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Calvin, Jean - Psalm 99.

Calvin, Jean - Psalm 99.

Inhaltsangabe: Dieser Psalm unterscheidet sich von den früheren in dem einen Stück, dass er das Reich Gottes und die in ihm zu erlangende Seligkeit nicht über die Grenzen Judäas ausdehnt. Wegen der besonderen Gnadengabe der Kindschaft scheidet er die Kinder Abrahams von den übrigen Völkern und ruft die insbesondere auf, den Herrn zu loben.

1Der Herr ist König: es mögen zittern die Völker. Er sitzet auf Cherubim: es bebe die Welt. 2Der Herr ist groß zu Zion und hoch über alle Völker. 3Man danke deinem großen und wunderbarlichen Namen, der da heilig ist. 4Und die Macht des Königs hat das Recht lieb; du hast Ordnungen festgestellt, Gericht und Gerechtigkeit schaffst du in Jakob.

V. 1. Der Herr ist König. Jetzt sollen die Völker, die vorher zur Freude aufgerufen wurden, nur zittern. Weil nämlich die Juden auf allen Seiten von Feinden umgeben waren, war es am Platze, die bei ihnen wirkende Macht Gottes zu erheben, damit sie wüssten, wie sie durch seinen Schutz gegen den Hass und die Wut aller Welt immer gesichert sein könnten. Das hebräische Zeitwort, welches wir mit „zittern“ übersetzen, kann auch „zürnen“ bedeuten: schließlich beschreibt es jede Erregung, mag dieselbe durch Zorn oder Furcht veranlasst sein. Der Prophet meint also jetzt, dass Gott bei der Erlösung des auserwählten Volks eine Kraft beweisen wird, die alle Heiden in Verwirrung bringen muss, so dass dieselben endlich spüren werden, dass alle ihre Raserei nur zu ihrem Verderben ausschlagen muss. Denn dass Gott König ist oder seine Herrschaft antritt, wird im Blick auf die Menschen gesagt, wenn er durch großartige Erweisungen seiner Macht sich hoch erhaben zeigt; denn solange er seine Macht verbirgt, gebärden sich die Ungläubigen frech und anmaßend, als wäre er nicht vorhanden.

V. 2. Der Herr ist groß zu Zion. Auch dies ist als ein Gegensatz zu verstehen: Gott erweist sich in Zion groß, um die Widersacher seiner Gemeinde zu verderben und zu vernichten. Dass er hoch ist über alle Völker, darf man nicht so verstehen, dass er zu ihrem Heil seine Herrschaft übte, sondern dass er ihren Rat verwirrt, ihre Anschläge zerstört, ihre ganze Kraft zerbricht. Die sich anschließende Mahnung: Man danke deinem großen Namen, - geht darum nicht alle Völker an, sondern fordert nach meiner Ansicht Bezeugungen der Dankbarkeit von den Gläubigen. Gewiss erzwingt Gott Anerkennung auch von besiegten Feinden. Aber darauf passt, da sie ja unaufhörlich seiner Herrschaft widerstreben und Lästerungen ausstoßen, der Ausdruck nicht, dass sie seinem Namen „danken“, der da heilig ist. Auch dies letztere lässt darauf schließen, dass recht eigentlich die Gläubigen angeredet werden, die in der Erkenntnis seiner Heiligkeit den rechten Antrieb haben, Gottes Namen freiwillig zu preisen.

V. 4. Und die Macht des Königs hat das Recht lieb. Dies könnte eine Drohung sein, welche die Feinde erschrecken soll, in dem Sinne: Gott ist mit Macht gerüstet, das Unrecht zu strafen, weil er ja Gerechtigkeit und Billigkeit liebt. Doch möchte ich den Ausdruck lieber auf die Gemeinde beziehen, die ja nur unter der Bedingung sich mit Gottes Herrschaft decken darf, dass sie Gerechtigkeit und Unschuld pflegt. Nicht übel wäre auch die Auslegung, dass man Gottes Herrschaft sich nicht als eine tyrannische vorstellen dürfe, weil in ihr ein beständiger Bund zwischen Macht und Recht geschlossen ward. In jedem Falle beschreibt der Prophet, nachdem er uns den Herrn auf seinem Thron gezeigt, die Weise, in welcher er regiert. Denn er fügt hinzu: Du hast Ordnungen festgestellt. Die folgende Aussage: Gericht und Gerechtigkeit schaffst du in Jakob, - kann doppelt verstanden werden. Entweder: Gott hat im Gesetz seinem Volk die vollkommene Gerechtigkeit vorgeschrieben. Oder: Er hat seine Gerechtigkeit und Billigkeit immer dadurch bewiesen, dass er sein Volk hegte und schützte. So richtig es aber ist, dass Gott in seinen Werken und Gerichten immer die höchste Gerechtigkeit hat leuchten lassen, so dürfte unser Satz doch am besten auf die Lehre gedeutet werden: der Gott, der Gerechtigkeit liebt, hat für seine Herrschaft im Volk Israel auch eine Ordnung gegeben, welche die beste Regel für ein rechtschaffenes Leben in sich schließt. Dabei müsste allerdings das Wort „schaffen“ so viel bedeuten wie befehlen oder gebieten. Nichts einzuwenden hätte ich aber, wenn man wenigstens das letzte Wort auf das gerechte Walten Gottes selbst beziehen würde. Denn nichts treibt die Menschen mehr zum Gehorsam gegen Gott und sein Gesetz, als wenn sie erfahren dürfen, dass er für sie sorgt und die Gerechtigkeit, die er von ihnen in seinem Worte fordert, durch seine Taten ihnen seinerseits leistet.

