Elster, Julius Heinrich Friedrich - Jesus Christus ist gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen

Elster, Julius Heinrich Friedrich - Jesus Christus ist gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen

Nach 1. Timotheus 1,15

Allgütiger, der du die Welt erschufst, um die geschaffene zu beglücken, und ewig weise deine Kinder zu dir führst, wer könnte deiner Güte Ziel ermessen, wer deine Weisheit fassen, die du selber dir erfandst? Die Himmel erzählen deine Ehre, dich preist der große Tempel der Natur, und der beglückte Mensch fällt dankend vor dir nieder: denn du sandtest uns den Heiland, den Erretter, der versöhnend uns deinen Frieden gab. Er stiftete das große Reich der Wahrheit und der Tugend, das seine Grenzen über Raum und Zeit erstreckt, das alle Menschen, sie als Brüder einend, zu einem hohen Ziel führen will, Die Macht des Irrtums und der Sünde ist durch ihn gebrochen, weit über das Grab hinaus strahlt eine bessere Welt, und unser Glaube, unsere Liebe, unsere Hoffnung wendet sich zu ihm, der für uns litt und starb. Schwer ist der Kampf - er stütze unsern Glauben! weit ist das Ziel - er leuchte uns voran! und kann das Leben unsere Zweifel nimmer lösen, bleibt unsere Sehnsucht hier noch ungestillt, erfreuend schließe dann die Hoffnung sich an unsern Glauben und lenke unsern Blick über Grab und Tod zu jenem ewigen Leben hin. Und du, der überall, wenn auch unsichtbar für das menschliche Auge, das Gute trägst und förderst, lass deinen Segen auf uns allen ruhen, sende auch uns den Geist des Friedens, den stärkenden, tröstenden, den Christus allen denen verhieß, die vertrauensvoll zu dir sich wenden.

Amen!

1. Timoth. 1, 15.

Nichts ist wohl ergreifender, meine Freunde, nichts, was das Innerste unsers Herzens dem großen Apostel unwiderstehlicher zuführt als jene kindliche Demut, die seine großen Tugenden, seine glänzenden Vorzüge, nur um so größer und nachahmungswürdiger macht. Es ist nicht jene Größe die Bewunderung erzwingt, ohne das Herz zu ergreifen, nicht jener Tatenglanz, der blendet ohne zu erwärmen, vor dem man furchtsam sich abwendet, weil man die Ähnlichkeit in seinem Innern sich zu suchen scheut - nein voll unendlicher Freude fühlt sich das Herz vor einem solchen Vorbild zur Nachahmung begeistert, und die Entschlüsse werden. Seht, an die Zuversicht der Überzeugung: „Christus Jesus ist gekommen in die Welt die Sünder selig zu machen“, schließt er demutsvoll, im Bewusstsein seiner früheren Verfolgung des Christentums, die Worte an: „worunter ich der vornehmste bin.“ Von der eigenen Erfahrung belehrt, von der ewigen Wahrheit der Erlösung erfüllt, von der Überzeugung getrieben, dass nur in Christo Heil sei, predigt er überall das Evangelium von Christo, als eine Kraft Gottes selig zu machen alle, die daran glauben, und stellt die Barmherzigkeit, die ihm widerfahren ist, die Geduld, die Christus ihm vornehmlich erzeigt hat, zum Exempel allen denen, die an Christum glauben sollten zum ewigen Leben. Ja auch uns ist diese Barmherzigkeit widerfahren, auch uns diese Seligkeit bereitet, die eben so göttlich groß in ihren Wirkungen, als sie ewig in ihren Folgen ist. Die Fülle der höchsten göttlichen Wahrheiten hat uns die Lehre Christi mitgeteilt, die unsere Sehnsucht stillen, die unsere Hoffnung froh erheben, wenn wir sie kindlich glauben. Es ist die Zufriedenheit mit uns selbst, zu der sie führt, die Seligkeit eines reinen Herzens, wenn wir die Tugend üben, wie sie Christus übte; es ist endlich der Friede mit Gott, der Friede, den die Welt nicht gibt, wo wir gewiss sind der Gnade unsers liebevollen Vaters, durch die Versöhnung unsers Herrn Jesu Christi.

