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Calvin, Jean - Psalm 26.

Calvin, Jean - Psalm 26.

Inhaltsangabe: Dieser Psalm ist dem vorhergehenden sehr ähnlich. Da der heilige Sänger durch viele Ungerechtigkeiten bedrückt wurde und in der Welt nicht den geringsten Schutz fand, so flehte er Gott um seinen Beistand an, dass er bei dieser ungerechten Bedrängnis seine Sache in die Hand nehmen und seine Unschuld verteidigen möge. Da er es mit Heuchlern zu tun hat, so beruft er sich auf Gottes Gericht, indem er ihnen bittere Vorwürfe darüber macht, dass sie Gottes Namen in falscher Weise verwenden. Endlich, als wäre sein Wunsch schon erfüllt, verspricht er ein Lobopfer für seine Rettung.

V. 1. Herr, schaffe mir Recht usw. Ich habe schon gesagt, dass David zu dem Gerichte Gottes seine Zuflucht nimmt, weil er bei den Menschen gar keine Billigkeit findet. Er ruft den Herrn zum Verteidiger seines Rechts auf. Denn wenn Gott uns eine Zeitlang den Ungerechtigkeiten und dem Mutwillen seiner Feinde bloßstellt, so scheint es, als vernachlässige er unsere Sache; wenn er dagegen unsere Feinde in Schranken hält, so dass sie nicht nach ihrer Lust wüten können, um uns zu schaden, so zeigt er durch die Tat, dass ihm die Verteidigung unseres Rechts am Herzen liegt. Lasst uns daher an Davids Beispiel lernen, wenn wir bei Menschen keine Hilfe finden, uns an Gottes Gericht wenden, um Ruhe zu suchen unter seinem Schutz. Das Folgende wird von den Erklärern in verschiedener Weise ausgelegt. Einige verbinden den ersten und zweiten Satz und lesen: „Herr, schaffe mir Recht, denn ich wandle in meiner Unsträflichkeit“; andere dagegen den zweiten und dritten Satz und lesen: „Weil ich in meiner Unsträflichkeit wandle, so werde ich nicht wanken.“ Ich beziehe dagegen den zweiten Satz sowohl auf den ersten als auf den dritten. Denn da es Gottes Amt ist, für die gute Sache einzutreten und sie zu beschützen, so macht David ihn zu seinem Beschützer und ruft ihn zum Zeugen seiner Unschuld und seiner Hoffnung an; und aus seiner Unschuld gewinnt er auch die Zuversicht, dass ihm Hilfe werden wird. Mit großem Nachdruck sagt David: ich wandle in meiner Unsträflichkeit. Damit bezeugt er nicht einfach, dass er sich rechtschaffen bewiesen, sondern dass er sich beständig in seinem rechten Lauf gehalten und sich auch durch die heftigsten Machenschaften nicht habe von seinem guten Vorsatz abbringen lassen. Wissen wir doch, wie schwer es hält, diese Gesinnung zu bewahren, wenn die Bösen uns angreifen und mit Gewalt und schlechten Ränken über uns herfallen. Denn meistens erhofft man den Sieg davon, dass man rüstig und tapfer mit Waffen gegen Waffen und mit Betrug gegen Betrug ankämpft. Dieser Versuchung unterliegen meistens auch die Braven und Besonnenen, sie sonst eifrig bestrebt sind, recht zu handeln. Durch die Rücksichtslosigkeit der Feinde lassen sie sich vom rechten Wege abdrängen. Darum soll Davids Beispiel uns lehren, fest unsere Bahn inne zu halten und uns niemals von unserem unsträflichen Wege abbringen zu lassen, auch wenn die Gelegenheit sich bietet, Schaden zu tun, und die Feinde uns auf mancherlei Weise reizen und stacheln.

