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Calvin, Jean - Psalm 14.

Calvin, Jean - Psalm 14.

Inhaltsangabe: Im Eingang beschreibt David den heillosen Abfall von Gott, der fast das ganze Volk mit fortgerissen hat, und um seiner Klage mehr Nachdruck zu geben, lässt er Gott hierüber persönlich Gericht halten. Dann tröstet er sich und andere, obwohl er ängstlich seufzt, mit der Hoffnung auf Besserung, von der er überzeugt ist, dass Gott sie bald bringen wird.

V. 1. Viele Juden halten diesen Psalm für eine Weissagung von der zukünftigen Bedrückung ihres Volkes: als ob David im heiligen Geiste sich darüber beklagte, dass die Gemeinde Gottes unter der Tyrannei der Heiden zu leiden habe. Sie beziehen daher das hier Gesagte auf ihre gegenwärtige Zerstreuung, - als ob sie das köstliche Erbe Gottes wären, das durch die wilden Tiere zerstört ist. Aber es ist leicht ersichtlich, dass sie, um die Schande ihres Volkes zu bedecken, ohne Grund das auf die Heiden beziehen, was von den entarteten Söhnen Abrahams gesagt ist. Gewiss ist Paulus der beste Erklärer. Er wendet aber diesen Psalm ausdrücklich auf das Volk des Gesetzes an (Röm. 3, 19). Doch wenn auch dieses Zeugnis uns fehlen würde, so zeigt der Zusammenhang deutlich, dass David mehr die inneren Feinde und Bedrücker der Gläubigen als die äußeren meint. Es ist für uns von großem Nutzen, wenn wir uns dieses merken. Denn wir wissen ja, welch eine schwere Versuchung es ist, wenn innerhalb der Gemeinde viel Böses geschieht und wir es mit ansehen müssen, wie die Guten und Einfältigen ungerecht gequält werden, während die Schlechten grausam nach ihrer Lust herrschen. Solcher Anblick könnte uns ganz mutlos machen; daher ist es von großem Nutzen, wenn wir uns mit diesem Beispiel, das David uns hier vorhält, stärken, damit bei dem Verfall der Gemeinde die Hoffnung auf Erlösung uns aufrecht erhalte. Ich zweifle nicht daran, dass David uns den zerrütteten und verderbten Zustand des jüdischen Volkes beschreibt, den Saul hervorrief, als er ohne Scheu zu wüten begann. Denn damals war alle Frömmigkeit geschwunden, auch herrschte keine Rechtschaffenheit mehr unter den Menschen, gleich als wenn alle Erinnerung an Gott ausgelöscht wäre.

