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Denck, Hans - Bekenntniß

Denck, Hans - Bekenntniß

1525 Januar

Erstes Bekenntniß

Ich Johann Dengk bekenn, das ich in der wahrhayt befinde, fül und spür, das ich angeborner Weyß ein armutseliger Mensch bin, nemlich der aller Kranckheyt leybs und der seelen unterworfen ist.

Spür aber doch darneben auch ettwas in mir, das mir meinem angebornen muttwillen kreftig widerstand thut und zaygt mir an ain leben oder seligkait, dahin es mein seel so unmüglich gedunckt zu kommen als es meinen leyb unmüglich gedunckt in den sichtigen Himel zu steygen.

Man sagt, durch den Glauben kumme man zu dem leben. Laß ich sein; wer gibt mir aber den galuben? Ist er mir angeborn, so mußt ich das leben von angeborner weyß haben, das ist nit.

Ich hab von kindheyt auf von meinen eltern den glauben gelernet, imm mund umbgezogen, darnach auch menschliche bucher gelesen und noch viel mehr mich eins glaubens gerumbt, aber in der warhayt das gegentayl, so mir von natur angeborn ist, nye recht betracht, wie woll es mir zu vil malen fürgeworffen ist.

Disen falschen glauben straft gewiß vorgemelte angeborne armutseligkayt. Dann ich sihe in den wahrhaytt, das alle dieweyl dise angeborne kranckhayt oder armutseligkayt nicht im grund abnymbt, ye mer ich mich butz und mutz, ye mer sy von nötten zunymbt.

Gleich wie ain böser baum von art nit gut, sonder nur noch erger wirt, man zügel und wart ime wie man wöll, wann man im nit zu der wurtzel sihet und die überweltigt.

Wer gern gelt hett und doch kains hat, der spreche gern, er hett tausent Gulden, wenn es war were. Weyl ers aber nit hatt, so mag er entweders nicht also sagen, oder aber sagt ers, so betreugt er die leut höchlich, sich selber aber am höhisten.

Ich wollt gern, das ich glauben, das ist leben, hette. Aber dieweyl sichs nit gründlich in mir erfindet mag ich weder mich noch ander leut betriegen.

Ja, wann ich heut saget, ich glaube, so möcht ich mich morgen doch selbs lüg strafen, aber nit ich, sonder die warhayt, so ich in mir zum teyl enpfinde.

Dises wayß ich bey mir gewiß, das es die warhayt ist, darumb will ich im, ob gott will, zuhören, was es mir sagen wölle und wer es mir nemen will, dem will ich nit gestatten.

Und wo ich das in aym geschöpff hohe oder nider befind, will ich aber hören;: warzu es mich weyßet, will ich gehn nach seinem willen, warvon mich es jagt, will ich fliehen.

So viel ich mich der Schrift auß meinem vermögen underwind verstehe ich nichts. Soviel mich aber das treibt, so viel begreiff ich auch, nicht auß verdienst, sonder auß gnaden.

Von natur kann ich ye der schrifft nit glauben. Aber das in mir, nit das mein (sag ich), sonder das mich treybt on allen meinen willen und zuthun, das treybt mich, die schrifft zu lesen umb Zeugknuß willen.

Also lise ich sye und finde zum tayl Zeugknuß, die do krefftig mithallen, das eben das, das mich also treybt seye Christus, dem die schrifft zeugknuß gibt, er seye der son des allerhöhisten.

Den glauben thar ich nit sagen, das ich in jhabe auß angezaigter ursach, wie wol ich sihe, daß mein unglaub vor im in besteen kan. Darumb

So sprich ich, wolan in Gottes allmechtigen namen, den ich auß dem grund meines hertzen fürcht, Herr, ich glaube, hilf meinem Glauben.

