Kirchengeschichte des Eusebius - Buch 2

Kirchengeschichte des Eusebius - Buch 2

Was in einer Einleitung zur Kirchengeschichte über die Gottheit des erlösenden Wortes, das Alter unserer Glaubenslehren, die Altehrwürdigkeit des evangelischen Wandels der Christen, vor allem über die erst kürzlich erfolgte Erscheinung Christi, sein Leiden, die Auswahl seiner Apostel zu berichten war, haben wir in dem vorigen Buch kurz dargelegt. In diesem Buch nun wollen wir die Ereignisse nach der Himmelfahrt untersuchen, wobei wir zum Teil die göttlichen Schriften benützen, zum Teil auch auf Grund profaner Schriften berichten werden, die wir bei Gelegenheit anführen wollen.

1. An Stelle des Verräters Judas wurde zunächst Matthias durch das Los zum Apostel gewählt, der auch, wie erwähnt, einer von den Jüngern des Herrn war. Unter Gebet und Handauflegung der Apostel wurden als Diakone für den Dienst an der Gemeinde sieben bewährte Männer bestellt, die sich um Stephanus sammelten. Dieser war nach dem Herrn der erste, der getötet wurde; schon gleich nach seiner Wahl wurde er, wie wenn er eben dazu erhoben worden wäre, von den Mördern des Herrn gesteinigt. Er erwarb sich also als erster den von seinem Namen angedeuteten Kranz der Märtyrer Christi, welche des Sieges würdig sind. Jakobus, der Bruder des Herrn genannt wird, weil auch er Sohn des Joseph hieß - Joseph war Christi Vaters; wie die heilige Schrift der Evangelien lehrt, fand man, daß die ihm verlobte Jungfrau, noch ehe sie zusammenkamen, vom heiligen Geist empfangen habe -, dieser Jakobus, dem die Alten wegen seiner sittlichen Vorzüge den Beinamen „der Gerechte“ gaben, erhielt damals, wie die Geschichte überliefert, als erster den Bischofsstuhl der Kirche von Jerusalem.

Klemens schreibt im sechsten Buch der Hypotyposen: „Petrus, Jakobus und Johannes sollen nach der Himmelfahrt des Heilands, weil sie schon vom Heiland mit besonderen Ehren ausgezeichnet worden waren, nicht um Geltung gestritten, sondern Jakobus den Gerechten zum Bischof von Jerusalem gewählt haben“. Im siebten Buch des gleichen Werkes erklärt er auch noch über ihn: „Der Herr gab nach seiner Himmelfahrt Jakobus dem Gerechten, Johannes und Petrus die Gnosis, welche diese den übrigen Aposteln, die übrigen Apostel den Siebzig, unter denen auch Barnabas war, weitergaben. Es gab aber zwei Männer mit Namen Jakobus. Der eine war Jakobus der Gerechte; dieser wurde von der Zinne des Tempels herabgestürzt und von einem Walker mit einem Stück Holz totgeschlagen. Der andere wurde enthauptet“.

Jakobus des Gerechten gedenkt auch Paulus, wenn er schreibt: „Einen anderen der Apostel aber sah ich nicht außer Jakobus, den Bruder des Herrn“.

Damals ging auch das Versprechen unseres Erlösers an den König von Osroëne in Erfüllung. Auf göttlichen Antrieb nämlich entsandte Thomas den Thaddäus als Prediger und Verkünder der christlichen Heilslehre nach Edessa, wie wir es etwas weiter oben an der dort selbst gefundenen Urkunde gezeigt haben. Thaddäus erschien in jener Gegend, heilte Abgar durch das Wort Christi, versetzte alle dortigen Bewohner durch seine Wunder in Staunen, bereitete sie durch seine Taten hinreichend vor, Führte sie zur Verehrung der Kraft Christi und machte sie zu Jüngern der Heilslehre. Von jener Zeit an bis auf den heutigen Tag ist die ganze Stadt Edessa dem Namen Christi treu ergeben; denn die Wohltaten, welche sie von unserem Erlöser erfahren hatte, waren nicht bedeutungslos.

Diese Erzählung ist alten geschichtlichen Urkunden entnommen. Kehren wir nun wieder zur göttlichen Schrift zurück! Nach der auf den Martertod des Stephanus folgenden ersten und größten Verfolgung, welche die Kirche in Jerusalem von seiten der Juden zu erdulden hatte, zerstreuten sich alle Jünger mit Ausnahme der zwölf Apostel allein über Judäa und Samaria, und einige kamen, wie die göttliche Schrift sagt“, bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien, ohne es jedoch schon zu wagen, den Heiden das Wort des Glaubens mitzuteilen, das sie nur erst den Juden verkündeten. Damals wütete Paulus gegen die noch junge Kirche, indem er in die Häuser der Gläubigen eindrang, Männer und Weiber fortschleppte und dem Gefängnis überlieferte.

Unter denen, welche sich zerstreut hatten, war auch Philippus, einer von jenen, welche mit Stephanus zu Diakonen erwählt worden waren. Er kam nach Samaria und verkündete voll der göttlichen Kraft den dortigen Bewohnern zum ersten Mal das Wort. Die göttliche Gnade wirkte so sehr mit ihm, daß sich durch seine Lehren unter sehr vielen anderen auch Simon der Magier gewinnen ließ. Dieser damals berühmte Simon faszinierte die von seiner Zauberei Betrogenen so sehr, daß sie ihn für die große Kraft Gottes hielten. Da auch er damals von den Wundertaten, welche Philippus in göttlicher Kraft vollbrachte, ergriffen wurde, machte er sich an ihn heran und ließ sich, den christlichen Glauben heuchelnd, sogar taufen. Dergleichen nimmt man auch heute noch mit Verwunderung an denen wahr, welche sich noch jetzt seiner verruchten Häresie anschließen, nach der Art ihres Stammvaters sich wie Pest und Krätze in die Kirche einschleichen und diejenigen in das größte Verderben stürzen, denen sie ihr verborgenes, unheilvolles, schlimmes Gift verabreichen können. Die meisten von ihnen sind allerdings bereits, nachdem sie ihrer Bosheit überführt worden waren, ausgestoßen worden wie Simon selbst, der in seinem Wesen von Petrus bloßgestellt wurde und die verdiente Strafe empfing.

Als die Heilspredigt täglich Fortschritte machte, führte ihr irgendwie die Vorsehung aus Äthiopien den Kämmerer der dortigen Königin zu; denn noch heute wird jenes Volk auf Grund alter Sitte von einem Weib regiert. Als erster Heide gewann jener durch Philippus, der einer Erscheinung gehorchte, Anteil an den Geheimnissen des göttlichen Wortes und wurde der Erstling der Gläubigen im bewohnten Erdenrund. Darauf kehrte er, wie überliefert, in sein Vaterland zurück, um (dort) zuerst die Erkenntnis des Gottes des Alls und das erlösende Erscheinen unseres Heilandes unter den Menschen zu verkünden, so daß sich durch ihn tatsächlich das Prophetenwort erfüllte: „Äthiopien streckte seine Hand nach Gott aus“. In jener Zeit erwies sich Paulus, das Gefäß der Auserwählung, „als Apostel nicht von Menschen oder durch Menschen, sondern durch Offenbarung Jesu Christi selbst und Gottes, des Vaters, der ihn von den Toten auferweckt hatte“; der Berufung war er nämlich durch ein Gesicht und durch eine Stimme, welche während der Offenbarung zu ihm sprach, gewürdigt worden.

2. Nachdem die wunderbare Auferstehung und Himmelfahrt unseres Erlösers den meisten bereits bekannt geworden war, erstattete Pilatus gemäß der alten Gewohnheit der Provinzbeamten, über die neuen Vorfälle den Inhaber der kaiserlichen Gewalt zu unterrichten, auf daß dieser über kein Ereignis in Unkenntnis bleibe, dem Kaiser Tiberius Bericht über die allen Bewohnern von ganz Palästina bereits bekannten Vorgänge bei der Auferstehung unseres Heilandes Jesus sowie über seine anderen ihm zur Kenntnis gekommenen Wunder und über den Glauben der Menge, welche ihn bereits seit seiner Auferstehung von den Toten für einen Gott hielt.