Die Toren sprechen in ihrem Herzen usw. Nach hebräischem Sprachgebrauch wird als „Tor“ nicht nur ein unkluger, sondern auch ein verderbter und nichtsnutziger Mensch bezeichnet. Obgleich dies auch in unseren Zusammenhang nicht übel passen würde, ziehe ich doch die Auffassung vor, wonach den unheiligen Leuten, die unter Verachtung aller Gottesfurcht sich in ein sündhaftes Treiben stürzen, Wahnwitz vorgeworfen werden soll. Denn David schildert seine Feinde nicht als Toren gewöhnlicher Art, sondern er fährt gegen den Wahnsinn und die unheilbare Verhärtung derjenigen los, die in der Welt meistens als sehr weise gelten. Denn Leute, die sich selbst für die weisesten und verständigsten halten und auch bei anderen dafür gelten, suchen meistens das Anstößige aus Gottes Wort heraus, um ihren Scharfsinn dadurch zu zeigen, dass sie Gott verächtlich und lächerlich machen. Zuerst sollen wir also wissen, dass wenn die Welt diesen naseweisen Spöttern, die sich alles erlauben, auch noch sehr Beifall klatscht, sie doch vom heiligen Geist als Wahnsinnige verdammt werden, weil es der größte Stumpfsinn ist, wenn man Gott vergisst. Zu gleicher Zeit ist aber auch zu beachten, woraus David schließt, dass sie jeden Sinn für die Frömmigkeit verloren haben. Er schließt es daraus, dass sie alle Ordnung umkehren, so dass kein Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit mehr bleibt, keine Sorge für das, was recht und billig ist, kein Eifer für das, was den Menschen erst zum Menschen macht. David redet hier also nicht von der verborgenen Herzensgesinnung, sondern von der Gesinnung, die die Gottlosen in ihrem Verhalten offenbaren. Sein Gedankengang ist etwa der: Wie kommt es, dass jene Menschen so unverschämt und so zügellos sind, dass sie gar keine Rücksicht nehmen auf Recht und Billigkeit, dass sie unmenschlicher Weise sich in alle Arten von Lastern hineinstürzen? Kommt es nicht daher, dass sie allen Sinn für Frömmigkeit verloren, ja jede Erinnerung an Gott, soweit sie es vermögen, aus ihrem Herzen gerissen haben? Denn alle, die noch etwas Religion in ihrem Inneren hegen, haben auch noch einige Scheu, so dass sie nicht alles zu tun wagen. Daraus folgt, dass wenn die Gottlosen so schamlos, rücksichtslos und frech ihrer Begierde folgen, sie alle Erkenntnis Gottes verloren haben müssen. David sagt nun, dass sie „in ihrem Herzen“ sprechen, es sei kein Gott. Denn wenn sie diese verdammte Gotteslästerung auch nicht mit ihrem Munde aussprechen, so bezeugt doch ihr ganzes zügelloses Leben es laut, dass sie in ihrem Herzen, das von aller Gottesfurcht ledig ist, sich mit diesem Troste trösten. Nun können sie es ja eigentlich gar nicht beweisen, dass es keinen Gott gibt, da Gott auch an dem Gewissen des verdorbensten Menschen sich offenbart, damit sie keine Entschuldigung haben – und zwar so, dass sie gezwungen werden, sein Dasein und seine Herrschaft anzuerkennen. Aber diese Erkenntnis der Wahrheit, die Gott ihnen mitteilt, ersticken sie zum Teil durch ihre Bosheit, und zum Teil verderben sie sie, sodass zuletzt alle Religion bei ihnen erstirbt. Denn wenn sie es auch nicht ganz leugnen, dass es einen Gott gibt, so schließen sie ihn doch in den Himmel ein, nachdem sie ihn seiner Gerechtigkeit und Macht entkleidet haben. Das heißt aber, ein Götzenbild an die Stelle Gottes setzen. Denn sie schließen ihn von jeder einzelnen Lebenstätigkeit aus, als wenn sie nie etwas mit ihm zu tun haben würden. Wird aber Gott von seinem Throne heruntergeholt, dass er nicht mehr Richter sein soll, so ist die Gottlosigkeit aufs Höchste gestiegen. So bezeichnet David Leute, die in ihrer Sicherheit meinen, dass alle ihre bösen Taten ungestraft bleiben, sehr richtig als Gottesleugner. Da übrigens der 53. Psalm mit Ausnahme weniger Worte lediglich eine Wiederholung des 14. ist, will ich die Abweichungen notieren. Wo wir an unserer Stelle lesen: sie sind ein Gräuel mit ihrem Wesen, buchstäblich „mit ihrem Tun“, heißt es dort: „sie sind ein Gräuel mit ihrer Bosheit“. Dadurch wird noch deutlicher, dass nicht etwa bloß an einzelne böse Taten zu denken ist. Sondern wie David zuvor klagte, dass sie Gesetz und Ordnung völlig verkehrten, so fügt er jetzt hinzu, dass sie ihr ganzes Leben beschmutzen und in der abscheulichsten Weise führen. Als Beweis dafür gibt er an: da ist keiner, der Gutes tue. Es liegt ihnen ganz fern, Gerechtigkeit untereinander zu pflegen.

V. 2. Der Herr schaut vom Himmel. Statt im eigenen Namen zu reden, lässt David sehr nachdrücklich den Herrn selbst auftreten, vom Himmel herabschauen und sein Urteil aussprechen. Sehen wir in dieser Weise Gott auf seinem Richterstuhl, so müssten wir schon wunderbar stumpfsinnig sein, wenn uns seine Majestät nicht Schrecken einflößt. Freilich bringt die Gewöhnung an das Sündigen die Menschen dahin, dass sie in ihrer Sünde stumpf und gleichgültig werden: so wandeln sie in einem dicken Nebel und sehen nichts. Um nun zu zeigen, dass die Menschen mit solcher Selbstverblendung nichts ausrichten werden, erklärt David: mögen immerhin in der Welt Verbrecher ungestraft die Herrschaft führen, so schaut und prüft doch Gott von seinem Himmel her, und es bleibt ihm nichts verborgen, was unter den Menschen vor sich geht. Nun hat Gott es zwar nicht nötig, Nachforschungen anzustellen; aber er stellt sich uns doch nicht ohne Grund unter der Gestalt eines irdischen Richters vor. Er tut dieses, damit wir nach unserem Fassungsvermögen seine verborgene Vorsehung allmählich erfassen, da wir sie nicht auf einmal mit unserer Vernunft begreifen können. Und diese Redeweise soll uns auch dahin führen, dass wir lernen, uns vor Gottes Richterstuhl zu stellen. Es soll uns der Gedanke aus dem Schlaf aufrütteln: Wenn auch die Welt sich ergötzt und die Verworfenen ihre Sünden unter ihrer Sorglosigkeit und Unverschämtheit begraben, so schaut doch Gott vom Himmel her auf sie hernieder.