Ja, Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen! so lobten die Engel den Herrn, da der Heiland auf Erden erschienen war; so wollen auch wir ihn preisen, der ewig liebend seine Schöpfung trägt und lenkt. Was vergebens die Völker suchten und ersehnten, was die Weisesten der Vorzeit nur ahnend hoffen konnten - Christus hat es ans Licht gebracht mit ewiger Gewissheit, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Eine neue Sonne leuchtete durch ihn der Erde, und mit sittlicher Allmacht durch alle Zeiten herrschend, gewöhnte er eine rohe und sittenlose Welt an Aufklärung und Bildung.

So nennen wir nun mit Recht, meine Freunde, unser Zeitalter eine aufgeklärte Zeit: denn die Besonnenheit ist zurückgekehrt, und wenn auch wehmutsvoll die Geschichte der letzten Zeit es in unser Gedächtnis zurückruft, wie die Welt das Maß vergessend, bald das Göttliche verspottend der Vernunft Altäre baute, bald mit dem Göttlichen spielend, übertriebene Schwärmerei an die Stelle ruhiger und besonnener Betrachtung stellte, so sehen wir doch jetzt den Geist allenthalben tätig nach dem Höchsten forschen, die Lehre vom Kreuz finden wir überall Aufklärung und Sitte verbreitend, und das sittliche Vorbild Christi treibt in der Stille segnend, in den Herzen aller Bessern den Keim des Wahren und des Guten empor. Doch wie eben jene Missbräuche und Verirrungen der Menschheit aus dem Stolz entsprangen, der, seine Schwäche verkennend, das ewige Bedürfnis der Erlösung entbehrlich glaubte, so vergisst man es im Bewusstsein namhafter Vorzüge so leicht, dass jene kindliche Demut, die den Apostel in unserm Text so sehr auszeichnet, überall erst den Reiz der Schönheit und den Wert wahrhaft christlicher Tugend gibt. Die Gefahr der Verirrung droht also auch uns, und die Sicherheit unserer Zeit lehrt uns besonnen sein. Schwärmerei, oder unberufene Erklärungssucht haben nur zu oft schon die Wahrheit der Geschichte zurückgedrängt, und wie das Unerklärliche in dieser Lehre dadurch nur gehäuft wurde, so hat ein träger Leichtsinn, oder eine freche Rohheit sie nicht selten zu benutzen gewusst, um ohne bußfertigen Sinn und wahre Besserung sich Befreiung von den Strafen ihrer Sünden zu erträumen. Und so, meine Freunde, da das Bedürfnis der Erlösung ein ewiges auch für uns ist, da die Geschichte uns lehrt, dass nur das Festhalten an der Wahrheit dieser Lehre das Glück des Menschen ewig fest begründen kann, was sollte unserer Betrachtung näher liegen als jener Ausruf des Apostels: „es ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen!“

„Jesus Christus ist gekommen, in die Welt die Sünder selig zu machen.“ Das sei also der Gegenstand unserer Betrachtung, dessen Wahrheit wir uns

  1. zu beweisen und dessen Wert wir uns dann
  2. darzustellen suchen wollen.

I.

Für die Wahrheit dieses Ausspruchs zeugt 1. die Lehre, die uns Christus verkündete, 2. das Beispiel, das er uns aufstellte und 3. der Tod, den er für uns starb.

