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Calvin, Jean - Psalm 142.

Calvin, Jean - Psalm 142.

Inhaltsangabe: Als Saul in die Höhle kam, in der David sich verborgen hielt (1. Sam. 24, 4), konnte der heilige Mann in solcher Gefahr entweder vor Furcht die Geistesgegenwart verlieren oder in der Erregung sich zu einer ungehörigen Tat treiben lassen, wie etwa Leute in höchster Lebensgefahr wie angedonnert daliegen oder in ihrer Fassungslosigkeit sich zu allerlei Dingen fortreißen lassen. David dagegen bezeugt in diesem Psalm, dass der die Fassung behalten, in festem Vertrauen sich auf Gott verlassen und nichts Unerlaubtes unternommen, sondern seinen Halt im Bitten und Flehen gesucht hat.

V. 1 bis 3. Ich schrie zum Herrn usw. Es war ein Beweis von wunderbarer Geistesgegenwart, dass David weder im Schrecken die Besinnung verlor noch in einer Aufwallung des Zorns sich an seinem Feinde rächte, was ihm ja leicht gemacht war, noch auch durch die verzweifelte Lage sich dazu bewegen ließ, Saul zu töten, sondern dass er gefassten Mutes seine Bitten zu Gott richtete. Nicht umsonst schildert also die Überschrift die Umstände, in denen sich David befand, und nicht umsonst bezeugt dieser selbst seine völlige Gottergebenheit. Wie brachte er, der von Sauls Heer ganz umringt war und bereits mit einem Fuß im Grabe stand, es über sich, doch seine Hand nicht an den Todfeind zu legen? Nur dadurch, dass er sich im Gebet gegen alle Versuchungen gewappnet hatte. Darum deutet er mit den wiederholten Aussagen dieses Verses an, dass er anhaltend betete, um gegen alle Wogen der Leidenschaft festzustehen.

Noch deutlicher spricht er im folgenden Vers aus, dass er sich seiner Sorgen entlud und sie in Gottes Schoß warf. Denn vom Ausschütten der Rede und vom Anzeigen der Not vor Gott redet er im Gegensatz zu den Unglücklichen, die sich in stummer Angst verzehren und innerlich zerarbeiten, weil sie lieber in den Zaum beißen, als zu Gott fliehen, - oder im Gegensatz zu anderen, die ohne Besinnung ins Blaue schreien, weil sie aus Gottes väterlicher Vorsehung keine Trost schöpfen. Kurz, anstatt vor Menschen in stürmisches Geschrei auszubrechen oder in finsterem Unmut sich innerlich zu quälen, legte er in herzlichem Vertrauen seine Schmerzen vor Gott dar.

V. 4. Da mein Geist in Ängsten war usw. Wenn David auch gesteht, dass er in seinem Herzen geängstigt war, bestätigt er doch, was er von seinem standhaften Glauben gesagt hat. Der hebräische Ausdruck für „in Ängsten“ ist (mit seiner Grundbedeutung „eingehüllt sein“, nämlich in Ratlosigkeit) eine treffliche Bezeichnung des Gemütszustandes in solchen Gefahren, wo sich kein Ausweg zeigt: man schwankt zwischen widerstreitenden Gedanken unschlüssig hin und her, und indem man bald da, bald dort Rat sucht, verwickelt man sich in immer größere Mühsal. Nun aber sagt David, wenn auch kein Rettungsmittel vorhanden war, so habe doch Gott immer gewusst, wie er ihn befreien solle.

Den Nachsatz „kanntest du meinen Pfad“ nehmen einige in dem Sinn, dass David den Herrn zum Zeugen seiner Rechtschaffenheit aufrufen will. Aber richtiger ist die eben angeführte Fassung, dass Mittel und Weg, David aus der verzweifelten Lage zu retten, dem Herrn bekannt waren. Wenn es also, - so lehren uns diese Worte – uns begegnet, dass alle Mittel vergeblich versucht worden sind und guter Rat ausgeht, so sollen wir uns daran genügen lassen, dass Gott um unser Unglück wohl weiß und nach seiner Gnade sich unser annimmt, wie Abraham es (1. Mo. 22, 8) ausspricht: „Gott wird es ersehen“. Diese selbe Regel befolgte David, als er, von Todesschatten umringt, mit geschlossenen Augen sein Schicksal in die väterliche Vorsehung Gottes befahl.

V. 5. Da ich schaute zur Rechten usw. Dass David jene grausame Pein durchkosten musste, das war, wie er hier bestätigt, sehr begründet, indem von Menschen weder Hilfe noch Trost irgendwelcher Art zu hoffen war, auch kein Ausweg aus dem Tode offen stand. Wenn er übrigens sagt: „Ich schaute … und sah, und fand unter Menschen keinen Freund“, so will er damit nicht andeuten, dass er hin und her nach menschlicher Hilfe gespäht und dabei den Herrn übergangen hätte, sondern er suchte – mit gutem Recht, - ob es auf Erden einen Helfer gäbe. Wenn ihm ein solcher begegnet wäre, er hätte ohne Zweifel in ihm einen Diener der Gnade Gottes gesehen. Aber Gott wollte ihm alle Menschenhilfe wegnehmen, um ihn selbst umso wunderbarer dem Tode zu entreißen.

V. 6 bis 8. Herr, zu dir schreie ich. Damit Gott mit seiner Hilfe eile, klagt David, er sei tief erniedrigt, und es sei mit ihm zum Äußersten gekommen. Der Ausdruck „schreie“ zeigt die Heftigkeit, mit der er bittet. Es tue not, sagt er, dass ihm endlich Erlösung widerfahre, weil er gefangen gehalten wird.

Wenn einige (V. 8) unter dem Kerker die Höhle verstehen, so ist das zu speziell gefasst. Was zuletzt beigefügt wird: Die Gerechten werden mich krönen, übersetzen andere: „sie werden meiner harren“. Ich habe die eigentliche, ursprüngliche Bedeutung beibehalten; doch gebe ich zu, dass das hebräische Wort bildlich gebraucht wird für „umringen“. Nimmt man es so, dann will David sagen, er werde von allen mit Staunen betrachtet werden, indem eine so herrliche Errettung jedermanns Aufmerksamkeit auf sich ziehen werde. So müsste diese Gnadenerweisung, die vor aller Augen steht, zu einem glänzenden, glaubensstärkenden Zeugnis für die Gerechten werden. Will aber jemand lieber von der bildlichen Deutung absehen, so ist der Sinn dieser: die Gerechten werden mich nicht nur beglückwünschen, sondern zur Feier des Sieges meinem Haupte eine Krone aufsetzen.

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