Ob jemand klug sei. Da es die Grundbedingung für ein gutes und gerechtes Leben ist, dass wir uns durch das Licht der Erkenntnis regieren lassen, so sagt David am Anfange des Psalms mit Recht, dass die Torheit die Wurzel aller Verbrechen ist, und an dieser Stelle, dass die gesunde Vernunft die Grundbedingung für ein unbescholtenes und rechtschaffenes Leben ist. Da aber ein großer Teil der Menschen in verkehrter Weise seinen Geist auf Spitzfindigkeiten richtet, so gibt David gleich darauf eine kurze Erklärung der wahren Erkenntnis. Diese besteht nämlich darin, dann man nach Gott frage. Damit lehrt er uns, dass die Menschen ihr Leben nur dann recht einrichten können, wenn sie sich ganz dem Herrn weihen.

V. 3. Aber sie sind alle abgewichen. David beschuldigt hier die Menschen des gottlosen Abfalls, weil sie von Gott sich entfremdet haben und weil sie von ihm abgewichen sind; dann redet er davon, dass ihr ganzes Leben faul und verdorben sei, da ja die Verworfenen nur faule Werke hervorbringen können. Kurz, David sagt, dass alle Menschen sich derartig von mancherlei Begierden beherrschen lassen, dass in ihrem Leben nichts rein und unversehrt bleibt. Das ist der allgemeine Abfall, der alle Frömmigkeit zerstört. Er spricht aber diesen Tadel nicht nur gegen einen Teil der Menschheit aus, sondern erklärt alle in gleicher Weise für schuldig. Welch unbegreifliche Verkehrtheit, dass alle Söhne Abrahams, die Gott sich zu seinem heiligen Eigentum erwählt hatte, vom ersten bis zum letzten so verderbt waren! Aber es fragt sich, weshalb David hier jeden Unterschied aufhebt und keinen als unbescholten gelten lässt, da er doch früher gesagt hat, dass die Elenden und Bedrückten auf Gott hoffen.

Ferner: wenn alle gottlos waren, wo war dann jenes Israel, dem er am Ende des Psalms Erlösung verheißt? Ja, da er selbst zum Volke gehörte, weshalb machte er nicht wenigstens bei sich eine Ausnahme? Ich antworte: Da er gegen die fleischlichen Kinder Abrahams losfährt, so ist der geringe Same, den Gott sich erwählt hat, hierin nicht mit eingeschlossen. Deshalb wendet auch Paulus (Röm. 3, 10) diesen Spruch auf das ganze menschliche Geschlecht an. Denn wenn auch David hier über die Zerstörung und Verwüstung, die unter Saul herrschte, klagt, so ist es doch sicher, dass er auch allgemein die Menschen, die durch den Geist nicht wiedergeboren sind und durch ihre fleischliche Gesinnung sich treiben lassen, den Kindern Gottes gegenüberstellt, wenn er dieses auch nicht ausdrücklich ausspricht. Es ist also festzuhalten, dass er, da er sich selbst und einen geringen Rest der Frommen dem ganzen Volke gegenüberstellt, einen deutlichen Unterschied feststellt zwischen den Kindern Gottes, die durch seinen Geist erneuert sind, und allen Nachkommen Adams, in denen die Verderbtheit und Schlechtigkeit herrscht. Daraus folgt, dass wir alle, wenn wir geboren werden, die Torheit, die David hier beschreibt, und die Verderbtheit des ganzen Lebens schon vom Mutterleibe her mitbringen und dass wir so lange so bleiben, bis uns Gott durch sein verborgenes Gnadenwirken in neue Geschöpfe umwandelt.