Tiberius soll nun die Angelegenheit an den Senat gebracht, dieser aber die Sache abgewiesen haben. Der Senat habe zwar dem äußeren Anschein nach die Sache abgelehnt, weil er sie nicht zuvor hätte prüfen können - nach altem Gesetz durfte nämlich jemand bei den Römern nur unter Zustimmung und durch Beschluß des Senates zum Gott erklärt werden -; in Wahrheit aber hat der Senat die Sache abgewiesen, weil die Heilslehre der göttlichen Predigt gar nicht einer Begutachtung und Bekräftigung von menschlicher Seite bedurfte. Obwohl nun der römische Senat den über unseren Erlöser erstatteten Bericht abwies, soll Tiberius, an seiner früheren Meinung festhaltend, nichts Böses gegen die Lehre Christi unternommen haben. So erzählt Tertullian, der in den römischen Gesetzen sehr bewandert war, sich auch sonst auszeichnete und zu den vorzüglichsten Männern Roms gehörte, in der in römischer Sprache von ihm geschriebenen, ins Griechische übersetzten Verteidigungsschrift für die Christen. Wörtlich sagt er also:

„Um auch von dem Ursprung solcher Gesetze zu sprechen, bemerken wir: es war eine alte Bestimmung, daß der Kaiser niemanden als Gott verehren darf, der nicht zuvor vom Senat approbiert ist. Dementsprechend tat Markus Amilius, als es sich um den Gott Alburnus handelte. Wenn bei euch das Gott-Sein auf Grund menschlichen Gutachtens zuerkannt wird, so gereicht dies unserer Sache zum Vorteil. Wenn ein Gott einem Menschen nicht gefällt, wird er nicht Gott. Demnach wäre es also notwendig, daß der Mensch Gott gnädig ist. Tiberius, unter welchem sich der christliche Name in der Welt ausbreitete, machte daher, als ihm diese Lehre aus Palästina, wo sie ihren Anfang genommen hatte, gemeldet wurde, dem Senat Mitteilung mit dem offenen Geständnis, daß er an der Lehre Gefallen habe. Der Senat jedoch verwarf sie, weil er sie nicht (zuvor) geprüft hätte. Tiberius aber verharrte bei seiner Ansicht und bedrohte die Ankläger der Christen mit dem Tode“.

Die himmlische Vorsehung gab ihm fürsorgend diesen Entschluß ein, damit das Wort des Evangeliums im ersten Anlauf sich überall auf Erden ungehindert ausbreitete.

3. So erleuchtete mit einem Mal durch das machtvolle Walten des Himmels das erlösende Wort gleich einem Sonnenstrahl die ganze Welt. Sofort „verbreitete sich“, wie die göttliche Schrift verkündet hatte, „über die ganze Erde die Stimme“ seiner gottbegnadeten Evangelisten und Apostel „und ihre Worte bis an die Grenzen des Erdkreises“. In allen Städten und Dörfern erstanden mit einem Mal von Tausenden besuchte, vollbesetzte Kirchen gleich gefüllten Scheunen. Diejenigen, deren Seelen sowohl als Erbschaft von den Vorfahren als auch infolge des alten Irregehens von der alten Krankheit des abergläubischen Götzendienstes gefesselt waren, wurden in der Kraft Christi durch die Lehre seiner Schüler sowie auch durch ihre Wunder wie von schrecklichen Tyrannen befreit und aus düstersten Gefängnissen erlöst. Deshalb verwarfen sie die ganze teuflische Vielgötterei, bekannten sich nur noch zu dem einen Gott, dem Weltschöpfer, und verehrten ihn nach den Bestimmungen wahrer Frömmigkeit in von Gottes Geist durchwaltetem, vernünftigem, von unserem Erlöser dem menschlichen Leben übermitteltem Gottesdienst. Die göttliche Gnade wurde nämlich nunmehr auch über die übrigen Völker ausgegossen.

Zunächst nahm zu Cäsarea in Palästina Kornelius mit seinem ganzen Hause auf Grund göttlicher Offenbarung und infolge des Wirkens des Petrus den christlichen Glauben an“, sodann noch zahlreiche Heiden in Antiochien, welchen die zur Zeit der Verfolgung des Stephanus zerstreuten Jünger gepredigt hatten. Da die Kirche zu Antiochien damals blühte und erstarkte und sehr zahlreiche Propheten aus Jerusalem, unter denen Barnabas und Paulus waren, und außerdem noch eine Menge Brüder zu ihr kamen, strömte dort zum ersten Mal der Name „Christen“ wie aus einer ergiebigen und reichen Quelle hervor. Als Agabus, einer der dortigen Propheten, eine Hungersnot voraussagte, wurden Paulus und Barnabas abgeschickt, um sich den Brüdern zur Verfügung zu stellen und ihnen zu helfen.

4. Tiberius starb nach einer Regierung von ungefähr 22 Jahren. Gaius, der nach ihm die Regierung übernahm, übertrug sofort Agrippa das Diadem und die Herrschaft über die Juden, indem er ihn zum König über die Tetrarchien des Philippus und Lysanias ernannte. Diesen Tetrarchien fügte er zu seinen Gunsten bald auch noch die des Herodes bei, nachdem er diesen, der aus der Leidensgeschichte des Erlösers bekannt ist, zugleich mit seiner Gemahlin Herodias auf Grund zahlreicher Beschuldigungen zu dauernder Verbannung verurteilt hatte. Dies bezeugt Josephus.

Zur Zeit des Gaius gewann Philo größtes Ansehen. Nicht nur unter uns, sondern auch unter den Außenstehenden wird er zu den Gebildetsten gerechnet. Der Abstammung nach war er zwar ein Hebräer, doch stand er in nichts den angesehensten Größen in Alexandrien nach. Wie oft und wie sehr er sich um die heimatliche Theologie bemühte, hat er allen durch seine Werke bewiesen. Es ist auch überflüssig zu sagen, daß er in der Philosophie und in der feinen Bildung der Heiden bewandert war; denn wie erzählt wird, übertraf er alle seine Zeitgenossen in seinem Eifer für die platonische und die pythagoreische Philosophie.

5. In Fünf Büchern berichtet Philo über die Drangsale der Juden zur Zeit des Gaius. Daselbst erzählt er von dem Wahnsinn des Gaius, seiner Selbstvergöttlichung, seinen tausenderlei verbrecherischen Regierungshandlungen, von den Leiden, denen die Juden unter ihm ausgesetzt waren, ferner von seiner eigenen Gesandtschaftsreise nach Rom zugunsten seiner Landsleute in Alexandrien, endlich von seinem Eintreten für die väterlichen Gesetze in Gegenwart des Gaius, was ihm nur Gelächter und Spott eintrug, ja fast das Leben gekostet hätte.

Auch Josephus berichtet hierüber. Im achtzehnten Buch der „Altertümer“ schreibt er wörtlich: „Als es in Alexandrien unter den dort wohnenden Juden und den Heiden zu einem Aufstand gekommen war, wurden aus beiden aufständischen Parteien je drei Gesandte ausgewählt, welche vor Gaius erschienen. Einer der alexandrinischen Gesandten war Apion. Dieser hatte die Juden wiederholt beschimpft und unter anderem gegen sie den Vorwurf erhoben, daß sie die Ehrung des Kaisers unterließen. Denn während alle anderen Untertanen des römischen Reiches dem Gaius Altäre und Tempel errichteten und ihn auch sonst in jeder Beziehung gleich den Göttern achteten, hielten es die Juden allein für schändlich, ihn durch Bildsäulen zu ehren und bei seinem Namen zu schwören. Nachdem Apion zahlreiche schwere Anschuldigungen erhoben hatte, durch welche er Gaius zu reizen hoffen konnte, da hätte Philo, der Führer der jüdischen Gesandtschaft, ein weit und breit berühmter Mann, der Bruder des Alabarchen Alexander, ein wohlbewanderter Philosoph, die Anklagen widerlegen können. Doch Gaius schloß ihn aus, da er ihm gebot, sofort abzutreten. In seinem Jähzorn hatte er offenbar Schlimmes gegen sie im Sinn. Tief gekränkt trat Philo ab. Zu den Juden seiner Umgebung sagte er: „Seid guten Mutes! Gaius zürnt euch zwar, in Wahrheit hat er aber schon Gott gegen sich herausgefordert.“

Soweit Josephus. Philo selbst teilt in seiner Schrift „Die Gesandtschaft“ genau im einzelnen sein damaliges Verhalten mit. Das meiste hiervon will ich jedoch übergehen, um den Lesern nur ein deutliches Bild von den Schicksalen zu geben, welche über die Juden wegen ihrer Verbrechen an Christus entweder sofort oder alsbald hereingebrochen sind.

Zunächst erzählt er, daß unter Tiberius in Rom Sejanus, welcher damals auf den Kaiser großen Einfluß hatte, sich eifrig bemühte, das ganze Volk völlig zu vertilgen daß ferner in Judäa Pilatus, unter dem man sich an dem Heiland versündigte, die Juden in höchste Aufregung versetzte, indem er sich an dem damals noch in Jerusalem bestehenden Tempel in einer vom jüdischen Standpunkt aus frevelhaften Weise vergriff.

6. Nach dem Tod des Tiberius habe Gaius die Herrschaft erlangt. Dieser habe gegen zahlreiche Personen viel gefrevelt, ganz besonders aber das ganze jüdische Volk schwer mißhandelt. Philos Worte ermöglichen einen kurzen Überblick. Wörtlich schreibt er:

„So verrückt gebärdete sich Gaius gegenüber allen, am meisten aber gegen das Geschlecht der Juden. In seiner maßlosen Erbitterung gegen dieses eignete er sich dessen in den anderen Städten gelegene Bethäuser an, in Alexandrien den Anfang machend, und füllte sie mit Bildern und Statuen seiner eigenen Person; denn dadurch, daß er anderen ihre Aufstellung gestattete, errichtete er sie eigentlich selber. In der Heiligen Stadt selbst änderte und gestaltete er den Tempel, der bis dahin noch unberührt geblieben war und sich völliger Unverletzlichkeit erfreut hatte, zu seinem persönlichen Heiligtum um, damit er Tempel des Gaius, des neuen, sichtbaren Jupiter, genannt werde“.

