führte bis zu dem Bekenntnis: „Herr, ich glaube! - und betete ihn an.“ Und das ist der Weg, den er auch heut noch mit unseren Seelen gehen will.

Eines weiß ich, dass ich blind war und bin nun sehend. Dies Bekenntnis soll auch das unsere werden in der Schule unseres Heilands.

Meine Lieben, wenn man irgend einen durch Gottes Gnade bekehrten Sünder, einen durch Gottes Wort erleuchteten Christen hört über seinen inneren Lebensgang, über seine Seelenführung seien's die denkwürdigen Bekenntnisse eines Paulus in seinen Briefen, eines Augustinus in seinen Konfessionen, oder seien's die schlichten Erzählungen eines getauften Negers, eines einfachen Christenmenschen aus der Gemeinde, immer wird beim Rückblick auf sein vergangenes Leben das demütige Geständnis hindurchklingen: Eines weiß ich, dass ich blind war.

Nicht leiblich blind, im Gegenteil, ich hatte nur zu gute Augen für alles, was es in der Welt Glänzendes zu sehen, Reizendes zu genießen gibt. Auch nicht geistig blind in natürlichen Dingen; nein, ich hatte meinen Verstand und brauchte ihn; ich hatte etwas gelernt und wusste mancherlei. Und doch war ich blind, geistlich blind, unwissend in dem Einen, was not tut.

Blind war ich über mich selbst, denn ich kannte mich selber nicht, weder meine hohe Bestimmung, noch meinen tiefen Fall; ich hatte nie einen ernsten Blick getan in die Abgründe meines verderbten Herzens, in die Tiefen meines verborgenen Elends.

Blind war ich für meinen Schöpfer und Erlöser. Für die Wege meines Gottes fehlte mir das Verständnis, für die Herrlichkeit meines Heilands hatte ich kein Auge; ich hörte seinen Namen, aber ich dachte nichts dabei; er ging mir zur Seite jahrelang, warnend und mahnend, schützend und segnend, aber ich kannte ihn nicht, meine Augen waren noch gehalten.

Blind war ich für die Welt des Geistes um mich her, für die Güter des Himmelreichs, für die Schätze der Wahrheit in Gottes Wort, für die Werke des Herrn in der Geschichte der Menschheit, für die geistliche und leibliche Not meiner Brüder und für die Seligkeit der Kinder Gottes - für das alles hatte ich kein Auge und kein Herz, kein Verständnis und kein Interesse.

Ich war blind über meinen Weg und mein Ziel. Was hinter dem Grab auf mich warte, wozu ich da sei hier in dieser Welt, was ich tun müsse, um zufrieden zu leben und getrost zu sterben, - über das alles fehlte mir das rechte Licht, in dem allem wusste ich keinen sichern Bescheid.

Das, meine Freunde, ist der natürliche Zustand eines Menschen, ehe die Gnade ihn erleuchtet. „Eines weiß ich wohl, dass ich blind war.“

Ja wenn es nur bei uns allen hieße: Ich war blind! Aber müssen denn nicht viele unter uns bekennen, wenn sie ehrlich sein wollen: Ich bin blind? Diese geistliche Blindheit, wie sie eben geschildert worden - ist sie nicht im Grund der Herzenszustand, in dem viele unter uns dahingehen, ja bei dem sie sich beruhigen, indem sie die höchsten Lebensfragen der Menschheit bei Seite schieben mit dem Bekenntnis: Das lasse ich dahingestellt, über diese Dinge weiß man nichts.

Aber wieviel fröhlicher lautet da das Bekenntnis jenes geheilten Blinden: Eines weiß ich wohl, dass ich blind war und bin nun sehend! Wieviel seliger das Geständnis jenes weiland blinden Eiferers wider den Gekreuzigten: Ich war ein Lästerer und ein Verfolger und ein Schmäher; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan im Unglauben. Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, auf dass an mir vornehmlich Jesus Christus erzeigte alle Geduld, zum Exempel denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben!

