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Hiob - Kapitel 31

Hiob - Kapitel 31

(Leander van Eß)

1 Einen Bund hatte ich geschlossen mit meinen Augen, wie sollte ich nach der Jungfrau schauen?
2 Welches Loos von Gott von oben, welches Erbe vom Allmächtigen aus den Höhen!
3 Gebührt nicht Unglück dem Gottlosen, und Untergang den Uebelthätern?
4 Sah Er denn nicht meine Wege; und zählte alle meine Schritte?
5 Ging ich je mit Lüge um; und eilte zum Trug mein Fuß?
6 Er wäge mich mit gerechter Wage; und Gott erkenne meine Unsträflichkeit!
7 Wich ab mein Schritt vom Wege, folgte meinen Augen mein Herz, und klebte an meiner Hand ein Fleck;
8 so mag, was ich gesäet, ein Anderer essen; was ich gepflanzet, entwurzelt werden!
9 Ließ sich hinreißen mein Herz zum Weibe; und lauerte ich an der Thür meines Nächsten;
10 so mag einem Andern mahlen mein Weib; und auf sie Andere sich hinbeugen!
11 Denn solches wäre Schandthat; und solches strafbares Verbrechen;
12 ja, ein Feuer solches, das bis zur Vertilgung fräße; und meine ganze Ernte ausrottete.
13 Hätte ich verschmäht das Recht meines Knechtes, und meiner Magd, wenn sie Klage führten über mich;
14 was hätte ich machen wollen, wenn Gott sich erhoben? Und wenn er geahndet hätte, was ihm erwiedern wollen?
15 Hat nicht, der mich schuf im Mutterleibe, ihn geschaffen? Und hat nicht Einer uns bereitet im Mutterschooße?
16 Hätte ich versagt den Wunsch der Armen; die Augen der Wittwen schmachten lassen;
17 hätte ich allein gegessen meinen Bissen; und nicht die Waise davon mitgegessen;
18 (ja von meiner Jugend an wuchs er mir auf, wie einem Vater; und von meiner Mutter Leibe an leitete ich sie.)
19 hätte ich sehen können den Verlassenen ohne Kleid; und ohne Decke den Armen;
20 hätten mich nicht gesegnet seine Hüften; und hätte er sich nicht erwärmt von meiner Lämmer Wolle;
21 hätte ich wider die Waise meine Hand erhoben; weil ich im Thore meinen Beistand sah;
22 so falle mir die Schulter vom Nacken; und gebrochen werde mein Arm in der Röhre.
23 Ja, schrecklich wäre mir das Verderben Gottes gewesen; und vor seiner Erhabenheit hätte ich es nicht ausgehalten.
24 Hätte ich auf Gold mein Vertrauen gesetzt; und zum feinsten Golde gesprochen: Meine Zuversicht!
25 Hätte ich mich ergötzt, daß groß mein Vermögen, daß viel erworben meine Hand;
26 hätte ich aufgeschaut zum Lichte, weil es leuchtete; und zum Monde, der prachtvoll wallte;
27 hätte heimlich sich verführen lassen mein Herz; und meine Hand geküsset meinen Mund;
28 auch solches wäre strafbares Verbrechen; denn geheuchelt hätte ich Gott in der Höhe.
29 Hätte ich mich gefreuet über das Verderben meines Hassers; und gejubelt, wenn Unglück ihn getroffen.
30 Aber nie gestattete ich meinem Gaumen, zu sündigen; mit Verwünschung zu fordern seine Seele.
31 Hätten nicht gesprochen die Leute meines Zeltes: „Wer ist doch, der nicht von seinem Fleische gesättigt worden!“
32 Kein Fremdling durfte übernachten auf der Straße; meine Thüren öffnete ich dem Wanderer.
33 Hätte ich verheimlichet nach Menschenweise mein Vergehen; im Busen verborgen meine Schuld;
34 ja so müßte ich schrecken vor der großen Menge; und die Verachtung der Stämme müsse mich niederschlagen; dann hätte ich verstummen, und nicht aus der Thüre gehen mögen.
35 O, daß er mich doch hörte! Hier meine Schrift! Der Allmächtige antworte mir; und mein Gegner schreibe die Klagschrift!
36 Fürwahr! auf meiner Schulter wollte ich sie tragen; wollte sie mir umbinden als Kopfschmuck!
37 Die Zahl meiner Schritte wollte ich ihm bekennen; wie ein Fürst vor ihn treten.
38 Hätte über mich mein Acker geschrieen; und sämmtlich seine Furchen geweint;
39 hätte ich seinen Ertrag verzehrt ohne Zahlung; und das Leben seiner Besitzer verhauchen lassen;
40 so mögen statt Weizen Dornen sprossen; und statt Gerste Unkraut! - Zu Ende sind die Reden Hiob's.

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