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Calvin, Jean - Psalm 49.

Calvin, Jean - Psalm 49.

Inhaltsangabe :

Man findet oftmals, dass gottlose oder wenigstens in irdischen Vergnügungen aufgehende Menschen froh und glücklich dahinleben, während die Gottesfürchtigen vom Unglück heimgesucht werden oder unter ihrem Jammer ermüden. Um den Hochmut der einen zu dämpfen und der Verzweiflung der andern zu wehren, lehrt der Verfasser: wenn die gottlosen Leute auch mit allen Gütern, die sie nur wünschen können, reichlich versehen sind, so ist doch ihr schattenhaftes Glück, in dem sie sich selbst gefallen, das aber wie ein Traum vergeht, durchaus nicht begehrenswert. Auf die Guten jedoch richtet Gott seinen Blick trotz ihrer schmählichen Behandlung und trotz des mannigfachen Übels, das sie trifft, und endlich wird er sie auch befreien.

1 Dem Musikvorsteher: ein Psalm der Kinder Korah. 2 Höret zu, alle Völker; merket auf, alle, die in dieser Zeit leben, 3 beide, gemeiner Mann und Herren, beide, reich und arm, miteinander! 4 Mein Mund soll von Weisheit reden und mein Herz von Verstand sagen. 5 Ich will einem Spruch mein Ohr neigen und kundtun mein Rätsel beim Klange der Harfe.

V. 2. Höret zu usw. Der Psalm – mag der Dichter sein, wer er will – enthält eins der wichtigsten Stücke der himmlischen Weisheit. Deshalb leitet der Verfasser auch mit solch klangvollen Worten den gewichtigen und geheimnisreichen Inhalt ein. So erregt er Spannung. So könnte ja jemand beim ersten Anschein auf die Meinung verfallen, es handle sich nur um allgemeine und altbekannte Gedanken, weil von der Kürze dieses Lebens und vom leeren Vertrauen geredet wird, in das sich die meisten einwiegen lassen. Der Zweck aber ist der, rechtschaffene, fromme Leute, denen es im Leben nicht allzu gut geht, in ihrem herben Schmerz zu trösten und ihren Unmut zu bannen, da es ihnen am Ende doch besser gehen werde, wenn Gott ihre verwickelten Geschäfte in Ordnung bringe. Aber der Dichter vertieft noch diesen Gedanken: wenn auch Gott stets offen kundgibt, dass seine Fürsorge in der Welt regiert, so muss man doch geduldig des Ausgangs warten, der oftmals dem fleischlichen Sinne unverständlich ist. Auch die Weltweisen geben den Rat, trotz aller Anfechtungen in der Welt in keiner Trübsal die Flinte ins Korn zu werfen: es sei ja nichts so eitel wie Reichtum, Ehre und Vergnügen. Aber bis zur Quelle dringen sie nicht. Denn da, wo sie am besten vom Glück des Lebens reden, sind sie zufrieden mit der Tugend und stellen Gott, der die Menschenwelt lenkt, nicht in den Mittelpunkt, so dass sie nicht in ihm ihre Ruhe finden können. Es bleibt ihnen schließlich nichts als Verzweiflung übrig. Die Weisung der Weltweisen versagt somit bei dieser Sachlage. Freilich erinnert uns auch der heilige Geist an das, was die allgemeine Erfahrung lehrt, aber er vertieft es und sagt: die Welt wird dennoch von Gott regiert und, während die Gottlosen sich maßlos freuen und die Guten in Spott und Schande stehen, bleibt Gott stets als Richter im Himmel. Mag er den Verworfenen zu ihrer Ergötzung ein Vergnügen ums andere in den Schoß schütten, so erfüllt er doch nur seine Diener, die er aus tiefer Finsternis hervorholt, mit wahrer Freude. Das gibt für alles Leid einen sicheren Trost, für das Leid, das uns durch seine schrecken erregende Art bestürzt machen würde, wenn Gottes Auge nicht dabei leuchtete. Verlieren wir nämlich die Überzeugung, dass er für unser Heil sorgt, so sehen wir keinen Ausweg und kein Ende. Diese Gedanken bestimmen den Dichter, unsre volle Aufmerksamkeit und Teilnahme für seine Lehre zu verlangen. Von hervorragenden, einzigartigen Dingen will er ja reden. Zwei Stücke aber werden in diesen ersten Versen hervorgehoben: die hier vorgetragene Lehre sei allen Menschen nütze; und weil sie alle einer ernsten Mahnung bedürfen, so gilt es aufzuwachen und den Geist zu rechter Aufmerksamkeit zu stimmen. Wenn der Dichter alle die zum Hören auffordert, die in dieser Zeit leben , so bringt er damit zum Ausdruck, dass das, was er zu sagen hat, ohne Unterschied allem Volke gilt. Unter dem gemeinen Mann versteht er die kleinen und geringen Leute, unter den Herren die Vornehmen und Angesehenen oder die, welche durch irgendein Verdienst sich auszeichnen. Er sagt also, hoch und nieder ohne Ausnahme solle sich von ihm belehren lassen.

