Calvin, Jean - Der Römerbrief - Kapitel 14

Calvin, Jean - Der Römerbrief - Kapitel 14

1 Den Schwachen im Glauben nehmet auf und verwirret die Gewissen nicht. 2 Einer glaubt, er möge allerlei essen; welcher aber schwach ist, der isst Kraut. 3 Welcher isst, der verachte den nicht, der da nicht isst; und welcher nicht isst, der richte den nicht, der da isst; denn Gott hat ihn aufgenommen. 4 Wer bist du, dass du einen fremden Knecht richtest? Er steht oder fällt seinem Herrn. Er mag aber wohl aufgerichtet werden; denn Gott kann ihn wohl aufrichten.

V. 1. Den Schwachen im Glauben usw. Jetzt wendet sich die Rede zu Ausführungen, die mit der Regelung des ganzen Gemeindelebens sehr nahe zusammenhängen. Die in der christlichen Erkenntnis schon weiter Vorgeschrittenen sollen auf die, noch Unreiferen, Rücksicht nehmen und sollen ihre Kraft dazu verwenden, die Schwachheit der andern zu stützen. Denn im Volke Gottes gibt es stets auch schwächere Glieder, welche man mit großer Geduld und Sanftmut tragen muss, wenn sie nicht verschüchtert und schließlich vielleicht dem Glauben entfremdet werden sollen. Wahrscheinlich war dies im apostolischen Zeitalter ganz besonders der Fall. Denn die Gemeinden waren aus Juden und Heiden gemischt. Die ersteren waren seit langen Zeiten gewöhnt, das Gesetz Moses mit allen Äußerlichkeiten zu beobachten: und was sie mit der Muttermilch eingesogen hatten, gaben sie nicht leicht preis. Die andern, welchen derartige Gewöhnungen fremd waren, wollten sich unter solches Joch nicht beugen. Da nun aber nach gemeiner Menschenart aus Meinungsverschiedenheiten leicht Streitigkeiten und Kämpfe hervorgehen, so zeigt der Apostel, wie beide Teile trotz verschiedener Ansichten ohne Zwiespalt miteinander leben können. Er weist uns den besten Weg: die Stärkeren sollen sich Mühe geben, den Schwachen zu helfen; die Fortgeschritteneren sollen die Unreiferen tragen. Denn wenn Gott uns vor Andern Kraft verleiht, so tut er es nicht, damit wir die Schwachen erdrücken. Und christliche Weisheit ist es nicht, sich übermäßig groß zu dünken und die andern zu verachten. Unter dem Gesichtspunkte wendet sich also die Rede an die Erfahreneren und Fortgeschritteneren, weil jemand, der vom Herrn ein größere Gnadengabe empfangen hat, umso mehr verpflichtet ist, dem Nächsten zurecht zu helfen.

Und verwirret die Gewissen nicht. So etwa werden wir den Satz umschreiben dürfen, dessen Worte eigentlich, allerdings abgerissener, lauten: den Schwachen im Glauben nehmet auf, „nicht zur Erregung von Zweifeln durch unzeitige Fragen.“ Paulus will sagen: wenn wir uns des Schwachen annehmen, soll unser Verfahren ihn nicht durch unangebrachte Spitzfindigkeiten quälen und in Zweifel stürzen. Sicherlich war es nicht richtig, wenn viele Christen jüdischer Herkunft noch gar zu zähe an ihren gesetzlichen Formen hingen. Aber der Apostel will, dass man ihnen Zeit lassen soll. Ein übermäßiges Drängen würde nur ihren Glauben wankend machen. Die noch ungefestigten Gewissen werden verwirrt und in Zweifel gestürzt, wenn man spitzfindige und undurchsichtige Fragen anrührt, welche die Erbauung nicht fördern. Es gilt überall darauf zu achten, für welche Fragen in jedem Falle Reife und Verständnis vorhanden ist, und die Lehrweise soll sich diesem Stande der Erkenntnis anpassen.

V. 3. Welcher isst, der verachte den nicht usw. Voller Weisheit und Absicht begegnet der Apostel den Fehlern auf beiden Seiten. Die Gefestigten, die sich ohne Anstoß ihres Gewissens freier bewegen, fallen nur zu leicht in die Unart, dass sie die andern, die sich noch mit nichtigen Dingen Skrupel machen, als abergläubische Kinder verachten und verspotten. Diese wieder lassen sich vorschnell zu Verdammungsurteilen hinreißen und verdammen, was ihnen zu hoch ist. Was von ihrer eignen Meinung abweicht, halten sie für verwerflich. So warnt Paulus die einen vor hochfahrender Verachtung, die andern vor gar zu engherziger Peinlichkeit. Der Grund, welcher diese ganze Mahnung stützt, will nun auf beide Glieder bezogen sein, wie er ja auch für jedes Glied der beiden Gruppen zutrifft: denn Gott hat ihn aufgenommen. Besitzt ein Mensch das Licht der Erkenntnis Gottes, so ist dies Zeugnis genug, dass Gott ihn angenommen hat. Wer aber einen solchen verachtet oder verurteilt, der verwirft einen Menschen, welchen Gottes hält.