Es ist je gewisslich wahr, dass Jesus Christus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, denn davon zeugt

1. Die Lehre, die er uns verkündete

Arm war das Leben geworden, meine Freunde: denn der Irrtum und die Sünde herrschten darin, die Verehrung war herabgesunken zu nichtssagender Gewohnheit, die Gewissen waren belastet, und von Zweifeln umringt, von der Zukunft bedroht, fehlte den Menschen die Zuversicht des Glaubens, wie die Freudigkeit der Hoffnung. Das Gesetz lastete schwer auf ihnen, der Buchstabe hemmte den leichten Flug des Geistes, voll Sehnsucht ohne Hoffnung, im Besitz ewiger Kräfte, ohne den Mut sie zu gebrauchen, mussten sie den gerechten Gott als ihren Richter fürchten, ohne auch vertrauensvoll als Vater ihn zu lieben. Doch da erschien das Licht vom Himmel, und der Allgütige, der von Ewigkeit beschlossen hatte, die Menschheit zu beglücken, er liebte sie also, dass er seinen eingebornen Sohn dahin gab, auf dass alle, die an ihn glaubten, nicht verloren würden. Nicht aber für jene Zeit allein, nicht für ein einzelnes Volk, nein für alle Zeiten und Völker war die Lehre bestimmt: denn das Werk, das von Gott kam, konnte keine Macht der Erde vernichten, die Wahrheit, die sie verkündete, war ewig, wie der Gott, der sie erschuf - und was ewig ist, findet immer seine Zeit. „Ich bin das Brot des Lebens, spricht Christus, wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“. So ruft er Alle herzu zur Annahme seiner Lehre, den Segen, den sie bringt, will er Allen mitteilen, und auf jeder Stufe der Bildung findet der Unmündige und Unwissende, wie der ernste und besonnene Forscher in ihm die Speise des Himmels, die den Geist erquickt, und das still sehnende Herz beruhigt und erfreut. Und seht auf den Inhalt dieser Lehre. Sie führt Alles zurück auf den einen Gott, den wir als Vater lieben sollen, sie lehrt uns überall ihn suchen und erkennen, und ihn, von dem alles Leben, Licht und Wahrheit kommt, den seine Schöpfung liebt und preist, ihn heißt sie uns anbeten in unserm Herzen. Sie gibt dem Zweifelnden die Gewissheit - Gott ist die Liebe, dem Schwankenden reicht sie die Stütze des Glaubens, dem Irrenden die Wahrheit des Evangeliums; dem Verzagten gibt sie den Mut die Welt zu überwinden, dem Bedrängten die Standhaftigkeit den Kampf des Lebens zu bestehen; den Gefallenen richtet sie auf durch die Verheißung: Gott will dir gnädig sein, und dem Sterbenden macht sie die Trennung leicht durch die Hoffnung einer Ewigkeit. „Tut Buße und bekehrt euch“, das ist der Aufruf, den sie vor allen an ihre Jünger zuerst richtet. Zwar unendlich, und hier nie zu erreichen, seht sie uns das Ziel unseres Strebens, Gott ähnlich zu werden - doch sie gibt uns den Mut danach zu ringen, zeigt uns den Weg es zu erreichen, und die Vollendung strahlt auf uns herab. „Kommt her zu mir, ruft Christus mit liebevoller Milde, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken: denn meine Last ist leicht und mein Joch ist sanft“ aber er verbindet damit die ernste Warnung: „habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist: denn die Welt vergeht mit ihrer Lust, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.“ Trocknet eure Tränen, spricht er zu den Leidenden, dort ist weder Schmerz noch Klage doch nur „was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Den Trauernden tröstet die frohe Kunde: „er hat die Welt überwunden, er hat dem Tod die Macht genommen, und des Grabes Pforten sind durch ihn geöffnet“ doch „sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“. Und welches Glück der Erde, welche Seligkeit kann mit der sich messen, die uns diese Lehre schafft? Freudig löst sie alle Rätsel, alle Zweifel, die sich trübe über uns zusammenziehen, lebend führt sie uns zu jener ewigen Vollendung hin, wo die Finsternis Licht, wo unser Glaube ein lebendiges Schauen wird. Er leitet zu himmlischem Sinn und Wandel, erleuchtet und bessert durch warnende Lehren, beruhigt durch göttlichen Frieden, tröstet und beseligt durch Glauben und Hoffnung, und gibt so dem Menschen die sichere Bürgschaft für den Himmel, durch den Himmel, den er selbst in seinem Herzen trägt. Ja es ist je gewisslich wahr, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen: denn davon zeugt die Lehre, die er uns verkündete!

