Fuchs, Carl Heinrich - Am ersten Pfingsttage

Fuchs, Carl Heinrich - Am ersten Pfingsttage

von

Dr. Carl Heinrich Fuchs,
erstem Consistorialrath und Hauptprediger in Ansbach.

Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Veste verkündiget seiner Hände Werk, das bekennet mit David freudig jedes Herz, welches in dem weiten Schöpfungsraume der Allmacht ewiges Wirken mit forschendem Auge betrachtet. - Stünde uns nichts anders vor Augen als die reiche Fülle der Natur, so könnte uns Gott schon nicht fremd bleiben, denn, wie der Apostel sagt, sein unsichtbares Wesen, das ist, seine ewige Kraft und Gottheit wird ersehen, so man ihrer wahrnimmt an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt: allein weit reinere Quellen sind dem Auge der Erkenntniß noch geöffnet, auf festerem Grunde, als jener ist, den die Schöpfungswerke bilden, ruhet unser Gottesglaube. Gottes Walten und Wirken gibt sich deutlicher in der Geschichte zu erkennen und die verhüllten Rathschlüsse seines Geistes werden unserm erstaunten Auge sogar in solchen Ereignissen offenbar, die als ein redendes Wort von Gottes liebevollen Ansichten höhere Kunde geben, als irgend ein Gegenstand der Schöpfung es vermag. Ein Fest versammelt heute die Christen, das dem dankbaren Andenken an jene wundervolle und zugleich folgenreiche Begebenheit gewidmet ist, die eine unmittelbare Einwirkung des Geistes Gottes auf das Seelenvermögen auserwählter Männer zu erkennen gibt. Wollten wir dieses Ereigniß lediglich als eine geschichtliche Merkwürdigkeit betrachten, so entzögen wir ihm seine höhere Bedeutung und kein Grund bestünde, daß wir heute mit dankerfülltem Herzen unsere Gebete zu Gott richteten. Nicht das Merkwürdige, sondern nur das Heilbringende kann bei christlicher Gottesverehrung einen Gegenstand frommer Betrachtung ausmachen, denn Lob und Dank soll hier das festliche Opfer seyn und freudig werden wir daran Theil nehmen, wenn es uns in einer ernsten Betrachtung recht klar wird, daß die Wunder göttlicher Herrlichkeit unser Heil zum Zwecke hatten, daß alle Schätze des Friedens und des Trostes, die uns Hülfsbedürftigen zu Theil geworden sind, aus jenen glorreichen Begebenheiten herstammen, welche uns die christliche Festesfeier in lebendigen Zügen zurückführt.

Nach ihnen seyen also unsre Blicke gerichtet und unter Gottes Beistand beschäftigen wir uns mit dem Abschnitte der heiligen Schrift, den wir in folgenden Worten lesen:

Epistel.

Apostelgeschichte 2, l-18

Als der Tag der Pfingsten erfüllet war, waren sie alle einmüthig bei einander. Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel, als eines gewaltigen Windes, und erfüllete das ganze Haus, da sie saßen. Und man sähe an ihnen die Zungen zertheilet, als wären sie feurig; und er satzte sich auf einen jeglichen unter ihnen. Und wurden alle voll des heiligen Geistes, und fingen an zu predigen mit andern Zungen, nach dem der Geist ihnen gab auszusprechen. Es waren aber Juden zu Jerusalem wohnend, die waren gottesfürchtige Männer, aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist. Da nun diese Stimme geschah, kam die Menge zusammen, und wurden verstürzt: denn es hörete ein jeglicher, daß sie mit seiner Sprache redeten. Sie entsatzten sich aber alle, verwunderten sich, und sprachen unter einander: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darinnen wir geboren sind? Parther und Meder und Elamiter, und die wir wohnen in Mesopotamia, und in Judäa, und Cappadocia, Ponto und Asia, Phrygia und Pamphylia, Egypten, und an den Enden der Lybien, bei Cyrenen und Ausländer von Rom, Juden und Judengenossen, Creter und Araber: wir hören sie mit unsern Zungen die großen Thaten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle, und wurden irre, und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Die andern aber hatten ihren Spott, und sprachen: Sie sind voll süßen Weins. Da trat Petrus auf mit den eilfen, hub auf seine Stimme, und redete zu ihnen: Ihr Juden, lieben Männer, und alle, die ihr zu Jerusalem wohnet, das sey euch kund gethan, und lasset meine Worte zu euren Ohren eingehen. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr meinet, sintemal es ist die dritte Stunde am Tage. Sondern das ists, das durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott: Ich will ausgießen von meinem Geiste auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Aeltesten sollen Traume haben; und auf meine Knechte, und auf meine Mägde will ich in denselbigen Tagen von meinem Geiste ausgießen, und sie sollen weissagen.