Also halt ich die Schrift mit Petro für ein Lucern, die do leuchtet im finstern. Die finsternuß meins unglaubens ist von natur tief in der warheyt. Die Schrift, die Lucern, die scheint in der finsternuß, aber sy vermag von yhr selbs nit (wie sy mit menschen henden geschriben, mit mmenschen mund gesprochen, mit menschen augen gesehen und mit menschen oren gehört wirt) die finsternuß ganz hinweg nemen, Sondern wenn der tag, das unendlich liecht anbricht, wenn der morgenstern der glaube, wie ain senfkorn, der do gegenwertig anzaygt die Sonne der gerechtigkayt, Christum, in unserm Herzen auffgehet, wie auch die schrifft von Jacob dem Altvatter bezeugt, denn erst, so ist die Finsternuß des unglaubens uberwunden. Das ist in mir noch nit.

Dieweyl solche finsternuß in mir ist, so ists unmüglich, das ich die schrifft allenthalben verstehn künde. So ich sy dann nit verstehe, wie sollt ich dann den glauben daraus erschöpfen? Das hiesse glauben von im sels uberkommen, so ich in neme ehe das er mir von gott eröffnet wurde.

Ja, wer der offenbarung von gott nit erwarten will, sondern underwindet sich des wercks, das allein dem geyst Gottes und Christi zugehört, der macht gewiß auß dem geheymnuß gottes in der schrifft verfasset einen wüsten greuel vor gott und zeuhet die gnad unsers gottes auff die gaylhayt, wie angezeygt in der Epistel Judae und 2. Petr. 2.

Dannen her sind vor zeytten alsobald nach der apostel absterben so vil zertrennung oder secten kommen, die sich alle mit schrift übel verstanden gewapnet haben. Warumb ubel verstanden? da sind sy nach aigner vermessenheyt hereyn gefaren, haben selbs ainen falschen glauben genomen, ehe sy einen rechten von gott begert haben.

Darumb sagt Petrus weyter, das die geschrifft nicht eygner außlegung sey, sondern dem heyligen geyst gehört es zu außzulegen, der sy auch am ersten gegeben hat.

Diser außlegung des geyysts muß ein yeglicher zuvor bey ym selbs gewiß sein, wo nit, so ists falsch und nichts, was falsch und nichts ist, kan man mit anderm gezeugknuß der schrift widerlegen.

Das ist mein thun, darmit ich umbgehe frey gott zu lieb und ehren und niemand zu layd oder schanden denn was in der warheyt nichts ist.

Darauß zum tayl wol vernomen wirt, was ich von der schrifft, sünde, gerechtigkayt gottes, gesetz und Evangeli halt. Doch das ich mich kürtzlich erklere, sprich ich von den letzten vieren also.

Allain unglaub ist sünd, die zerbricht die gerechtigkait gottes durchs gesetz; also bald das gesetz sein ampt verbracht hatt, komet das Evangelium an die statt, durch das gehör des Evangelis komet glaub, glaub hatt kein sünd, wo kain sünd ist, da wonet die gerechtigkayt gottes.

Also ist gerechtigkayt gottes gott selb, sünd ist, was sich wider gott erhebt, das ist in der warhayt nichts.

Die gerechtigkayt würkt durch das wort, das von Anfang wag und wirt darumb in zway getaylet, gesetz und Evangeli von zwayer ambt wegen, so do Christus, ein könig der gerechtigkayt, ubet, nemlich zu tödten die unglaubigen und lebendig zu machen die glaubigen.

Nun sind alle glaubige einmal unglaubig gewesen. Darum sind sy gläubig worden, so haben sy müssen zuvor sterben, also das sy darnach nit mer ynen selbst lebten, wie do leben unglaubige, sonder gott durch Christum, das sy ja yhren wandel nit mer auff erdtrich füreten, sonder im Himel, wie Paulus sagt.

Diß bezeuget auch David, do er sagt, der Herre furet hinab in die Helle und wider herauff.

Diß alles glaub ich (der Herre brech meinen unglauben) für war, gewarte nun, wer es vernainen und umbstoßen wölle. Bin darauf urbietig auch vom tauff und abentmal, so vil ich glaube zu verzaichnen. JEtzt ist mirs zu kurtz. Der Herr sey mit uns. Amen.

Zweites Bekenntniß

Vone dem Touffe.