V. 4. Wer bist du, dass du einen fremden Knecht richtest? Wer unter Menschen eines andern Knecht nach seinem Willen regieren und unter seine Botmäßigkeit zwingen wollte, würde damit nicht bloß unpassend, sondern anmaßend handeln. So nimmst du dir auch zuviel Recht, wenn du an einem Knechte Gottes verurteilst, was dir nicht gefällt. Dir kommt es nicht zu, anzuordnen, was er tun und lassen soll. Und er braucht sich nach deiner Regel nicht zu richten. Soll uns nun das Recht zu urteilen abgesprochen werden, so gilt dies für die Person wie für ihre Taten. Doch besteht hier ein bedeutender Unterschied: den Menschen müssen wir in jedem Falle dem Urteil Gottes überlassen, er mag sein wie er will. Über seine Taten dürfen wir nicht nach unserm eignen Maß urteilen, sondern nach Gottes Wort. Ein Urteil aber, welches diesem Worte entnommen ist, darf weder als menschlich noch als unsachgemäß gelten. Paulus will uns also jegliche Überhebung und Zudringlichkeit im Urteil wehren, deren sich schuldig macht, wer ohne Gottes Wort über die Taten der Menschen abzusprechen unternimmt.

Er steht oder fällt seinem Herrn. Paulus will sagen: zu billigen oder zu verwerfen, was der Knecht tut, steht allein seinem Herrn zu. Diesen Herrn beleidigt, wer das Urteil sich anmaßt. Wenn aber der Apostel hinzufügt: er mag aber wohl aufgerichtet werden, so soll uns dies nicht bloß von einem Verdammungsurteil abhalten, sondern überhaupt zur Milde und menschlichen Nachsicht anleiten; solange wir an einem Menschen noch irgendetwas von Gott sehen, dürfen wir die Hoffnung für ihn nicht aufgeben. Denn der Herr gibt die Zusage, dass er den zu völliger Kraft und Vollkommenheit führen will, in welchem er sein Gnadenwerk angefangen hat. Danach sollen wir unser Urteil einrichten, und wir werden es tun, wenn anders die Liebe in uns lebendig ist.

5 Einer hält einen Tag vor dem andern; der andere aber hält alle Tage gleich. Ein jeglicher sei in seiner Meinung gewiss. 6 Welcher auf die Tage hält, der tut´ s dem Herrn; und welcher nichts darauf hält, der tut´ s dem Herrn. Welcher isst, der isst dem Herrn, denn er dankt Gott; welcher nicht isst, der isst dem Herrn nicht und dankt Gott.

V. 5. Einer hält einen Tag usw. Was soeben von einer religiösen Scheu in der Auswahl der Speisen die Rede, so folgt nunmehr ein gleichartiges Beispiel von der Tagewählerei. Beide Stücke stammten aus dem Judentum. Macht Gottes Gesetz einen Unterschied zwischen reinen und unreinen Speisen und verbietet den Genuss der letzteren, bezeichnete das Gesetz besondere Festtage und schärfte deren Feier ein, so waren den Juden solche Lehren von Jugend auf in Fleisch und Blut übergegangen, und sie konnten die religiöse Ehrfurcht vor besonderen Feiertagen, die ihnen geläufig war und an welche sie sich lebenslang gewöhnt hatten, nicht abschütteln; sie wagten nicht, Speisen anzurühren, vor denen sie nun einmal einen Abscheu besaßen. Dass sie an solche Meinungen sich klammerten, war ein Zeichen von Schwachheit: denn wenn sie die Bedeutung der christlichen Freiheit fest und klar ergriffen hätten, hätten sie anders denken müssen. Dass sie aber sich von Dingen enthielten, die ihnen unerlaubt dünkten, war ein Zeichen von frommer Gewissenhaftigkeit: denn nur freche und gegen die Wahrheit gleichgültige Menschen können etwas wider das Gewissen tun. Der Apostel verfährt also nur mit der durchaus nötigen Besonnenheit, wenn er die Anweisung gibt: ein jeglicher sei in seiner Meinung gewiss. Ein Christ, der wahren Eifer und Gehorsam beweisen will, darf ja unter keinen Umständen etwas tun, wovon er nicht glaubt oder vielmehr gewiss ist, dass es Gott gefällt. Als oberste Lebensregel hat unbedingt zu gelten, dass wir Menschen von Gottes Wink abhängen und keinen Finger regen dürfen, solange die Seele noch in Zweifel und Unruhe steht. Denn der Vorwitz, der auch nur einen Schritt weiter zu gehen wagt, als er fühlt, dass ihm erlaubt ist, wird sich alsbald zu frecher Auflehnung auswachsen. Sollte demgegenüber jemand sagen, dass der Irrtum stets eine gewisse Verworrenheit an sich trage und deshalb in schwachen Gemütern nie die von Paulus geforderte Sicherheit erzeugen könne -, so diene zur Antwort: für solche Fälle liegt Gottes Verzeihung bereit, wenn die Schwachen sich nur innerhalb ihres beschränkten Kreises halten. Paulus will die maßlose „Freiheit“ hintanhalten, in welcher nur zu viele Christen sich aufs Geratewohl und ohne Überlegung in zweifelhafte Dinge stürzen. Der Apostel fordert ein solches Besinnen, welches über alle unsere Taten den Willen Gottes entscheiden lässt.

