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Funcke, Otto - Vom Beten

Funcke, Otto - Vom Beten

Ich sage - selbst auf die Gefahr hin, daß man es platt findet - : Wenn du beten willst, so spare nicht mit der Zeit; laß dich die Zeit nicht gereuen, die du aufs Gebet verwendest! Es ist beleidigend für die göttliche Majestät, wenn du vor ihr wie „auf heißen Kohlen“ stehst. Kein Wunder, wenn es da zu keiner Gemeinschaft kommt. Wenn wir bei irgendeiner sehr vornehmen und einflußreichen menschlichen Person Audienz haben, so sind wir keineswegs darauf aus, die Zeit zu sparen, sondern suchen vielmehr, sie auszukaufen und von der Weisheit, Macht und Gegenwart dieser Person möglichst Vorteil zu ziehen. Aber wenn wir ehrlich sein wollen (und wir wollen doch alle ehrlich sein, und besonders gegen uns selbst!), so ist unser Gebet, unser Reden mit Gott tausendmal nichts als ein bloßes, eiliges Abmachen. Das ist entsetzlich. Wir sind zu fromm, als daß wir ohne Gebet sein könnten; wir sind aber zu gottlos, um rechte Freude daran zu haben. Wir sind zu gläubig, als daß wir ohne Gebet meinen durchkommen zu können; wir sind aber nicht gläubig genug, wirklich zu glauben, daß es etwas Rechtes hilft. Wir bringen unsern Zoll dar, wie es sich ziemt, und dann sind wir froh, schnell zu unserer Zeitung, zu einem Buche, zur Arbeit, zur Geselligkeit übergehen zu können. Der Stimme aber, die uns zurückrufen will, antworten wir, daß wir keine Zeit mehr haben.

Errötest du nicht bei dem Worte: „Keine Zeit zum Gebet; keine Zeit für die Ewigkeit?“ Wahrlich, das ist absurder als: Keine Zeit zum Atmen….

Jeder Kenner der Kirchengeschichte kann leicht erkennen, daß alle die großen Diener und Arbeiter Jesu, wie Paulus, Augustinus, Luther usw., ihre besonderen und häufigen „Stunden“ hatten, die sie einzig und allein dem Gebete weihten. Sie waren doch wohl noch etwas mehr beschäftigt, als du es bist, und doch, du fühlst, daß du diese Männer schänden würdest, wenn du sie also reden ließest, Die Sache liegt doch wohl tiefer: Im Willen und im Glauben, oder besser, in der Stumpfheit des Willens und im Mangel an Glauben. Vielleicht graut es dir gar, mit Gott allein zu sein, oder es fehlt doch der Zug zu ihm. Du meinst schließlich, auch schon allein fertig zu werden. Oder fehlt, trotz aller Orthodoxie, die kindliche Zuversicht, daß er dich wirklich und wesentlich höre? Wer mit freier Stirn sagen kann, daß bei ihm das Gegenteil von allem der Fall sei, der wird auch nicht sagen, daß es ihm an der Zeit fehle.

„Siehe, er betet!“ (Apg. 9,11). Achten wir auf dieses „Siehe“. „Siehe“ sagt man, wenn man auf etwas Seltenes, Unerwartetes hinweisen will. Dieser geknickte blinde Mann Paulus, diese kniende Gebetsgestalt, diese gefalteten Hände, die vor kurzen noch mit den Ketten rasselten, dadurch er die Christen binden wollte, und die er jetzt mit Bußtränen netzt - das ist ein großes Schauspiel vor Gott. Siehe, er betet; es ist, als ob Gott selbst sagen wollte: das ist etwas, was des Anschauens wert ist; das ist ehrwürdig und gewaltig vor meinem Angesicht; darüber staunen auch die himmlischen Geister.

Was ist alle Herrlichkeit der Welt vor den Augen des Heiligen und Herrlichen in der Höhe? Grasesblüte, welkend Laub! Alle Menschenherrlichkeit ist Eitelkeit vor seinem Angesicht, und zur Torheit macht er aller Menschen Weisheit. Aber hier ist etwas, was sein Staunen erregt; gerade dies, was die Welt verachtet, gerade dies, was sie als Zeichen der schwachen, hinter der Zeit zurückgebliebenen Geister achtet. O, wie so verschieden ist doch das Urteil Gottes und das Urteil der Menschenkindlein! Wie verschieden ist das Maß, womit hier und dort Wert und Unwert der Dinge und der Menschen abgewogen wird!

Ein Mensch, der wirklich betet, das ist also ein großes Schauspiel nach Gottes Urteil, wert, von dem ganzen Himmel und der ganzen Erde bewundert zu werden. Aber liegt nicht auch in diesem „Siehe“ eine erschütternde, demütige Bußpredigt für die „betende“ Menschheit - um von der nicht betenden gar nicht zu reden? Würde Jesus wohl: „Siehe!“ sagen, wenn das Gebet, das nach seinem Urteil Gebet ist, etwas so Alltägliches wäre? Und wenn das „Siehe, er betet“ uns offenbart, daß trotz der Millionen Gebete, die täglich aufsteigen, das wahre Gebet etwas Seltenes ist - wird dann dieser staunende Ausruf des Heilandes nicht zu einer Gewissensfrage für jeden Christen? Was denkst du, Leser? Würde er, der Augen hat wie Feuersflammen, auch in dein Gebetskämmerlein hineinweisen und sagen können: „Siehe, der betet!“?

Quelle: Pagel, Arno - Otto Funcke - Ein echter Mensch - ein ganzer Christ

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