Noch tausend furchtbare, aller Beschreibung spottende Schicksale, welche die Juden unter dem erwähnten Gaius in Alexandrien trafen, erzählt derselbe Philo in dem zweiten Buch des Werkes, das er „Über die Tugenden“ betitelt hatte. Mit ihm stimmt Josephus überein, der ebenfalls erklärt, daß mit den Zeiten des Pilatus und den Verbrechen an dem Erlöser das Unglück des ganzen Volkes begonnen habe. Vernimm, wie sich derselbe in dem zweiten Buch des „Jüdischen Krieges“ äußert! Wörtlich sagt er:

„Pilatus, der von Tiberius als Prokurator nach Judäa geschickt worden war, ließ verhüllte Bilder des Kaisers bei Nacht nach Jerusalem bringen, welche Paniere heißen. Dies veranlaßte bei Tagesanbruch eine gewaltige Bestürzung unter den Juden. Diejenigen, welche in der Nähe der Bilder standen, erklärten mit Entsetzen, ihre Gesetze seien mit Füßen getreten; denn diese gestatteten nicht, ein Bild in der Stadt aufzustellen“.

Vergleicht man diesen Bericht mit der Erzählung der Evangelien, dann sieht man, daß sich die von den Juden vor Pilatus selbst gestellte Forderung, sie wollten nur den Kaiser als König haben, gar bald erfüllte. Von einem anderen Unfall, der die Juden hierauf traf, erzählt der gleiche Geschichtsschreiber mit folgenden Worten: „Hierauf verursachte er eine neue Bestürzung dadurch, daß er den heiligen Schatz, Korban genannt, für eine Wasserleitung benützte, welche sich auf ungefähr Stadien belief. Daraufhin wurde das Volk erbittert, und als Pilatus nach Jerusalem kam, umringten ihn alle schreiend. Dieser aber hatte ihren Tumult vorausgesehen und deshalb unter die Menge seine bewaffneten, aber in einheimische Kleider gehüllten Soldaten verteilt mit der Weisung, vom Schwert keinen Gebrauch zu machen, wohl aber die Schreier mit Prügeln niederzuhauen. Nun gab er ihnen vom Richterstuhl aus das verabredete Zeichen. Viele Juden verloren ihr Leben unter den Streichen, viele auf der Flucht unter den Tritten der eigenen Landsleute. Das Schicksal der Getöteten brachte die entsetzte Menge zum Schweigen“.

Josephus belehrt uns, daß in Jerusalem außerdem noch zahlreiche andere Tumulte entstanden, und zeigt, daß von jener Zeit an in der Stadt und in ganz Judäa Aufstände und Kriege und Anschläge über Anschläge kein Ende nehmen wollten, bis schließlich die Belagerung unter Vespasian über die Juden hereinbrach. So wurden diese für ihre Frevel an Christus von der göttlichen Strafe ereilt.

7. Wissenswert ist es, daß auch Pilatus, der zur Zeit des Erlösers lebte, nach dem Bericht der Geschichte unter Gaius, dessen Zeiten wir behandeln, von solchem Unglück heimgesucht wurde, daß er in der Not Hand an sich legte und zu seinem eigenen Richter wurde. Nicht lange ließ, wie es sich gehörte, die göttliche Gerechtigkeit ihm gegenüber auf sich warten. So erzählen jene Griechen, welche zugleich mit den Olympiaden eine chronologische Aufzählung der Ereignisse gaben.

8. Nachdem Gaius nicht volle vier Jahre die Herrschaft innehatte, folgte ihm als Alleinherrscher Claudius. Da unter ihm, wie auch die uns fernstehenden Geschichtsschreiber in ihren Schriften berichten, eine Hungersnot den Erdkreis heimsuchte, ging die von der Apostelgeschichte erwähnte Weissagung des Propheten Agabus, eine Hungersnot werde über die ganze Erde kommen, in Erfüllung. Die Hungersnot unter Claudius wird von Lukas in der Apostelgeschichte erwähnt, wo er erzählt, daß die Brüder in Antiochien das, was jeder gut entbehren konnte, durch Paulus und Barnabas an die Brüder in Judäa geschickt haben.

9. Lukas fügt bei: „Zu jener Zeit - das ist unter Claudius - wandte sich König Herodes gegen einige Glieder der Kirche und ließ Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert hinrichten“. über diesen Jakobus berichtet Klemens im siebten Buch der Hypotyposen eine erwähnenswerte Geschichte als von den Vorfahren erhaltene Überlieferung. Er erzählt, daß der, welcher ihn dem Richter ausgeliefert habe, beim Anblick seines Bekennermutes sich zum Christentum bekannt habe.

„Nun wurden“ - so sagt er - „beide zusammen abgeführt. Unterwegs bat jener den Jakobus um Verzeihung. Dieser zögerte ein wenig, dann antwortete er: „Friede sei mit dir!“ und küßte ihn. So wurden beide zugleich enthauptet“.

Wie die göttliche Schrift erzählt, ging Herodes, als er sah, daß die Hinrichtung des Jakobus den Juden Freude machte, auch gegen Petrus vor und ließ ihn in Fesseln werfen. Und er hätte an ihm auch das Todesurteil jeden Augenblick vollzogen, wenn nicht Petrus infolge himmlischer Erscheinung wunderbar durch einen nachts vor ihn tretenden Engel aus den Ketten befreit und dem Predigtberuf zurückgegeben worden wäre. So offenbarte sich die Vorsehung an Petrus.

10. Das, was dem König für sein Einschreiten gegen die Apostel gebührte, ließ nicht lange auf sich warten. Sofort ereilte ihn der rächende Bote der göttlichen Gerechtigkeit, und zwar, wie die Apostelgeschichte erzählt, gleich nach seinem Anschlag auf die Apostel, als er nach Cäsarea kam und daselbst an einem hohen Festtag in glänzendem Königlichem Gewand vor dem Volk vom Thron herab eine feierliche Ansprache hielt. Als nämlich das ganze Volk seinen Worten Beifall schenkte, als wären sie nicht von einem Menschen, sondern von Gott gesprochen, schlug ihn, wie die Erzählung berichtet, sofort ein Engel des Herrn, so daß er, von Würmern zerfressen, seinen Geist aufgab. Man muß sich wundern, wie auch bezüglich dieses seltsamen Vorfalles mit der göttlichen Schrift der deutlich seinen Wahrheitssinn ehrende Bericht des Josephus im neunzehnten Buch seiner „Altertümer“ übereinstimmt. Daselbst Führt er die wunderbare Geschichte mit folgenden Worten aus: „Drei Jahre nachdem er (Agrippa) die Herrschaft über ganz Judäa erhalten hatte, kam er nach Cäsarea, das früher Stratonturm hieß. Hier veranstaltete er zu Ehren des Kaisers Schauspiele, weil er wußte, daß eben Festtage für das Wohlergehen desselben gefeiert würden. Eine Menge durch Rang und Würde ausgezeichneter Personen der Provinz war zum Fest herbeigeströmt. Am zweiten Tag der Schauspiele begab er sich in einem ganz aus Silber gewirkten Gewand - es war staunen erweckendes Gewebe - bei Tagesanbruch ins Theater. Da funkelte und schimmerte das Silber in den ersten Sonnenstrahlen so wunderbar, daß sein Glanz schreckte und das Auge blendete. Alsbald jubelten ihm die Schmeichler bald hier, bald dort mit keineswegs glückbringenden Worten zu, sofern sie ihn als Gott bezeichneten und zu ihm beteten: „Sei uns gnädig! Wenn wir dich bisher auch nur als Menschen geehrt haben, von jetzt ab bekennen wir es jedoch, daß du mehr bist als ein sterbliches Wesen“. Der König machte ihnen deswegen keinen Vorwurf und wies ihre gotteslästerliche Schmeichelei nicht zurück.

Als er aber bald darauf nach oben schaute, gewahrte er über seinem Haupt einen Engel, und sogleich erkannte er, daß dieser ein Unglücksbote sei, wie er seinerzeit ein Glücksbote gewesen war, und wurde in seinem Herzen von Schmerz ergriffen. Sofort traten Unterleibsbeschwerden auf, welche mit großer Heftigkeit einsetzten. Seine Freunde anblickend, sagte er: „Ich, euer Gott, muß nunmehr aus dem Leben scheiden. Das Schicksal zeigt plötzlich, daß eure soeben an mich gerichteten Worte Lüge sind. Ihr nanntet mich unsterblich, und nun muß ich sterben. Doch muß man sein Schicksal hinnehmen, wie es von Gott bestimmt ist. Habe ich doch keineswegs kümmerlich, sondern lange im Glück gelebt“. Während dieser Worte wurde er noch mehr von Schmerzen gepeinigt. Eilig verbrachte man ihn in seinen Palast. Und überall verbreitete sich die Kunde, daß er gar bald sterben müsse. Sogleich warf sich die Menge mit Weibern und Kindern nach väterlichem Brauch auf Säcke und flehte zu Gott für den König. Alles war voll Klagen und Weinen. Der König, welcher in einem hochgelegenen Zimmer lag und sehen konnte, wie unten das Volk auf dem Boden lag, blieb selbst nicht ohne Tränen. Noch Fünf Tage lang wurde er ununterbrochen Unterleibsbeschwerden gequält, dann verschied er im. Jahre seines Lebens und im siebten seiner Regierung. Vier Jahre war er König unter Kaiser Gaius, und zwar regierte er drei Jahre über die Tetrarchie des Philippus, im vierten auch noch über die des Herodes. Drei Jahre fielen in die Zeit der Alleinherrschaft des Kaisers Claudius“.