„Wisset ihr nicht,“ sagt der Apostel, „daß ihr Gottes Tempel seyd und daß der Geist Gottes in euch wohnet.“ - Er verkündet dies einer Christengemeinde, um sie an den höchsten Vorzug zu erinnern, dessen sie gewürdigt werden konnten. Was kann dem Menschen eine höhere Würde geben, als wenn er die Wohnung des göttlichen Geistes ist? Welches Gut, welche Gabe, welche Labung wird ihm köstlicher seyn, als wenn unter den wechselnden Ereignissen des Lebens, unter den Drangsalen stiller Sorgen oder bitterer Leiden jener Friede Gottes in seiner Seele waltet, den die Welt nicht, sondern nur der Geist Gottes zu geben vermag? Ruhe, Muth, Vertrauen, Hoffnung und Liebe leben in der Brust, die Gottes Geist verklärt und erleuchtet hat; äussere Unglücksstürme werden sie nicht erschüttern oder zur Beute trostloser Verzweiflung werden lassen, wenn der Friede Gottes ihr Eigenthum geworden ist.

Blicken wir nun mit verlangender Seele nach diesen Vorzügen, so verkündet uns das heutige Fest, daß sie uns zu Theil geworden sind und haß es nur von uns abhänge, uns ihrer Wirkungen zu erfreuen. Wir haben sie nicht selbst gebildet, sondern von oben, von dem Vater des Lichts sind sie gekommen, und nur das ist unser Werk, daß wir sie nicht verschmähen oder gleichgültig zurück weisen, sondern mit freudiger Bereitwilligkeit uns ihrem Einflusse hingeben. In einfachen Zügen ist uns jene Begebenheit erzählt, welche die heilbringende Anstalt der christlichen Kirche begründete, damit die Verkündigung des Heils sich durch alle Zeiten erhalte. Einmüthig waren die Jünger des Herrn beisammen, da erfüllte ein Brausen das Haus, in dem sie waren, und sie wurden voll des heiligen Geistes und vermochten dadurch die Lehre von der Erlösung durch Christum mit einer Klarheit und hinreissender Kraft zu verkündigen, daß alle von Staunen ergriffen wurden, welche jene unbedeutenden, schüchternen Männer vorher gekannt hatten. Verhehlen wollen wir es uns nicht, daß diese Erzählung vielerlei Deutungen und Erklärungsweisen dulden muß. Bald sollen es innere Bilder des aufgeregten Seelenzustandes der Apostel, bald auch nur ein Sturm der Elemente gewesen seyn, der die Schwachen am Geiste so ergriffen habe, daß sie Zeichen und Wunder sahen, wo nur natürliche Kräfte in Aufruhr waren. Ja! schon zu jener Zeit wollten die Feinde des Gekreuzigten in der begeisterten Rede nur die Wirkungen der Trunkenheit wahrnehmen, so daß Petrus zu ihnen sprach: „Lieben Männer, diese, die ihr sehet, sind nicht trunken, wie ihr wähnet, denn es ist noch frühe am Tage,“ sie zeigen vielmehr, daß des Propheten Verheissung in Erfüllung gegangen sey, nach welcher der Herr über seine Boten in denselbigen Tagen seinen Geist ausgießen werde. An diesen klaren Worten halten wir; uns ist diese Begebenheit nichts anders, als die Ausgiessung des heiligen Geistes auf eine sichtbare Weise über jene ersten Boten des Evangeliums und wir halten es dieses festlichen Tages für würdig, das Erfreuliche der Wirkungen des heiligen Geistes zu betrachten, um dadurch unsere Dankgefühle zu erhöhen. Fassen wir diese Wirkungen in einer Uebersicht zusammen, so theilen sie sich in folgende Zweige:

  1. Sie begründeten die christliche Kirche durch die Erleuchtung der ersten Lehrer;
  2. Sie erhalten die Kirche durch das göttliche Wort, durch welches der Geist Gottes wirkt;
  3. Sie sind segensreich in immer neuen Früchten des Glaubens und, der Besserung;
  4. Sie verbreiten fortwährend das seligmachende Wort am Kreuze ungeachtet aller Anfeindungen.