V. 2. Prüfe mich usw. Je unwürdiger und grundloser David verleumdet wird, desto heftiger regt sich sein Schmerz und treibt ihn, ungescheut seine Gerechtigkeit zu bekennen: und er spricht sich nicht nur von handgreiflichen Verbrechen frei, sondern rühmt auch die Rechtschaffenheit und Reinheit seiner Gesinnung. Dabei lesen wir zwischen den Zeilen, wie er sich mit seinen Feinden vergleicht. Denn da diese grobe Heuchler waren, die frech Gottes Namen für sich in Anspruch nahmen, so deutet er vor Gottes Angesicht auf ihre Unverschämtheit und Verhärtung. Dieses Bekenntnis ist zugleich ein Zeugnis für sein gutes Gewissen. Er wagt es, auch die verborgensten Falten seines Herzens dem Gerichte Gottes zu unterwerfen. Hierbei ist aber immer daran zu denken, dass er durch die Unverschämtheit seiner Feinde dazu getrieben wurde, sich so hoch zu erheben. Wenn er nicht ungerecht von seinen Feinden verurteilt worden wäre, so würde er demütig um Erlassung einer solchen Prüfung gebeten haben. Denn er wusste, dass er, wenn er auch vor Eifer brannte, das Rechte zu tun, doch weit von der höchsten Vollkommenheit entfernt war. Da er sich jedoch falsch beschuldigt sieht, so treibt die Unbilligkeit der Menschen ihn dazu, sich ohne Bedenken an Gottes Gericht zu wenden. Unter Nieren ist hier das Verborgenste im Menschen zu verstehen. David übergibt sich dem Herrn ganz und gar zur Prüfung, weil er ein gutes Gewissen hat. Es ist dieses bei ihm etwas anderes als bei den sicheren, oder sagen wir lieber, dummen Menschen, die, weil sie sich in ihren Lüsten schmeicheln, meinen, Gott einen Dunst vormachen zu können. Denn es ist nicht daran zu zweifeln, dass er sich genau geprüft hat, bevor er so zuversichtlich vor Gottes Angesicht hintritt. Und wir müssen, wenn wir Anerkennung bei Gott finden wollen, vor allem darauf setzen, dass wir bei ungerechtfertigten Beleidigungen uns nicht allein von Ungerechtigkeit frei halten, sondern auch im rechten Laufe beharren.

V. 3. Denn deine Güte ist vor meinen Augen usw. Die beiden Glieder dieses Verses werden am besten innerlich miteinander verknüpft und ergeben dann etwa folgenden Sinn: O Herr! weil deine Güte mir immer vor Augen ist und ich mich ruhig auf deine Treue verlasse, so habe ich alle Begierden in meinem Herzen gezügelt, damit die Bosheit der Feinde mich nicht reize und zur Wiedervergeltung treibe. Da es nämlich eine seltene und schwer auszuübende Tugend ist, sich nicht allein von Übeltaten fern zu halten, wenn uns alles dazu treibt, sondern auch die Reinheit des Herzens zu bewahren, so erklärt der Prophet, wie es möglich war, dass er unter so schweren Versuchungen immer den rechten Weg inne hielt. Er hat sich immer Gottes Güte, der so eifrig bemüht ist, die Seinen zu bewahren, vorgehalten, damit er sich nicht verkehrten Künsten zuwende und sich dadurch seines Schutzes beraube. Er war nämlich fest davon überzeugt, dass es unmöglich sei, dass Gott seine treuen Anhänger verlasse, die sich auf ihn verlassen. Und gewiss, hätte er nicht auf Gottes Güte vertraut, so würde er nicht so standhaft dabei geblieben sein, immer die Rechtschaffenheit zu üben. Hier zeigt sich ein beachtenswerter Unterschied zwischen den Kindern Gottes und den gewöhnlichen Menschen. Während die Ersteren einen guten Ausgang von Gott erhoffen, sich von seinem Wort regieren und darum nicht durch die Unruhe zu schädlichen Künsten verleiten lassen, werden die Letzteren, weil die Vorsehung Gottes ihnen etwas Unbekanntes ist, wenn sie auch eine gute Sache vertreten, doch bald hierhin, bald dorthin gezogen: sie fassen unerlaubte Entschlüsse, nehmen ihre Zuflucht zu Betrügereien, und schließlich verfolgen sie nichts anderes, als Böses mit Bösem zu besiegen. Daher kommt das unglückliche, traurige und oft trostlose Ende, dass sie die Gnade Gottes verachten und nur auf List und Ränke sinnen. Kurz, David ist deswegen beständig in der Gerechtigkeit geblieben, weil er den Herrn zum Führer genommen hatte. Zuerst redet er von der Güte Gottes, darauf von seiner Wahrheit, weil Gottes Güte, die uns durch alle Versuchungen mit ungebrochenem Mut hindurchführt, nur aus seinen Verheißungen erkannt wird.