Ich muß mich wundern, daß Josephus wie in den anderen Punkten so auch in diesen wahrheitsgetreu mit den göttlichen Schriften übereinstimmt. Sollten aber einige meinen, es bestünde ein Gegensatz in der Benennung des Königs, so ist zu sagen: sowohl die Zeit als die Tatsachen bezeugen, daß es sich um eine und dieselbe Person handelt; entweder wurde infolge eines Schreibfehlers der Name verändert, oder aber eine und dieselbe Person hatte, wie es oft der Fall ist, zwei Namen.

11. In der Apostelgeschichte läßt Lukas Gamaliel bei der Untersuchung über die Apostel sagen, zur erwähnten Zeit sei Theudas aufgetreten und habe sich als Autorität ausgegeben, doch sei er getötet und seien alle seine Anhänger zerstreut worden. Hören wir nun auch hierüber den Bericht des Josephus! In dem erwähnten Werk erzählt er wörtlich:

„Als Fadus Prokurator in Judäa war, überredete ein Betrüger namens Theudas eine sehr große Menge, ihm mit Hab und Gut an den Jordan zu folgen. Er gab sich nämlich als Prophet aus und behauptete, er werde mit seinem Wort den Fluß teilen und ihnen einen leichten Durchzug ermöglichen. Mit solchen Worten täuschte er viele. Doch Fadus ließ ihnen ihre törichte Freude nicht, sondern schickte gegen sie eine Schwadron Reiter, welche sie unerwartet überfiel und viele teils tötete, teils lebendig gefangen nahm. Dem Theudas, der ebenfalls lebendig in ihre Hände fiel, schnitten sie den Kopf ab, um ihn nach Jerusalem zu bringen“.

Im Anschluß an diesen Bericht erwähnt Josephus die Hungersnot unter Claudius mit folgenden Worten:

12. „In jener Zeit trat in Judäa die große Hungersnot auf, während welcher die Königin Helena um große Summen Getreide in Ägypten ankaufte, um es unter die Dürftigen zu verteilen“.

Dieser Bericht stimmt mit dem der Apostelgeschichte überein, welche erzählt, die Jünger in Antiochien hätten beschlossen, daß jeder, der gut etwas entbehren könnte, dementsprechend die in Judäa wohnenden Jünger unterstützen sollte. Und tatsächlich hätten sie durch Barnabas und Paulus Unterstützungen an die Ältesten geschickt. Von Helena, welche der Geschichtsschreiber erwähnt, werden noch jetzt herrliche Säulen außerhalb der heutigen Stadt Alia gezeigt. Als Königin soll sie über das Volk der Adiabener regiert haben.

13. Als sich der Glaube an unseren Heiland und Herrn Jesus Christus bereits über die ganze Menschheit ausbreitete, suchte der Feind des menschlichen Heiles die Hauptstadt an sich zu reißen. Er machte sich daher hinter den oben erwähnten Simon und unterstützte ihn in seinen trügerischen Kunststücken. So gewann er zahlreiche Bewohner Roms für seinen Irrtum. Zeuge hierfür ist Justinus, welcher bald nach den Aposteln sich in unserer Lehre ausgezeichnet hatte. Bei Gelegenheit werde ich noch das Passende über ihn mitteilen. In seiner ersten Apologie an Antoninus schreibt er: „Nach der Himmelfahrt unseres Herrn schickten die bösen Geister einige Menschen aus, welche sich für Götter ausgaben. Diese wurden von euch nicht nur nicht verfolgt, sondern sogar durch Ehren ausgezeichnet. Zu diesen gehörte ein gewisser Simon aus dem Dorf Gitthon in Samaria. Unter Kaiser Claudius wirkte er durch die Kraft der in ihm tätigen Dämonen Zauberstücke. In eurer Kaiserstadt wurde er für einen Gott gehalten, und durch eine Bildsäule im Tiber zwischen den beiden Brücken habt ihr ihn als Gott geehrt; denn es wurde ihm die römische Aufschrift gewidmet: Simoni deo sancto, das heißt: „Dem heiligen Gott Simon“. Fast alle Samaritaner, außerdem auch noch einige aus anderen Völkern bekennen und verehren ihn als ersten Gott. Eine gewisse Helena, welche damals mit ihm umherzog, früher aber in Tyrus in Phönizien sich in einem Hurenhaus preisgegeben hatte, nennen sie seinen ersten Gedanken“. Soweit Justinus.

Mit ihm stimmt Irenäus in dem ersten Buch gegen die Häresien überein, wo er sowohl über die Person des Simon wie über seine gottlose, schmutzige Lehre näher unterrichtet. Doch dürfte es jetzt überflüssig sein, die Lehre darzulegen. Denn wer will, kann das Erscheinen und das Leben der nach Simon der Reihe nach aufgetretenen Sektenhäupter sowie ihre falschen Lehrsätze und die allen eigene Lebensweise aus dem erwähnten Buch des Irenäus kennenlernen, wo sie genau überliefert sind. Simon war, wie uns die Überlieferung lehrt, der erste Urheber jeder Häresie. Von seinem Auftreten bis auf unsere Zeit haben die Anhänger seiner Häresie die vernünftige und wegen der Sittenreinheit bei allen berühmte Philosophie der Christen nur geheuchelt. Den Götzendienst, von dem sie sich - wie es schien - freimachten, nehmen sie gleichwohl wieder an. Sie verfallen den Gemälden und Bildern sowohl des Simon wie seiner erwähnten Genossin Helena und erkühnen sich, sie mit Weihrauch, Schlacht- und Trankopfern zu verehren. Was davon bei ihnen noch strenger geheim ist, das nach ihrer eigenen Erklärung den Neuling erschreckt und nach einer bei ihnen aufgezeichneten Prophetie erstaunt, ist tatsächlich voll Schrecken, voll von Verrücktheit und Wahnsinn. Ehrenwerte Männer können dieselben nicht nur nicht niederschreiben, sondern wegen des Übermaßes von unaussprechlicher Schändlichkeit nicht einmal über die Lippen kommen lassen. Was je als der Gipfel von aller Schändlichkeit ersonnen worden war, all das wurde noch übertroffen von der überaus scheußlichen Häresie dieser Leute, welche mit erbärmlichen und tatsächlich in allen Schlechtigkeiten erfahrenen Weibern ihren Unfug treiben.

14. Diesen Simon, den Vater und Urheber solcher Schändlichkeiten, stellte damals die schlimme, dem Guten abholde und den Menschen wegen ihrer Erlösung mißgünstige Kraft als gewaltige Gegenmacht gegen die großen, gotterleuchteten Apostel unseres Erlösers auf. Doch die göttliche, himmlische Gnade half ihren Dienern. Durch das Erscheinen und Auftreten derselben löschte die Gnade rasch die angefachte Flamme des Bösen aus, indem sie durch jene Männer alles, was sich hochmütig gegen die Erkenntnis Gottes erhob, demütigte und niederwarf. Daher hatte weder die Sekte des Simon noch die irgendeines anderen damals aufgetretenen Mannes in jenen apostolischen Zeiten Bestand. Denn der Glanz der Wahrheit und das göttliche Wort selbst, das vor kurzem vom Himmel herab den Menschen geleuchtet hatte, auf Erden in Blüte stand und in den Aposteln wirkte, gewann über alles Sieg und Macht. Nachdem der erwähnte Betrüger zuerst vom Apostel Petrus in Judäa seiner bösen Taten überführt worden war, ergriff er alsbald die Flucht und begab sich, in seinem Geiste wie von einem göttlichen wunderbaren Lichte geblendet, auf eine große Seereise vom Osten nach Westen in der Meinung, nur dort ein Leben nach Wunsch Führen zu können.

Nach seiner Ankunft in der Stadt der Römer hatte er infolge energischer Unterstützung von Seiten der dort lauernden Macht in kurzer Zeit in seinen Unternehmungen solchen Erfolg, daß er von den Bewohnern wie ein Gott durch Errichtung einer Bildsäule geehrt wurde. Doch nicht lange dauerte sein Erfolg. Denn noch unter der Regierung des Claudius Führte die allgütige und so barmherzige, alles beherrschende Vorsehung sofort Petrus, den gewaltigen und großen unter den Aposteln, der infolge seiner Tüchtigkeit der Wortführer aller anderen war, nach Rom, um gegen diese gefährliche Pest des Lebens aufzutreten. Wie ein tapferer Feldherr Gottes, mit göttlichen Waffen gewappnet, brachte er den kostbaren Schatz des geistigen Lichtes aus dem Osten nach dem Westen, indem er das Licht selbst und das die Seelen rettende Wort, die Lehre vom Himmelreich, verkündete.