1.

Also zuerst auf das Entstehen der christlichen Kirche laßt uns einen Blick richten. War sie vielleicht ein Erzeugniß fortgeschrittener Geistesbildung, die auf einer gewissen Stufe angelangt, viele in ihren reineren Vorstellungen von göttlichen Dingen zur kirchlichen Vereinigung hinführte, und sich durch ihre edle Zwecke bei den Bessern im Volke auf alltägliche Weise Eingang zu verschaffen wußte? - An solchen Behauptungen fehlt es nicht, welche in dem frei gewordenen Menschengeiste die einzige Ursache finden wollen, daß die Hülle des Aberglaubens fiel und die Thorheit des Götzendienstes unter den Heiden vernichtet wurde; allein dem Unbefangenen genügt nicht solche Deutung, die weder in den Verhältnissen der Zeit, noch in der Geisteskraft des Menschen ihre Bekräftigung findet. Ein hoher Grad von Ausbildung herrschte in den Schulen jener Weisen in Rom und Griechenland, noch jetzt gelten ihre Werke für uns als Lehrmeister in vielen Zweigen der Wissenschaft, und doch ging die erfreuliche Verheissung vom Heile der Sünder und die siegende Kraft des Christentums nicht aus jenen Schulen hervor, sondern es war das Wort göttlicher Offenbarung, welches durch schlichte Männer, unerfahren in allen Künsten der Beredsamkeit, fremd der Gelehrsamkeit ihrer Zeit, ohne Ansehen und Anhänger, anfangs eingeschüchtert von übermüthigen Gesetzlehrern, unvorbereitet zu einem höhern Beruf, mit einem Male verbreitet wurde und aus innerer Kraft, die ihm der Gottesgeist mitgetheilt hatte, sich zahlreiche Verehrer verschaffte. Ausgerüstet mit keinen andern Waffen, als mit jenen des Geistes, die ihnen auf wundervolle Weise verliehen waren, entwickelten die Apostel die Schätze der Sprachen, die alle Hörer mit Erstaunen, die meisten Herzen mit Begeisterung, die unbefangenen Seelen mit Verlangen erfüllten, sich um das Panier des Weltheilandes zu vereinigen, der sich in dem Verschmäheten und Gekreuzigten als solchen, den die Propheten lange verheißen hatten, zu erkennen gegeben hatte. Zum Theil fielen die ersten Worte auf unfruchtbares Land und erweckten den Haß der Widersacher, die durch Blut und Tod des Herrn nicht versöhnt waren; Verfolgung, Schmach und Verderben war daher das gewisse Loos der Apostel und doch folgten sie freudig dem innern Beruf, der ihnen durch die Erleuchtung klar geworden war. Nicht Gewalt noch Widerlegungen konnte die Kraft ihrer Predigt dämpfen, sie verkündigten Vergebung der Sünden allen, die an Christum glaubten und erndeten oft den herrlichen Lohn, daß der heilige Geist alle erfüllte, die ihren Worten zuhörten (Ap. Gesch. 10.).

Auf diese Art bildete sich eine Gemeinschaft und der Christenglaube wurde zum Grundstein einer Kirche, die allenthalben Segen, Trost und das Gedeihen der Liebe verbreitete, wo nur immer ihre Strahlen hinreichten. Nicht die Apostel waren es, denen wir die Entstehung der christlichen Kirche verdanken. Wir ehren zwar ihren frommen Muth, ihr standhaftes Vertrauen, ihre großmüthige Hingebung an Gottes heiligen Willen; aber was hätten diese schwachen, ungerüsteten Männer gegen die Zahl mächtiger Feinde und tiefgewurzelter Meinungen vermocht, wäre Gott nicht mit ihnen gewesen, hätte Gottes Geist nicht die Nacht ihrer Seelen erleuchtet, wären sie nicht von dem Allerbarmer als die Zeugen jener heilbringenden Lehre ausersehen worden, damit alle Welt erkennen möchte, es sey nicht Menschenwerk, sondern Gottes ewiger Rathschluß, der die christliche Kirche auf dem ewigen Felsen des Christenglaubens erbauet wissen wollte.