5Erhebet den Herrn, unsern Gott, betet an zu seinem Fußschemel; denn er ist heilig! 6Mose und Aaron unter seinen Priestern, und Samuel unter denen, die seinen Namen anrufen; sie riefen an den Herrn, und er erhörte sie. 7Er redete mit ihnen durch eine Wolkensäule; sie hielten seine Zeugnisse und Gebote, die er ihnen gab. 8Herr, du bist unser Gott, du erhörtest sie; du, Gott, vergabest ihnen und straftest ihr Tun. 9Erhöhet den Herrn, unsern Gott, und betet an zu seinem heiligen Berge; denn der Herr, unser Gott, ist heilig.

V. 5. Erhebet den Herrn, unsern Gott. An die Gemeinde insbesondere ergeht die Mahnung, dass sie, die Gottes Gnade erfahren hat, umso eifriger die rechte Frömmigkeit pflege. Die Juden sollen den Herrn erheben, der ihnen so glänzend half, und ihm die Verehrung bringen, die das Gesetz vorschreibt. Anderwärts heißt der Tempel oft Gottes Wohnstätte, sein Haus oder seine Ruhe. Dass er aber hier mit seinem Fußschemel verglichen wird, ist ebenfalls ein wohlbegründetes Bild: es beschreibt, wie Gott derartig inmitten seines Volkes wohnt, dass dennoch die Gedanken nicht am äußeren Tempel und der Bundeslade haften dürfen, sondern sich aufwärts schwingen müssen. Wird also der Tempel Gottes Haus oder Wohnung genannt, so soll dies die Zuversicht stärken, damit alle Frommen sich vertraulich dem Gott zu nahem wagen, der ihnen aus freien Stücken entgegenkam. Weil aber das Menschenherz zum Aberglauben neigt, musste ein Heilmittel gegen diesen Fehler gegeben werden, damit man über Gott selbst nichts Fleischliches oder Irdisches denke, noch an den äußeren Zeichen hängen bleibe. Indem also der Prophet den Tempel Gottes Fußbank nennt, heißt er die Frommen höher emporsteigen, da seine unermessliche Herrlichkeit Himmel und Erde erfüllt. Doch liegt darin auch die Erinnerung, dass man allein auf dem Berge Zion dem Herrn die rechtmäßige Verehrung darbringen dürfe. Der Ausdruck ist dabei so gestaltet, dass der fromme Sinn über die Welt empor gewiesen, jedoch der Heiligkeit des Tempels nichts abgebrochen wird, da ja Gott einzig diesen Ort auf der ganzen Erde erwählt hatte, wo er angerufen sein wollte. Heute ist dieses Schattenwerk überwunden, und wir haben uns an Christus zu halten, in welchem die Fülle der Gottheit wohnt, wenn wir den Herrn recht verehren wollen. Der Grund, der für die Ermahnung angegeben wird, birgt einen Gegensatz gegen alle Götzen: denn er ist heilig. Mögen die Heiden für ihre Götzen eine eingebildete Heiligkeit in Anspruch nehmen, sie sind doch nur Eitelkeit, Gräuel und Schmutz.

V. 6. Mose und Aaron unter seinen Priestern. Dieser Hinweis rühmt die besondere Gnade, deren Gott den Samen Abrahams würdigte, dass er aus ihm Propheten und Priester erwählte, die Mittler und Bürgen zur Bekräftigung des Heilsbundes sein sollten. Es werden drei hervorragende Namen aus der alten Zeit genannt. Mose war gewissermaßen der Bundesstifter, der die Versöhnung mit Gott einleitete. Aaron teilte mit ihm das Amt; später trat Samuel an die Stelle. Ohne Zweifel repräsentieren aber diese drei Männer das ganze Volk, mit welchem Gott den Bund geschlossen hatte. Sie werden jedoch namentlich herausgehoben als die Verwalter und Hüter dieses unvergleichlichen Schatzes. Dass Mose unter die Priester gerechnet wird, könnte verwunderlich erscheinen, da ja seine Kinder nur zu den gewöhnlichen Leviten gehörten und er selbst nach der Gesetzgebung die Ehre des Hohenpriesters niemals in Anspruch nahm. Aber bei den Hebräern heißen wohl alle hervorragenden Männer, insbesondere die Söhne von Königen, Priester. So kann auch bei Mose diese Bezeichnung lediglich besagen, dass er einer von den Würdenträgern der Gemeinde war. Außerdem verwaltet er im Anfang, ehe das Gesetz gegeben war, das Amt des obersten Priestertums. Der Prophet will also einprägen, dass Gott nicht bloß im allgemeinen Abrahams Geschlecht zur Kindschaft annahm, sondern auch einzelne zu Mittlern bestellte, um das Bundesverhältnis für den Glauben zu bekräftigen. Sie sollten seinen Namen anrufen. Dies deutet nicht auf jedes, sondern auf das priesterliche Gebet, mit welchem diese erwählten Dolmetscher im Namen des ganzen Volkes vor Gottes Angesicht treten und für sie alle das Wort führen sollten.