V. 4. Mein Mund soll von Weisheit reden . Mit Recht empfiehlt der Verfasser seine Lehre mit solchen Worten. Denn wenn er nachher auch die allgemeine Erfahrung aufruft, um die Menschen von ihrer Torheit zu überzeugen, so liegt der tiefste Grund seiner Lehre doch weit über dem gemeinen Menschenverstand. So gebraucht er diese Einleitung, um seine Lehre vor Missachtung zu schützen und im die schlafenden Geister aufzuwecken. Dabei ist es besonders wirksam, dass er nicht allein andre zum fleißigen Aufmerken ermuntert, sondern auch sich selbst in die Reihe derer stellt, die aufmerken wollen. Dadurch bezeichnet er auch sich als einen Schüler, der selbst als Lehrer noch zu lernen wünscht. Sicherlich gleichen ihm in diesem Stücke alle Propheten Gottes: sie wollen sich gerne mit dem Volk zusammen in die Schule Gottes begeben und dessen Stimme, die sie wiederum mit ihren Worten andern bringen, in erster Linie für sich selbst vernehmen. Der Dichter legt mit Bedacht Gewicht auf seine Lehre. Er schwatzt nicht ohne Überzeugung von seinen Gedanken, sondern redet nur, was er in Gottes Schule gelernt hat. Das ist auch die allein richtige Art, in der Gemeinde Gottes zu lehren: wer andre lehren will, muss sein eignes Ohr dem großen Lehrer öffnen, ehe er seinen Mund zum Reden auftut, und so getreu von Mund zu Mund weitergeben, was er vom Herrn empfangen hat. Sicherlich kommt die Weisheit nicht aus dem menschlichen Geiste. Sie muss vom Himmel erbeten werden. Und deshalb kann niemand weise und verständig zum Aufbau der Gemeinde reden, der sich nicht zuvor dem Herrn als gelehriger Schüler dargestellt hat.

V. 5. „Spruch “ oder „Gleichnis“ und „Rätsel “ bedeuten im Wesentlichen dasselbe. Denn es sind die gleichen hebräischen Worte, welche der Prophet Hesekiel (17, 2) nebeneinander stellt: „Lege dem Hause Israel ein Rätsel vor und ein Gleichnis.“ Meint er nun auch im Besonderen eine sinnbildliche Rede, so bezeichnen die Hebräer doch mit diesen Ausdrücken überhaupt erhabene und der Einprägung werte Aussprachen. Dass aber der Dichter seinen Spruch kundtun will, deutet darauf, dass er nicht etwa vorhat, seine Sache in verworrene und dunkle Worte einzuhüllen. Wenn auch die göttliche Lehre wegen ihrer Erhabenheit weit über unser Denken geht, so hat doch der heilige Geist seine Geheimnisse unserm Verständnis so angepasst, dass die ganze Schrift unsrer Erbauung dient. Damit fällt ein Vorwand dahin, mit welchem viele ihre Schriftunkenntnis entschuldigen. Denn nichts ist so schwierig, dass es nicht auch den ungebildeten und unerfahrenen Menschen könnte begreiflich gemacht werden. Wenn manche Ausleger in der Erwähnung der Harfe ein Zeichen dafür sehen wollen, dass die Lieblichkeit und Anmut des Gesanges alles Unangenehme versüße, so kann ich dazu nichts Bestimmtes sagen. Mir genügt es zu wissen, dass der Verfasser in altherkömmlicher Weise geredet hat. Denn damals war es üblich, die Psalmen mit der Begleitung der Harfe vorzutragen.

6 Warum sollte ich mich fürchten in diesen bösen Tagen, wenn mich die Missetat meiner Untertreter umgibt? 7 Die sich verlassen auf ihr Gut und trotzen auf ihren großen Reichtum. 8 Kann doch einen Bruder niemand erlösen, noch ihn Gotte versöhnen, 9 (denn es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen; man muss es lassen anstehen ewiglich), 10 dass er fortlebe immerdar und die Grube nicht sehe.

V. 6. Warum sollte ich mich fürchten? Jetzt tritt der Dichter in die Behandlung seines eigentlichen Themas ein: Gotteskinder dürfen durch Widerwärtigkeiten sich nicht übermäßig erregen lassen, auch wenn die Gottlosen sie schamlos quälen. Denn wenn sich auch der Herr schweigend und ruhig verhält, so schläft er doch nicht im Himmel, sondern schiebt seine Gerichte nur bis zur rechten Stunde hinaus. Die Frageform des Satzes ist übrigens viel wirkungsvoller, als die einfache Aussage gewesen wäre, dass der Dichter in Widerwärtigkeiten gleichmütig und ruhig bleiben wolle. Des Weiteren schweben ihm nicht bloß Widerwärtigkeiten im Allgemeinen vor, sondern eine für fromme Gemüter besonders bittere und sie tief verletzende Situation: die Gottlosen herrschen und üben ungestraft ihre Gewalt. Das Wort, welches wir mit „Untertreter “ wiedergeben, bezeichnet irgendwie treulose und verschlagene Feinde. Buchstäblich wäre etwa zu übersetzen: „Fersenleute“, die ihrem Nächsten hinterlistig ein Bein stellen oder ihn mit Füßen treten.