2.

Schon die Gründung der christlichen Kirche durch die unmittelbare Einwirkung des heiligen Geistes fordert uns zu gerührtem Dank auf; allein trauernd müßten wir um ihre Ruinen stehen und müßten uns genügen lassen an den Spuren ehemaliger Herrlichkeit, wie von so vielen Prachtgebäuden früherer Zeiten, wenn Gottesgeist die Kirche nicht bis auf unsere Zeiten erhalten hätte und ewig erhalten würde. Sagt uns doch die Erfahrung des eigenen Lebens, daß kein edles Werk ohne Anfechtung bleibe; aber mehr als irgend ein anderes mußte die Kirche Christi solches erfahren. Mit immer neuen Waffen versuchten ihre Feinde sie zu bekämpfen. Bald wurden ihre einfachen Lehren mit fremden Zusätzen vermengt, bald der Sinn ihrer tröstenden Verheissungen verdunkelt, bald wurde das fromme Bemühen ihrer ersten Verkündiger verdächtig gemacht, bald die Weisheit, welche von Gott ausgeht und beseligt, als Thorheit verkündigt. - Tausend Verbindungen sind in dem Laufe von Jahrhunderten gelöst worden und auch die christliche Kirche hätte dem Geschick des Wechsels nicht entgehen können, wäre die Kraft des heiligen Geistes nicht ihr Erbtheil geblieben. Vorüber ging zwar jene Zeit, in der die Auserwählten des Herrn von seinem Geiste auf wundervolle Weise erleuchtet wurden; allein jener tröstende Geist, den er vor seinem Scheiden den Jüngern verheissen hatte, ist uns geblieben und er ist unter uns und mit uns, wenn wir in seinem Namen versammelt sind. Jene Quellen, aus denen er uns zustießt, sind uns nicht entzogen. Die heilige Schrift ist und bleibt jenes kräftige Wort, in welchem Gottes Geist immerfort wirksam ist. Wenn Lehre und Ermahnung durch menschliche Zusätze ihre Wirkung verloren, wenn der Unglaube und Aberglaube sich unter christlichen Völkern wieder einen Thron erbauet hatte, wo kam Hülfe und Rettung her als einzig aus der heiligen Schrift? Sobald sich redliche Männer wieder zu ihr gewendet und aus der Vergessenheit sie wieder hervorgezogen und zum Gemeingute des Volks gemacht hatten; so bald aus ihr die Kenntniß von dem Reiche Gottes, von dem Rufe zur Seligkeit, von der Buße und Bekehrung geschöpft wurde, blühete die christliche Kirche wieder in ihrer einfachen Herrlichkeit und verbreitete wieder Trost, Friede, Beseligung in allen Herzen, die den Ruf des Herrn nicht verschmäheten, sondern mühselig und beladen, bei ihm Erquickung suchten. War dies allein die Frucht menschlicher Anstrengung? - Nein, es war Gottes Geist, der Erhaltung und Segen gab, der die menschliche Kraft erhob und sie mit Erleuchtung und Nachdruck ausrüstete, der die schwache Hand stärkte, damit sie den Sieg erringen konnte.

3.

