Fries, Nikolaus - Andachten
1. Buch Mose
Aber ein Nebel ging auf von der Erde und feuchtete das Land. Und Gott der HErr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und Er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.
(1. Mose 2,6-7.)
Durch Gottes eingehauchten Odem eine lebendige Seele! Das ist des Menschen höchster Adel! er ist „von Gott!“ Seine Seele ist Gottes eigen. Welch ein Kommen des allerhöchsten Gottes, als Gottes Odem zum Erdenkloß kam und ward nun eine lebendige Seele! Vorher ging ein Nebel auf von der Erde. Das größte Schöpfungswunder sollte wie hinter dem Vorhang geschehen. Es hängt auch noch immer wie ein Wolken-Vorhang darüber und wir könnens nicht durchschauen, dass Gottes Odem und die Menschenseele Eins sind. Aber das wissen wir wohl, dass die Seele unruhig bleibt in uns, bis dass sie ruht in Gott. Woher kommts? Weil sie zurücktrachtet zu ihrem Ursprung; weil sie ist wie ein Kind in der Fremde, voll Bangen und Sehnen, bis sie zu Hause ist.
Gehts deiner Seele auch so, Lieber? Dann ist sie lebendig. Doch gibt es viele arme Seelen, die sind erstorben und verdorben. Sie atmen freilich, d. h. die Luft zieht aus und ein in der Brust, aber mehr ists nicht, es ist nur ein leiblicher Vorgang; Seele, Odem Gottes ist nicht dran zu spüren! Wir wollen uns doch recht prüfen, wie es mit unserer armen Seele beschaffen ist: der Odem Gottes trachtet immerdar nach oben; solches Atmen lautet: „Nur selig! nur selig!“ Amen. (N. Fries.)
Hesekiel
Und Ich will euch ein einträchtiges Herz geben und einen neuen Geist in euch geben, und will das steinerne Herz wegnehmen aus eurem Leib und ein fleischernes Herz geben.
(Ezech. 11,19.)
Das steinerne Herz in uns ist die Ursache alles Haders. Kain hatte ein steinernes Herz; Jakob, als er seinem Bruder die Erstgeburt stahl; die Brüder Josephs, als sie ihn verkauften; Saul, da er den Speer nach David warf; David, als er den Uriasbrief schrieb; ja das ganze Volk von der Wüstenzeit her, bis dass die Zeit erfüllt war. Nie und nirgends aber ist die steinharte Natur des Menschenherzens so offenbar geworden, als da der Sohn Gottes in die Welt kam, von Herodes an, der die Kindlein mordete, bis dahin, wo sie schrien: Kreuzige, kreuzige Ihn! - Und wer unter uns seine eigene, inwendige Herzensbeschaffenheit kennt, der wird selbst genug zu sagen haben vom steinernen Herzen. Wie viel Hammerschläge des Gesetzes haben wohl dazu gehört, es zu zersprengen? und wie viel heiße Liebesglut, um es zu zerschmelzen? Wenns denn nur endlich ein Fleischernes geworden ist! Der neue Geist, der tuts. Seit jenem ersten Pfingsttag ists geschehen; von daher stammt der wunderbare Herzenstausch. So prüfe sich denn jeder, ob ihm das steinerne Herz genommen und das fleischerne gegeben sei! Ach, sprichst du wohl, es sind aber noch harte Stellen da, die machen mir viel Plage. Wirfs auf den HErrn! Er sagt: Ich wills tun, Ich will wegnehmen, Ich will geben! Nicht du! so halt Ihn doch beim Wort! Amen. (N. Fries.)
Ich will aber gedenken an Meinen Bund, den Ich mit dir gemacht habe zur Zeit deiner Jugend, und will mit dir einen ewigen Bund aufrichten; da wirst du an deine Wege gedenken und dich schämen.
(Ezech. 16,60-61.)
Das Leben ist kurz: Wann willst du gedenken an deine Wege und dich schämen, der du in dieser Stunde das Wort liest? Der ewige Bund ist längst geschlossen, er ist mit Blut besiegelt, mit dem Blut Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Dieser ewige Bund ist auch mit dir geschlossen, denn Christus ist auch für dich gestorben, um deiner Sünde willen dahingegeben, und um deiner Gerechtigkeit willen auferweckt. Der HErr gedenkt an diesen Bund, den Er mit dir gemacht zur Zeit deiner Jugend. Aber deine Wege!? wohin haben die dich geführt? weit, weit hinweg, nicht aufwärts, o nein, vielleicht abwärts; nicht zu den ausgebreiteten Armen auf Golgatha, o nein, in ganz andere Arme, die auch nach dir ausgebreitet waren, verlockend, verführerisch, zu deinem Verderben! Gedenke doch an solche Wege und da wärs wohl Zeit, dich zu schämen! Lieber jetzt als zuletzt. Wir wollen's uns doch recht lebendig vor Augen stellen, wie das sein müsste, wenn wir vor dem Richterstuhl Christi uns schämen müssten. Das wäre nichts anderes, als der Wurm, der nicht stirbt, und das Feuer, das nicht verlöscht. Darum doch lieber jetzt als zuletzt! Amen. (N. Fries.)