15. Da sich nunmehr das göttliche Wort dort ausbreitete, erlosch die Macht des Simon und verschwand sofort schon mit seiner Person. So sehr erleuchtete das Licht der Religion die Herzen der Zuhörer des Petrus, daß sie sich nicht damit begnügen wollten, ihn ein einziges Mal nur gehört zu haben, sie wollten von der Lehre seiner göttlichen Predigt auch Aufzeichnungen besitzen. Daher wandten sie sich inständig mit verschiedenen Bitten an Markus, den Verfasser des Evangeliums, den Begleiter des Petrus, er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre hinterlassen. Und sie standen nicht eher von den Bitten ab, als bis sie den Mann gewonnen hatten. So wurden sie die Veranlassung zum sogenannten Markusevangelium. Nachdem Petrus durch eine Offenbarung des Geistes von dem Vorfall Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben. Klemens hat diese Tatsache im sechsten Buch seiner Hypotyposen berichtet, und mit ihm stimmt Bischof Papias von Hierapolis überein Petrus gedenkt des Markus in seinem ersten Brief, den er in Rom selbst verfaßt haben soll, was er selbst andeutet, indem er diese Stadt bildlich Babylon nennt, wenn er sagt: „Es grüßt Euch die mit auserwählte Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn“

16. Markus soll als erster in Ägypten das von ihm niedergeschriebene Evangelium gepredigt und in Alexandrien selbst als erster Kirchen gegründet haben. So groß war schon beim ersten Beginnen die Menge der daselbst gläubig gewordenen und in größter Enthaltsamkeit und strengster Entsagung lebenden Männer und Frauen, daß Philo ihr Leben, ihre Zusammenkünfte, ihre Mahlzeiten und die ganze übrige Lebensführung einer schriftlichen Darlegung würdigte.

17. Philo soll unter Claudius in Rom mit Petrus, als er damals den Bewohnern predigte, verkehrt haben. Dies dürfte nicht unwahrscheinlich sein. Denn die Schrift, von welcher wir sprechen und welche Philo später nach Jahren verfaßt hat, enthält offenbar kirchliche Vorschriften, welche noch heute bei uns beobachtet werden. Da er das Leben unserer Asketen so deutlich wie möglich beschreibt, so dürfte es auch klar sein, daß er die zu seiner Zeit lebenden apostolischen Männer, welche, wie es scheint, aus dem Judentum stammten und daher noch in echt jüdischer Weise die meisten der alten Bräuche beobachteten, nicht nur kannte, sondern auch voll Bewunderung anerkannte. In der Schrift, welche er betitelte „Das beschauliche Leben oder die Flehenden“, verwahrt er sich zunächst dagegen, daß er seiner Darstellung über die Tatsachen hinaus noch etwas aus eigenen Bräuchen und eigenem Geiste beifügte. Er berichtet sodann, daß man jene Männer Therapeuten und die gemeinsam mit ihnen lebenden Frauen Therapeutriden nenne. Diese Bezeichnung begründet er entweder damit, daß diese Leute gleich Ärzten die Seelen derer, die zu ihnen kommen, von der Sünde der Leidenschaften befreien, um sie zu heilen und gesunden zu lassen, oder damit, daß sie Gott in reinem, lauterem Dienste verehren“. Ob Philo selbst ihnen diese Bezeichnung beilegt, das heißt, sie ganz ihrer Lebensweise entsprechend so benennt, oder ob schon von Anfang an, als der Name „Christen“ noch nicht überall verbreitet war, die Stifter selbst tatsächlich diesen Namen gebrauchten, ist wohl nicht zu erörtern.

Philo bezeugt vor allem von ihnen, daß sie auf Besitz verzichteten. Er erzählt, daß sie, sobald sie anfingen, sich ihrer Philosophie zu widmen, ihr Vermögen an ihre Verwandten abtraten. Nachdem sie alle Sorgen um das Leben abgeworfen hatten, verließen sie die Mauern (ihrer Städte) und nahmen ihre Wohnungen an einsamen Orten und in Gärten, da sie wohl wußten, daß der Verkehr mit Anders gesinnten unnütz und schädlich ist. Im mutigen, glühenden Glauben lebten sie das Prophetenleben derer nach, welche wohl schon dereinst in gleicher Weise als Asketen gelebt hatten. In der als echt anerkannten Apostelgeschichte ist nämlich berichtet, daß alle Schüler der Apostel ihr Hab und Gut verkauften, um es an alle unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des einzelnen zu verteilen, so daß es unter ihnen keine Armen gab. Die Schrift sagt: „Alle nun, welche Grundbesitz oder Häuser hatten, verkauften dieselben und brachten den Erlös und legten ihn zu den Füßen der Apostel, so daß jedem gegeben werden konnte, was er brauchte“. Nachdem Philo ähnliches berichtet hatte, fährt er wörtlich fort:

„Das Geschlecht (der Therapeuten) findet sich an vielen Orten auf dem Erdkreis. Sowohl die griechischen als die barbarischen Länder sollten an dem vollkommenen Gute teilhaben. Stark vertreten ist es in Ägypten, und zwar in jedem der sogenannten Distrikte, vor allem in der Umgebung von Alexandrien. Von allen Seiten her ziehen die edelsten Menschen in die Heimat der Therapeuten, um sich anzusiedeln; sie begeben sich an einen sehr günstigen Ort, der jenseits des Mareiasees auf einer etwas sanften Anhöhe infolge seiner Sicherheit und der Reinheit der Luft sehr glücklich gelegen ist“. Nachdem Philo sodann die Beschaffenheit ihrer Wohnungen beschrieben hat, sagt er von den überall im Lande zerstreuten Versammlungsräumen: „In jedem Haus ist ein heiliges Gemach, welches Heiligtum und Einsamkeit genannt wird. Hier vollbringen sie in Abgeschlossenheit die Geheimnisse ihres würdigen Lebens. Nichts, weder Trank noch Speise noch sonst etwas, was für den Unterhalt des Leibes notwendig ist, nehmen sie mit sich hinein, sondern Gesetze, von Gott eingegebene Worte der Propheten, Gesänge und anderes, wodurch Weisheit und Frömmigkeit gefördert und vervollkommnet werden“.

Später fährt er fort: „Ihre ganze Zeit zwischen Morgen und Abend gehört der Askese. Sie treiben Philosophie nach Art ihrer Väter, indem sie die heiligen Schriften lesen und allegorisch erklären. Sie halten nämlich die gebräuchlichen Worte für Sinnbilder eines verborgenen Wesens, das sich in Allegorien offenbare. Sie besitzen auch Schriften alter Männer, welche Urheber ihrer Richtung waren und zahlreiche Denkmäler ihrer Art zu allegorisieren hinterlassen haben. Sie benützen diese als Muster, um ihre geistige Art nachzuahmen“.

So spricht offenbar ein Mann, der es mit eigenen Ohren hörte, wie sie die heiligen Schriften auslegten. Die bei ihnen gebräuchlichen Schriften der Alten, von denen Philo spricht, dürften wohl die Evangelien, die Schriften der Apostel und wahrscheinlich Erklärungen der alten Propheten sein, wie sie der Brief an die Hebräer und noch mehrere andere Briefe des Paulus enthalten. Über ihre Dichtung neuer Psalmen schreibt er sodann:

„Sie geben sich also nicht nur der Betrachtung hin, sondern verfassen auch Gesänge und Hymnen auf Gott in verschiedenen Versmaßen und Weisen; doch bedienen sie sich hierbei, wie notwendig, nur würdiger Maße“.

Zwar behandelt Philo noch viel anderes Einschlägiges im gleichen Buch. Doch scheint es mir notwendig, nur das zu erwähnen, was für das kirchliche Leben charakteristisch ist. Wenn aber jemand glauben wollte, die erwähnten Bemerkungen bezogen sich nicht auf das evangelische Leben, sie könnten vielmehr auch auf andere als die Genannten passen, so möge er sich wenigstens durch die weiteren Worte Philos belehren lassen, durch welche er, wenn er klar denkt, ein unbestreitbares Zeugnis hierüber erhält.

Philo schreibt: „Zunächst pflanzen sie in ihre Seele die Enthaltsamkeit gewissermaßen als Grundlage, um dann die übrigen Tugenden darauf zu bauen. Vor Sonnenuntergang dürfte wohl keiner von ihnen Speise oder Trank zu sich nehmen. Denn zu philosophieren betrachten sie als des Lichtes würdig; als der Finsternis würdig dagegen erklären sie die Befriedigung des Körpers. Jenem widmeten sie daher den ganzen Tag, dieser dagegen nur einen kurzen Teil der Nacht. Einige, in denen ein besonderes Verlangen nach Weisheit wohnt, denken erst nach drei Tagen an Nahrung. Wieder andere sind durch die Weisheit, welche reichlich und neidlos ihnen ihre Lehre spendet, so sehr mit Freude und Wonne gesättigt, daß sie gewohnt sind, noch einmal so lange zu fasten und kaum alle sechs Tage die notwendige Nahrung zu sich zu nehmen“.

