Christoffel, Raget - Die Waldenser und ihre Brüder – 6. Der neue Prediger des Evangeliums veranlasst durch seine Predigt unter den Waldensern in Calabrien eine Erweckung, die aber für ihn seine Gefangennahme zur Folge hat.

Christoffel, Raget - Die Waldenser und ihre Brüder – 6. Der neue Prediger des Evangeliums veranlasst durch seine Predigt unter den Waldensern in Calabrien eine Erweckung, die aber für ihn seine Gefangennahme zur Folge hat.

Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe: darum seid klug, wie die Schlangen, und ohne Falsch, wie die Tauben. Hütet euch vor den Menschen; denn sie werden euch überantworten vor ihre Rathäuser und werden euch geißeln in ihren Schulen. Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt.
(Matthai 10, 16. 17. 19.)

Pasquali begann in San Xisto und Guardia seine Wirksamkeit mit dem Feuereifer der ersten Liebe und erwarb sich in kurzer Zeit auch die Achtung und das Vertrauen des größeren und besseren Teils seiner Gemeinden. Aber Andere fühlten sich durch die christliche Entschiedenheit, die er selbst in seinem Leben und Wirken bewies und auch von seinen Pfarrkindern forderte, tief verletzt. Wie anderswo, hatten auch mehrere Waldenser in Calabrien aus angeborener menschlicher Schwäche, um den Verkehr mit den benachbarten Mitgliedern der päpstlichen Kirche zu ermöglichen, sich bequemt, die Messe zu besuchen und die römischen Kirchenzeremonien zu beobachten. Mit dem entschiedenen Ernste eines Schülers Calvins und Virets rügte Pasquali diese Heuchelei und dieses „Ziehen am fremden Joche mit den Ungläubigen.“ Die Getadelten fühlten sich gekränkt und waren ebenso unzufrieden mit dem neuen Prediger als ihre päpstlichen Nachbaren, welche unter Zähneknirschen schrien, man müsse denselben samt seinem ganzen Anhange ausrotten. Diese Vorgänge lenkten wieder die Aufmerksamkeit der Landesobrigkeit sowie diejenige der höheren römischen Geistlichkeit in sehr bedenklicher Weise auf die waldensische Kolonie, zumal gerade jetzt (1559) die Inquisition ihre furchtbare Siegesfeier über die evangelische Regung in Italien hielt. Der Marchese Salvator di Spinello, auf dessen Gütern die Waldenser wohnten, suchte die drohende Gefahr von der Kolonie, welche seine Einkünfte immer mehr steigerte, abzulenken, und allein auf den neuen Evangelisten und auf seine Gefährten hinzuleiten. Zu diesem Ende beschied er denselben samt den Vorstehern der waldensischen Kolonie nach Foscaldo vor sich, um sie über die Neuerung zu verhören. Hier ward von einem Vertrauten Spinellos dem Pasquali der Rat erteilt, sich so schnell als möglich durch die Flucht aus dem Lande zu retten, da ihm sonst eine große Gefahr drohe. Aber der feurige Prediger des Evangeliums wollte nichts von diesem Rate menschlicher Klugheit wissen, sondern war freudig bereit, vor dem Markgrafen Zeugnis von seinem Glauben abzulegen und auch für denselben, wenn es not tue, zu leiden und zu sterben. Nachdem Spinello die Vorgeladenen nur wenige Minuten verhört hatte; entließ er die waldensischen Vorsteher; hingegen befahl er den Pasquali und den Marko Uscegli, auch Marchetto genannt, sowie den alten waldensischen Pastor an Händen und Füßen zu fesseln und sie in ein tiefes, finsteres Gefängnis zu werfen. Hier mussten sie acht Monate lang einsam schmachten, da keiner befreundeten Person vergönnt war, sie zu sprechen oder ihnen eine Dienstleistung zu tun, wiewohl die Glieder der Gemeinde San Xisto und Guardia so gerne ihrem beliebten Seelsorger ein Zeichen ihrer Dankbarkeit und Anhänglichkeit gegeben hätten. Damit glaubte der Markgraf wohl die Gefahr von der Kolonie abgelenkt und seine durch den Fleiß der Kolonisten sich immer steigernden Einkünfte auch für die Folgezeit gesichert zu haben; aber er musste bald erfahren, dass er sich in seiner Hoffnung getäuscht habe. Die römische Kirche wollte auch hier ihre gewohnte blutige Ernte halten. Zunächst kam der Generalvikar von Cosenza als vom Papste dazu verordneter Legat nach Foscaldo, um die Gefangenen zu verhören. Nachdem derselbe eine reichliche Mahlzeit genossen und dabei ein paar große Becher feurigen Weines getrunken hatte, begann er mit Pasquali das Verhör, dem wir ein paar Fragen und Antworten entlehnen wollen.