V. 4. Ich sitze nicht bei den eitlen Leuten. Aufs Neue betont David, dass zwischen ihm und seinen Feinden ein großer Unterschied bestehe. Er legt nämlich großes Gewicht darauf, zu zeigen, dass die bösen Menschen, obgleich sie ihm schaden und ihn kränken, ihn doch von dem eifrigen Streben nach Rechtschaffenheit nicht abbringen können. Mit den Worten „Sitzen“ und „Gehen“ wird die Anteilnahme an den Ratschlägen und die Gemeinschaft mit den Werken der betreffenden Leute bezeichnet (vgl. auch zu Ps. 1, 1). David sagt also, dass er mit den eitlen und betrügerischen Menschen nichts gemein hat. Und sicherlich ist das beste Mittel, um vor der Gemeinschaft mit den Gottlosen bewahrt zu bleiben, wenn wir unsere Augen auf die Güte Gottes richten. Der wer im Glauben an Gott wandelt, wird niemals auf ihre Verschmitztheit verfallen, weil er alles seiner Vorsehung überlässt. Geschickt stellt David hier den Glauben, der sich auf Gottes Verheißungen stützt, allen unlauteren und schlechten Ratschlägen gegenüber, zu denen der Unglaube uns verleitet, sobald wir dem göttlichen Schutze nicht die gebührende Ehre zukommen lassen. David lehrt uns durch sein Beispiel, dass wir nicht zu fürchten haben, durch unsere Einfalt den Gottlosen zur Beute zu werden. Denn Gott verheißt uns, dass wir unter seiner Hand sicher sein werden. Auch die Kinder Gottes haben ihre Weisheit. Diese unterscheidet sich aber sehr von der Verschlagenheit des Fleisches: unter der Leitung und Regierung des heiligen Geistes wissen sie bösen Nachstellungen zu entgehen, ohne sich irgendwelche Unlauterkeit zu Schulden kommen zu lassen.

V. 5. Ich hasse die Versammlung der Boshaftigen. Aufs Neue spricht David seinen Abscheu aus, um zu zeigen, welche Kluft ihn von den Gottlosen trennt. Zuerst hat er gesagt, dass er keinen Verkehr mit ihnen habe, jetzt sagt er noch deutlicher, dass er mit Widerwillen vor dem Umgange mit ihnen fliehe. Denn das liegt im dem Worte: hassen. Es ist ja wahr, dass die Bösen allgemein verhasst sind. Aber wie wenige ziehen sich von ihnen zurück, um ihre Weise nicht nachzuahmen. David behauptet beides. Er sagt, dass ihre Versammlungen ihm verhasst seien und dass er mit ihnen keine Gemeinschaft habe. Daraus geht hervor, dass er nicht so sehr die Personen als die Fehler bekämpft. Er macht auch noch eine andere Einschränkung. Wenn er auch die Bösen meidet, verlässt er doch nicht aus Hass gegen sie die Gemeinde und trennt sich nicht von der Gemeinschaft, die Gott gegründet hat. In dieser Beziehung wird von vielen schwer gesündigt. Wenn sie sehen, dass die Guten mit den Bösen vermischt sind, so meinen sie sich zu beflecken, wenn sie sich nicht alsbald von der ganzen Herde trennen. Dieser Eigensinn hat von jeher in der Kirche nachteilige Spaltungen hervorgerufen. Aber David beweist bei allem Eifer eine weise Mäßigung. Denn wenn er sich auch von den Gottlosen trennt, so unterlässt er doch nicht, den Tempel zu besuchen, weil Gott dies befiehlt, und weil es durch das Gesetz vorgeschrieben ist. Wenn er hier von den Versammlungen der Bösen redet, so kann man daraus schließen, dass deren Zahl nicht klein war. Es ist anzunehmen, dass sie sich damals so breit machten, als wären sie allein die Ersten unter dem Volke Gottes und als hätten sie alles zu sagen. Für David war dies aber kein Hindernis, in gewohnter Weise an den Opfern teilzunehmen. Die Gesamtheit muss allerdings dafür Sorge tragen, dass die Gemeinde nicht durch grobe Sünden verunreinigt werde, und ein jeder muss auch für sich danach streben, dass er das Böse nicht durch Gleichgültigkeit und zu große Nachsicht hege. Sollte jedoch einmal der Fall eintreten, dass die rechte Strenge nicht gehandhabt wird, so darf eine solche Verderbnis die einzelnen Gläubigen doch nicht davon abhalten, fromm und heilig in der Gemeinschaft der Gemeinde zu bleiben.