V. 7. Die sich verlassen auf ihr Gut . Dies ist die Begründung dafür, dass die Kinder Gottes in bösen Zeiten sich nicht zu fürchten, noch weniger zu unterliegen brauchen, auch wenn sie scheinbar durch die Hand ihrer Feinde so niedergedrückt werden, dass sie deren Macht oder List nicht mehr entrinnen können. Jene Leute trotzen vergeblich auf ihre Macht, die einem Schatten gleich ist, der sofort wieder verschwindet. Der Dichter zieht also folgenden Schluss: Wenn wir vor Menschen uns fürchten, dann lassen wir uns von einer leeren, falschen Furcht umtreiben: denn wir bedenken nicht, auf wie schwachen Füßen sie stehen. Das wäre gerade so, als wenn sich einer von einem Schatten oder Phantasiegebilde fürchten wollte. Sie trotzen auf ihren großen Reichtum , sagt der Dichter; und wir lassen uns zu gleichem Irrtum verführen, weil wir nicht bedenken, wie hinfällig und vergänglich dieses irdische Leben mit seinen Gütern ist. Doch schaut der Verfasser tiefer: er zeigt aus der tatsächlichen Erfahrung, dass man die Leute, die sich in der Welt durch Vergnügungen, Mittel und Ehrenstellungen auszeichnen, mit Unrecht glücklich preist. Er stellt sie im Gegenteil als bejammernswert dar wegen ihres armseligen, ja stumpfsinnigen Gefühlslebens. Denn wenn auch der sich glücklich schätzt, der genießen kann, so wird doch niemand die Toren und Stumpfsinnigen glücklich nennen, weil sie ja keinen Verstand haben. Der Dichter zeigt aber die Verrücktheit der gottlosen Menschen: ihr Vertrauen auf ihre Güter und ihr Trotzen auf ihren großen Reichtum sei ein sicheres Zeichen ihrer Unvernunft, welche die törichten Menschen nicht einmal einsehen lässt, was vor ihren Augen ist. Täglich werden sie nämlich (V. 8) erfahren, dass ihr Leben um keinen Preis von anderen erlöst werden kann. Daraus folgt, dass sie wie die Wahnsinnigen ihres Verstandes beraubt sind. Der Ausdruck „noch ihn Gotte versöhnen “ will sagen: aller Leben steht in der Hand Gottes und hängt von seinem Willen ab; darum kann auf keinerlei Weise eine Verlängerung der Lebenszeit erzielt werden, wenn Gott einmal den oder jenen abzuberufen für gut befunden hat. Der folgende Vers bestätigt das: es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen . Damit soll nicht bloß gesagt sein, dass dies selten vorkomme, sondern es könne nie geschehen. So heißt es auch 1. Sam. 3, 1: „unter Eli war des Herrn Wort teuer“, weil damals die Weissagungen aufgehört hatten. Der Sinn ist also in Kürze der: bei den Menschen gibt es keinen Preis, um den man sich selbst oder andern ein ewiges Verweilen in der Welt erkaufen könnte.

V. 10. Dass er fortlebe immerdar . Diese Worte bringen noch klarer zum Ausdruck, dass nicht allein nach dem Tode der Menschen keine Erlösung stattfinden kann, sondern auch, dass es unmöglich ist, das Leben derer, die noch auf Erden weilen, zu verlängern. Es wird uns eingeprägt, dass kein Mensch seine ihm festgesetzte Lebensfrist überschreiten kann. Wenn also die Gottlosen in ihrem sündhaften und törichten Selbstvertrauen dahinleben, so sind sie doch nur einen Schritt vom Grabe entfernt, dem zu entgehen sie vergeblich versuchen werden. Das alles, was der Dichter schlicht und verständlich vorträgt, scheint nun kein „Rätsel“ (V. 5) zu sein. Immerhin bleibt es dem menschlichen Stumpfsinn, der hier vor Gottes erhabenen Richterstuhl gezogen wird, ein Geheimnis: so erscheint bei genauerer Betrachtung dieser Ausdruck ganz richtig gewählt. Zugleich aber trifft zu, dass der Dichter die göttliche Lehre klar und deutlich „kundtut“, so dass auch ungeschulte Leute sie verstehen können.

11 Denn man wird sehen, dass die Weisen sterben, sowohl als die Toren und Narren umkommen, und müssen ihr Gut andern lassen. 12 Das ist ihr Herz, dass ihre Häuser währen immerdar, ihre Wohnungen bleiben für und für; und haben große Ehre auf Erden. 13 Dennoch kann ein Mensch nicht bleiben in solchem Ansehen, sondern muss davon wie ein Vieh.