V. 6. Welcher auf die Tage hält, der tut´ s dem Herrn. Da Paulus keinen Zweifel darüber lässt, dass die Tagewählerei aus mangelhafter Erkenntnis Christi entspringt, so kann er unmöglich solchen Irrtum rückhaltlos verteidigen wollen. Immerhin klingen seine Worte so, als täte der Tagewähler kein Unrecht. Denn dem Herrn kann doch nur gefallen, was gut und recht ist. Um den Sinn des Apostels richtig zu verstehen, gilt es also zu scheiden zwischen der Meinung, die jemand fasst, als müsse er gewisse Tage beobachten, und zwischen der Beobachtung selbst, an welche er sich bindet. Die Meinung ist abergläubisch; dies bestreitet Paulus nicht, denn er verurteilt sie als Ausfluss der Schwachheit (V. 1) und wird sie alsbald noch deutlicher verurteilen (14, 20; 15, 1). Dass aber ein Mensch, der nun einmal in solchem Aberglauben gefangen ist, die Heiligkeit seines heiligen Tages nicht zu verletzen, also nichts mit zweifelndem Gewissen zu unternehmen wagt, gefällt dem Herrn. Denn was soll ein Jude tun, der innerlich noch nicht so weit vorgeschritten ist, dass er von dem Glauben an die besondere Heiligkeit bestimmter Tage los wäre? Er hat ein Wort des Herrn, welches ihm befiehlt, Feiertage zu halten. Das Gesetz zwingt ihn dazu: dass es überwunden ist, ist ihm noch nicht klar. Er kann also nichts tun, als eine völligere Offenbarung abwarten und sich bis dahin in den Schranken dessen halten, was er versteht. Die Wohltat der Freiheit darf er nicht früher genießen als sie sein Glaube wirklich ergriffen hat. Das gleiche Urteil gilt auch, wenn jemand unreine Speisen nicht anzurühren wagt. Würde er in seiner inneren Unsicherheit sich zum Essen entschließen, so hieße dies nicht eine Wohltat aus Gottes Händen nehmen, sondern nach verbotenen Dingen die Hand ausstrecken. Andere Dinge mag er sich erlauben, die er für erlaubt hält: er soll dabei dem Maß seiner Einsicht folgen. So wird er dem Herrn Dank sagen, was er nicht könnte, wenn er nicht überzeugt wäre, eine Wohltat Gottes empfangen zu haben. Also soll man ihn nicht verachten, als wäre seine Zurückhaltung und fromme Scheu eine Beleidigung für Gott. Besonders beachtenswert erscheint, dass der Apostel zweimal sagt: er dankt Gott. Wer dies vermag, dessen Tun ist ein Gottesdienst, mag er nun essen oder sich enthalten. Wo man aber dem Herrn nicht Dank sagt, da ist jeder Genuss unrein, und wenn man sich den Genuss versagt, so ist´ s auch unrein. Allein Gottes Name macht alle unsere Sachen heilig, wenn wir ihn anrufen.

7 Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. 8 Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. 9 Denn dazu ist Christus auch gestorben und auferstanden und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebendige Herr sei.

V. 7. Denn unser keiner usw. Jetzt folgt der entscheidende Beweis dafür, dass wir bei jedem einzelnen Schritt das Auge auf den Herrn gerichtet halten müssen: es kann ja nicht anders sein, wenn doch das ganze Leben zu Gottes Ehre dienen soll. Ein Christenleben ist erst dann im rechten Stande, wenn es den Willen Gottes zum Ziel nimmt. Soll ich bei allen meinen Taten nach Gottes Willen fragen, so wäre es ja ein Unrecht, irgendetwas zu tun, wovon ich glaubte, dass es ihm missfällt, oder vielmehr wovon ich nicht überzeugt wäre, dass es ihm gefällt. Dem Herrn leben heißt, für seinen Willen und Wink bereitstehen und alles, was wir sind und haben, seiner Ehre zur Verfügung stellen. Wir sollen aber dem Herrn nicht bloß leben, sondern auch sterben. D. h. sowohl unser Leben als unser Sterben sollen wir in seine Hand geben. So sollen wir tun: denn wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. So steht bei ihm die Verfügung über unser Leben und unsern Tod. Das ist eine Lehre, die wir für alle Lebensführungen äußerst nutzbar machen können. Lassen wir Gott die Herrschaft über Leben und Tod, so werden wir jede Lage erträglich finden: denn Gott hat uns das Joch auferlegt; ihm steht es zu, einem jeden zu befehlen, wann er ruhen und wann er den Lauf fortsetzen soll. So empfangen wir hier nicht bloß das Verbot, irgendetwas ohne Gottes Willen eigenmächtig anzugreifen, sondern auch Weisung zur Geduld in allen Beschwerden und Unbequemlichkeiten. Will das Fleisch in Widerwärtigkeiten seine eignen Wege gehen, so sollen wir gedenken, dass wir nicht frei sind und uns nicht selbst gehören, dass wir also Recht und Ordnung auf den Kopf stellen, wenn wir nicht auf Gottes Winke warten. Hier wird uns auch die Regel für Leben und Sterben aufgestellt: will Gott unser Leben unter vielen Mühen und Lasten in die Länge dehnen, so sollen wir nicht begehren, vor der Zeit abzuscheiden. Will er uns plötzlich in der Blüte unseres Lebens abrufen, so sollen wir stets zum Abschied bereit sein.