V. 6. Ich wasche meine Hände in Unschuld. Hier sagt David, wodurch er sich bei der gemeinsamen Ausübung der heiligen Handlungen von den Frevlern unterscheidet, die zu demselben Gottesdienst sich bekennen und mit großem Gepränge sich als die Ersten eindrängen, als wenn der Tempel nur ihnen gehörte. Da David dieses mit den Heuchlern gemein hatte, dass er denselben Tempel betrat und zu demselben Altar sich hielt, so bezeugt er, dass er sich nicht mit den äußerlichen Handlungen begnügt, sondern in lauterer Frömmigkeit zum Gottesdienst kommt. Damit erhebt er für sich den Anspruch, ein wahrer Anbeter Gottes zu sein. Der Ausdruck spielt ohne Zweifel an den Ritus feierlicher Waschungen an, die unter dem Gesetz üblich waren. Da die Heuchler sich um die wahrer Reinheit nicht kümmerten, sondern die Reinigung nur im Wasser suchten, so tadelt David hier ihren dummen Aberglauben. Denn Gott wollte durch dieses äußere Zeichen die Menschen nur an ihre Reinigung erinnern und sie zur Buße ermahnen. Die äußere Reinigung allein hat so wenig Wert, dass die Heuchler dadurch nur noch weiter von Gott abkommen. Denn wenn der heilige Sänger erklärt, dass er jene Waschungen in wahrer Unschuld vornehmen wolle, so gibt er zu verstehen, dass die andern durch ihre Waschungen sich nur noch mehr besudeln und beschmutzen. Wir sehen also, dass er den unnützen Eifer, mit dem die Heuchler sich ermüden, lächerlich macht, da er ihren Waschungen die Reinheit abspricht. Nach dem Vorbilde Davids müssen wir, wenn die Bösen in der Gemeinde die Oberhand haben und mit ihrer Übermacht den Tempel besetzt halten, das äußere Bekenntnis des Glaubens derartig handhaben, dass nicht etwa die äußeren Handlungen als die Hauptsache erscheinen, hinter denen dann die Herzensfrömmigkeit verschwindet; dabei sollen wir uns von aller und jeglicher Befleckung durch grobe Sünden rein und frei halten.

V. 7. Zeugnis zu geben im Lobgetön. Mit diesen Worten bezeugt David, dass er die Opfer in rechter Weise und zu dem rechten Zweck gebraucht, während die Heuchler davon weit entfernt sind. Diese wissen nämlich gar nicht, zu welchem Zweck Gott diese äußeren Übungen der Frömmigkeit angeordnet hat und fragen auch gar nicht danach. Ihnen genügt es, wenn sie dem Herrn heuchlerisches Gepränge und Blendwerk vormachen. Wider solche Schauspielerei stellt David den Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit, indem er versichert, dass er den Tempel besucht, um Gottes Namen zu preisen. Unter diesem einen Zweck werden wir manche andere mitzudenken haben. Denn die Opfer dienten nicht nur zur Danksagung, sondern sie waren auch Mahnungen zur Buße. Da aber der letzte und hauptsächlichste Zweck derselben war, dass Gottes Wohltaten recht erkannt und seine Güte gepriesen werde, so ist es nicht auffallend, dass unter diesen einen Titel alle anderen zusammengefasst werden. So wird Ps. 50, 14 das Opfer des Lobes allen äußerlichen heiligen Handlungen gegenübergestellt, gleich als ob die Frömmigkeit darin vor allem bestünde. Ebenso Ps. 116, 12: „Wie soll ich dem Herrn vergelten alle Wohltaten, die er an mir getan? Ich will den Kelch des Heils nehmen und des Herrn Namen verkündigen.“ Um dann Gottes allezeit bereitstehende Macht und seine Wohltaten noch herrlicher zu erheben, gebraucht David den Ausdruck, dass er seine „Wunder“ erzählen wolle. Er will damit sagen, dass ihm in ungewöhnlicher Weise von Gott geholfen worden sei.