Willst nicht auch du dir ein Exempel dran nehmen? Sehnst nicht auch du dich nach Licht? Nach einem tröstlichen Licht für Herz und Geist, fürs Leben und fürs Sterben? Wohlan denn, versuch's auf dem Weg des geheilten Blindgebornen und des bekehrten Saulus und vieler tausend begnadigter Seelen: Suche Jesum und sein Licht, alles andere hilft dir nicht; er aber gewiss!

Und wie geschieht das? Wie macht Jesus die Blinden sehend, die sein Licht suchen?

Seine Mittel und Wege sind mannigfaltig, wie bei seinen leiblichen Wunderheilungen, so bei seinen geistlichen Gnadenführungen. Den Blindgebornen zu Jerusalem schickt er zum Teiche Siloah, den Blinden zu Jericho heilt er mit einem Wort, den verblendeten Saulus umleuchtet ein himmlisches Licht auf dem Felde bei Damaskus, aus dem er die Stimme heraushört: Saul, was verfolgst du mich? dem tiefgesunkenen Augustinus ist es im Garten unter einem Baum, als hörte er die Worte von oben: Nimm und lies! und er eilt ins Haus und schlägt die heilige Schrift auf zu lesen und stößt auf die Stelle (Röm. 13): Lasst uns ehrbarlich wandeln als am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern zieht an den Herrn Jesum Christum!

Den einen umleuchtet das Licht von oben plötzlich, schreckhaft, wie ein Blitz in der Nacht, der ihm den Irrweg zeigt, auf dem er geht, und den Abgrund aufdeckt, an dem er steht, durch irgend eine erschütternde Heimsuchung Gottes. Einem anderen geht das Licht allmählich auf, leise, mild, warm, wie die Morgensonne, die am Kammerfenster heraufsteigt und dem Schläfer ins Gesicht scheint, dass er die Augen öffnet und zu sich selber kommt, wie die zarten Blumen willig sich entfalten - und der Sonne stille halten.

Man kann da einem Menschen nichts anderes raten als: Sei stille dem Herrn und warte auf ihn und folge seinem Wink wie dort der Blinde zu Jerusalem. Eins aber merke dabei: Zuerst legt ihm Jesus seinen heilenden Finger aufs Auge und dann schickt er ihn zum Teich Siloah, sich zu waschen; zuerst die persönliche Berührung des Herrn, dann das natürliche Heil- und Reinigungsmittel.

Auch du, wenn du geistlich sehend werden willst, darfst nicht alles erwarten von einem plötzlichen Wunder, von einer unmittelbaren Erleuchtung. Auch du bist, nachdem der Herr dich einmal angefasst, an die gottverordneten Gnadenmittel gewiesen. Und wer unter uns kennt ihn nicht, den von Gott gesendeten, stillfließenden, heilkräftigen Siloahquell, der blinde Seelen sehend, wunde Herzen heil machen kann, das Wort Gottes mit seiner erleuchtenden und reinigenden, stärkenden und erquickenden Kraft?

Da gehe hin und wasche dich. Da komm fleißig zu schöpfen und netze dir die Augen immer aufs neue und es wird dir ein seliges Licht aufgehen, es wird hell und immer heller werden in dir und um dich und über dir und du wirst mit freudigem Dank es bezeugen dürfen: Eins weiß ich wohl, dass ich blind war und bin nun sehend.

Ob ich auch lang in der Irre lief, gottlob, die Augen sind mir aufgegangen, eh es zu spät war.

Nun kenne ich mich selbst und weiß, was ich bin und was ich werden soll. Nun kenne ich meinen Herrn und Gott und den er gesandt hat, Jesum Christum, das Licht der Welt, und habe bei mir die Leuchte seines Worts und in mir das Licht seines Geistes und vor mir das Erbteil der Heiligen im Licht.

Und ob ich auch noch nicht alles sehe, ob mir auch noch manches dunkel ist in Gottes Wort und Gottes Wegen, noch manches rätselhaft hier in dieser Welt und dort hinter dem Grab: soviel Licht habe ich doch, als man auf Erden haben kann; soviel sehe ich doch, als ein Mensch zu sehen braucht, um christlich zu leben und selig zu sterben.

