Claudius, Matthias - Predigt eines Laienbruders zu Neujahr 1814

Claudius, Matthias - Predigt eines Laienbruders zu Neujahr 1814

Moses sprach zu Gott:
Wer bin ich, daß ich zu Pharao gehe.

2. Mose 3,11

Es war ein wunderlicher Krieg,
Wo Tod und Leben rungen.
Das Leben, das behielt den Sieg;
Es hat den Tod bezwungen.
Die Schrift hat verkündigt das,
Wie ein Tod den andern fraß;
Ein Spott aus dem Tod ist worden.
Hallelula!

Deutschland hatte seiner Ahnentugenden vergessen; der Geist der alten Biederkeit, der Brudertreue und Mannkraft war gewichen, und Irreligiosität, Wohlleben und Weichlichkeit waren an ihre Stelle getreten - und so ward einem unternehmenden Nachbar möglich, was ihm sonst unmöglich gewesen wäre. Er trat kühn einher, zerbrüderte, überwand, unterjochte und teilte den Raub aus - und unsre freien Brüder sahen dem zu, und ließen mit sich als mit Schwächlingen und Sklaven spielen. - Deutschland hatte seiner Ahnentugenden vergessen, und schlummerte tief, und weit und breit.

Als aber eine edle Stimme aus Norden es weckte, besann es sich sein; der alte Mut erwachte; groß war die Menge der Helden - und die vereinte Kraft und Weisheit machte dem Unfug ein Ende. Und wie sie sich dadurch bis daher um Deutschland unsterblich verdient gemacht; so werden sie ihr Werk vollenden; bekehren, bekehren; die Gerechtigkeit wieder ehrlich machen, und uns und unsern Nachbaren Ruhe und Sicherheit für die Zukunft erkämpfen.

Doch das kostet, und hat gekostet. Deutschlands Berge und Täler triefen von Blut, seine Ebenen sind mit Leichen bedeckt, seine Städte und Dörfer liegen öde und verwüstet, und die Einwohner sind entflohen, und irren verlassen und traurig umher.

Es bleibt dem Edelmut und der Rechtlichkeit der Fürsten und Väter der Völker aufbehalten, das Andenken der für Vaterland und Freiheit gefallenen Helden zu ehren, ihre Witwen und Waisen zu versorgen, die Flüchtigen zu sammlen, die öden und verwüsteten Städte und Dörfer herzustellen, und das getane und geschehene Böse, soviel möglich, wiedergutzumachen.

Das alles ist indes nur ein Teil der ihnen von Gott anvertrauten Sorge, und bei weiten der geringere.

Wir gehen zwar hier auf Erden in Fleisch und Bein einher; aber wir sind nicht Fleisch und Bein.

Der Mensch ist unsterblich! Der Mensch ist unvergänglicher Natur, und bestimmt über die vergängliche Natur zu herrschen, und Gottes Ebenbild und Stellvertreter auf Erden zu sein; das war er ursprünglich, und das kann er wieder sein, und in seine ursprüngliche Herrlichkeit hergestellet werden.

Doch zu einem so hohen und großen Werk reichen die Kräfte der vergänglichen Natur, die mit dem Menschen nicht gleicher Art, und zerteilet und zerstreuet sind, nicht hin.

Es ist ein Erstes hochgelobtes Wesen, dessen Geschlechts wir sind, die hochheilige Fülle und Urquelle alles Guten, von dem alle Kräfte herkommen, und in dem sie alle unzertrennt und Eins sind. Und nur bei dem Wesen ist für uns Hülfe und Rat. Bei Menschen ist es unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich.

Aber Gott ist dem Menschen, seit dem Fall, ein verborgener Gott. Er ist ein Licht, und ist in ihm keine Finsternis; und er wohnet in einem Lichte, da niemand zukommen kann. Und die Kinder Israel sprachen zu Mose: laß Gott nicht mit uns reden, wir möchten sonst sterben.

Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der ist der Mittler. In ihm ist das Licht der Gottheit gemildert worden. Das ist das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er ist der Pfleger der heiligen Güter, und der Herr und Meister der Natur. Durch ihn ist alles gemacht, was gemacht ist; und die Kraft die alles gesund macht und heilet, gehet von ihm aus. Und es ist in keinem andern Heil; und es kann in keinem andern außer ihm Heil sein, denn es ist nur Ein Gott, und Ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus. Auch kann ein reines Auge die sichtbare Natur nicht ansehen, ohne ihn zu finden und an ihn zu glauben. Ihn predigen Himmel und Erde, und alle Körper und Erscheinungen in der sichtbaren Natur sind Glöcklein am Leibrock, die ihn und seinen Gang verraten.

Und er ist gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. Wie er die Menschen hat geliebet von Anfang, so liebt er sie bis ans Ende, und tut noch immer an einzelnen, wie und was er für alle getan hat.

Gott verhieß ihn dem ersten Menschen zum Trost, gleich nach dem Fall, und Adam und die Väter hofften auf ihn und sehnten sich nach ihm; und als die Zeit erfüllet war, kam er, ward von Maria empfangen, und zu Bethlehem geboren, ließ sich kreuzigen und töten, und stand verklärt und unverweslich wieder auf, und hatte alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Und so tut er, auf seine Weise, noch alle Tage bis an der Welt Ende. Er ist uns allen verheißen; und die Zeit wird erfüllet und seine Zukunft nahet sich für jeden einzelnen, je nachdem der Mensch inwendig gestaltet ist; und wer seine Erscheinung von Herzen liebhat, auf ihn hofft, und sich von Herzen und anhaltend nach ihm sehnet, wer ihn liebt und seine Gebote hält, in dem wird er empfangen und geboren, stirbt in ihm, und steht, mit dem unverweslichen Leib und mit der »Gewalt im Himmel und auf Erden« in ihm auf. Und das ist, was die Heilige Schrift das Geheimnis: Christus in uns nennet.

Da man sich aber nach einem unbekannten Gut nicht sehnen kann, und das heimliche Wort, das von ihm in jedwedem Menschen redet, in allen nicht deutlich und verständlich von ihm redet; so hängt alles daran, daß er bekannt gemacht und verkündiget werde. Wie sollen sie glauben, von dem sie nicht gehört haben.

Das haben alle Menschen, die Kenner der Natur und Freunde Gottes waren, tief gewußt, und sich von der Welt her angelegen sein lassen, auf mancherlei Weise ihn bekannt zu machen und zu verkündigen.

Deswegen opferten schon Adams Söhne und man fing zu Enos Zeiten an, zu predigen von Jehovas Namen.

Deswegen predigten Abraham und Isaak den Namen des Herrn.

Deswegen machte Moses einen Gnadenstuhl von feinem Golde, und richtete den hieroglyphischen Gottesdienst ein, damit der, durch den die Gnade und Wahrheit werden sollte, und in dem alle Völker sollten gesegnet werden, seinem Volk vor Augen gestellt und gehalten, und so zu Gemüte geführt würde.

Deswegen bauete Salomo seinen Tempel.

Deswegen prophezeiten die Propheten.

Deswegen sind Orden, und bekannte und unbekannte Gesellschaften gestiftet worden.

Deswegen predigte Johannes in der Wüste des jüdischen Landes.

Deswegen zog Christus selbst im jüdischen Lande umher, und predigte am Wege, auf Bergen, aus dem Schiff, in den Schulen und im Tempel, und tat Wunder und Zeichen, damit sie hörten und sähen, daß er es sei, auf den die Väter gehofft hatten!

Deswegen gingen seine Apostel aus in alle Welt, und lehrten alle Heiden, und achteten keine Schmach, und hielten ihr Leben nicht teuer; denn sie wußten, an wen sie glaubten, und was sie selbst an ihm hatten, und andern an ihm verkündigten.