V. 4. Will denn der Übeltäter usw. Diese Frage dient zur Verstärkung des vorhergehenden Satzes. Der Prophet hat vorher gesagt, dass Gott vom Himmel achthat auf die Taten der Menschen und sieht, dass alle verderbt sind. Jetzt lässt er ihn verwundert ausrufen: Was ist das für ein Wahnsinn, dass die, die dazu gestellt sind, mein Volk zu pflegen und ihm mit allen ihren Kräften zu dienen, wie wilde Tiere ohne alles menschliche Gefühl gegen dasselbe wüten? Wenn er Gott so sprechen lässt, so will er damit nicht ausdrücken, dass dieses für Gott etwas Neues und Unerwartetes sei, sondern er bedient sich dieser Form nur, um Gottes Unwillen dadurch zu deutlicherem Ausdruck zu bringen. So sagt auch Jesaja (59, 16), der fast denselben Gegenstand behandelt, dass Gott es gesehen und sich darüber gewundert habe, dass keiner ins Mittel trete. Solche Gemütsbewegungen kommen in Wirklichkeit bei Gott nicht vor; sondern wenn der Herr sagt, dass er über den Gräuel unserer Verbrechen gewissermaßen bestürzt sei, so vergleicht er sich mit einem Menschen, um uns durch diesen Vergleich größeren Schrecken einzuflößen. Wenn wir nun nicht ganz versteinert sind, so müssen wir ganz und gar erschrecken, wenn Gott in dieser Weise seinen Abscheu vor uns bezeugt. Dieser Vers bestätigt auch das, was ich früher gesagt habe, dass David hier nicht von fremden Bedrückern und ausgesprochenen Feinden der Gemeinde redet, sondern von den Vornehmen des Volkes selbst, welche durch Macht und Ehren glänzten. Die Beschreibung unseres Verses würde nicht gut auf Leute passen, die dem Gottesdienst Israels ganz fernstehen. Denn bei solchen braucht man sich nicht zu wundern, wenn sie, da sie ja die Vorschriften für das rechte Leben nicht kennen, grässlich hausen. Dagegen ist es etwas überaus Unwürdiges, dass die Hirten selbst ihre Herde grausam verschlingen und nicht einmal Gottes Volk und Erbe verschonen. Eine ähnliche Klage finden wir bei Micha (3, 1): „Hört doch, ihr Häupter des Hauses Jakob und ihr Fürsten in Israel! Ihr solltet es billig sein, die das Recht wissen, aber ihr schindet ihnen die Haut ab und das Fleisch von ihren Beinen.“ Würden sie, die vorgeben, Gott zu verehren, so gegen die Ägypter und Babylonier wüten, so wäre ihr Ungerechtigkeit schon nicht zu entschuldigen; da sie aber das Fleisch und Blut der Gläubigen verzehren, als äßen sie Brot, so ist das etwas so Ungeheuerliches, dass es mit Recht sowohl Engel als Menschen in Erstaunen setzt. Denn wenn sie auch nur ein wenig gesunde Vernunft hätten, so würde dieses sie von solchem Wüten zurückhalten. Deshalb müssen diese Leute, da sie mit Wissen und Wollen Gottes Volk schinden und verschlucken, notwendig vom Teufel so verblendet sein, dass sie durchaus nichts mehr fühlen. Diese Stelle lehrt uns, welch ein Missfallen und welchen Abscheu Gott gegen die Grausamkeit hat, mit welcher die falschen Hirten die Frommen behandeln. Am Schluss des Verses heißt es: den Herrn rufen sie nicht an. Denn dies ist die Quelle und der Grund dieser so zügellosen Ungerechtigkeit, dass sie gar keine Ehrfurcht mehr vor Gott haben. Die Religion ist die beste Lehrerin eines gegenseitigen billigen Verhaltens; wo dagegen der Eifer für die Frömmigkeit erloschen ist, da fällt auch jede Rücksichtnahme auf die Gerechtigkeit hin. Da die Anrufung Gottes die wichtigste Übung der Frömmigkeit ist, so steht sie nicht nur hier, sondern auch an vielen anderen Stellen für den Gottesdienst überhaupt.