Und ob auch die Welt mein Glück nicht versteht, meinen Glauben mir anficht, meinen Heiland mir verdächtigt, wie sie's dort dem geheilten Blinden zu Jerusalem machten: meine Erfahrung können sie mir doch nicht wegstreiten, meine Überzeugung dürfen sie mir nicht rauben und ihr Gespött und Gezänk muss nur dazu dienen, mich immer sicherer zu ihm zurückzuführen, nur immer fester an ihn zu binden mit dem dankbaren Bekenntnis: Herr, ich glaube! und mit der demütigen Bitte: Hilf meinem Unglauben!

So, meine Lieben, macht Jesus als das Licht der Welt die Blinden sehend, die sein Licht suchen. Darum suche Jesum und sein Licht, alles andere hilft dir nicht! Ohne ihn kommst du nur immer tiefer in die Nacht hinein. Denn, - wer Ohren hat zu hören, der höre:

2) Die Sehenden, die sein Licht scheuen, die macht er blind.

Das zeigt sich uns im Evangelium an den Priestern und Pharisäern.

Die goldene Morgensonne, wie sie die Lerche ans Licht ruft und zum Lobe Gottes ermuntert, so blendet sie die lichtscheuen Vögel der Nacht, dass sie zornig ihr Gefieder sträuben und ängstlich in ihre Schlupfwinkel zurückweichen.

Als ein solches Eulengeschlecht, welches das Licht hasste, das in die Welt gekommen war, erscheint uns das lichtscheue Priestertum, die aufgeblasene Pharisäerschaft, die den geheilten Blinden vor ihr Inquisitionstribunal stellt, weil sie an die Person Jesu selber, dem eigentlich ihr Hass gilt, sich für jetzt noch nicht wagt. Ihnen gilt das strenge Wort des Herrn: Ich bin zum Gericht in die Welt kommen, auf dass, die da sehen, blind werden.

Die da sehen, das heißt die ohne Jesum zu sehen glauben und darum seinem Licht sich verschließen; die sich für die Alleswissenden halten und darum nichts lernen wollen von ihm und von den Seinen.

Diesen ihren Wissensdünkel verraten ja unsere Pharisäer hier in jedem Wort. Wie aufgeblasen stellen sie sich in ihrer Schriftgelehrsamkeit dem Bettler aus dem Volk gegenüber; wie erhaben dünken sie sich in ihrer Amtswürde auch über den ungelehrten Propheten von Nazareth! „Wir wissen“, heißt es da einmal übers andere. „Wir wissen“, dass dieser Mensch ein Sünder ist. „Wir wissen“, dass Gott mit Mose geredet hat; diesen aber wissen wir nicht, von wannen er ist. „Du bist ganz in Sünden geboren und lehrst uns, willst uns, die Meister in Israel, belehren?“

Ist das nicht ganz der Wissensdünkel und Verstandeshochmut, der nichts lernen will, weil er alles schon besser zu wissen meint; der, in seine Vorurteile verrannt, alles wegwirft, was in sein System nicht passt, und blind ist gegen die unleugbarsten Erfahrungen des Herzens, die handgreiflichsten Tatsachen des Lebens?

Und dieser Wissensdünkel, tritt er nicht in anderer Gestalt auch heute noch und heute mehr als je dem Bekenntnis des christlichen Glaubens, den Tatsachen des christlichen Lebens entgegen? „Du bist sein Jünger,“ sprachen jene Pharisäer zum geheilten Blinden, „wir aber sind Moses Jünger.“ Du bist sein Jünger, sagen sie heute zum gläubigen Christen, so bleibe denn bei deinem alten Glauben, wenn du nichts Besseres weißt; wir aber sind Söhne des neunzehnten Jahrhunderts, Jünger des neuen Glaubens, der darin besteht, dass man nichts mehr glaubt; wir sind Schüler der Vernunft, die alles weiß; darum hast du uns nichts zu sagen, darum haben wir von dir nichts zu lernen.