Ich Hohann Dengk bekenn weytter, das ich in der Warhayt begreyff, so ferre sy mich begriffen hat, das alle ding, so von natur unrain sind, je mehr man sy waschet, ye minder man mit in außrichten kan.

Dann wer wollt sich doch understehn, dem ziggel die röte, dem kol die schwertze abzuwaschen, dieweyl sy im grund nicht anders sind? Es were ye vergebene arbayt, weyl die natur nit im Grund erwaicht und gewunnen wirt.

Also auch der mensch, der von natur an leib und seel unrain ist, wirt von außen vergeblich gewaschen, wo nicht von innen angefangen, erwaicht und gewunnen wirt.

Das allmechtig wort gottes vermag allain herabzukommen und einzudringen in den harten abgrundt der unraynigkayt des menschen, gleych wie ain dürres erdtrich von eim guten regen aufgelehnet wirt.

Wo diß geschihet, do erhebt sich krieg im menschen, ehe sich die natur gibt und verzweyfelung also das er wenet, er müsse undergehn an leyb und seel, er möge das angefangen werk gottes nicht erleyden.

Gleich wie man wehnen will, wann ein großes gewesser kompt, die erden müge nit bestehn, sonder müsse verschwembt werden.

In solcher verzweyfelung sagt auch David, Herr gott hilff mir, denn das gewesser ist mir biß auff mein seel gangen.

Solche verzweyfelung ist ye groß ye klain, wehret aber also lang der außerwölet in disem leib ist; und das werck Christi fangt sich hie1) an.

Drumb hatt nit allain Johannes der teuffer, sonder auch die apostel Christi im Wasser getaufft; ursach, was dem Wasser nit besteht, kan das Feur noch wol weniger leyden, das die tauffe Christi ist im geyst und ain vollendung seines Werks.

Diß Wasser oder Tauffe machet selig 1. Petri 3, nicht das es den unflat des fleischs weg thu, sundern von des bunds wegen eins guten gewissens mit gott.

Diser bund ists, wer sich tauffen leßt, daß ers thu auf den todt Christi, das, wie er gestorben ist auch diser sterbe dem Adam, wie Christus auferstanden ist auch diser in einem newen leben wandel Christo, wie zun Rämern am 6.

Wo diser Bund ist, do kommet der geyst Christi auch hin und er zündet an das Feur der Leube, das verzehret vollend, was noch gebrechens übrig ist und vollendet das Werck Christi. Darnach ist der Sabbath die ewig Rue in Gott, do schweygen alle Zungen von zu reden.

Wo eusserliche Tauff in gemeltem Bunde geschihet ist sy gut, wo nit, dienet sy niendert zu auß angezeigter Ursach.

Eusserliche Tauff ist nicht genöttigt zur seligkayt, also spricht Paulus, er seye nit gesandt zu tauffen, nemlich als unnottig, sondern das Evangelium zu predigen als nöttig.

Innerliche Tauff aber, darvon oben gesagt, ist nöttig. Also steht geschriben: wer glaubt und teufft wirt, wirt selig.

Vom abentmal Christi.

Ich Johann Dengk bekenn abermal wie vormals, das ich befinde, das ich von natur an leib und seel ungesund, vergifft und fiebrig bin in der warhayt und alles, das ich in dem ungesund vergifft und fieber an leib und seel isse, vertreybt mir die kranckheit nit, sonder mehret sy nur.

Ich befind auch, das das, so mich treybet und gürtet, nit wie ich will, sonder wie es will radt und sagt mir wie ain getrewer Artzet, dieweyl das vergifft im Geblut stecke, möge dem fieber nit ehe geholffen werden das geblüt werd dann gestillet und getempft.

Und dises möge geschehen durch zwen weg durch unessigkayt und aderlassen. Unessigkayt ist das man sich nit stercke von innen mit unzeyttiger speyß, das ist mit falschem trost; aderlassen ist das man auch eusserlichen leyden stiill stehe nach Ratt des artztes.