V. 9. Denn dazu ist Christus auch gestorben usw. Hatte der Apostel bisher dargelegt, dass wir im Leben und Sterben in des Herrn Gewalt stehen und also ihm leben und sterben müssen, so fügt er nun hinzu, wie wir in diese Gewalt gekommen sind: Christus hat uns um teuren Preis zum Eigentum erworben. Er hat zu unserm Heil den Tod erlitten und damit Untertanen gewonnen, die ihm auch der Tod nicht entreißen kann. Er ist auferstanden und hat damit die Herrschaft über unser ganzes Leben angetreten. Auf Christi Tod und Auferstehung gründet es sich also, dass wir im Leben und im Sterben dem Ruhme seines Namens dienen müssen.

10 Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder, du anderer, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor den Richterstuhl Christi dargestellt werden; 11 denn es steht geschrieben: „So wahr als ich lebe, spricht der Herr, mir sollen alle Kniee gebeugt werden, und alle Zungen sollen Gott bekennen.“ 12 So wird nun ein jeglicher für sich selbst Gott Rechenschaft geben. 13 Darum lasset uns nicht mehr einer den andern richten; sondern das richtet vielmehr, dass niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis darstelle.

V. 10. Du aber usw. Gehört unser aller Leben und Tod dem Herrn Christus, so steht in dessen Hand auch das Gericht, welches ihm der Vater samt der Herrschaft über Himmel und Erde übertragen hat. Darum ist es eine unerlaubte Anmaßung, wenn jemand einem Bruder das Urteil sprechen will. Damit fällt er dem Herrn Christus in das Amt, welches ihm der Vater verliehen hat. Schon der bloße Name „Bruder“, welchen Paulus gebraucht, sollte uns die Lust zu richten austreiben. Hat uns Gott als Brüder nebeneinander gestellt, so darf niemand sich über den andern erheben. Wer die Stelle des Richters sich anmaßt, begeht ein schweres Unrecht. Vielmehr stellt uns der Apostel vor Gottes Gericht. Ihm wird niemand seine Macht entwinden, und seinem Spruch wird keiner entfliehen. Ein Christ, der die Freiheit des Gewissens seines Bruders vor sein persönliches Gericht ziehen will, handelt ebenso unsinnig, wie in irdischen Verhältnissen ein Angeklagter, der von der Anklagebank auf den Stuhl des Richters steigen wollte. Vgl. auch Jak. 4, 11.

V. 11. Denn es steht geschrieben (Jes. 45, 23): „So wahr als ich lebe“ usw. Diesen Prophetenspruch bringt der Apostel schwerlich bei, um zu beweisen, dass Christus die Welt richten werde. Dies stand unter allen Christen ohnedies fest. Vielmehr soll der Spruch, worauf auch sein Wortlaut deutet, uns daran erinnern, dass man jenem Gerichte mit tiefster Demut und Beugung entgegen gehen muss: es sollen alle Knie gebeugt werden. Allerdings zielt der ursprüngliche Sinn des Spruches nicht ohne weiteres auf das letzte Gericht, sondern im Allgemeinen darauf, dass Gottes herrliche Majestät, die zu den Zeiten des Propheten gewissermaßen in einen Winkel der Erde gebannt war, alle Völker überstrahlen sollte. Eine genauere Erwägung zeigt indessen, dass diese Weissagung auf Erden nie derartig erfüllt wird, dass die Hoffnung sich nicht noch auf eine spätere Zeit richten müsste. Jetzt herrscht der Herr in der Welt nur durch das Evangelium, und seiner Majestät gibt man nur dort die Ehre, wo der Glaube sie aus dem Worte erkennt. Gottes Wort hat aber auch seine heftigen Widersacher und Verächter. So ist es jetzt, und so wird es in alle Zukunft sein. So sehen wir, dass die Weissagung gegenwärtig erst im Anfange der Erfüllung steht. Völlig erfüllt wird sie erst am Tage der Auferstehung werden, wenn alle Feinde Christi zum Schemel seiner Füße gegeben sind. Damit dies geschehe, muss aber der Herr sein Gericht vollziehen: mit Recht deutet also der Apostel unsern Spruch auf dieses Gericht. Die Stelle ist übrigens auch für unsern Glauben an Christi ewige Gottheit bedeutsam. In dem Prophetenspruch redet ja Gott, und zwar der Gott, der verkündet hat, dass er seine Ehre keinem andern gibt (Jes. 42, 8; 48, 11). Wird nun aber in Christus erfüllt, was Gott in diesem Spruch von sich selbst aussagt, so wird ja klar, dass Gott in Christus erschienen ist. In der Tat ist die Weissagung damals zur Wahrheit geworden, als Christus vom ganzen Erdkreis sein Volk zu sammeln begann und zur Anbetung seines Namens wie zum Gehorsam gegen das Evangelium brachte. Darauf zielt Paulus (Phil. 2, 10), wenn er sagt: Gott hat Christus einen Namen gegeben, in welchem aller Kniee sich beugen sollen. Völlig erscheinen wird dies aber erst, wenn Christus kommt, zu richten die Lebendigen und die Toten, wie ihm denn der Vater alles Gericht im Himmel wie auf Erden verliehen hat. – Übrigens weicht der Wortlaut des Paulus ein wenig von dem Prophetenspruch ab. Dort heißt es: mir sollen alle Zungen schwören. Paulus dagegen schreibt: alle Zungen sollen Gott bekennen. Sachlich bedeutet dies keinen Unterschied, da ja das Schwören bei Gottes Namen nur eine besondere Form ist, ihn zu bekennen. Der Apostel will einfach sagen, dass alle Menschen nicht bloß Gottes Namen anerkennen, sondern auch in Gehorsam bekennen werden, mit dem Munde und mit körperlicher Gebärde. Auf dies letztere deutet: alle Kniee sollen gebeugt werden.