V. 11. Denn man wird sehen usw. Der Dichter will die Unsinnigkeit derer zeigen, die sich auf Erden ein ewiges Leben erträumen und allen Eifer daran wenden, sich in der Welt einen dauerhaften Wohnsitz zu schaffen, während sie doch ununterbrochen alle Sterblichen dahinfahren sehen. Der Volksmund sagt: die Erfahrung ist der Lehrer der Toren. Jene Leute sind also mehr als töricht, wenn sie trotz der vielen klaren Beispiele nicht zur Besinnung kommen, um zu bedenken, dass sie als sterbliche Menschen geboren sind. Das ist also der Zusammenhang: wenn diese blinden Verächter Gottes auch sehen müssen, dass der Tod keine Ausnahme kennt und dass die Weisen so gut wie die Toren sterben müssen, so hören sie doch nicht auf, sich auf dieser Erde eine ewige Wohnung zu gründen: sie richten ihr Leben ein, als müssten sie niemals von hinnen scheiden. Jeder sieht also das Geschick des andern, d. h. sie verfallen alle ohne Unterschied demselben Untergang, wie verschieden auch ihre Lebensstellung auf Erden war. Ja, sie sehen es, wie viele ihr Gut andern lassen müssen. Damit sind nicht die rechtmäßigen, leiblichen Erben gemeint. Denn hinterlässt jemand einen Erben aus seiner eigenen Familie, dann lebt er gewissermaßen in diesem weiter. Hinterlässt der Verstorbene aber keine Kinder, so ist auch sein Name unter den Menschen völlig erstorben. Darüber sind besonders die Gottlosen trostlos. Aber diese Erfahrungen nützen alle nichts. Sie haben vielmehr (V. 12) nur den einen Gedanken, und der füllt ihr ganzes Herz aus: wie leben wir ewig auf Erden? – Die Menschen, die der Welt ergeben sind, haben große Ehre auf Erden , d. h. sie tun alles, um einen Ruf unter den Menschen zu bekommen. Ihre Wünsche sollten die Richtung haben, ihren Namen ins Lebensbuch geschrieben zu sehen und vor Gott und den Engeln gepriesen zu sein. Nun ist gerade das Gegenteil der Fall: sie streben danach, auf der Erde in guten Ruf zu kommen und ihrem Namen einen hohen Klang zu verschaffen. Manche Ausleger übersetzen allerdings: „sie legen ihren Namen auf große Ländereien“, um ihren Nachkommen ein Zeichen ihres Ruhmes zu hinterlassen. Doch mir scheint der Dichter sagen zu wollen, dass sie sich die äußerste Mühe geben, sich auf Erden einen großen Namen zu schaffen.

V. 13. Dennoch kann ein Mensch nicht bleiben usw. Nachdem er die törichten Gedanken der Ungläubigen verspottet hat, mit denen sie sich selbst betrügen, fährt der Dichter fort zu zeigen, wie sie trotz ihrer Selbstgefälligkeit dasselbe Ende haben werden, wie das unvernünftige Vieh . Denn wenn auch hinsichtlich der Seele zwischen Tier und Mensch ein großer Unterschied besteht, so sagt der Verfasser doch mit Recht, indem er sich auf den Standpunkt der praktischen Lebenserfahrung stellt, die Ungläubigen seien im Tode dem Vieh ähnlich. Vom künftigen Leben zu reden, erübrigte sich. Es war ja nur die Rede von den Kindern dieser Zeit, die nichts von einer Ewigkeitshoffnung wissen wollen und nur die Seligkeit kennen, die sie auf Erden genießen können. Solcher Wahnsinn wird hier verspottet: Ihr erhebt euch freilich über die andern Menschen und streckt eure Hörner über die Wolken; aber euch bedroht der Tod, der euren Hochmut stürzen wird, so dass kein Unterschied mehr besteht zwischen euch und Eseln und Hunden! Überfein ist es, wenn einige Ausleger darauf hinweisen, dass die Menschen dem Vieh gleich werden, wenn sie vergessen, welche Vorzüge der Schöpfer ihnen mit der unsterblichen Seele gab. Der Vergleich gründet sich vielmehr einfach darauf, dass ein weltlich gesinnter Mensch sich vergeblich seines hinfälligen Lebens trösten wird, weil er davon muss wie ein Vieh. Mit der letzten Vershälfte erklärt er, warum er die irdisch gesinnten Menschen mit Tieren vergleicht: deshalb, weil sie vernichtet werden oder verwesen.

14 Dies ihr Tun ist eitel Torheit; doch loben's ihre Nachkommen mit ihrem Munde. (Sela.) 15 Sie liegen im Grabe wie Schafe, der Tod weidet sie; aber die Frommen werden am Morgen über sie herrschen, und ihr Trotz muss vergehen; das Grab erwartet sie vor ihrer Wohnung. 16 Aber Gott wird meine Seele erlösen aus des Grabes Gewalt; denn er hat mich angenommen. (Sela.)

