Christlieb, Alfred - Drei scheinbare Gegensätze in des Paulus Abschiedsrede in Milet

Christlieb, Alfred - Drei scheinbare Gegensätze in des Paulus Abschiedsrede in Milet

I. Paulus sieht dunkel und doch hell in die Zukunft

(Apg. 20,22-25.29-32)

Für sich selbst erwartet der Apostel Bande und Trübsale in Jerusalem (Vers 23). Für die Gemeinde sieht er ebenfalls allerlei Nöte und Schwierigkeiten voraus. „Greuliche Wölfe“, falsche Lehren sieht er kommen (Vers 29.30). Er schaut die Verirrungen, in die führende, gläubige Männer hineingeraten werden, klar voraus. Er weiß, daß Zerstreuungen entstehen werden, indem mancher ein Parteihaupt sein und die Jünger an sich ziehen will, statt sie zum Herrn zu weisen. Welch ein trübes Zukunftsbild! Man könnte den Apostel fast einen Schwarzseher nennen.

Und doch gibt es keinen, der so hell, freudig und getrost in die Zukunft hineinblickt wie dieser „Schwarzseher“ Paulus. Wie fröhlich blickt er auf den vor ihm liegenden Leidensweg, als ob es zu einer Hochzeitsfreude ginge! „Mit Freuden“ will er seinen Lauf vollenden (Vers 24). Er schaut weit hinaus bis zu dem Erbteil, das einst alle Geheiligten empfangen werden (Vers 32).

Wie sind doch wahre Gotteskinder vor der Welt gar sonderbare Leute! Auf der einen Seite sind sie so ernst und schauen schwere Wetterwolken, von denen andere in ihrer Leichtfertigkeit nichts wissen wollen. Auf der andern Seite sind sie die getrostesten, fröhlichsten Leute der Erde. „Sie stehen im Leiden und bleiben in Freuden. Sie sind traurig, aber allezeit fröhlich“ (2. Kor. 6,10).

II. Paulus ist vielseitig und doch einseitig in seiner Wortverkündigung

(Apg. 20,20.21.24b.27)

Im Rückblick auf seine Wortverkündigung darf Paulus auf der einen Seite auf eine große Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit in der Darbietung des Wortes hinweisen: Ich habe nichts verhalten, das da nützlich ist“ (Vers 20). „Ich habe euch nichts verhalten, daß ich nicht verkündigt hätte all den Rat Gottes“ (Vers 27). Wie vielseitig muß des Paulus Predigt nach diesen Ausdrücken gewesen sein! Er war kein Steckenpferdreiter. Er brachte nicht immer dieselben Gedankengänge.

Und doch war dieser vielseitigste Prediger aller Zeiten auch der einseitigste; denn er faßte allen Inhalt seiner Verkündigung in dem Wort zusammen: Ich habe Buße zu Gott und Glauben an unsern Herrn Jesum bezeugt“ (Vers 21). Seine ganze Aufgabe erkannte er darin, das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen (Vers 24).

III. Paulus macht die Zukunft ganz von Gottes Macht und Wirken und doch von menschlicher Arbeit und Treue abhängig

(Apg. 20,18-21.31-36)

Im Blick auf die Zukunft und den Fortgang des göttlichen Werkes setzt Paulus sein ganzes Vertrauen auf den Herrn und erwartet alles von ihm, nicht von Menschen. Er übergibt die Vertreter der Gemeinde „Gott und dem Wort seiner Gnade“ (Vers 32). Er weiß, daß der Herr allein „mächtig ist zu erbauen“ (Vers 32). Offenbar war Paulus von dem Bewußtsein durchdrungen, daß der Herr selbst alles machen müsse, damit seine Gemeinde in dieser Stadt wachse und zunehme.

Und doch sehen wir denselben Apostel Tag und Nacht wirken, als ob alles nur von seiner Arbeit und Treue abhinge. Wir hören, wie er die Ältesten zu gleichem Eifer ermutigt. Ist das nicht ein Widerspruch? Wie vereinigt sich beides?

Ein Beispiel aus Hiskias Leben kann uns diesen scheinbaren Gegensatz erklären: Dieser fromme König arbeitete einst eifrig mit den Priestern des Tempels an der Wiederherstellung des rechten Gottesdienstes in Jerusalem. Als nach treuer Arbeit und emsigem Schaffen das Werk glücklich vollendet war, freute sich Hiskia samt allem Volk dessen, das Gott dem Volk bereitet hatte“ (2. Chron. 29,36). Obwohl Hiskia eifrig gewirkt hatte, schrieb er doch das vollendete Werk nicht sich selbst und der treuen Menschenarbeit zu, sondern sah es als eine Gabe des Herrn an.

Diese Stellung Hiskias ist auch des Paulus Stellung. Laßt uns beides verbinden! Laßt uns fleißig schaffen an der von Gott uns befohlenen Aufgabe! Aber niemals laßt uns im Blick auf geleistete oder zu leistende Arbeit sagen: Ich bin es, der es schafft (5. Mo. 8,17)! Aus dem rechten Glauben fließt die Treue, welche eifrig wirkt, und die Demut, die Gott allein alles zuschreibt.

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