V. 12. So wird nun ein jeglicher usw. Dieser Schluss ruft uns zur Demut und Unterwürfigkeit zurück. Eben damit gibt Paulus zu verstehen, dass wir einander nicht richten sollen (V. 13). Denn wie sollten wir uns die Stelle eines Richters anmaßen dürfen, die wir doch selbst unweigerlich im Gericht werden Rede stehen müssen! Der Doppelsinn des Wortes „richten“ gibt dabei Anlass zu einem feinen Wortspiel. Heißt es zuerst, dass keiner den andern „richten“ d. h. verdammen soll, so folgt des weiteren die Wendung, dass wir vielmehr alle unser „Richten“ (unsere Urteilskraft) darauf lenken sollen, dass niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis darstelle. Darin steckt ein heftiger Tadel gegen jene Sittenrichter, die ihren ganzen Scharfsinn darauf richten, im Leben der Brüder irgendetwas zu finden, das sich zum Zerpflücken eignet. Ganz im Gegenteil sollte man sich davor mit allem Ernst zu hüten suchen: denn unser wegwerfendes Urteil wird nur zu oft dem Bruder Anstoß und Anlass, auch selbst sich zur Sünde hinreißen lassen.

14 Ich weiß und bin gewiss in dem Herrn Jesus, dass nichts gemein ist an sich selbst; nur dem, der es rechnet für gemein, dem ist´ s gemein. 15 So aber dein Bruder um deiner Speise willen betrübt wird, so wandelst du schon nicht nach der Liebe. Verderbe den nicht mit deiner Speise, um welches willen Christus gestorben ist. 16 Darum schaffet, dass euer Schatz nicht verlästert werde. 17 Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geiste. 18 Wer darin Christo dient, der ist Gott gefällig und den Menschen wert.

V. 14. Ich weiß usw. Gegen die bisherigen Ausführungen hätten vielleicht die in evangelischer Erkenntnis fortgeschrittenen Christen, welche keinen Unterschied mehr zwischen den Speisen machten, noch Einwürfe erheben können. Deshalb zeigt der Apostel zuerst, was von den Speisen an sich zu halten sei; dann fügt er hinzu, wie man sich durch die besondere Art ihres Gebrauchs versündigen könne. Er spricht den Grundsatz aus, dass ein gutes und reines Gewissen keine Speise für unrein zu achten braucht; nichts hindert uns, alles als rein zu gebrauchen -, als allein Unwissenheit und Irrtum. Glaubt jemand, eine Speise sei irgendwie unrein, so hat er die Freiheit verloren, sie zu genießen. Alsbald fügt der Apostel hinzu, dass wir gar nicht bloß an die Speisen denken sollen, sondern auch an die Brüder, unter deren Augen wir essen. Denn wir haben keine solche Freiheit, Gottes Wohltaten zu genießen, die nicht der Liebe unterworfen wäre. Paulus will also sagen: ich weiß, dass alle Speisen rein sind, darum magst du sie frei gebrauchen; ich will dein Gewissen keineswegs binden und etwa kurzweg sagen, dass du dieses und jenes überhaupt nicht anrühren darfst. Aber abgesehen von den Speisen verlange ich, dass du die Rücksicht auf deinen Nächsten nicht außer acht lässest. – Gemein heißt hier alles Unheilige und Unreine, womit die Gottlosen sich unterschiedslos abgeben. Das steht im Gegensatz zu dem, was für den Gebrauch des gläubigen Volkes insbesondere als heilig erklärt ward. Paulus gibt der festen Überzeugung Ausdruck, dass alle Speisen rein sind. Damit fällt jeder Zweifel. Aber der Apostel fügt hinzu: in dem Herrn Jesus. Durch dessen Wohltat und Gnade ist es ja zustande gekommen, dass alle Kreaturen, auf denen sonst von Adam her der Fluch ruhte, unter Gottes Segen stehen. Zugleich soll aber diese Wendung die Freiheit, die Christus uns schenkt, der Knechtschaft des Gesetzes gegenüberstellen. So dürfen die Christen wissen, dass sie nicht an Dinge gebunden sind, von denen Christus sie befreit hat. Aber eben dieser Ausdruck bedeutet auch eine Einschränkung: er erinnert daran, dass nichts so rein in sich dasteht, dass es nicht durch ein verderbtes Gewissen verunreinigt würde. Allein der Glaube und ein frommer Sinn macht es, dass uns alles heilig wird. Die Ungläubigen aber stecken mit ihrer inneren Befleckung alles an, was sie nur anrühren (Tit. 1, 15).