V. 8. Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses. In diesem Verse bekräftigt David noch einmal, dass er nicht geschäftsmäßig, sondern mit ernster Andacht in den Tempel gehe. Unheilige Menschen besuchen zwar ebenfalls die heiligen Versammlungen, aber sie suchen darin gleichsam nur einen Schlupfwinkel, um sich vor Gottes Angesicht zu verstecken. Dagegen besuchen die wahrhaft Frommen den Tempel nicht, um ihre Frömmigkeit zur Schau zu tragen, sondern weil es ihr aufrichtiges Verlangen ist, Gott zu suchen. Sie benutzen gern und begierig die Hilfsmittel, die Gott ihnen darbietet; und der Segen, den sie daraus empfangen, mehrt das Verlangen und die Liebe in ihrem Herzen. Dieses Bekenntnis Davids zeigt, dass, wenn er auch andere an Glauben übertraf, er doch befürchtete, durch die tyrannische Rücksichtslosigkeit seiner Feinde dieser Erziehungsmittel, die Gott seiner Gemeinde anvertraut hatte, beraubt zu werden. Da er erkannt hatte, dass er diese Zucht und Ordnung nötig habe, so fleht er inbrünstig, dass er an dem Tempel wieder Anteil erlange. Daraus schließen wir, wie verkehrt der Dünkel ist, in welchem gewisse Leute die Übungen der Frömmigkeit als überflüssig ansehen und verachten. Konnte doch selbst David sie nicht entbehren. Ich gebe gerne zu, dass die Verhältnisse zu jener Zeit anders waren, da das Gesetz als Zuchtmeister das Volk des alten Bundes mehr knechtete als uns jetzt. Aber wir haben doch dieses mit den Alten gemeinsam, dass auch unser Glaube, weil er schwach ist, solcher Hilfsmittel bedarf. Da Gott die Sakramente und die ganze Ordnung der Gemeinde zu diesem Zweck bestimmt hat, so ist es ein verderblicher Hochmut, gleichgültig daran vorüberzugehen. Wir sehen ja, welch großen Wert die heiligen Knechte Gottes darauf legen. – Dass Gottes Heiligtum als die „Stätte seines Hauses“ und als der Ort bezeichnet wird, „wo seine Ehre wohnt“, entspricht einem geläufigen Sprachgebrauch der Schrift, womit Gottes Gegenwart bezeugt werden soll. Es soll aber nicht gesagt sein, dass Gott wirklich in dem Zelte wohne. Auch will Gott damit nicht die Herzen der Seinen bei den irdischen Zeichen zurückhalten. Aber es war nötig, die Gläubigen daran zu erinnern, dass Gott mit seiner Kraft gegenwärtig sei, damit sie nicht dächten, dass sie ihn vergeblich suchten. Soll übrigens Gottes Ehre unter uns wohnen, so muss sein lebendiges Bild uns aus dem Worte und den Sakramenten entgegen leuchten.

V. 9. Raffe meine Seele nicht hin usw. Nachdem David seine Unschuld bezeugt hat, kehrt er zum Gebet zurück, indem er Gott um Erlösung anfleht. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, dass es eine widersinnige Bitte sei, wenn er zu Gott betet, dass er den Gerechten nicht zugleich mit den Frevlern verderbe. Aber Gott gestattet in seiner Nachsicht den Seinen, dass sie alles, was sie auf dem Herzen haben, ihm frei heraus sagen, damit sie eben durch dieses Beten sich selbst von diesen falschen Ängsten befreien. Indem David diesen Wunsch ausspricht, hält er sich Gottes Gericht vor, um dadurch seine Sorge und seine Not los zu werden. Denn es liegt ja Gott nichts ferner, als den Unterschied zwischen den Guten und den Verworfenen zu übersehen. Daher hält auch Abraham dem Herrn vor (1. Mo. 18, 25): „Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit den Gottlosen, dass der Gerechte sei gleich wie der Gottlose.“ Wir sollen wissen, dass der heilige Geist solche Gebetsworte eingegeben hat, um den Gläubigen die Gewissheit zu erwecken, dass Gott jetzt eines jeglichen Sache untersucht und dereinst ein gerechtes Gericht halten wird. Statt von Sündern ist alsbald steigernd von Blutdürstigen die Rede. Denn wenn viele Böse auch anfangs noch vor dem Morden zurückscheuen, so verhärten sie sich im Laufe der Zeit doch immer mehr und mehr und werden immer wilder, und Satan lässt ihnen keine Ruhe, bis er sie in blutige Schandtaten gestürzt hat.