Aber ihr scharfsichtigen Leute, man kann viel gesehen haben in der Welt und doch blind sein in göttlichen Dingen. Man kann zu Hause sein in allen Gebieten der Natur, von der Zeder auf dem Libanon bis zum Ysop an der Wand, und doch ein Fremdling bleiben in seinem eigenen Herzen. Man kann Bescheid wissen in allerlei menschlicher Kunst und Wissenschaft und doch unwissender sein in Gottes Wort als ein Kind. Man kann feine Lebensart haben in der Gesellschaft und doch recht roh und plump urteilen, wo es gilt, die Geister zu prüfen und die Herzen zu wägen.

Und wer nun in solchem Wissensdünkel sich verschließt gegen das Licht von oben; wer nichts mehr wissen will von Gottes Wort, sich nichts mehr sagen lassen will von bewährten Christen, nichts mehr lernen will in der Schule des Lebens, in welche der heilige, allmächtige Gott ihn nimmt, der sehe zu, dass bei ihm das Wort nicht in Erfüllung gehe: Die Sehenden sollen blind werden, blind für das Licht der seligmachenden Wahrheit. Zuerst mag man's nicht sehen, es ist augenblickliche Laune; dann will man's nicht sehen, es wird stehender Grundsatz; schließlich kann man's nicht mehr sehen, es wird zur anderen Natur; das Organ für die Religion stirbt ab, man wird unempfänglich für die Wahrheit aus Gott.

In solch geistlicher Blindheit stehen die Schriftgelehrten in unserem Evangelium da.

Wie blind sind sie für die Herrlichkeit Jesu! „Wir wissen, dass dieser ein Sünder ist,“ so lautet ihr kurzes Urteil über den heiligen Menschensohn. Und so lautet's heute noch bei so vielen Halbgebildeten, die kurzweg ihn für einen Menschen wie andere erklären und absprechen über seine Person, sein Leben und seine Lehre, weil sie's in ihrem Wissensdünkel nicht der Mühe wert achten, seine nähere Bekanntschaft zu machen und aus seinem Worte zu lernen. Heißt das nicht blind sein?

Wie blind urteilen jene Pharisäer über den geheilten Blinden ab. Statt liebevoll sich in seine Seele hineinzuversetzen und gewissenhaft seine Überzeugung zu achten, stoßen sie ihn aus und tun ihn in den Bann. So spricht der hochmütige Unglaube auch heute ab über Vorgänge im Seelenleben, wofür ihm das Verständnis fehlt, wovon er keine Erfahrung hat; nennt einen redlichen Christen kurzweg einen Heuchler oder einen Schwachkopf und ist unduldsam gegen jeden, der nicht zu seiner Fahne schwört, während er für sich selber alle Duldung in Anspruch nimmt. Heißt das nicht blind sein?

Wie blind sind jene hoffärtigen Priester für ihr eigenes Heil! Statt zu bedenken, was zu ihrem Frieden dient, gehen sie als blinde Blindenleiter samt ihrem Volk dem Verderben entgegen. Und so heute jene Verächter des Evangeliums wem schaden sie mehr als sich selbst? Welche Quellen von Licht fürs Leben, von Kraft fürs Handeln, von Trost fürs Leiden und Sterben verschließen sie sich selbst mit ihrem Unglauben! Heißt das nicht blind sein?

Und wenn dann so eine arme Menschenseele, die auch berufen war zum Erbteil der Heiligen im Licht, sich immer mehr verblendet, verbittert und verstockt gegen das freundliche Licht der göttlichen Gnade und Wahrheit und elend hinlebt und trostlos hinstirbt in ihrer selbsterwählten Finsternis ist das nicht ein trauriger Tatbeweis für das Wort des Herrn: „Ich bin zum Gericht auf diese Welt kommen, auf dass die da nicht sehen, sehend werden, und die da sehen, blind werden?“ Darum suche Jesum und sein Licht, alles andere hilft dir nicht! Diese Mahnung wollen wir heute mitheimnehmen und den Herrn bitten:

Das Leben ist in dir und alles Licht des Lebens,
Lass an mir deinen Glanz, mein Herr, nicht sein vergebens;
Weil du das Licht der Welt, meines Lebens Licht,
O Jesu, bis mir dort dein Sonnenlicht anbricht!

Amen.

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