V. 15. So aber dein Bruder um deiner Speise willen betrübt wird usw. Jetzt zeigt der Apostel, wie man an sich erlaubte Dinge nicht tun oder gebrauchen darf, wenn man dadurch dem Bruder einen Anstoß bereiten würde. Denn erstens wäre es gegen die Liebe, um eines so geringen Anlasses willen den Bruder zu kränken. Zweitens wird das teure Lösegeld des Blutes Christi um seine Frucht gebracht, wenn wir ein schwaches Gewissen verwunden. Auch für den schwächsten Bruder hat Christus sein Blut vergossen: wir dürfen ihm keinen inneren Schaden zufügen, bloß damit wir uns nichts zu versagen brauchen. Wie schmählich zeigt sich ein Mensch von seinen Begierden gefesselt, wenn ihm in dieser Weise die elende Speise lieber ist als Christus. Endlich (V. 16) sollen wir dafür sorgen, dass unser Schatz, d. h. die Freiheit, die uns Christus erworben hat, nicht verlästert werde. Das wird aber ohne Zweifel geschehen, wenn wir die Gaben Gottes am unrechten Platz missbrauchen. Alle diese Gründe sollen uns dazu bewegen, dass wir um unserer Freiheit willen nicht unüberlegte Anstöße schaffen.

V. 17. Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Also können wir recht wohl den Gebrauch unserer Freiheit einschränken, ohne ein wirkliches Gut zu verlieren. In solchen Dingen steht das Reich Gottes nicht. Was wirklich dazu dient, Gottes Reich zu gründen und zu fördern, soll freilich nicht unterbleiben, selbst wenn alle Menschen Anstoß daran nähmen. Aber wo Gottes Ehre, Christi Reich und der Glaube keinen Schaden davon hat, sollen wir nachgeben und um der Liebe willen auf manches verzichten. Es ist unrecht, um geringfügiger Sachen willen die Gemeinde in Unruhe zu versetzen. Die gleichen Gründe führt der Apostel auch im 1. Korintherbrief an (6, 13; 8, 8): „Die Speise dem Bauche und der Bauch der Speise; aber Gott wird diesen und jene zunichte machen.“ „Essen wir, so werden wir darum nicht besser sein.“ Mit dem allen will der Apostel zeigen, dass Speise und Trank viel zu geringe Sachen sind, als dass um ihretwillen der Lauf des Evangeliums gehemmt werden dürfte.

Sondern Gerechtigkeit und Friede. Diese beiden Stücke stellt Paulus in Gegensatz zu Speise und Trank, nicht um darin alles zu begreifen, was Christi Königreich in sich birgt, sondern um anzuzeigen, dass Gottes Reich in geistlichen Gütern besteht. Und er Hauptinhalt wird hier allerdings beschrieben. Er steht darin, dass wir ein gutes Gewissen und Frieden mit Gott haben, durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt. Ein besseres Gut können wir nicht begehren. Dass aber der Apostel zum Frieden die Freude fügt, damit will er ausdrücken, dass allem Übermut und aller Stumpfheit der Ungläubigen zum Trotz ein heiteres und frohes Gewissen nur dort sich findet, wo man einen versöhnten und gnädigen Gott hat. Nur aus solchem Frieden mit Gott fließt wahre Freude. Das alles wirkt nun freilich nur der Heilige Geist. Indessen wird der Apostel hier mehr deshalb an denselben erinnern, um uns den Gegensatz dieses Geistesbesitzes gegen äußerliche Dinge empfinden zu lassen: verzichten wir auch auf erlaubte Genüsse, so wird uns doch ungeschmälert bleiben, was wirklich den Inhalt des göttlichen Reiches ausmacht.