V. 10. In deren Händen Schandtat. David will damit sagen, dass die Gottlosen, von denen er redet, nicht nur heimlich in ihrem Herzen auf Trug sinnen, sondern dass ihre Hände auch bereit sind, alle Schlechtigkeiten, die sie erdacht haben, auszuführen. Deren Rechte von Bestechung voll ist. Diese Worte lassen ersehen, dass er nicht an beliebige Leute aus dem Volke denkt, sondern an die Vornehmen. Bei diesen kommen ja die meisten Bestechungen vor. Denn wenn auch gewöhnliche und gemeine Leute durch Lohn zum Bösen sich dingen lassen, so weiß man doch, dass Geschenke meistens nur den Richtern und anderen Vornehmen, welche die Macht in Händen haben, dargebracht werden. Es ist uns auch bekannt, dass damals die schlechten Menschen an der Spitze standen. Deshalb braucht man sich nicht zu wundern, wenn David sich darüber beklagt, dass das Recht käuflich sei. Übrigens entnehmen wir unseren Worten die Erinnerung, dass Leute, die an Geschenken Gefallen haben, unausbleiblich in Ungerechtigkeit versinken müssen. Nicht umsonst sagt Gottes Wort (2. Mo. 23, 8), dass Geschenke die Sehenden blind machen und die Herzen der Gerechten verkehren.

V. 11. Ich aber wandle unschuldig. Bei dieser Wiederholung ist ein Umstand zu beachten, der Davids Gerechtigkeit noch mehr hervorhebt, nämlich, dass er unter so vielen Versuchungen den rechten Weg immer inne gehalten hat. Er sah, wie viele durch Geschenke plötzlich reich wurden, - gleichwie auch noch heute Menschen, die das Staatsruder führen, in kurzer Zeit große Reichtümer aufhäufen, sich kostbare Paläste bauen lassen und ihren Grundbesitz immer mehr vergrößern. Er hebt es daher als einen Beweis seltener und heldenhafter Tugend hervor, dass dieses alles ihn nicht zur Nachahmung bestimmt hat. Mit Recht versichert er, dass wenn die Welt auch jene glücklich preise, er trotzdem von der gewohnten Rechtschaffenheit nicht abgelassen habe. Daraus ersehen wir, dass er mehr auf Gottes Vorsehung vertraut hat, als auf schlechte Künste. Er bittet deshalb zuversichtlich um Erlösung, weil er, obgleich er ungerecht bedrückt wurde und Versuchungen aller Art an ihn herantraten, er trotzdem in Abhängigkeit von Gott verharrte und auf ihn als seinen Retter hoffte. Daraus schließen wir auch, dass er damals in großer Not war. Die erhoffte Rettung führt er auf die Gnade als die eigentliche Quelle zurück, wobei er freilich die Ursache erst nach der Wirkung nennt: Erlöse mich und sei mir gnädig.

V. 12. Mein Fuß geht richtig. Dieser Vers kann auf zweierlei Weise erklärt werden. Einige meinen nämlich, David wolle mit diesen Worten versichern, dass er sich anderen Menschen gegenüber immer billig gezeigt habe. Ich nehme jedoch lieber an, dass er Gottes Gnade rühmt und zugleich verspricht, dass er sich dafür stets dankbar erweisen wolle. Dass sein Fuß richtig geht, ist ein bildlicher Ausdruck dafür, dass er bewahrt wurde und keinen Schaden nahm. Weil er aber wusste, dass allein Gottes Hand ihn gehalten hatte, so schickt er sich an, ihn zu loben und ihm zu danken. Er sagt aber nicht nur, dass er für sich allein dieser Wohltaten gedenken wolle, sondern auch, dass er in öffentlichen Versammlungen davon reden werde. Denn es wird gleichsam ein Denkmal aufgerichtet, wenn jemand Gottes Gnade, die er erfahren hat, öffentlich preist.

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