V. 5. Da fürchten sie sich. Jetzt ermuntert der Prophet sich selbst und die übrigen Gläubigen mit dem besten Troste, nämlich dass Gott die Seinen nicht bis zum äußersten verlassen, sondern zuletzt als ihr Rächer erscheinen werde. Das Wörtchen „da“ wird von vielen so ausgelegt, dass Gott die Verworfenen vor den Augen der Heiligen bestrafen werde, weil diese unter ihrer Tyrannei zu leiden hatten. Aber es bezeichnet vielmehr, dass diese Strafe ganz gewiss eintreten wird. Das Wort wirkt also wie ein Fingerzeig. Doch können wir aus Psalm 53, 6 entnehmen, dass es zugleich andeutet, wie dieses Gericht Gottes plötzlich und unerwartet über sie kommen wird; denn dort wird hinzugesetzt: „wo keine Furcht war.“ Allerdings finden diese Worte eine sehr verschiedene Erklärung. Die einen meinen, dass ein Schrecken komme, wie solcher noch nie da war. Andere übersetzen: „da fürchteten sie sich, wo nichts zu fürchten ist.“ In der Tat werden gottlose Gemüter leicht von blindem Schrecken betroffen. Und unter den Qualen, die Gott den Übertretern seines Gesetzes androht, ist auch die (3. Mo. 26, 17), dass sie fliehen sollen, wo sie niemand jagt, und dass sie vor dem Geräusch eines fallenden Blattes erschrecken sollen. Wir sehen also, dass sie nur sich selbst foltern und ohne äußeren Anlass in innerer Verstörung sind. Trotz alledem aber glaube ich, dass der Prophet etwas anderes sagen will, nämlich dass der Herr plötzlich und unvermutet, da bisher in der Tat keine Furcht nötig war, gegen die Gottlosen losbrechen wird. Denn (1. Thess. 5, 3) wenn sie sagen: Friede, es hat keine Gefahr, so wird das Unglück plötzlich und wider Erwarten über ihren Häuptern schweben. Der Prophet richtet also die Gläubigen mit der Hoffnung auf und hält sie dadurch aufrecht, dass die Gottlosen, wenn sie sich geborgen und außer aller Gefahr fühlen, ja sicher triumphieren, durch ein plötzliches Verderben zu Grunde gerichtet werden. Dann wird als Grund hierfür angegeben, dass Gott bei dem Geschlecht der Frommen ist. Gott will die Gerechten mit seinem Schirm beschützen, deshalb muss er notwendig, wenn er ihr Heil sicherstellen will, gegen ihre ungerechten und wütenden Feinde vom Himmel herab wettern. In Ps. 53, 6 wird noch hinzugesetzt: „Denn Gott zerstreut die Gebeine derer, die dich belagern. Du machst sie zu Schanden; denn Gott verschmäht sie.“ Mit diesen Worten spricht der Prophet es noch deutlicher aus, wie der Herr die Seinen beschützt. Er erlöst sie aus dem Rachen des Todes, wie wenn jemand einen andern aus der Gefangenschaft befreit, der in die größte Not gekommen ist. Daraus folgt, dass wir geduldig die Bedrückung ertragen müssen, wenn wir durch Gottes Hand zur rechten Zeit errettet werden wollen. Dass die „Gebeine“ der Gottlosen zerbrochen werden sollen, bedeutet, dass ihre Kraft und Stärke vernichtet wird. Gerade dass sie erschreckende Mittel und Kräfte besitzen, lässt darauf schließen, dass Gottes Hand es ist, die sie zermalmt. Dann fordert der 53. Psalm die Gläubigen zur heiligen Lobpreisung auf. Sie sollen nicht daran zweifeln, dass den Verworfenen ein schmählicher Untergang bevorsteht, da Gott sie verstoßen hat. Denn wenn Gott gegen jemand ist, so muss alles unglücklich für ihn auslaufen.

V. 6. Ihr schändet des Armen Rat. Hart werden jetzt jene Unholde angelassen, die über die Einfalt der Frommen spotten, wenn diese in ihrem Elend ruhig auf Gottes Hilfe hoffen. Und fürwahr! Es scheint dem Fleische nichts unvernünftiger zu sein, als die Zuflucht zu Gott zu nehmen, wenn er uns in unserer Not nicht beisteht. Da das Fleisch nur auf das, was vor Augen ist, sieht und danach Gott und seine Gnade beurteilt, so spotten die Ungläubigen, wenn sie die Kinder Gottes in Not sehen, über das nach ihrer Ansicht eitle Vertrauen derselben und machen sich über ihre Sicherheit lustig, dass sie sich auf Gott verlassen, obgleich sie nichts von seiner Hilfe merken. Über diesen Übermut ist David aufgebracht; deshalb verkündigt er, dass es ihnen, dass es ihnen zum Verderben gereichen werde, wenn sie die Armen und Elenden als Toren verdammen, weil diese im Vertrauen auf Gottes Schutz trotz ihrer Not den Mut nicht verlieren. Aber zugleich erinnert er uns auch daran, dass es das Allervernünftigste ist, sich auf Gott zu verlassen, und dass es die beste Klugheit ist, wenn wir in bedrängter Lage ruhig auf das verheißene Heil warten.