Und deswegen gingen seitdem, und gehen noch immer bis auf den heutigen Tag, in Kraft und in Schwachheit, Boten zu den entferntesten Nationen, über Land und Meer, zu verkündigen die fröhliche Botschaft von Christus; und die heiligen Schriften werden dermalen mit einem neuen lebendigen Eifer in aller Welt Hände gefördert, daß sie unterweisen zur Seligkeit.

Doch aller Same gedeihet nicht. „Es ging ein Säemann aus zu säen, und indem er säete, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel des Himmels und fraßens auf. Etliches fiel in das Steinichte, da es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, darum daß es nicht viel Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und dieweil es nicht Wurzel hatte, ward es dürre. Etliches fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen auf und ersticktens.“ Nur der Same, der auf ein gut Land fällt, bringet Frucht.

Wir waren ursprünglich ein Land, das von sich selbst und ohne Säen und Ackern Früchte trug, und ohne Ende würde getragen haben, wenn wir dem Guten getreu geblieben wären, und uns von dem Bösen entfernt gehalten hätten. Aber Adam aß von dem verbotenen Baum, und legte sich dadurch das Hindernis in den Weg, das wir alle mit in die Welt bringen, das uns zu Doppelwesen macht; und das, nachdem die Liebe Gottes verschmähet ist, seiner Gerechtigkeit zum Opfer gebracht werden muß.

Adam fiel in die sinnliche Natur, und er zeugete Söhne und Töchter, die seinem Bilde ähnlich waren. Und ein jeder von uns fühlt es mit Gram und Kummer in sich, wie er dem Bilde so ähnlich ist; wie das Bessere in ihm von dem Geringern gemißhandelt und gedrückt wird; wie er das Böse, das er hasset und nicht will, tut, und das Gute, das er will, nicht tut. Wie er tief in sich Gott von ferne sieht, und ihm die Augen gehalten werden, daß er sein Gnüge nicht haben kann; wie er nach Freiheit ringet und sehnet, und ein Knecht und Sklave ist. Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch. Dieselbigen sind widereinander, und eins stirbt oder lebt nur auf Unkosten des andern. So wie der Geist zu Kräften kommt und gewinnt, verliert das Fleisch, und in dem Maß, wie das Fleisch oder der natürliche Mensch verliert und geschwächt wird, oder wie, nach dem Ausdruck der Heiligen Schrift, der alte Adam stirbt, in dem Maß wird der Geist oder der neue Mensch lebendig.

Wenn also der alte Adam oder der natürliche Mensch, der nichts vernimmt vom Geist Gottes, der eigenwillig, selbstsüchtig, rachgierig, herrschsüchtig ist, wenn der die Überhand hat; so kann die Lehre, die Verleugnung, Selbstverachtung, Niedrigkeit, Ergebung, Kreuz-auf-sich-nehmen predigt, keinen Eingang finden. Das Licht scheint vergebens in der Finsternis; Christus kommt vergebens in sein Eigentum; er wird nicht aufgenommen. Ohne das kann aber das Reich Gottes nicht kommen, und die Wahrheit und Herrlichkeit des Christentums nicht offenbar werden.

Der Schein eines gottseligen Wesens kann ohne seine Kraft dasein. Das Wort der Predigt hilft nichts, wenn nicht glauben die so es hören.

Und es ist möglich, daß in einem Lande Christus von allen Kanzeln und Lehrstühlen geprediget wird, und in aller Menschen Mund ist, und daß doch in dem Lande Christus unbekannt ist, und in dem Lande ein Wandel nach väterlicher Weise gang und gäbe ist.

Wir Menschen wollen das Unsichtbare und Unvergängliche zum Freund haben, weil wir in unserm Inwendigsten fühlen, daß wir des nicht entbehren können, daß uns das allein gnügen kann, und alles andre zu wenig ist; und doch sind wir nicht groß und edel genug, Gott zu trauen, um das Sichtbare und Vergängliche fahrenzulassen. Wir dienen zweien Herren, um von beiden Vorteil zu ziehen.