Unseres Erachtens beziehen sich diese Redewendungen Philos deutlich und unwidersprechlich auf unsere Religion. Wenn aber jemand trotzdem noch hartnäckig widersprechen sollte, dann möge er sich bekehren und überzeugen lassen durch noch auffälligere Merkmale, welche nirgends als nur in der christlichen, evangelischen Religion zu finden sind. Wie nämlich Philo erzählt, befinden sich in den erwähnten Kreisen auch weibliche Personen. Die meisten von ihnen waren bejahrte Jungfrauen, welche aber nicht wie manche heidnische Priesterinnen aus Zwang die Jungfräulichkeit bewahrten, sondern vielmehr in freiwilligem Entschluß aus eifrigem Verlangen nach Weisheit. Da sie mit der Weisheit zusammenzuleben strebten, verachteten sie die fleischlichen Freuden und verlangten nicht nach sterblichen, sondern nach unsterblichen Nachkommen, welche nur eine gottliebende Seele aus sich zu gebären vermag. Etwas später schreibt Philo noch deutlicher:

„Die heiligen Schriften werden von ihnen bildlich durch Allegorien erklärt. Nach Meinung dieser Leute gleicht die ganze Gesetzgebung einem lebenden Wesen, dessen Körper der Wortlaut des Gesetzes, dessen Seele aber der in den Worten verborgene geheime Sinn ist. Diese Schule begann vor allem diesen Sinn zu betrachten; sie schaute im Spiegel der Worte sich offenbarende übermäßige Schönheit der Ideen“.

Soll ich außerdem noch ihre gemeinschaftlichen Zusammenkünfte, ihre einheitliche, aber von Männern und Frauen getrennt ausgeführte Beschäftigung erwähnen und ihre religiösen Übungen, welche noch bis auf den heutigen Tag bei uns in Brauch sind und welche sich bei uns besonders am Fest des Erlöserleidens in Fasten, nächtlichen Wachen und Betrachtungen des göttlichen Wortes zu äußern pflegen? Diese Übungen beschreibt der erwähnte Schriftsteller genauso, wie sie einzig und allein bei uns noch heute beobachtet werden, in seiner Schrift. Er erwähnt die Nachtwachen mit den frommen Übungen am großen Fest und die bei uns üblichen Hymnen und berichtet, daß, während ein einziger nach dem Takt würdevoll vorsingt, die übrigen still zuhören und nur am Schluß der Gesänge mit einstimmen, daß sie an den genannten Tagen auf Stroh am Boden liegen, sich, wie er ausdrücklich schreibt, vollständig des Weines, aber auch jeglicher Fleischspeise enthalten und nur Wasser und dazu Brot mit Salz und Ysop genießen. Ferner beschreibt er die Art und Weise, in welcher diejenigen, welche zu Verrichtungen und Diensten in der Gemeinde und zu der allerhöchsten Würde der Oberaufsicht erwählt worden sind, ihres Amtes walten“. Wer hierüber noch genauere Aufschlüsse wünscht, kann sie aus dem er wähnten Bericht Philos erhalten. Jedem dürfte aber klar sein, daß Philo, als er hierüber schrieb, an die ersten Verkündiger der evangelischen Lehre und an die ursprünglichen, von den Aposteln überlieferten Bräuche dachte.

18. Beredt in der Sprache und reich an Gedanken, kühn und hochstrebend in der Auslegung der göttlichen Bücher, verfaßte Philo mannigfaltige und verschiedenartige Erklärungen der heiligen Schriften. Zuerst behandelte er der Ordnung und Reihe nach die Ereignisse der Genesis unter dem Titel: Allegorische Auslegung der heiligen Gesetze“. Dann schrieb er Sonderuntersuchungen mit Fragen und Antworten über wichtige Probleme der Bibel, welchen er die entsprechende Überschrift gab: Untersuchungen und Erklärungen zu Genesis und Exodus. Weitere Spezialstudien sind: Zwei Bücher über den Ackerbau. Zwei Bücher über die Trunkenheit. Noch andere Schriften (über die Genesis) mit eigenen, kennzeichnenden Titeln sind: Segenswunsch und Fluch des Noah, als er nüchtern geworden war. Die Sprachverwirrung. Flucht und Wiederfinden. Zusammenkommen um der Nachkommenschaft willen. Der Erbe der göttlichen Güter oder die Teilung in gleiche, einander gegenüberliegende Stücke Die drei Tugenden, welche Moses nebst anderen beschrieben hat. Die Namensänderungen und der Grund hierfür. Inder letzten Schrift weist er hin auf seine zwei Bücher über die Testamente. Ferner verfaßte er: Die Auswanderung und das Leben eines Weisen, der durch Gerechtigkeit vollendet wurde, oder Ungeschriebene Gesetze. Die Riesen oder die Unveränderlichkeit der Gottheit, Fünf Bücher: Die Träume sind nach Moses von Gott gesandt. Dies sind seine auf uns gekommenen Abhandlungen über die Genesis. Von den Schriften über das Buch Exodus haben wir die Fünf Bücher „Untersuchungen und Erklärungen“ kennengelernt. Dazu kommen: Die Stiftshütte. Die Zehn Gebote. Vier Bücher über die Gesetze, welche sich ihrem Wesen nach auf die Hauptkapitel der Zehn Gebote beziehen. Die Opfertiere und die Arten der Opfer. Der im Gesetz für die Guten bestimmte Lohn und die für die Bösen bestimmten Strafen und Verwünschungen. Zu allen diesen Schriften kommen noch Monographien wie: Die Vorsehung. Die Juden. Der Staatsbürger. Alexander oder die unvernünftigen Wesen haben Verstand. Jeder Sünder ist ein Sklave. Als Anhang dazu: Jeder Tugendhafte ist frei. Nach diesen Schriften verfaßte Philo: Das beschauliche Leben oder die Flehenden. Aus dieser Schrift haben wir die Bräuche der apostolischen Männer erwähnt. Eine Erklärung der im Gesetz und in den Propheten erwähnten hebräischen Namen soll ebenfalls ein Werk Philos sein. Als er unter Gaius nach Rom kam, verfaßte er die Schrift über den Gotteshaß des Gaius, welcher er mit feiner Ironie den Titel gab: Tugenden.

Unter Claudius soll er diese Schrift dem ganzen römischen Senat vorgetragen haben. Die Folge sei gewesen, daß seine Schriften so sehr bewundert wurden, daß man sie der Aufnahme in die Bibliotheken würdigte. Damals, als Paulus von Jerusalem und dessen Umgebung aus bis nach Illyrien wanderte, vertrieb Claudius die Juden aus Rom und landeten Aquila und Priscilla, mit anderen Juden aus Rom ausgewiesen, in Asien, wo sie mit dem Apostel Paulus verkehrten, der die daselbst vor kurzem von ihm gegründeten Kirchen befestigte. So lehrt uns die heilige Apostelgeschichte.

19. Noch unter der Regierung des Claudius gab es in Jerusalem am Osterfest einen solchen Aufstand und einen solchen Tumult, daß allein von denen, welche an den Ausgängen des Tempels mit Gewalt zusammengedrängt wurden, 30 000 Juden zu Tode getreten wurden und das Fest Trauer im ganzen Volk und Wehklagen in jedem Haus verursachte. Auch berichtet Josephus wörtlich: „Claudius setzte Agrippa, den Sohn des Agrippa, als König ein, nachdem er Felix als Prokurator von ganz Samaria und Galiläa und auch von dem sogenannten Peräa entsandt hatte“. Nachdem Claudius 13 Jahre und 8 Monate regiert hatte, starb er und hinterließ Nero die Herrschaft.

20. Unter Nero gerieten, als Felix Prokurator von Judäa war, die Priester unter sich in Streit, worüber Josephus im zwanzigsten Buch seiner „Altertümer“ wörtlich schreibt:

„Die Hohenpriester erhoben sich gegen die Priester und die Vornehmsten im Volk zu Jerusalem. Jeder von ihnen sammelte um sich eine Schar dreistester Umstürzler und machte sich zu ihrem Führer. Wenn sie aufeinander stießen, überschütteten sie sich gegenseitig mit Beschimpfungen und Steinwürfen. Gar niemand war, der eingeschritten wäre. Es herrschte Willkür wie in einem Staat ohne Obrigkeit. Die Hohenpriester gingen in ihrer Rücksichtslosigkeit und Verwegenheit so weit, daß sie es wagten, ihre Diener auf die Tennen zu schicken, damit sie den Zehnten wegnähmen, der doch den Priestern gehört. Da konnte man es sehen, daß ärmere Priester an Hunger zugrunde gingen. So sehr hatten Gewalt und Aufruhr die Herrschaft über alles Recht bekommen“.

Zu der gleichen Zeit traten, wie derselbe Schriftsteller erzählt, eigenartige Räuber auf, welche am lichten Tag - so berichtet er - und mitten in der Stadt die Passanten ermordeten. Vor allem an Festtagen gesellten sie sich unter die Menge, um mit ihren unter den Gewändern versteckten Dolchen angesehene Personen niederzustechen. Nach vollbrachter Tat nahmen sie an der Entrüstung über den Mord teil. Da sich die Mörder verstellen konnten, blieben sie völlig unentdeckt. Der erste, der als Opfer unter ihren Händen fiel, war der Hohepriester Jonathan. Nach ihm kamen täglich zahlreiche Personen ums Leben. Die Angst war noch schlimmer als der Tod. Wie im Krieg war jeder stündlich auf den Tod gefaßt.