V. 14. Dies ihr Tun ist eitel Torheit . Der Ausgang wird zeigen – das etwa will der Dichter sagen -, wie töricht die Leute handelten, die ihr Glück in der Welt suchten. Denn endlich muss ihre Torheit mit Schimpf und Schande offenbar werden. Trotz ihrer eingebildeten seltenen Klugheit und ihrer Selbstgefälligkeit würden sie doch wegen ihres Unverstandes dem wohlverdienten Gespött nicht entgehen. Von diesem Hintergrunde lässt dann der Dichter die Torheit der Nachkommen sich umso greller abheben, die auch durch das an ihren Vätern erlebte Beispiel keine Vernunft lernen. Übrigens übersetzen manche Ausleger den schwierigen Satz ganz anders, etwa: „Die Kinder laufen oder fahren fort nach der Väter Weise.“ Obgleich dabei die Worte stark abweichen, bleibt der wesentliche Sinn unverändert. In jedem Fall will der Dichter sagen: Während das eitle Selbstvertrauen der Weltmenschen sich sonst vor jedermann als lächerliche Torheit ausweist, ist es erstaunlich zu sehen, mit welch verblendeter Zähigkeit ihre Nachkommen in ihre Fußstapfen treten, sich durch das Beispiel der Väter nicht warnen lassen, sondern an den gleichen Torheiten Gefallen finden und genau so denken und reden wie sie. Hätten sie doch, da Gott der Welt sein Gericht vor Augen stellen wollte, umso aufmerksamer bedenken sollen, wie mit ihren Vätern verfahren war. Wenn sie nun aber unter Missachtung der früheren hervorstechenden Erlebnisse derselben Eitelkeit huldigen, so tritt nur ihre bodenlose Unvernunft desto deutlicher zu Tage.

V. 15. Sie liegen im Grabe wie Schafe . Das Bild liegt nahe: diese Menschen steigen ins Grab hinein, wie die Schafe von ihrem Hirten in den Stall geführt werden. Dem Stolzen genügt ja kaum die ganze Welt. Einzelne sind von ihren Wahngebilden so aufgeblasen, dass sie beinahe auf die Sonne, Luft und Erde Anspruch erheben. Der Dichter führt sie wie eine Schafherde von ihrem unglaublichen Hochmut, in dem sie sich breit machten, ins Grab hinein und überlässt sie der Hut des Todes. Der Sinn ist also: wenn sie sich auch unter den Menschen den ersten Platz anmaßen, so verfallen sie doch zuletzt dem Tode, so dass sie, freilich zu spät, die Nichtigkeit ihres Selbstruhms einsehen lernen. Denn von dem Tode niedergeworfen und beherrscht zu sein, ist grässlicher und unglückseliger, als irgendeiner menschlichen Macht gehorchen zu müssen. In der zweiten Vershälfte nimmt der Dichter die Kinder Gottes von diesem traurigen, unseligen Lose aus. So begegnet er dem begründeten Einwurf: Du predigst allerdings den Untergang derer, die ihr Vertrauen auf diese Welt setzen. Aber bringst du damit etwas Neues? oder warum hältst du den Menschen ein Naturgesetz vor, da doch alle derselben Notwendigkeit verfallen sind? Und dann, was spottest du der Toten, als ob du nicht auch einmal einer von ihnen würdest? Diesen Einwürfen hält der Dichter in feiner Weise entgegen: Wenn der Tod für alle Menschen den Untergang brächte, würde ich allerdings nichts Neues sagen. Aber die Ungläubigen berauben sich des besseren Lebens, zu dem wir alle geschaffen sind. Darum brandmarke ich mit Fug und Recht ihren Unverstand. Denn es ist ganz unbegreiflich, dass jemand, um eine kleine Zeitlang glücklich zu sein, wie im Traum die Hoffnung auf ein künftiges Leben und die Gedanken daran wegwirft und den himmlischen Ruhm preisgibt. Da zeigt sich der durchgreifende Unterschied zwischen der Lehre dieses Psalms und den Anweisungen der Philosophen. Diese belächeln leicht und gefällig die Eitelkeit der Welt, die törichten menschlichen Begierden weisen sie zurück, und die Unbeständigkeit der Menschen wird auch bloßgestellt. Aber die Hauptsache vergessen sie: dass wir nämlich glücklich sind, weil Gottes Vorsehung uns regiert, ferner dass alles Übel bei uns ein gutes Ende gewinnen muss, weil unser das ewige Erbe im Himmel wartet.

Die Frommen werden über sie herrschen . Die Antwort auf die Frage, wie dies gemeint sei, ist nicht schwer: alle Gottlosen müssen sich unter unser Haupt Christus beugen, so dass sie zum Schemel seiner Füße werden. An dieser Herrschaft haben auch alle Glieder des Hauptes ihren Anteil. Denn wenn es heißt, er werde seine Herrschaft an den Vater abtreten, so geschieht das sicherlich nicht zum Schaden seiner Gemeinde, sondern auf dass Gott alles in allen sein (1. Kor. 15, 28). Dass aber die Herrschaft der Frommen „am Morgen“ anheben wird, ist ein sehr treffender Ausdruck. Denn weil wir jetzt in Finsternis wandeln, so wird das Leben des Menschen auf der Erde mit der schweigenden Nacht oder mit dem Schlummer verglichen. Dieser Vergleich passt besonders auf die Ungläubigen: sie wohnen auf der Erde wie im Schlafe. Aber auch die Dunkelheit aller Verhältnisse ist so verwirrend, dass selbst gläubige Seelen erlahmen, wenn ihnen nicht wiederum Gott in seinem Worte erscheint. Jedenfalls schauen wir alles nur in einem Spiegel und im Gleichnis, und darum wirkt die Ankunft des Herrn wie die Morgenröte, welche die Frommen wie die Gottlosen jeden auf seine Weise zum Erwachen bringt. Jene wachen auf von ihrer Trägheit und Gleichgültigkeit, der Nebel zerreißt vor ihren Augen, und sie schauen klar und deutlich Christum von Angesicht zu Angesicht als die Sonne der Gerechtigkeit und darin den vollen Glanz des wahren Lebens. Die Gottlosen dagegen, welche jetzt ganz blind sind, werden aus ihren Stumpfsinn aufgerüttelt und müssen dann deutlich erkennen, dass es ein neues Leben gibt, an welchem sie jedoch keinen Teil haben. – Diese Mahnung ist nicht bloß darum nötig, weil uns unser Fleisch immer nach unten zieht und zum großen Teil das Glaubenslicht erstickt oder wenigstens verdunkelt, sondern auch deshalb, weil die Gottlosen aus dem regelmäßigen Bestande des Weltlaufs den Schluss ziehen, es gebe kein anderes Leben. Auch Petrus gedenkt derer, die über eine Hoffnung der Zukunft lachen, da ja doch alles so bleibe, wie es von Anfang der Kreatur gewesen sei (2. Petr. 3, 4). Vor einer Verführung durch diesen Leichtsinn will uns also der Dichter bewahren, wenn er uns zuruft: Mag noch so tiefe Finsternis jetzt auf der Erde liegen, es kommt plötzlich ein neuer Morgen, der das wahre, ewige Leben uns bringt.