Von dieser Wahrheit zeugt aber auch

2. Das Beispiel, welches er uns aufstellte.

Es liegt tief in dem Bedürfnis des Menschen, sich ein Vorbild zu sehen, dem er nachstrebe, wonach er sich bilde, und selbst die genaueste Kenntnis der Pflichten lässt uns noch schwankend und ungewiss, wie wir sie im Leben darstellen und ausüben sollen, nicht aber der Schwache und Unmündige allein bedarf dieser Stütze, auch wer das Höchste will, muss das Höchste kennen. So weist schon das Ahnen und Sehnen der alten Welt nach einem solchen Vorbilde auf das bestimmteste hin, wie allgemein dies Bedürfnis empfunden wird. Doch was ist das menschliche Suchen gegen das göttliche Erfinden und Schaffen der Wahrheit? Mochte man dies Vorbild als ein mögliches und wünschenswertes durch Kunst und Wissenschaft darstellen, mochte man es vorzeichnen durch Weissagung eines Königs der Gerechtigkeit, es fehlte allen diesen die lebendige Fülle, das Anschauliche geschichtlicher Wahrheit, und das durch Sehnsucht gezeichnete Bild war ohne Lebenskraft und überzeugende Wirklichkeit. Doch seht, uns leuchtet es voran, dies unendliche Vorbild des heiligsten Menschen, der ein wahrhaftiger Mensch unter uns einst wandelte und wirkte; und überall, wohin die Predigt des Evangeliums dringt, wird es, so lange nur das Gute und Schöne überhaupt empfunden und geliebt wird, aller Herzen gewinnen und erfreuen. Schon Jahrhunderte auf Jahrhunderte in der Stille wirkend, teilte es frommen Seelen segnende Kräfte mit - und wer kann die Wonne fassen bei dem Gedanken, dass Christus unseres Geschlechts, dass er unser Bruder ist? Ruhig wirkend, ruhig selbst den Tod für das Gotteswerk erduldend, hat er mit sittlicher Allmacht eine feindliche Zeit bezwungen, und für eine Ewigkeit das Reich der Wahrheit und der Tugend aufgestellt. „Ich bin ein König“, sagt er im vollen Bewusstsein dieser seiner Würde, „ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich von der Wahrheit zeugen soll.“ „Dich, Vater, habe ich verklärt auf Erden“, betete er, da die Stunde seines Todes nahte, „ich habe vollendet das Werk, das, du mir gegeben hast.“ Seht! seine Feinde verstummen, da er ihnen zuruft: „wer kann mich einer Sünde zeihen“! und er, der nicht wusste, wohin er sein Haupt legte, betete mit unendlicher Liebe unter Todesschmerzen für seine Feinde: „Vater vergib ihnen: denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Und können wir sie fassen - die Fülle göttlicher Liebe, so lasst uns hintreten unter das Kreuz des Sterbenden; seht die weinende verlassene Mutter, und den Jünger dabei stehen, den er lieb hatte; siehe, das ist deine Mutter, spricht er zu dem Jünger: „denn wie er geliebt hatte die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis an den Tod.“ Wohl dem Schmerz unterworfen betet er mit kindlichem Vertrauen: „Vater ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir“; doch mit eben so kindlicher Ergebung in den Willen des Vaters fügt er hinzu: „doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Und welche Wirkung musste ein solches Vorbild hervorbringen? Nicht nur, dass das Mögliche wirklich, das Schwankende und Ungewisse gewiss und wahr wurde allen Lehren drückte dieses Beispiel das Siegel der Wahrheit auf, und den Menschen, der in sich den Mut fühlt, mit allen Kräften das Höchste zu erstreben, ihn begleitet die beseligende Hoffnung, das Höchste auch zu erreichen, da es ihm vorleuchtet in lebender Fülle. O, wir fühlen die Wonne, Christus hat durch ein vollendet heiliges, Leben die Gnade unseres Gottes uns allen mitgeteilt, wir können ihm nachstreben durch gehorsame Liebe, wir können die Vollendung erreichen, die unsere Sehnsucht will, wir können Bürger seines Reichs werden durch Liebe, Glauben und Hoffnung. Ja sollte dies uns nicht von der Wahrheit überzeugen: dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen?

