Gerok, Karl - Das Gebet des Herrn - Morgengebet am Freitag.
Führe uns nicht in Versuchung!
Heiliger Gott, du bist getreu und kein Böses ist an dir; du versuchest niemand zum Bösen, sondern willst, dass der Sünder sich bekehre und lebe. Aber wir bitten in diesem Gebet, dass du uns wollest behüten und erhalten, auf dass uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge und verführe, und ob wir davon angefochten würden, dass wir doch endlich gewinnen und den Sieg erhalten. Herr, du kennst, was für ein Gemächte wir sind, und weißt, dass wir Staub sind. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. O wie viele Versuchungen warten mit jedem Tag und auch heute wieder auf uns in dieser argen Welt, da man stets auf Schlangen gehen muss, die leicht ihr Gift in unsere Fersen bringen! Bald ist es die Welt um uns her, die uns versucht und ärgert durch ihren Hass und ihre Liebe, durch widrige Begegnung und böses Exempel; bald ist es die Lust in unserem eigenen Herzen, von der wir gereizt und gelockt werden. Bald ist es unser Geist, der sich hochmütig auflehnt wider die heilsame Zucht deiner Gebote; bald ist es der Leib, der uns durch Trägheit und Fleischeslust herabzieht in den Staub der Sünde. Bald wird uns die Freude zum Fallstrick des Leichtsinns und des Übermuts; bald reizt uns das Missgeschick zum Murren und zur Ungeduld. Bald sind's die altgewohnten Lieblingssünden, in die wir abermals fallen, trotz so vielen Reuetränen und Bußgelübden; bald ist es eine neue, ungewohnte Versuchung, die uns zu Fall bringt, eh' wir's gedacht. Stolz und Zorn, Neid und Missgunst, Trägheit und Fleischeslust, Menschenfurcht und Menschengefälligkeit, ach, wie viele Stricke, die uns gelegt sind, ach, wie viele Gruben, die uns gegraben sind täglich und stündlich! Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren! Aber du, Herr, bist der treue Hüter Israels! Darum bitten wir dich führe uns nicht in Versuchung, und lass die Versuchung so ein Ende gewinnen, dass wir's können ertragen. Halte du uns an deiner starken Hand und führe uns auf rechter Straße um deines Namens willen. Hilf uns wandeln in den Fußstapfen unseres Herrn und Heilandes und in der Stunde der Versuchung gedenken an den blutigen Martergang, den er am Morgen dieses Wochentags um unsrer Sünden willen angetreten hat, damit wir unter seinem Kreuz unser Fleisch lernen kreuzigen mit seinen Lüsten und Begierden und seinem Vorbilde nach züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Gib uns deinen heiligen Geist zum Führer, dass er unsern Glauben stärke und unser Herz fest mache, damit wir sichere Schritte tun auf dem Weg des Friedens. Himmlischer Vater, nimm uns auch heut in deinen starken Schutz und gnädige Obhut; bewahre uns vor dem Argen, führe uns nicht in Versuchung! Amen.
Mein Gott, in deinen Händen
Liegt dieses Tages Los.
Du wirst mir Segen senden,
Du bist so gut und groß!
Und hast du eine Plage.
mir heute ausersehn,
So lehr mich ohne Klage
Auch finstre Wege gehn!
Für nichts hab' ich zu sorgen,
Als dafür nur allein,
Dir, Herr, mit jedem Morgen
Neu dieses Herz zu weihn.
Heil! wer nach deinem Worte
Verharret im Gebet,
Dabei an jedem Orte
Stets auf der Wache steht!
Bei dem wird das Geschäfte
Der Heiligung vollbracht,
Weil Christus seine Kräfte
Zum Streite tüchtig macht.
Hilf mir, o Herr, besiegen
Die Sünde, Fleisch und Welt:
Nie werd' ich unterliegen,
Wenn deine Hand mich hält.
Amen.
(Anna Schlatter.)