Ihr Trotz muss vergehen . Möglich ist auch eine andere Übersetzung: „Ihre Gestalt wird verwelken“. Das erste gibt einen guten Sinn: sie sind stark an Macht und Mitteln, aber nur kurze Zeit; denn alsbald erschlaffen sie und brechen zusammen, ja, sie sind ganz und gar entnervt. Die andere Übersetzung dagegen würde trefflich mit dem zusammenstimmen, was Paulus sagt (1. Kor. 7, 31): „Die Gestalt dieser Welt vergehet“. Er meint damit, alles Irdische sei doch nur leerer Schein. So würde auch der Dichter in treffender Weise den eitlen Ruhm einer leicht verfliegenden Gestalt vergleichen. – Der Sinn des Verschlusses ist sehr dunkel. Einige lesen: „das Grab ist ihre Wohnung.“ Doch stimmt das weniger gut zu dem Gedankengang des Dichters als die Auslegung: das Grab erwartet sie vor ihrer Wohnung . Der Dichter meint: Mögen sie auch jetzt in glänzenden Palästen wohnen, wo sie scheinbar eine feste Stätte haben – sie müssen doch bald hinaus, und das Grab wird sie aufnehmen. Vielleicht spielt er auch damit auf ihre großartigen Aufzüge an, da sie nie ohne große Prunkentfaltung aus ihren Häusern gehen: so wird es aber nicht immer bleiben, weil ihr letzter Ausgang der Abstieg ins Grab sein wird.

V. 16. Aber Gott wird meine Seele erlösen . Statt „aber“ kann man auch „sicherlich“ lesen. Denn was der Dichter ganz allgemein gesagt hat, dass die Frommen bald herrschen würden, wendet er jetzt im Besonderen zur Stärkung seines Glaubens an. Wir haben hier also eine weitere Ausführung des vorigen Gedankens, indem der Dichter auf sich bezieht, was er zuvor von allen Frommen gesagt hatte. Muss er aber aus des Grabes Gewalt erlöst werden, so legt er damit das offene Bekenntnis ab, dass er seiner Natur nach dem Tode verfallen sei, dass aber Gott ihn schützen und erlösen werde. Zugleich haben wir ein herrliches Zeugnis für den Glauben, in dem die Väter schon zur Zeit der Gesetzesherrschaft gelebt haben und auf den sie gestorben sind. Denn wir sehen, dass sie nicht im gegenwärtigen Leben ihre Befriedigung suchten, sondern mit gen Himmel gerichtetem Geiste diese Welt durchwanderten, bis sie ihren Lauf vollendet hatten. Hätte der Dichter nur auf Erlösung aus dieser oder jener Gefahr gerechnet, so wäre das nichts anderes, als wenn Gott den Kindern dieser Welt auch oftmals aus großen Nöten heraushilft. Er hoffte also im Tode auf ein Leben, da er durch die irdische Finsternis hindurch auf jenen Morgen schaute, der den ewigen Tag heraufführen sollte. Das zeigt uns die geistige Art der Gesetzesverheißungen, auf welche die heiligen Väter bauten. Gerne wanderten sie darum als Fremdlinge in der Welt, um endlich einmal in dem himmlischen Erbe auszuruhen. Deshalb muss es uns auch Wunder nehmen, dass die Sadduzäer trotz ihrer Gesetzeskenntnis doch die menschliche Seele nur für ein Nichts hielten. Der Mensch wäre ja mit Blindheit geschlagen, der über diese Stelle hinweg lesen könnte, ohne dabei den Gedanken eines himmlischen Lebens zu finden. Wie will man es denn herumdrehen, was im vorangehenden Verse von einem neuen, bis dahin nicht gekannten Morgen stand? Ohne Zweifel geht täglich der Morgenstern über den Landen auf. Aber in unserem Zusammenhange ist der bestimmte Tag gemeint, an dem Gott selbst an die Stelle der Sonne treten wird, um uns durch den Anblick seiner Herrlichkeit zu erleuchten. Wenn nun aber der Dichter hinzufügt: „Gott wird meine Seele erlösen aus des Grabes Gewalt“, verspricht er sich damit nichts Besonderes, was den übrigen Menschen nicht gilt? Wenn also die Erlösung vom Tode den Gotteskindern allein zugesichert ist, so dürfen wir eben deshalb auf ein besseres Leben hoffen. Es ist wohl der Mühe wert, hier zu wiederholen, dass nur der einen rechten Gebrauch von Gottes Verheißungen macht, der sich das persönlich zu eigen nimmt, was Gott allen insgemein anbietet. Und so macht es der Dichter. Woher sollte er denn Gewissheit über die Erlösung seiner Seele haben, wenn es für die Frommen nicht einmal andere Lebensbedingungen gäbe, als die zurzeit auf der Erde herrschen? Er schließt sich aber persönlich den Gotteskindern an und weiß sich deshalb auch dieser Gnade teilhaftig. Er sagt ja auch alsbald: denn er hat mich angenommen . Einige wollen freilich übersetzen: „nachdem er mich weggenommen hat.“ Der Sinn wäre dann: wenn der Herr mich aus diesem Leben wegnimmt, wird er meine Seele aus des Grabes Gewalt reißen. Dies erscheint mir aber ziemlich gesucht. Bei unserer Übersetzung gibt der Dichter einfach den Grund an, auf dem seine Auferstehungshoffnung ruht: und er findet ihn nicht in sich selbst, sondern in Gottes freier Gnade. Gott hat ihn in seiner Huld erfasst und ihn in die Schar der Seinigen aufgenommen. Darum wird er auch im Tode für seine Seele sorgen und sie vor dem Untergang schützen. Warum glauben denn die Menschen, es sei um sie geschehen, wenn sie ins Grab gesenkt würden? Doch wohl deshalb, weil sie ihre Seelen nicht dem Schutze und der Treue Gottes anbefehlen, weil sie nicht bedenken, dass diese wie ein wertvolles Besitztum in seiner Hut bewahrt bleiben. Mag die Seele des Menschen, wenn sie sich vom Körper löst, gestaltet sein, wie sie will – das bleibt bestehen: Gott nimmt sie gewissermaßen an sein Herz. Dort ruht sie in glückseliger Sicherheit bis an den Tag der Auferstehung.