Aber »niemand kann zweien Herren dienen; entweder er wird den einen lieben und den andern hassen, oder er wird dem einen anhangen, und den andern verachten.«

Und so bringen wir uns um Kleinod und Glück, und machen uns unglücklich, nicht allein weil wir betrogen sind, und die Welt mit ihrer Lust vergeht, sondern auch, und hauptsächlich, weil wir, solange wir dem einen Herrn dienen, von der Freundlichkeit des andern keinen Begriff haben und ihn nicht können kennenlernen. Und wer ihn kennenlernt, der hat das Kleinod funden; der begehrt nichts mehr, und gibt alles andre daran, und verleugnet mit Freuden alles um seinetwillen. Und wer um seinetwillen nicht alles verleugnen kann und verleugnet, der ist sein nicht wert.

Ihr könnet nicht Gott dienen, und dem Mammon. Die Dornen gehen mit auf, und ersticken Gott in uns.

Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein. Der natürliche Mensch muß sterben, wenn der geistliche leben soll. „Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibet es alleine: wo es aber erstirbet, so bringets viel Früchte.“ Ohne Sterben ist kein Auferstehn, und ohne Tod kein Leben. Wer anders prediget, der prediget Menschen zu gefallen, und ist nicht Christi Knecht.

Aber der natürliche Mensch gehet ungerne zu Grabe.

Zwischen Ägypten und dem Gelobten Lande lag eine Wüste, durch welche die Reise sehr mühsam und beschwerlich war. Wer den Übergang von dem natürlichen oder alten zu dem neuen Menschen versucht hat, der weiß von dieser Mühe und dieser Beschwerlichkeit zu sagen; der weiß: wie sauer und schmerzhaft der erste Schritt über die Grenze ist; wie er widersteht, und es uns unmöglich dünkt, sich zu entschließen und ihn zu tun, wenn nämlich der alte Mensch in uns die Überhand hat, oder doch in voller ungeschwächter Kraft ist, und man also das Gelobte Land nicht sehen kann. Ist dieser aber geschwächt und im Abnehmen, und die Aussicht nach dem Gelobten Lande fängt an sich zu öffnen; so widersteht der erste Schritt nicht so, und er und die folgenden gehen leichter vonstatten.

Wir sind durch eine höhere Macht an den natürlichen Menschen gebunden, und können uns von ihm nicht frei machen. Nur, welchen der Sohn frei macht, der ist recht frei. Der Mensch kann nichts geben, daß er seine Seele löse; aber er kann durch den Willen, wenn der anhaltend und ernstlich vor Gott ist, beitragen, den alten Adam oder den natürlichen Menschen zu schwächen und zu entkräften, daß der Hülfe weniger im Wege steht, und so der Acker zugerichtet, und gut Land werde.

Und dabei können äußre Umstände zu Hülfe kommen. Ein jeder Mensch hat wohl für sich in seinem Leben die Erfahrung im Kleinen gemacht, daß der und jener, auch oft unbedeutende Umstand und Zufall, sonderbar auf sein Gemüt gewürkt, und ihm nahegelegt und leichtgemacht hat, was ihm sonst weit weg lag, und schwer ward. Und so ist es auch im Großen. Äußre Umstände können zu Hülfe kommen, daß der Acker zugerichtet wird, und der Same gedeihen kann. Und wenn der Acker zugerichtet ist; dann ist es Zeit zu säen, und der Säemann muß ausgehen und nicht säumen.

Vielleicht ist seit der Einführung des Christentums keine Zeit gewesen, wo der Acker so gut, und so weit und breit zugerichtet war, als zu dieser unsrer Zeit. Gott hat ihn zugerichtet, und, weil gelindere Mittel nicht helfen wollen, strengere, und eine allgemeine Züchtigung zugelassen.