Von dieser Wahrheit zeugt aber auch noch

3. Der Tod, den er für uns starb.

Lasst die Geschichte reden mit ihrer überzeugenden Wahrheit. So weit sie reicht, webet in ihr eine ewig waltende Vorsehung, und über die graue Zeit hinaus ragt der ewig weise Gott, der liebend feine Schöpfung trägt und lenkt. Wohl längst war durch große Männer Großes hervorgebracht; Weise standen auf, die über ihre Zeit erhaben ihrem Geschlecht das Licht der Aufklärung anzündeten; es gab ausgezeichnete Männer, die fest und unerschütterlich in jedem Sturm des Lebens ihrem schwankenden Zeitalter neue Kraft und Haltung gaben - aber in Christo, der durch Leiden und Tod die ewige Wahrheit seiner Lehre besiegelnd, eine ganze Welt erlöste, und ewig allen Zeiten fortgebietet, in ihm hatte sich Gott geoffenbart. Reif war die Zeit geworden für den großen Erziehungsplan des Vaters; das Bedürfnis der Erlösung ward allgemein gefühlt, lange schon vorbereitet war die Erscheinung des Messias, und alle Besseren sehnten sich nach der Zeit, wo der Sohn Gottes auf Erden erscheinen und wirken sollte. Und so nun Gerechtigkeit und Liebe vermittelnd stellte er, nach dem ewigen Ratschluss Gottes, das Werk der Versöhnung auf durch ein vollendet heiliges Leben, durch Gehorsam bis zum Tod. Seht ihn denn in seinen Leiden, folgt ihm im Geiste nach Golgatha, wie er, der von keiner Sünde wusste, den Tod des Missetäters starb für das Heil der Menschheit. O weilt mit mir in diesem Augenblick am Kreuz dieses Heiligen, lasst das Gefühl mit stillem Dank hier das große Fest der Liebe feiern: denn auch für uns alle litt er, ewig Segen stiftend, diesen schmachvollen Tod. Liebe und Hass sehen wir hier schon schärfer sich von einander trennen, die Jünger des Gekreuzigten schließen sich enger zusammen, und der Grund der neu entstehenden Kirche war gelegt. Eine lange Reihe von Leiden und Verfolgungen vermochte es nicht, die Lehre vom Himmel zu vertilgen: denn Christi Tod beseelte seine Jünger für ihn zu sterben, um mit ihm zu leben. Jetzt wurde das Christentum mit Huldigung anerkannt, und mochten im Strome der Zeit die Völker untergehen, denen zuerst das Evangelium verkündet war, nach allen Seiten hin hatte schon die Lehre vom Kreuz sich ausgebreitet, und das rohe Geschlecht, das die alte Welt vernichtet hatte, demütigte sich vor dem göttlichen Wort. So war der Tod und und die Auferstehung Christi die Stütze der neuen Kirche geworden, und wie sie die Hauptsache der Lehre und Predigt wurde, so stiftete überall diese frohe Botschaft Frieden und Segen. „Christus erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuze“; das ist die Wahrheit der Geschichte, die unsere Überzeugung festhält, die alle Zweifel scheucht, die unsern Blick erheitert und unser Herz erhebt. Was kann unsern Glauben nun noch wankend machen, was unsere Liebe noch erschüttern, was unsere Hoffnung täuschen? Christi Tod, den er nach dem unerforschlichen Willen des allweisen Vaters für die verirrte Welt erlitt, ist der Eckstein des neuen Tempels geworden, wo die versöhnte Menschheit dem ewig liebevollen Vater anbetend danken soll. Ja mögen wir nachschlagen in dem großen Buch der Geschichte, blicken wir hinein in das Heiligtum unsers eigenen Herzens, ist's nicht das Kreuz Christi, das alle versammelt zu einer neuen Gemeinschaft, zu einer Gemeinschaft, wo im brüderlichen Bund Liebe und Dankbarkeit das Herz erfüllen soll, wo alles Gute, Wahre und Schöne sich sucht und liebt, wo mit kindlichem Glauben, mit froher Hoffnung, Alles, nach einem Ziel strebend, der ewigen Vollendung harrt? Noch einen Blick dann, Freunde, auf den großen Zeitraum der Geschichte, seht noch einmal den Tod Christi mit allen segensreichen Folgen für die Menschheit, lasst auch unsere Erfahrung reden, wo wir so oft, wenn Alles wankte, Alles uns verließ, das bei ihm fanden, was wir suchten Ruhe im Herzen, und Frieden mit Gott seht dies Alles, und was kann dann lauter für die Wahrheit sprechen: Christus Jesus ist gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen, als der Tod, den er für uns starb?