Und welches sind die Früchte dieses Siegs? - Köstlich müssen sie seyn, sonst wäre unsere Festesfeier ein leeres Gepränge und unsern Dankgebeten fehlte der rechte Gehalt. Als des Menschen höchsten Vorzug rühmen wir es, wenn er weise und gut ist. „Siehe die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und das Böse meiden, das ist Verstand,“ lesen wir bei Hiob und bei Sirach heißt es, „die Weisheit des Geringen bringet ihn zu Ehren.“ Woher schöpfen wir aber diese fromme Weisheit? Nicht aus der Tiefe des eigenen Forschens und Denkens, wie manche wähnen. Sie stammt von Gott und ist eine Frucht jener Wirkungen, die Gottes Geist fortwährend an unsren Seelen ausübt. Wo der Geist des Herrn nicht mit uns wäre, würde die heilbringende Erkenntniß der Wahrheit von der Erlösung und Beseligung weder erlangt noch erhalten werden; wo der Geist des Herrn das verkehrte Herz nicht zur Buße und Bekehrung leitete, das Verlangen nach Besserung nicht weckte, den wankenden Willen nicht kräftigte, da würde der Sündentaumel nicht schwinden und wir würden die Straße des Verderbens nicht verlassen. Wo der Geist des Herrn uns nicht heiligte, vermöchten wir den nicht zu lieben, der uns doch so überschwengliche Liebe erwiesen hat. So ist also unser Fest nicht einer vergangenen Begebenheit allein gewidmet, sondern der Gnadengabe, die täglich noch unter uns lebt und wirkt. Unzählbar sind die Winke, Führungen und innern Anregungen, die von dem Geiste Gottes ausgehen und mit einer unerklärbaren Kraft ist Gottes Wort ausgerüstet für jeden, der sein Heil in demselben sucht. Es bringt sichere Erkenntniß in die Seele, welche ohne dasselbe vom Winde unsteter Meinung bewegt wurde, es verbreitet Trost in dem Herzen, das von Gewissensvorwürfen zerrissen wird, es erweckt Zuversicht zu Gottes Gnade und Barmherzigkeit, wo vorher quälende Zweifel herrschend waren; es gibt Kraft und Muth, um dem Dienste der Sünde, ohnerachtet aller ihrer Lockungen, zu entsagen und der frommen Tugend, den Werken des Wohlthuns und der Liebe sich zu weihen. Gottes Geist ist also noch immer die Kraft, welche erleuchtet und heiliget und freudig bekennen wir ihre segnenden Wirkungen und erblicken in jeder gebesserten Seele die Fortdauer jener Wirkungen, die au wundervolle Weise am Pfingstfeste an den ersten Boten des Christenthums sich zu erkennen gaben.

4.

Also bis zu unsern Tagen können wir die Spuren der heilbringenden Wirkungen des heiligen Geistes verfolgen. Sollte ihnen vielleicht jetzt ein Ziel gesetzt seyn? - Wäre es so, dann würden die Jahrhunderte des Segens, den sie über viele Völker durch die Erleuchtung des Christenthums ausgegossen haben, nur als Denkmäler der erloschenen Gnade Gottes dastehen und wir müßten bitter beklagen, daß alle nachfolgenden Geschlechter, so wie alle, zu denen das Licht des Christenthums bis jetzt noch nicht gedrungen ist, keinen Theil an jenen beseligenden Wirkungen mehr nehmen könnten; allein so ist es nicht; schon Sirach spricht: „Der Herr gibt Gnade dazu, daß sein Rath und Lehren fortgehen,“ und der Apostel, von der freudigen Ueberzeugung durchdrungen, daß Gottes ewigem Rathschluße am Heile der Welt nie ein Ziel gesetzt sey, ruft aus: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes!“ Die Gaben des heiligen Geistes, welche am Pfingstfeste über die Apostel ausgegossen wurden, damit die Erlösung und Heiligung über allerlei Völker komme, haben nie ein Ende genommen und werden auch nie aufhören in den Herzen jener, die Christum suchen und lieben, ihre Wirkungen zu beweisen. Der Ausdruck des Wundervollen ist zwar erloschen, allein die Kraft der Erkenntniß und Beseligung ist und bleibt mit dem göttlichen Worte verbunden. In seiner Betrachtung ist uns das Mittel gegeben um das neue Leben zu beginnen, zu dem wir berufen sind, es enthüllt uns die Schätze der Erkenntniß, welche die beunruhigende Nacht der Zweifel besiegen, es zeigt uns, wie wir Gott fürchten, Liebe üben und die Früchte unseres Gottesglaubens zu erkennen geben sollen, es läßt uns Gottes ewiges Erbarmen in der Erlösung von der Sünde Tod erblicken, es bereichert uns mit den reinsten Antrieben eines tugendhaften Lebens und bereitet uns vor mit frommer Ergebung, um die Sterbestunde zu bestehen, wenn der Herr uns ruft. Unergründlich ist die Segensfülle des göttlichen Wortes und wer zu ihm sich wendet, in dessen Seele wirkt Gottes heiliger Geist fortwährend die Früchte des ewigen Lebens.