Der Krieg, der nie so weit und breit durch ganz Deutschland, und durch fast alle Länder von ganz Europa wütete, hat den Menschen die Güter, darin sie ihr Glück suchen, und daran sie ihr Herz hängen, und davon sie in der Güte nicht lassen wollten, mit Gewalt genommen, daß sie sich nach Gütern, die nicht genommen werden können, umsehen, oder sie doch wenigstens von der Nichtigkeit und Unsicherheit jener Güter lebendiger überzeugt, und in ihrer Anhänglichkeit an sie gestört worden; er hat dem Dünkel, der Selbstweisheit und Selbsthülfe, die ihr Haupt emporgehoben hatten, den Mut gebrochen; er hat die Menschen Ergebung und Unterwerfung unter die gewaltige Hand Gottes gelehrt, und durch mancherlei Unrecht und Gewalttätigkeiten, Verlust und Ungemach ihre Herzen mürbe gemacht und zerschlagen. Mit einem Wort, er hat sie für die Hülfe, die allein helfen kann, empfänglicher gemacht.

Und was darf es mehr als empfänglich zu sein, um zu empfangen und glücklich zu werden. Denn die Sonne scheinet allewege, und wird nicht müde zu scheinen; sie schüttet Tag und Nacht, ewig und ohne Ende, ihre Strahlen über alles aus, und erfreuet und segnet was und wo sie treffen, und nicht gehemmet und gehindert werden.

Wenn denn nun Bahn geworden, und das Himmelreich, sozusagen, nahe herbeigekommen ist; so ist es Zeit, dem Himmelreich Gewalt zu tun, und es für sich und andre zu sich zu reißen.

„Ach, daß du den Himmel zerrissest, und führest herab, daß die Berge vor dir zerflossen, wie ein heiß Wasser vom heftigen Feuer vergeudet, daß dein Name kund würde unter deinen Feinden, und die Heiden zittern müßten, durch die Wunder, die du tust, derer man sich nicht versiehst.“

Wenn denn nun Bahn geworden, und das Himmelreich nahe herbeigekommen ist; so ist es Zeit, dem Himmelreich Gewalt zu tun, und es für sich und andre zu sich zu reißen; so ist es Zeit, nicht bloß den alten Schaden zu bessern, sondern einen von Grund aus neuen Bau des Reichs Gottes zu gründen.

Stehe denn auf, wer Gott fürchtet, und dazu helfen und beitragen kann!

Zuerst und vor allen können die Fürsten und Vorgesetzten der Völker dazu beitragen. Ihren Händen ist die Sorge für andre Menschen von Gott anvertrauet, und es ist nichts Kleines und Geringes, was ihren Händen anvertrauet ist. Der geringste ihrer Untertanen und Untergebenen ist ein Mensch wie sie, und wert geachtet vor Gott. Er ist nicht für diese vergängliche Welt beschieden, sondern nur auf eine kurze Zeit hieher getan, daß er, unter ihren Augen, durch ihre weise Anstalten und Vorkehrungen, und durch ihr Beispiel, für eine unvergängliche zubereitet und tüchtig gemacht werde. Da wird er ewig sein und bleiben, und da wird er über die, deren Händen er hier anvertrauet war, ewig frohlocken, oder ewig jammern und wehklagen.

Dazu können sonderlich die Priester beitragen, denn sie sind nicht Lehrer einer irdischen und menschlichen Weisheit, sondern Inhaber der Wahrheit, und Haushalter über Gottes Geheimnis.

Wenn das Evangelium mit klugen Worten geprediget wird; so wird das Kreuz Christi zunichte, denn alsdann will die Welt mit ihrer Weisheit Gott in seiner Weisheit erkennen. Und dieweil die Welt mit ihrer Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkennet, gefällt es Gott, durch törichte Predigt selig zu machen. Aber die göttliche Torheit ist größer denn die Menschen sind, und ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen, nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Obersten dieser Welt, welche vergehen, sondern eine heimliche verborgene Weisheit Gottes, welche Gott verordnet hat vor der Welt zu unsrer Herrlichkeit, welche keiner von den Obersten dieser Welt erkannt hat, noch erkennet.