17 Lass dich's nicht irren, ob einer reich wird, ob die Herrlichkeit seines Hauses groß wird. 18 Denn er wird nichts in seinem Sterben mitnehmen, und seine Herrlichkeit wird ihm nicht nachfahren. 19 Er tröstet sich wohl dieses guten Lebens, und man preiset's, wenn einer sich gütlich tut; 20 aber doch fahren sie ihren Vätern nach und sehen das Licht nimmermehr. 21 Kurz, wenn ein Mensch in Ansehen ist und hat keinen Verstand, so fähret er davon wie ein Vieh.

V. 17. Lass dich's nicht irren usw. Der soeben schon ausgesprochene Gedanke wird nun in Form einer Ermahnung wiederholt. Die Kinder Gottes sollen sich durch den Reichtum und die Macht ihrer Feinde nicht schrecken lassen. Sie haben auch keinen Grund, sie zu beneiden. Denn schnell wie ein Schatten verschwindet dieses eitle Glück. Nicht auf der Erde sollen wir unser Heil suchen, vielmehr soll uns stets des Lebens Ende vor Augen stehen. Auf diese Weise wird uns der Ekel an dem Elend, das uns zur Übung in diesem kurzen Leben gesandt werden muss, am wenigstens erfassen. Hochgemut sollen wir die trügerische Üppigkeit verschmähen, auf welche gottlose Leute so sehr pochen. Ihr Anblick soll uns also nicht in Verwirrung bringen. Deshalb mahnt der Dichter zur Betrachtung des Todes, der plötzlich kommt, um die Menschen des täuschenden Glanzes zu entkleiden und ins Grab zu senken. Dass der Mensch (V. 18) nichts in seinem Sterben mitnehmen kann, prägt uns ja ein, dass aller Ruhm der Sterblichen im Grabe ein Ende nimmt. Dort bleibt auch ihre Herrlichkeit. Auf diese völlige Beraubung im Tode weist auch der nächste Satz: seine Herrlichkeit wird ihm nicht nachfahren. Wie sehr sich auch die armen Menschenkinder abquälen und sich gleichsam wider ihre Natur für die Zeit nach dem Tode noch ein wenig Herrlichkeit beizulegen sich bestreben, so entrinnen sie doch nicht der Verwesung und dem Schimpf der Entblößung, wie ja auch der Dichter1) sagt: „der Tod allein macht offenbar, wie wertlos der Körper des Menschen war.“