Diß ist das werck Christi zur absterbung des Adams. Nun - wiewol das nit auß wirt, so lang ich leb in dem leyb, wirt es aber doch in dem leyb angefangen, zum tayl auch erlitten umb des Bunds willen mit gott, so ich meinen willen in gottes willen durch Christum den Mittler setze, wie oben gesagt vom tauff.

Wer also gesinnet ist und isset das lebendig unsichtig brott, der wirt ymer gesterckt und bekrefftiget im rechten leben.

Wer also gesinnet ist und trinckt aus dem unsichtbaren kelch den unsichtigen wein, den gott von anbegin gemischt hatt durch seinen son durch das wort, der wirt trincken und verwayst sich nit mehr umb sich selb, sonder wirt durch die liebe gottes gantz vergottet und gott in im vermenscht.

Das haysset den leyb Christi geessen und das blut Christi getruncken. Jo. 6.

Ja, wer also gesinnet ist als offt er das thut, davon der Herr sagt, das ist, als offt er von dem brott isset und auß dem kelch trinckt, soller den todt des Herrn gedencken und verkündigen.

Wer nun also auch leiblich isset und trinckt, dem ists gesund und Hayl des leybs in der warhayt, darumb das der leyb sich dem geyst underworffen hatt und dienet auch in der warhayt.

Ists nun gesund und Hayl so kann es auch nicht anders sein dann das wort gottes, so do Paulus offt die gesunden lere nennet. Dieweyl es aber unsichtbar in dem sichtbaren brott ist und doch nicht anders dann das brott, so ists eben das unsichtbar wort in dem sichtbaren leyb, der empfangen ist vom heyligen geyst, geboren auß Maria der Junckfrauen.

Essen und trincken mag keins ons ander sein mit rechtem nutz; Essen on trincken verstopt und mag nicht gedeyen, das will Paulus, do er sagt, wenn ich glauben hette, das ich berg mit versetzet und hett nit liebe, so wer es doch nichts.

Trincken on essen erwacht und macht suchtbar. Lieb on glauben betreugt sich in dem, so sy wehnet, sy liebs alles umb gottes willen. Es lesset sich wol ein weyl also ansehen, aber es besteht doch in der Warhayt nit. Denn blötzling bricht es auff, das man sihet, das nur das von ym geliebet wirt, das er zuvor liebet, ob es schon böß ist und das gehasset, das ime die warhayt sagt, ob es schon gut ist.

Essen und trincken bayde zusammen sind nutz. Essen tröstet und sterckt, trincken erzindet in der lieb und vollendet das, darumb Christus kummen ist, das ist die abwaschung der sünd, das ist geschehen im blutvergießen Christi.

Wie nun von dem sichtigen brott oben gesagt ist mag auch von dem kelch hie gesagt werden.

On diß eusserlich brott kan man leben durch die krafft gottes, wo es sein breyß erfoddert, wie Mose auff dem berg Sinai und Christus in der wusten. On das innerlich kan niemand leben. Denn auß dem glauben lebt der gerecht. Wer nit glaubt, der lebt nit.

Diß alles bekenn ich von grund meines Hertzen vor dem angesicht des unsichtbaren gottes, dem ich mich auff diese bekantnuß auffs allertiefest underwirff, nicht ich sollt ich sagen, sonder er selb underwirfft mich ym selbs nit im allain, sonder aller Creature in im Doch.

Beschwöre ich alle creaturen und Ewer Weyßhayt, die in der Hand gottes steht durch den namen des Erschröcklichen und großen gottes wöllen mich und meine gefangne brüder, die ich in der Warhayt liebe, nicht nach dem schein, sonder nach der warhayt richten, wie auch der Herre richten wirt, wann er kommen wirt in seiner herlichayt am tage der offenbarung aller heimlicheyten. Amen. Amen.

Johann von Staupitz
Und
die Anfänge der Reformation
Dr. Ludwig Keller
Leipzig
Verlag von S. Hirzel
1888

1)
dies „hie“ ist ausgestichen und dafür „darmit“ an den Rand gesetzt von Dencks Hand.
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