Wie der einzelne Christ durch dasselbe erquickt und gestärkt wird, eben so wird es auch des Geistes Licht solcher Männer, die berufen sind, Gottes Willen und Verheissung zu verkündigen. Aller Verstand, alle Gelehrsamkeit, alle Klugheit, alle Schärfe der Urtheilskraft und alle Kunst der Beredsamkeit ersetzet nicht den Mangel des göttlichen Wortes. Manche können von jenem Schimmer der Bildung, den die Welt gibt, ergriffen werden, dagegen bleiben die Herzen jener gegen sie kalt und ungerührt, welche in Christo ihr Heil suchen. Sobald aber der Lehrer mit der einfachen Kraft des göttlichen Wortes sein Ziel zu erreichen sucht, so ist er des reichen Erfolgs gewiß. Sein Werk ist dann aber auch das Geringste, was dabei zu rühmen ist; denn nicht der menschliche Geist hat ihm offenbart, was zum Heile der Menschen verkündiget wird, sondern „die Tiefe des Reichthums, beides der der Weisheit und Erkenntniß Gottes“ haben dem Lehrenden Gedanken und Ausdruck geliehen, durch die er die Herzen zu Christo führt, und gerne wird er mit Demuth bekennen, nicht mir, sondern Gott allein gebührt die Ehre.

Die Gaben der Apostel sind also nicht erloschen, ihre Sprache ist nicht verklungen, sondern sie leben fort durch das Wort Gottes, was sie uns hinterlassen haben. Durch dieses wirkt noch jetzt der heilige Geist Erleuchtung, Besserung und Beseligung. Dessen freuen wir uns an diesem Feste vor Gottes Angesicht und rühmen seine Thaten, indem er in einem wirklichen Ereignisse, welches alle Zeugen mit Staunen erfüllte, und das uns in der heiligen Geschichte von unverwerflichen Zeugen erzählt wird, es vor Augen gestellt hat, daß seine ewige Kraft und Gottheit den Bau des Christenthums gegründet habe, unter dessen schirmenden Hallen wir alle sicher ruhen.

Wie können wir dem Herrn genug danken, daß er uns solche Zeugnisse seiner ewigen Liebe hingestellt hat, die uns fortwährend erinnern, daß seine Gnade und Güte am jedem Morgen neu ist! - Worte thun es nicht und auch unsere Dankgefühle sind nur unvollkommene Opfer der Anbetung, wenn Gesinnung und That nicht damit übereinstimmt. Ein Tempel des heiligen Geistes sollen die Christen seyn, so verkündet es der Apostel. Im Bilde zeigt er uns, wie nur das Reine, Edle, Gottgefällige in uns wohnen und wirken soll. Unsere Gesinnungen sind die Wurzeln unseres äußeren Thuns, im Herzen entfalten sich die Keime des frommen Handelns; daß also in der Tiefe der Seele das gebesserte Leben beginne, daß der Wille sich hingebe an Gottes heilige Gebote, daß wir mit Abscheu nach der Sünde blicken und ein Verlangen haben nach der Gerechtigkeit und Heiligung, solches allein sind würdige Früchte die aus dieser Festesfeier für uns reifen.

Unvermögend sind wir zwar, diese Früchte hervorzurufen, denn wer kennt nicht die Schwäche des menschlichen Herzens, den Wankelmuth des Willens, das Unsichere unserer Vorsätze; allein in den Stunden der Versuchung, wo der Reiz der Verführung uns Gefahr droht, wo Leidenschaft und Genußsucht ihre Stimmen erheben und den Geist verblenden, da zeigt uns der Blick nach diesem Feste, daß Gottes Gnade nicht aufhöre, daß sein heiliger Geist noch wirke in allen, die den Herrn aufrichtig suchen und nach dem trachten, was ihm wohlgefällt. Der Weg zu ihm ist uns nicht verschlossen, im Gebete haben wir Zugang zu ihm und mit vollem Vertrauen auf Erhörung betet der Christ: „Verwirf mich nicht vor deinem Angesicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.“ Amen.

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