V. 19. Er tröstet sich usw. Dieser Vers muss sich mancherlei gefallen lassen. Etliche beziehen die erste Vershälfte auf die Ungläubigen, die zweite auf die Gläubigen, welche Gott in all ihrem Wohlergehen preisen. Andre beziehen alles auf die Gläubigen, freilich irrtümlicherweise. Richtig wird es vielmehr ohne Zweifel sein, an Leute zu denken, die fleischlichen Ergötzungen ergeben sind. Im ersten Teil sagt der Dichter: sie trösten sich des guten Lebens, so lange sie auf der Erde wandeln. Sie ergötzen sich in angenehmer Weise und stürzen sich in irdische Vergnügungen, ohne Bedenken geben sie sich tierischer Unmäßigkeit hin; wie Christus dem reichen Mann die Worte in den Mund legt (Lk. 12, 19): „Habe nun Ruhe, liebe Seele, iss und trink!“ Sie erwarten ja sonst nirgendwo ihr Glück als in der Welt. Nach himmlischem Leben zu trachten, fällt ihnen nicht ein. Diese erste Vershälfte scheint mit 5. Mose 29, 19 überein zu stimmen, wo der Mensch gewarnt wird, nicht sich in seinem Herzen zu segnen d. h. sich nicht zu schmeicheln, als dürfe er Gott ungestraft verachten. In der zweiten Vershälfte aber wechselt die Person, und es wird uns das anerkennende Urteil der Welt über jene Leute vorgeführt, die ihr Glück in der Weltlust suchen. Der Dichter meint nämlich, wenn sich Menschen für Halbgötter halten, so seien sie nicht bloß durch ihre eigenen Gedanken irregeleitet, sondern sie würden auch durch den trügerischen Beifall der Welt getäuscht, die sie immer wieder lobt, wertschätzt und nach allseitiger Meinung für glücklich hält, wenn sie ohne jeden Gedanken an ein himmlisches Leben ihren Begierden fröhnten.

V. 20. Aber doch fahren sie ihren Vätern nach . Dies hat wohl den Sinn: sie werden mit ihren Vätern in einem Grabe versammelt. Man nennt ja den Tod auch den Weg alles Fleisches. Kurz zuvor hat der Dichter davon geredet, sie würden haufenweise ins Grab geworfen werden wie Schafe in ihre Hürde. Dann wäre das der Sinn: weil sie nicht nach dem Himmel trachten, sondern an der Welt kleben und der Fäulnis der Erde verfallen sind, so werden sie dasselbe Ende haben wie ihre Väter. Dass sie das Licht nimmermehr sehen , bedeutet dann etwa: sie werden in ewige Finsternis versinken oder gänzlich vernichtet werden. Denn, fern von Gott sein ist schlimmer als jede Art von Untergang. Die Ungläubigen genießen also das Lebenslicht nur kurze Zeit. Denn sobald sie aus der Welt fortmüssen, haben sie kein anderes Licht mehr. Der Dichter mahnt uns, mit Fleiß zu bedenken, nicht in diesem Leben unser Bestes zu suchen, sondern uns zu bemühen, dass wir nach unsrem Abscheiden von dieser Welt den himmlischen Segen davontragen. Auch sollen wir uns nicht zum wenigsten davor hüten, dass uns das eitle Menschlob betäube. Aber weil wir von Natur alle den Fehler haben, nur zu leicht leeren Schmeicheleien zu glauben, so ist diese Mahnung des Dichters besonders beachtenswert.

V. 21. Kurz, wenn ein Mensch usw. Was bisher vom gegenwärtigen Leben gesagt war, kann den Anschein erwecken, als sei dasselbe nur der Verachtung wert. Und doch ist es an sich betrachtet ein einzigartiges Geschenk Gottes. Darum sucht der Dichter die scheinbare Härte seiner Aussage durch den Zusatz zu mildern: dann nur ist das Leben nicht viel wert, wenn die Menschen auf die Stufe der Tiere herabsinken, und das tun sie, wenn sie ohne Vernunft alles Gute, das ihnen Gott schenkt, verschlingen und so die hervorragende Stellung, die ihnen Gott verliehen hatte, zunichte machen. Der Dichter wendet sich also gegen die Gottlosen, die in schmählichster Weise und ohne jegliche Spur von Frömmigkeit alle Güter missbrauchen, die Gott ihnen darreicht, und die insbesondere sich an ihrer vergänglichen irdischen Herrlichkeit berauschen, statt dadurch ihre Gedanken höher empor führen zu lassen. Solche Undankbarkeit verurteilt der Dichter, weil die Gottlosen dadurch ihre Würdestellung schmählich verderben und durch Verkehrung des rechten Gebrauchs das Licht in Finsternis verwandeln. Das zeigt uns auch, dass wir nur durch eigne Schuld unglücklich in der Welt sind. Denn, wenn wir unsre Gaben, mit denen uns Gott beschenkt, recht erkennen und gebrauchen würden, so würden schon daraus Funken zukünftiger Glückseligkeit hervorleuchten. Aber diese Gabe geht durch unsre Verderbtheit verloren. Wenn die Ungläubigen während ihres Lebens in der Welt auch über dem Vieh stehen, weil sie ja Vernunft und Verstand haben und noch etliche Merkmale des göttlichen Ebenbildes an sich tragen, so sagt doch der Dichter von ihrem Ende, es werde dem Vieh gleich sein. Denn ihrer eitlen Herrlichkeit entkleidet, nehmen sie denselben Ausgang wir das Vieh.

1)
Juvenal, ein römischer Dichter, der zu Anfang des 2. Jahrhunderts nach Christi Geburt schrieb, in seiner 10. Satire, V. 172)
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