Verbürgt ist uns also diese Wahrheit durch Christi Lehre, Beispiel und Tod, und wir wissen, es sei in keinem Andern Heil, es sei auch kein Name den Menschen gegeben, darinnen sie sollten selig werden, als der Name unseres Herrn Jesu Christi. So lasst uns denn zu ihm uns wenden, und nun noch kurz zu zeigen suchen

II. wodurch diese Wahrheit für uns einen so hohen Wert hat.

  1. dadurch, dass Christus der Grund unseres Glaubens
  2. das Ziel unseres Strebens
  3. das Unterpfand unserer Hoffnung werden soll.

Es ist ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, denn er ist

1. der Grund unseres Glaubens.

Vor uns liegt das Leben mit seinen tausend Reizen, wie mit seinen mannigfachen Leiden. Der Mensch fühlt sich zur Glückseligkeit bestimmt, doch vergebens sucht er unter den Gütern der Erde den Himmel seines Herzens auf. Unbeständig, wie das Glück des Lebens, schwankt der Mensch, zweien Welten angehörend, ewig zwischen beiden. Die Versuchung naht, und die Tugend, die der Höchste will, kann nur im Kampf werden. Leiden brechen über uns herein, verlassen stehen wir unter drohenden Gefahren, und das bange Herz sehnt sich nach einer Stütze: denn größer noch, als die lindernde Gewalt der Zeit, ist die Gebrechlichkeit des Menschen-Herzens, das sich weder in die Fülle der Freude noch des Schmerzes zu finden weiß. Doch seht Christus reicht uns diese Stütze, die nimmer wankt, die bei uns aushält - sei's im Unglück, oder Glück. Christus ist der Grund unseres Glaubens, und „einen andern Grund kann Niemand legen“. Bedeutsam erscheint uns nun jegliches Verhängnis, eine weise Vorsehung wacht ewig liebend auch über uns; unsere Leiden kommen von einem allgütigen Vater; die Güter des Lebens sind Mittel, das ewige Gut des Himmels zu erwerben, und bei Gott dort oben muss Recht und Friede sein. Das wollen wir glauben, das sei der Grund, worauf unser Herz sich stützt. Kein blendender Schein kann uns dann noch täuschen, kein trüber Zweifel uns verwirren, keine Menschenfurcht und Menschengunst noch schwankend machen, unerschütterlich steht unser Glaube: denn Christus soll unser Führer sein zu aller Wahrheit. „Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden lasse ich euch, spricht er, einen Frieden, wie ihn die Welt nicht gibt“! Er komme auch über uns! Ja es ist ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist die Sünder selig zu machen: denn Christus ist der Grund unseres Glaubens.