Deswegen kam auch Paulus zu den Korinthern nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit; sondern hielt sich nicht dafür, daß er unter ihnen etwas wüßte, ohne allein Jesum Christum den Gekreuzigten, dadurch er weltlich gesinnten Menschen und ihrer Vernunft nicht gefallen wollte, und nicht gefallen konnte. Denn das Evangelium wird, seiner Natur nach, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit gepredigt; aber es ist, sagt der Apostel, eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben.

Übrigens braucht sich die Vernunft des Evangelii nicht zu schämen. Denn obwohl es ihr, anfangs und ohne Erfahrung, schwer wird, zu glauben, daß im Kreuz, in Niedrigkeit, in Hingebung und Entsagung Heil ist, und daß alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis in Christo verborgen liegen; so kann sie des, wenn die Erfahrung hinzukommt, nach und nach und mehr und mehr innewerden. Und wer, wie Jakobus sagt, durchschaut in das vollkommne Gesetz der Freiheit, der weiß, woran er ist, und ob es der Mühe lohnt, ein Christ zu sein.

Ein solcher würde bei dem Bau des Reichs Gottes mit Rat und Tat an Hand gehen, und allerdings vor andern dazu helfen und beitragen können; doch wir alle können, jedermann kann dazu helfen und beitragen, er sei Lehrer oder Lehrling, Herr oder Knecht, gelehrt oder ungelehrt, Priester oder Laie, reich oder arm, hoch oder niedrig, Bürger oder Bauer. Aber, es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet. Er muß denn bei sich anfangen, und, nach ernstlicher Prüfung und Selbstverleugnung, seinen Willen aufgeben, und Gottes Willen tun wollen bis in den Tod, und nicht davon weichen wollen weder zur Rechten noch zur Linken. Das ist: er muß zuerst selbst auf rechtem Wege sein, und dann, unverhohlen und ohne Ansehn der Person, strafen und bitten und ermahnen aus Herzensgrund, und dabei sein Licht leuchten lassen vor den Leuten, daß sie seine guten Werke sehen und seinen Vater im Himmel preisen.

So etwas, mehr oder weniger, könnte die Folge der allgemeinen Züchtigung und des über Deutschland und Europa ergangenen Elendes und namenlosen Jammers werden. Und, wenn das würde - wenn die Bösen, gut; die Unbekehrten, bekehrt würden; wenn Recht überall geehrt, und Redlichkeit und ernster Sinn allgemein auf Erden würden; wenn die Weit nicht liebgehabt, sondern eine Herberge würde, wo man sich behilft, und nur an die weitre Reise und an die Heimat denkt; wenn das Reich Gottes nicht Essen und Trinken, sondern wieder Gerechtigkeit, und Friede und Freude in dem Heiligen Geist würde; in summa, wenn der, der allein wahrer Gott ist, und, den er gesandt hat, Jesus Christus, erkannt würde in Hütten und in Palästen - wenn das würde; so wäre auch dieser Zeit Leiden nicht wert, der Herrlichkeit, die alsdann würde offenbarer werden.

Und ihr, ihr Traurige und Betrübte, die ihr, nahe und ferne, trostlos steht, und über euren Verlust, über eure Söhne, eure Freunde und Geliebte weint, verzaget nicht! Und wenn der Trost, daß sie für Freiheit und Vaterland gelitten haben und gestorben sind, euch nicht trösten kann; hier ist eine Aussicht, die über Tod und Grab und über alles, was irdisch ist, erheben, und eure Tränen trocknen kann.

Es woll' uns Gott genädig sein,
Und seinen Segen geben.
Sein Antlitz uns mit hellem Schein
Erleuchte zum ewigen Leben,
Daß wir erkennen seine Werk',
Und was ihm lieb auf Erden,
Und Jesus Christus, Heil und Stärk',
Bekannt den Heiden werde,
Und sie zu Gott bekehre!

Amen!

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