Generalvikar: Woher bist du?
Pasquali: Aus Piemont.

Gv.: Weißt du sonst nichts Besseres zu tun, als hierher zu kommen und die armen einfältigen Leute von Guardia zu verführen?
Pasq.: Wenn der Herr Jesus ein Verführer ist, so habe ich sie auch verführt, sonst nicht, denn ich habe sie nur das gelehrt, was ich in seiner Schule gelernt habe.

Gv.: Wo ist die Schule?
Pasq. In Genf, sowie an allen andern Orten, wo das Evangelium rein und unverfälscht gepredigt wird.

Gv. Demnach ist die Kirche zu Genf nur die wahre Kirche?
Pasq. Die wahre Kirche Christi ist überall, wo man an ihn glaubt, sie ist nach der Beschreibung Christi arm, verachtet und verfolgt von der Welt und gerade das Gegenteil von der römischen Kirche, die reich, stattlich und herrlich ist in der Welt. Wo hat euch Petrus ferner befohlen die Christen zu verfolgen? Oder hat der Herr Christus befohlen Reichtümer an euch zu reißen und dabei seine armen Schäflein mit Feuer und Schwert zu verfolgen und zu morden?

Gv. Glaubst du an den Papst?
Pasq. Mein Glaubensbekenntnis weist mich an, dass ich an Gott den allmächtigen Vater, nicht aber an den Papst glaube.

Gv. Wie lange hast du nicht mehr gebeichtet?
Pasq. Ich habe noch heute meine Sünden Gott bekannt; vor der Ohrenbeichte aber, wie vor der Messe soll mich Gott behüten, denn ich halte sie für gottlos, schändlich, ja für teuflisch.

Hier wandte sich der Generalvikar gegen seine Gefährten und sagte: „Ich kann ihn nicht weiter verhören; denn jede Antwort, die er mir gibt, verdiente, dass er dreißig Mal verbrannt würde.“ Dem Gefängniswärter befahl er: „den Menschen ja gut zu verwahren und ihm des Tages nur ein Mal etwas Brot und Wasser zur Nahrung zukommen zu lassen.“ Diese Weisung wurde genau befolgt und so mussten die armen Gefangenen, wie oben bemerkt, acht Monate lang im Gefängnis von Foscalda schmachten, ohne dass ihnen vergönnt worden wäre, auch nur mit einem befreundeten Menschen zu sprechen. Aber der Herr stärkte sie so in ihren Bedrängnissen, dass sie auch in dieser traurigen Lage freudigen Mutes blieben und Psalmen sangen und Christo dankten, dass er sie gewürdigt habe, um seines Namens willen Schmach, Gefängnisse und Banden zu leiden.

Den 21. Januar 1560 wurden die Gefangenen von Foscalda nach Cosenza abgeführt und hier wieder in ein tiefes, finsteres Gefängnis geworfen, wo sie je zwei und zwei so fest an einander gefesselt wurden, dass Keiner ohne den Andern auch sich nur regen und bewegen konnte. Der Gefängniswärter, der dem Pasquali sein Kamisol, ein Hemd und ein Paar Schuhe stahl, überhäufte sie noch mit rohen Schmähungen: „Ihr heillosen Hunde und Verräter, Feinde Christi und des Menschengeschlechts!“ Nachdem die Gefangenen siebzehn Tage in dieser traurigen Lage geschmachtet hatten, wurden sie den 7. Februar auf das Schloss geführt, wo ihnen der menschlich fühlende spanische Offizier die Fesseln abnehmen und ein anständiges geräumiges Gemach zum Aufenthalte anweisen ließ. Solches geschah auf Verwendung ihrer christlichen Freunde von San Xisto und Guardia, denen von nun an der Zutritt zu den Gefangenen gewährt wurde, sodass sie dieselben auch mit Lebensmittel und Geld reichlich versorgten. Wenn auf diese Weise die Lage des Pasquali und seiner Gefährten weit erträglicher und besser wurde, so vernahmen sie jetzt aus dem Munde ihrer evangelischen Freunde die Kunde von Vorgängen in den Gemeinden, welche sie aufs schmerzlichste berührte und ihre Herzen mit großer Traurigkeit erfüllte.

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autoren/c/christoffel/christoffel-waldenser/christoffel_-_waldenser_-_6.txt · Zuletzt geändert: von aj
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