V. 7. Nachdem David klargelegt hat, womit er sich tröstet, beginnt er aufs Neue zu beten und zu seufzen. Dadurch lehrt er uns, dass wir, wenn Gott uns auch lange warten lässt, doch nicht überdrüssig werden dürfen, sondern dass wir uns seiner immer rühmen müssen. Wenn er fragt: „Wer wird Israel Hilfe bringen?“ so wendet er seine Augen nicht von Gott ab, blickt nicht nach rechts oder links, um einen anderen Helfer zu erspähen, sondern er spricht damit nur sein brennendes Verlangen aus. Er will etwa sagen: Wann endlich, o Gott, bringst du deine Hilfe? Dass er die Hilfe aus Zion erwartet, lässt erkennen, dass seine Hoffnung fest auf Gott gerichtet ist. Denn Zion war der heilige Ort, von dem aus Gott die Gebete seiner Diener erhören wollte. Dort stand die Bundeslade, und diese Bundeslade war ein Zeichen der Gegenwart Gottes. David ist also nicht in Ungewissheit, wer der Helfer sein werde, sondern fragt nur ängstlich, wann endlich das Heil erscheinen werde, das allein von Gott zu erwarten war. Nun fragt es sich, wie Zion das Heiligtum Gottes genannt werden kann, wenn dieser Psalm zur Zeit Sauls entstanden ist. Sollte jemand dieses so erklären, dass David im prophetischen Geiste etwas vorher verkündigt habe, was noch nicht in die Erscheinung getreten war, so ist dagegen nichts einzuwenden. Es ist mir aber wahrscheinlicher, dass dieser Psalm erst dann niedergeschrieben wurde, als die Bundeslade schon auf dem Berge Zion aufgestellt war. Wir wissen ja, dass David Lieder, die sich auf frühere Ereignisse bezogen, später in Muße niederschrieb, um durch diese Überlieferung der Nachwelt zu dienen. Wenn er wünscht, dass der Herr die Gefangenschaft seines Volkes wenden möge, so sehen wir daran, dass nicht so sehr sein eigenes als vielmehr das Wohl der ganzen Gemeinde ihm am Herzen lag. Dieses ist deshalb wohl zu beachten, weil ein jeder, wenn eigener Schmerz ihn drückt, meistens nicht an das Wohl der Brüder denkt. Und doch mahnt Gott jeden Einzelnen durch sein besonderes Leiden daran, für die ganze Gemeinde zu sorgen, wie David sich hier mit Israel zusammenfasst. Mit voller Zuversicht spricht er aus, dass die Erlösung kommen muss: denn Gott kann nicht zulassen, dass die Gläubigen sich in fortwährender Trauer verzehren. Wie er an einer anderen Stelle sagt (Ps. 126, 5): „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ Denn durch solche Aussage will David ohne Zweifel sich und alle Frommen wiederum stärken und sie ermahnen, auf die verheißene Erlösung zu hoffen. Zunächst sagt er also, dass, wenn Gott auch zögert und sich nicht so beeilt, wie wir es wünschen, er doch als der Retter erscheinen wird, um die Seinen aus der Gefangenschaft zu erlösen. Dann besänftigt er ihren Schmerz durch die Aussicht auf einen fröhlichen Ausgang, weil Gott unsere Traurigkeit endlich in Freude verkehren wird. Die „Gefangenschaft“, von der hier die Rede ist, ist nicht die babylonische oder die Zerstreuung unter die Heiden, sondern vielmehr der Druck, der auf der Gemeinde lastet, wenn die Bösen als Tyrannen in ihr herrschen. Wir lernen daher aus diesem Verse, dass wir, wenn solche wilde Tiere die Herde Gottes verwüsten, zerstören und stolz zertreten, zu Gott uns flüchten zu müssen, dessen eigentliches Amt es ist, sein Israel aus der Zerstreuung zu sammeln. Und das Wort „Gefangenschaft“ lehrt uns, dass wenn die Gottlosen nach ihrer Lust die rechte Ordnung umkehren, Babylon und Ägypten mitten in der Gemeinde sind. Obwohl David die Freude des heiligen Volkes auf die Zeit der Befreiung hinausschiebt, so muss dieser Trost doch nicht nur unsern Schmerz mildern, sondern ihn durch Freude würzen.

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