V. 18. Wer darin Christus dient usw. Wer mit ruhigem, fröhlichem Gewissen Christus in Gerechtigkeit dient, der ist Gott und Menschen angenehm. Wo Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist ist, da sind ja alle Gaben des Reiches Gottes vorhanden. Es besteht also nicht in leiblichen Dingen. So ist also der Mensch Gott angenehm, der seinen Willen tut. Auch den Menschen wird ein solcher wert sein, weil sie ja anerkennen müssen, was sie mit Augen sehen. Tatsächlich ist es allerdings in der Welt oft anders: die Gottlosen schmähen die Frommen oft ohne Grund und verdrehen ihre guten Taten zum Bösen. Der Apostel denkt aber hier nur an ein richtiges Urteil, das sich von Missgunst, Hass und üblen Gedanken frei hält.

19 Darum lasset uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und was zur Besserung untereinander dient. 20 Verstöre nicht um der Speise willen Gottes Werk. Es ist zwar alles rein; aber es ist nicht gut dem, der es isst mit einem Anstoß seines Gewissens. 21 Es ist besser, du essest kein Fleisch und trinkest keinen Wein und tuest nichts, daran sich dein Bruder stößt oder ärgert oder schwach wird.

V. 19. Darum lasset uns usw. Soviel er kann, zieht der Apostel unsere Gedanken von der bloßen Betrachtung der Speisen zu wichtigeren Gesichtspunkten empor, welche bei unsern Handlungen vor allem Beachtung fordern, und welche unser ganzes Tun beherrschen sollen. Wir essen, um zu leben; aber wir leben, um dem Herrn zu dienen. Es dient aber nur der Mensch dem Herrn, welcher durch Wohlwollen und Freundlichkeit zur Erbauung und Besserung seines Nächsten beiträgt: Eintracht und ein erbaulicher Wandel -, diese beiden Stücke umspannen fast alle Pflichten der Liebe. Damit man diese Wahrheit nicht gering achte, wiederholt der Apostel (V. 20), was er soeben (V. 15) schon ausgesprochen: Verstöre nicht um der Speise willen, die doch eine ganz untergeordnete Bedeutung hat, Gottes Werk. Wo nur ein Fünkchen von Frömmigkeit sich findet, da haben wir Gottes Werk zu erblicken. Wer nun mit seinem ungestümen Zufahren ein schwaches Gewissen verwirrt, der zerstört Gottes Werk. Übrigens wollen wir bemerken, dass der Apostel nicht bloß vom Frieden, sondern außerdem auch von der Besserung oder „Erbauung“ redet. Es gibt nämlich Leute, welche gar zu weitherzig den andern entgegenkommen und mit solcher Nachgiebigkeit den größten Schaden anrichten. Darum muss man in dem Streben, nachgiebig zu sein, einen Unterschied machen und mit allem Ernst auf den Endzweck sehen: wir sollen dem Bruder gern darreichen, was dazu dient, sein Heil zu fördern. So mahnt Paulus anderwärts (1. Kor. 10, 23): „Ich habe es zwar alles Macht, aber es frommt nicht alles.“ Und er fügt alsbald den Grund hinzu: „Es bessert (oder genauer: es erbaut) nicht alles.“

V. 20. Es ist zwar alles rein. Dies allgemeine Zugeständnis erfährt indessen sofort eine Einschränkung: aber es ist nicht gut dem, der es isst mit einem Anstoß seines Gewissens. Also das Essen mag erlaubt sein: aber der Anstoß ist in jedem Falle unerlaubt. Die Speise ist uns gegeben, dass wir uns damit nähren, ohne die Liebe zu verletzen. Die an sich reine Speise wird unrein, wenn man sie ohne die schuldige liebreiche Rücksicht auf den Bruder genießt. Daraus folgt (V. 21), dass es viel besser ist, sich aller Dinge zu enthalten, welche für den Bruder zu einem Anstoß werden könnten. Diesen Anstoß zu beschreiben, braucht der Apostel drei Worte: daran sich dein Bruder stößt oder auch nur ärgert oder auch nur schwach wird. Das nachfolgende Wort bedeutet stets weniger als das vorangehende. Schwach wird derjenige, in dessen Gewissen ein leiser Zweifel fällt; geärgert wird, dessen Gewissen in eine gröbere Verwirrung gerät; gestoßen und zu Falle gebracht wird, wen irgendein Anstoß dem Glauben gänzlich entfremdet.

22 Hast du den Glauben, so habe ihn bei dir selbst vor Gott. Selig ist, der sich selbst kein Gewissen macht in dem, was er annimmt. 23 Wer aber darüber zweifelt, und isst doch, der ist verdammt; denn es geht nicht aus dem Glauben. Was aber nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde.