21. Später berichtet Josephus noch:

„Noch größeres Unglück aber verursachte den Juden der falsche Prophet aus Ägypten. Ein Betrüger war nämlich ins Land gekommen und hatte es verstanden, sich das Ansehen eines Propheten zu verschaffen. Gegen 30 000 Menschen, die er verführt hatte, sammelte er um sich. Nachdem er sie aus der Wüste auf den sogenannten Ölberg geführt hatte, hätte er mit Gewalt in Jerusalem eindringen und sich nach der Niederwerfung der römischen Besatzung und des Volkes als ein Tyrann auf die mit eingedrungenen Leibwächter stützen können. Doch Felix kam seinem Angriff zuvor und stellte sich ihm mit seinen römischen Schwerbewaffneten. Auch das ganze Volk nahm an der Abwehr teil. Als es zum Kampf kam, floh der Ägypter mit einigen wenigen, während die meisten seiner Anhänger niedergemacht und gefangengenommen wurden“.

So erzählt Josephus im zweiten Buch seiner Geschichte. Es lohnt sich, den hier gegebenen Bericht über den Ägypter und den in der Apostelgeschichte aufmerksam zu betrachten, in der zur Zeit des Felix der Kommandant in Jerusalem an Paulus, als sich das jüdische Volk gegen ihn erhob, die Worte richtete: „Bist du also nicht jener Ägypter, der vor dieser Zeit die 4.000 Sikarier aufgewiegelt und in die Wüste geführt hat?“ Solche Vorfälle ereigneten sich unter Felix.

22. Als Nachfolger des Felix entsandte Nero den Festus, unter welchem Paulus jene Verteidigungsrede hielt, welche seine gefesselte Abführung nach Rom veranlaßte. Des Paulus Begleiter war Aristarchus, den er mit Recht in einem seiner Briefe seinen Mitgefangenen nennt. Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, schloß dieselbe ab mit dem Bemerken“, Paulus habe zwei volle Jahre in Rom frei gelebt und ungehindert das Wort Gottes verkündet. Nachdem der Apostel seine Sache vor Gericht verteidigt hatte, soll er wiederum auf Missionsreisen gegangen sein, um dann noch ein zweites Mal die gleiche Stadt zu betreten und in seinem Martyrium zur Vollendung zu kommen. Damals nun schrieb er in Ketten den zweiten Brief an Timotheus, in dem er sowohl auf seine frühere Verteidigungsrede als auf seine baldige Vollendung hinwies. Vernimm sein eigenes Zeugnis hierüber: „Bei meiner ersten Verteidigung stand mir niemand zur Seite, sondern alle hatten mich verlassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden! Doch der Herr stand mir bei und stärkte mich, auf daß durch mich die Missionspredigt beendet werde und alle Völker sie hören. Ich wurde aus dem Rachen des Löwen befreit“.

Durch diese Worte gibt er deutlich zu erkennen, daß er das erste Mal, damit seine Missionspredigt vollendet würde, aus dem Rachen des Löwen, womit er wohl Nero wegen seiner Grausamkeit bezeichnete, befreit wurde. Im weiteren Verlauf seines Schreibens sagt er nicht etwa: „Er wird mich aus dem Rachen des Löwen befreien“. Er sah im Geist das baldige Ende. Denn mit den Worten „Ich wurde aus dem Rachen des Löwen befreit“ verbindet er die Worte „Der Herr wird mich befreien aus jeder bösen Tat und mich erlösen in seinem himmlischen Reiche“, womit er das bevorstehende Martyrium andeutet. Noch deutlicher sagt er dasselbe in dem gleichen Brief voraus mit den Worten: „Bereits werde ich nämlich geopfert, und die Zeit meiner Auflösung steht bevor“. Im zweiten Brief an Timotheus berichtet nun Paulus, daß, als er ihn schrieb, nur Lukas bei ihm gewesen sei, daß aber während seiner ersten Verteidigung auch Lukas gefehlt habe. Lukas hat demnach offenbar bis zu seinem Beisammensein mit Paulus berichtet und seine Apostelgeschichte mit jener Zeit abgeschlossen. Dies haben wir erzählt, um zu zeigen, daß Paulus nicht während jenes römischen Aufenthaltes, den Lukas erwähnt, das Martyrium erlitten hat. Es ist ja wahrscheinlich, daß, da Nero am Anfang noch zugänglicher war, die von Paulus für seinen Glauben gehaltene Verteidigungsrede noch gnädig aufgenommen wurde, und daß erst, als jener auf der Bahn der Frevel vorwärts schritt, unter anderem auch die Maßnahmen gegen die Apostel ins Werk gesetzt wurden.

23. Da Paulus an den Kaiser appelliert hatte und von Festus nach Rom geschickt worden war, sahen sich die Juden um das Ziel, das sie durch ihr Vorgehen gegen Paulus zu erreichen hofften, betrogen. Sie wandten sich daher gegen Jakobus, den Bruder des Herrn, welchem von den Aposteln der bischöfliche Stuhl in Jerusalem anvertraut worden war. Dergestalt war, was sie gegen ihn frevelten. Sie zitierten ihn und verlangten von ihm, daß er vor dem ganzen Volk den Glauben an Christus abschwöre. Als nun aber Jakobus wider aller Erwarten offen und frei vor der ganzen Menge, wie man es nicht vermutet hatte, bekannte, Jesus, unser Erlöser und Herr, sei der Sohn Gottes, da vermochten sie das Zeugnis dieses Mannes nicht mehr zu ertragen, zumal er überall wegen der Strenge seiner sittlichen und religiösen Auffassung als der gerechteste Mann galt, und sie töteten ihn. Möglichkeit zu diesem Vorgehen gab ihnen das Fehlen einer höheren Instanz. Da nämlich Festus damals in Judäa gestorben war war das Land ohne Regierung und Verwaltung. Der oben angeführte Bericht des Klemens, Jakobus sei von der Zinne des Tempels herabgestürzt und mit einem Stück Holz erschlagen worden, hatte uns bereits Aufschluß über die Art seines Todes gegeben. Am genauesten berichtet über ihn Hegesippus, einer der ersten Nachfolger der Apostel. Er erzählt im Fünften Buch seiner „Erinnerungen“:

„Die Kirche wurde übernommen von den Aposteln und Jakobus, dem Bruder des Herrn, der von den Zeiten des Herrn an bis auf unsere Tage allgemein der Gerechte genannt wurde; denn es gab noch viele, die den Namen Jakobus Führten. Schon vom Mutterleib an war er heilig. Wein und geistige Getränke nahm er nicht zu sich, auch aß er kein Fleisch. Eine Schere berührte nie sein Haupt, noch salbte er sich mit Öl oder nahm er ein Bad. Jakobus allein war es gestattet, das Heiligtum zu betreten; denn er trug kein wollenes, sondern ein leinenes Gewand. Allein pflegte er in den Tempel zu gehen, und man fand ihn auf den Knien liegend und für das Volk um Verzeihung flehend. Seine Knie wurden hart wie die eines Kameles, da er ständig auf den Knien lag, um zu Gott zu beten und ihn um Verzeihung für sein Volk zu bitten. Wegen seiner hervorragenden Gerechtigkeit wurde er der Gerechte genannt; er war ein Oblias, was im Griechischen Stütze und Halt des Volkes heißt, und war die Gerechtigkeit, von welcher die Propheten sprechen“.

Einige von den sieben weiter oben (in den „Erinnerungen“) erwähnten Sekten fragten ihn: „Welches ist die Türe Jesu?“ Er antwortete: „Jesus ist der Erlöser“. Einige von ihnen wurden für den Glauben, daß Jesus der Messias ist, gewonnen. Die erwähnten Sekten glaubten aber weder an die Auferstehung noch an das zukünftige Gericht nach eines jeden Werken. Diejenigen von ihnen, welche den Glauben annahmen, verdankten ihn dem Jakobus. Da nun auch von den Führern (des Volkes) viele glaubten, entstand ein Aufruhr unter den Juden, den Schriftgelehrten und Pharisäern, welche erklärten, das ganze Volk laufe Gefahr, Jesus als den Messias zu erwarten. Sie gingen daher zu Jakobus und sagten zu ihm: „Wir bitten dich, dem Volk Einhalt zu gebieten; denn es ließ sich von Jesus verführen, da es ihn für den Messias hält. Wir bitten dich: Kläre alle, die zum Passahfeste gekommen sind, über Jesus auf! Dir schenken wir alle Vertrauen. Denn wir und das ganze Volk geben dir das Zeugnis, daß du gerecht und unparteiisch bist. Rede daher dem Volk zu, daß es sich nicht bezüglich der Person Jesu irreführen lasse! Denn das ganze Volk und wir alle schenken dir Vertrauen. Stelle dich auf die Zinne des Tempels, damit du dort oben gesehen und deine Worte vom ganzen Volk leicht verstanden werden! Denn wegen des Passahfestes sind alle Stämme mit den Heiden versammelt“.