Christus sei aber auch

2. das Ziel unseres Strebens.

Wer da sagt, meine Freunde, dass er an Christum glaube, „der soll auch wandeln gleich wie er gewandelt hat“. Seht unsere Kräfte, unsere Anlagen, seht unsere Sehnsucht, die das Höchste sucht und will - Christus geht uns voran, die Wahrheit und die Tugend führte er herab vom Himmel, dass Sie unter uns wohne, uns beruhige, uns beselige. und ihm, den kein Glanz der Erde, keine jubelnde Menge zu stören vermochte, seinen Geist zum Unendlichen zu erheben, der Alles duldete, um durch ein vollendet heiliges Leben uns den Weg zu Gott zu zeigen - ihm sollten wir nicht nachstreben durch gehorsame Liebe, nicht gesinnt sein gleichwie er gesinnt war? Ja freudig bringen wir dir Vater unsern Dank, der du auch uns den Sieg gegeben hast durch unsern Herrn Jesum Christum: dich wollen wir überall suchen und erkennen, dich den Verborgenen ahnen in den Wundern der Natur, deine Stimme vernehmen in unserm Gewissen, dich anbeten in unserm Herzen. In der großen Gemeinschaft der Menschheit, wie im Kreis der Familie, in Staat und Kirche, Freund und Feind, überall soll die Liebe herrschen, wie sie Christus übte. So wird Zufriedenheit bei uns wohnen, so der Friede Gottes auf uns allen ruhen. Und könnten wir nun noch den hohen Wert verkennen, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist die Sünder selig zu machen, da er das Ziel unsers Strebens ist?

So sei Christus denn auch endlich

3. Das Unterpfand unserer Hoffnung

Das Licht des Himmels ist erschienen, und wenn wir glauben an die Gotteslehre, wenn wir Christo nachstreben durch gehorsame Liebe, dann sollen auch alle die Segnungen uns zu Teil werden, die jene Himmelslehre uns verheißt. Freudig blicken wir auf zu ihm, der auch für uns den Tod erduldete; und er, „dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, seht er ist auch bei uns alle Tage bis an der Welt Ende.“ Und was könnte uns nun noch schrecken und verwirren? „Wir sind gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Hohes, noch Tiefes, noch irgend eine andere Kreatur uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist unserm Herrn.“ Mögen wir denn Trübsal haben aber wir ängstigen uns nicht; mag uns bange sein - wir verzagen nicht; mögen wir Verfolgung leiden, aber wir werden nicht verlassen; mögen wir unterdrückt werden - aber wir kommen nicht um: denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen große Herrlichkeit. Christus ist auch für uns gestorben, er ist auferstanden zu einem ewigen Sein, das ist das Unterpfand unserer Hoffnung, und über Grab und Tod blicken wir mit froher Zuversicht hinaus. „Wo ich bin, da sollen auch die sein, die du mir gegeben hast“, so betete er auch für uns, der dem Tod die Macht genommen hat. Und mögen nun Gestalten wechseln mit Gestalten, das Glück mit seinen tausend Reizen, der Erde Ruhm und Glanz mag schnell, wie unser Leben uns entfliehen - Christus ist das Unterpfand unserer Hoffnung: denn an ihn glauben und ihn lieben wir. Welch ein teuer wertes Wort also, meine Freunde: Christus Jesus ist gekommen in die Welt die Sünder selig zu machen!

O möchte dann auch unter uns, das Evangelium von Christo eine Kraft Gottes werden zur Seligkeit. Festhalten lasst denn auch uns an dieser ewigen Wahrheit. Christus sei unser Glaube auf des Lebens mühevollem Weg, er sei unser Führer, wenn wir verlassen irren, durch unser eigenes Herz bedroht, er sei der Fels, auf den wir bauen, wenn Alles um uns wankt. Ja dich, Vater, wollen wir dankend preisen, von dem alle gute und alle vollkommene Gabe kommt: Ehre sei dir in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen! Amen!

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