Sie riefen an den Herrn, und er erhörte sie. Jetzt wird noch deutlicher dargelegt, was ich schon sagte, dass Gott seit Anbeginn die Kinder Abrahams mit einzigartigen Wohltaten geleitete, und zwar allein in Rücksicht auf den aus Gnade geschlossenen Bund. Alle Wohltaten, die er je den Juden verlieh, flossen aus dieser Quelle. So oft sie also Gottes freundliche Gesinnung erfahren durften, sollten sie das Gedächtnis an diese seine erste Gnadengabe erneuern. Ausdrücklich erinnert der Prophet (V. 7) an das sichtbare Zeichen der Wolkensäule, durch welches Gott für alle Zeiten seine Gegenwart bezeugen wollte, wie er denn überhaupt solcher vorübergehenden Zeichen nicht bloß für diejenigen sich bediente, denen sie zunächst gegeben waren, sondern auch für die folgenden Geschlechter. Obwohl also Gott nicht immer eine Wolkensäule dem Volk des alten Bundes vor Augen stellte, erinnert der Prophet doch mit gutem Grunde die Juden an dies merkwürdige Unterpfand, weil die menschliche Schwerfälligkeit ohne Erinnerung durch solche äußeren Zeichen Gottes Gegenwart nicht empfindet. Der Herr war den Vätern in der Wüste offensichtlich erschienen, um auch den Nachkommen die gewisse Überzeugung zu erwecken, dass er ihnen allezeit nahe sein werde. Dass die Väter Gottes Zeugnisse hielten, wird hinzugefügt, damit auch die späteren Generationen in demselben Gehorsam verharren möchten.

V. 8. Herr, du erhörtest sie. Dies soll ein Zeichen dafür sein, dass Gottes Gnade und ihre Frömmigkeit in einem schönen Bunde stehen. So folgt, dass nach ihrem Beispiel auch die Nachkommen den Herrn in einer solchen Weise anrufen müssen, dass sie nicht bloß seinen Namen auf den Lippen führen, sondern auch von ganzem Herzen seinen Bund halten. Zwischen den Zeilen kann man lesen, dass die Menschen schuld sind, wenn Gott nicht zu allen Zeiten seine Herrlichkeit so gütig und reichlich leuchten lässt: denn die Nachkommenschaft fällt gewöhnlich vom Glauben der Väter ab, oder bleibt wenigstens nicht ganz in der Bahn. Wenn die Frömmigkeit in der Welt erkaltet, dürfen wir uns nicht wundern, dass auch Gott seine Hand abzieht oder wenigstens nicht in besonders glänzender Weise offenbart.

Du, Gott, vergabest ihnen. Diese Worte zeigen ganz deutlich, dass auf das ganze Volk Bezug hatte, was zuvor über Mose, Aaron und Samuel gesagt war. Sicherlich waren dieselben Priester nicht nur für sich, sondern zum allgemeinen Besten des Volks. Darum schickt es sich wohl, dass der Prophet von diesen drei Männern auf den ganzen Volkskörper übergeht. Denn von ihm gilt es doch, dass der Herr aufgrund der priesterlichen Fürbitte Sünden vergab. Zugleich aber gilt das andere: und straftest ihr Tun. Auf der einen Seite wird also Gottes Gnade gepriesen, die so nachsichtig und freundlich mit den Juden handelte und so gnädig ihrer Sünden schonte. Auf der andern Seite aber deutet der Prophet auf schreckliche Beispiele, mit denen der Herr ihre Undankbarkeit strafte, damit die Nachkommen gehorsame Unterwerfung lernen möchten. Denn dies müssen wir immer festhalten: je freundlicher Gott mit uns handelt, desto weniger erträgt er es, dass wir seine Freundlichkeit zum Spott machen. Der Schluss des Psalms wiederholt, was wir schon im 5. Verse lasen, nur ist nicht von Gottes Fußschemel, sondern von seinem heiligen Berge die Rede. Voller tönen die letzten Worte: Der Herr, unser Gott, ist heilig. Denn die Kinder Israel sollen ihren Gott nicht gleichsam zufällig verehren, wie die Religion der Heiden von Menschenmeinung abhängt, sondern seine Anbetung soll auf gewissen Glauben gegründet sein.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter

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