V. 22. Um zu Ende zu kommen, zeigt der Apostel, worin das Gut der christlichen Freiheit eigentlich besteht: auf diese Weise erkennt man eine derartige Freiheit, die sich selbst gar nicht zu mäßigen weiß, als ein Zerrbild. Der Apostel betont nämlich, dass die Erkenntnis der Freiheit, da sie Sache des Glaubens ist, im eigentlichen Sinne auf Gott selber gerichtet ist. Wer nun in diesem Hauptstück innerlich gewiss geworden ist, soll damit zufrieden sein, dass er vor Gottes Angesicht ein ruhiges Gewissen hat. Es ist aber nicht nötig, dass er vor Menschenaugen alles bekommt und genießt, wobei er wohl ein ruhiges Gewissen haben könnte. So muss es wohl aus sündiger Begehrlichkeit fließen, wenn wir uns ohne Rücksicht auf die schwachen Brüder allen und jeden Genuss erlauben, für den ja durchaus keine Notwendigkeit besteht. Falsch und gegen den Sinn des Apostels ist es übrigens, wenn man aus dieser Stelle folgert, es sei gleichgültig, wie sich ein Christ dem falschen, abergläubischen Gottesdienst gegenüber verhalte. Denn die Verehrung Gottes ist ja ein Teil unseres Bekenntnisses.

Selig ist, der sich selbst kein Gewissen macht. Hier lehrt Paulus zuerst, auf welche Weise wir die Gaben Gottes fröhlich gebrauchen können. Dann (V. 23) aber zeigt er, wie die Unwissenheit diesen freien Gebrauch oft unmöglich macht. Also gilt es darauf zu achten, dass wir den Unerfahrenen nicht mehr zumuten, als ihr schwaches Verständnis tragen kann. Der allgemeine Grundsatz, der auf alle unsere Handlungen angewendet werden kann, preist denjenigen glücklich, der sich kein Gewissen macht in dem, was er annimmt. Dies erinnert freilich daran, dass dem Entschluss, dem Annehmen oder Verwerfen, eine ernste Prüfung vorangegangen sein muss. Viele Menschen stürzen sich ohne Gewissensbedenken mit geschlossenen Augen und mit ungezügelter Begier in schwere Verbrechen. Aber es ist ein großer Unterschied zwischen solchem blinden Triebe und der wohlerwogenen Annahme dessen, was man als recht erkannt hat. Selig ist nur, wer geprüft und erwogen hat und nun ohne Gewissensbisse tun kann, wofür er sich entschieden. Denn allein diese innere Gewissheit macht es, dass unsere Taten Gott gefallen.

V. 23. Wer aber darüber zweifelt usw. Wer nicht zu einer Entscheidung kommen kann, sondern in seinen Erwägungen noch unsicher bald auf diese, bald auf jene Seite neigt, dem fehlt freilich das erste Erfordernis zu einem rechten Werk: die Gewissheit vor Gottes Angesicht und damit eine ruhige Sicherheit. Also haben wir uns vor allen Dingen die Wahrheit einzuprägen, dass wir nichts angreifen dürfen, wovon unsere Seele nicht gewiss ist, dass Gott es billigen wird. Wenn alle Menschen diesem Grundsatz huldigten, würde es nicht so viel Unruhe, Verstörung und blindes Zufahren geben. Sollen wir aber so vorsichtig wandeln, dass wir mit zweifelndem Gewissen keinen Bissen Brot anrühren, wie viel zurückhaltender müssen wir erst in größeren Entscheidungen sein!

Was aber nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde. Jetzt wird der Grund dafür angegeben, warum ein Mensch verdammt ist, der ohne Zustimmung seines Gewissens etwas unternimmt: eine Tat, die äußerlich noch so herrlich dasteht, wird als Sünde angerechnet, wenn sie nicht aus einem lauteren Gewissen kommt. Gott hält sich nicht bei dem äußeren Schein auf, sondern fordert inneren Gehorsam. Dieser allein macht den Wert unserer Taten aus. Wo bleibt aber dieser Gehorsam, wenn jemand etwas angreift, wovon er nicht überzeugt ist, dass es Gott gefällt? Wo ein solcher Zweifel sich findet, ist ein Mensch, der wider das Zeugnis seines Gewissens auf seinem Wege beharrt, mit Recht unter die Übertreter zu zählen. „Glaube“ bedeutet hier die sichere Überzeugung des Herzens und die klare Gewissheit, die nicht irgendwoher, sondern nur aus der Wahrheit Gottes kommen kann. Schwanken und Ungewissheit befleckt alle unsere Taten, auch wenn sie sonst einen guten Schein haben. Da nun ein frommer Sinn nirgend anders als in Gottes Wort seine Ruhe finden kann, so fallen hier dahin alle erdichteten Gottesdienste und alle selbst erwählten Werke, die dem Gehirn der Menschen entspringen. Wenn der Apostel verurteilt, was nicht aus dem Glauben geht, so verwirft er damit alles, was nicht auf Gottes Wort sich stützt und von demselben gebilligt wird. Und doch reicht es auch noch nicht hin, dass wir uns für unsere Taten äußerlich auf Gottes Wort berufen können: unsere Seele soll sich vielmehr mit einem fröhlichen Vertrauen zum Werke schicken. Dies wird also der Grundsatz für alle unsere Entscheidungen sein, dass unser Sinn ohne Schwanken auf Gottes Wort sich stütze und mit voller Gewissheit dahin sich ausstrecke, wohin Gott uns ruft.

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