Die erwähnten Schriftgelehrten und Pharisäer Führten nun Jakobus auf die Zinne des Tempels und riefen ihm zu: „Gerechter, dem wir alle folgen müssen! Da das Volk sich von Jesus, dem Gekreuzigten, irreführen läßt, so tue uns kund, wer die Türe Jesu ist!“ Er antwortete mit lauter Stimme: „Was fragt ihr mich über den Sohn des Menschen? Er thront im Himmel zur Rechten der großen Kraft und wird kommen auf den Wolken des Himmels“. Als auf dieses Zeugnis des Jakobus hin viele voll Überzeugung in Lobpreisungen ausbrachen und riefen: „Hosanna dem Sohne Davids!“ - da sprachen die gleichen Schriftgelehrten und Pharisäer zueinander: „Wir haben ungeschickt gehandelt, da wir Jesus zu solchem Zeugnis halfen. Doch lasset uns hinaufsteigen und ihn hinabstürzen, damit sie aus Angst nicht an ihn glauben!“ Da sie schrien: „Oh, oh, auch der Gerechte hat sich irreführen lassen!“ erfüllten sie die bei Isaias geschriebenen Worte: „Lasset uns den Gerechten aus dem Wege räumen; denn er ist uns lästig! Sie werden nunmehr die Früchte ihrer Werke genießen“. Sie stiegen nun hinauf und warfen den Gerechten hinunter. Und sie schrien zueinander: „Lasset uns Jakobus, den Gerechten, steinigen!“ Und sie begannen, ihn zu steinigen; denn obwohl er hinabgestürzt worden war, war er noch nicht tot. Vielmehr richtete er sich auf und betete auf den Knien: „Ich bitte dich, Herr, Gott und Vater, verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Während sie ihn noch steinigten, rief ein Priester aus der Familie Rechab, des Nachkommen der Rechabim, welche der Prophet Jeremias erwähnt: „Haltet ein! Was tut ihr? Der Gerechte betet für euch!“ Da nahm einer aus ihnen, ein Walker, das Holz, womit er die Kleider preßte, und schlug es auf den Kopf des Gerechten. So starb er den Zeugentod. Man begrub ihn an derselben Stelle in der Nähe des Tempels. Noch jetzt ist sein Grabmal in der Nähe des Tempels. Jakobus war für Juden und Heiden ein glaubwürdiger Zeuge der Messianität Jesu. Bald darauf folgte die Belagerung durch Vespasian“. In diesem ausführlichen Bericht stimmt Hegesippus mit Klemens überein.

Jakobus war so bewunderungswürdig und bei allen anderen wegen seiner berühmten Gerechtigkeit so gefeiert, daß selbst die Juden, soweit sie noch klar dachten, glaubten, das erwähnte Vorgehen gegen ihn sei die Ursache der bald auf seinen Martertod erfolgten Belagerung von Jerusalem gewesen; nur in dem blutigen Frevel, den sie an ihm begangen hatten, sahen sie den Anlaß ihres Schicksals. Auf jeden Fall trug Josephus kein Bedenken, in seinen Schriften diesen Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Er schrieb:

„Dieses Schicksal widerfuhr den Juden als Rache für Jakobus, den Gerechten, den Bruder Jesu, des sogenannten Christus; denn obwohl er der Gerechteste war, hatten ihn die Juden getötet“. Derselbe Geschichtsschreiber erzählt auch von dem Tod des Jakobus im zwanzigsten Buch seiner „Altertümer“. Er berichtet:

„Als der Kaiser von dem Tod des Festus erfahren hatte, entsandte er den Albinus als Prokurator nach Judäa. Der Jüngere Ananus, der, wie gesagt, die hohepriesterliche Würde erhalten hatte, war ein außerordentlich stürmischer Draufgänger; er gehörte der Sekte der Sadduzäer an, welche, wie wir schon gezeigt haben, als Richter grausamer waren als alle anderen Juden. Dieser Ananus nun glaubte, da Festus gestorben und Albinus erst noch auf der Reise war, die Lage sei für ihn günstig, weshalb er den Hohen Rat einberief und den Bruder Jesu, des sogenannten Christus, der Jakobus hieß, und noch einige andere Männer vorführen ließ, sie der Gesetzesübertretung beschuldigte und zur Steinigung auslieferte. Alle aber, die als gute Bürger und gewissenhafte Gesetzesmenschen galten, hielten sich darüber sehr auf, und sie schickten heimlich an den König mit der Bitte, er möge den Ananus wissen lassen, so etwas dürfe nicht mehr geschehen; schon das erstemal habe er nicht recht gehandelt. Einige gingen sogar dem Albinus entgegen, der von Alexandrien her unterwegs war, und klärten ihn darüber auf, daß es dem Ananus nicht erlaubt war, ohne sein Einverständnis die Gerichtssitzung abzuhalten. Albinus schenkte den Worten Gehör, schrieb entrüstet an Ananus und drohte ihm Strafe an. König Agrippa aber entsetzte ihn deswegen seiner hohenpriesterlichen Würde, die er drei Monate bekleidet hatte, und übertrug sie Jesus, dem Sohn des Dammäus“.

Dies ist die Geschichte des Jakobus. Von Jakobus soll der erste der sogenannten Katholischen Briefe verfaßt sein. Doch ist zu bemerken, daß er für unecht gehalten wird. Denn nicht viele von den Alten haben ihn und den sogenannten Judasbrief erwähnt, der ebenfalls zu den Katholischen Briefen gehört. Doch ist uns bekannt, daß auch diese beiden Briefe wie die übrigen in den meisten Kirchen öffentlich verlesen worden sind.

24. Im achten Jahr der Regierung Neros übernahm Annianus als erster nach dem Evangelisten Markus die Leitung der Kirche in Alexandrien.

25. Als Nero sich in seiner Herrschaft bereits sicher fühlte, verfiel er auf verbrecherische Ideen und rüstete sich sogar gegen die Verehrung des Gottes des Alls. Es liegt nicht im Plan dieser Schrift, seine Ruchlosigkeit zu beschreiben. Da viele Schriftsteller ausführliche Lebensbeschreibungen des Kaisers überliefert haben, so kann jeder, der will, hieraus das verkehrte, wahnsinnige Wesen des sonderbaren Mannes kennen lernen. Nachdem er so viele Menschen ohne allen Grund hatte beseitigen lassen, ging er in seinem Blutdurst so weit, daß er nicht einmal seine nächsten Verwandten und besten Freunde schonte, sondern sowohl seine Mutter als auch seine Brüder und seine Gattin nebst unzähligen anderen Verwandten auf verschiedene Weise hinrichten ließ, als wären sie seine eigenen oder des Staates Feinde gewesen. Es hätte aber auch zu allem über ihn das dazugeschrieben werden müssen, daß er wohl als erster der Alleinherrscher sich als Feind der frommen Verehrung Gottes gezeigt hat. Hierüber äußert sich der Römer Tertullian also:

„Lest eure Geschichtswerke! Dort werdet ihr finden, daß Nero der erste war, der unsere Lehre verfolgte, daß er, nachdem er ihr volles Aufblühen in Rom verhindert hatte, furchtbar gegen alle wütete. Wir wollen stolz darauf sein, daß ein solcher Mensch zuerst gegen uns eingeschritten ist. Denn wer Nero kennt, muß wissen, daß nur das, was besonders gut war, von ihm verurteilt wurde“.

Da er sich nun unter den schlimmsten Gottesfeinden besonders hervortun wollte, ließ er sich dazu verleiten, die Apostel hinzurichten. Wie berichtet wird, wurde Paulus eben in Rom unter Nero enthauptet und Petrus gekreuzigt. Dieser Bericht wird bestätigt durch die noch bis heute erhaltenen Namen Petrus und Paulus in den römischen Zömeterien sowie durch einen kirchlich glaubwürdigen Mann, namens Gaius, der unter dem römischen Bischof Zephyrinus lebte und in einem schriftlich überlieferten Dialog mit Proklus, einem Haupt der phrygischen Sekte, über die Stätte, wo die heiligen Leiber der genannten Apostel ruhen, sagt:

„Ich kann die Siegeszeichen der Apostel zeigen. Du magst auf den Vatikan gehen oder auf die Straße nach Ostia, du findest die Siegeszeichen der Apostel, welche diese Kirche gegründet haben“.

Daß beide Apostel zu gleicher Zeit das Martyrium erlitten haben, behauptet Dionysius, Bischof von Korinth, in einem Schreiben an die Römer. Er sagt:

„Daher habt auch ihr durch eure so starke Mahnung die von Petrus und Paulus in Rom und Korinth angelegte Pflanzung miteinander verbunden. Denn beide haben in unserer Stadt Korinth die Pflanzung begonnen und uns in gleicher Weise in Italien gelehrt und zu gleicher Zeit den Martertod erlitten“. Durch dieses Zeugnis möge meine Erzählung noch mehr beglaubigt werden.

26. Nachdem Josephus möglichst ausführlich über das Unglück berichtet hat, von dem das ganze jüdische Volk heimgesucht wurde, erzählt er unter vielem anderen ausdrücklich, daß unzählige angesehene Juden gegeißelt und in Jerusalem selbst auf Befehl des Florus gekreuzigt worden seien. Dieser war in Judäa Prokurator, als sich der Krieg zu entzünden begann, nämlich im zwölften Jahr der Regierung des Nero Sodann berichtet Josephus, daß bei dem Abfall der Juden ganz Syrien von einer Erbitterung gegen sie ergriffen worden sei und die Juden überall von den Städtern wie Feinde schonungslos niedergemacht worden seien, so daß die Städte mit unbeerdigten Körpern angefüllt waren. Die Leichen von Greisen und Kindern seien untereinandergeworfen worden und die der Frauen haben sogar der schamhaften Bedeckung entbehren müssen. Unbeschreibliches Unglück habe die ganze Provinz erfüllt. Und noch schlimmer als die überall verübten Gewalttaten sei die Angst vor dem gewesen, was noch bevorstand. So berichtet ausdrücklich Josephus. Dies war die Lage der Juden.

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