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Calvin, Jean - Psalm 129.

Calvin, Jean - Psalm 129.

Inhaltsangabe:

Zunächst gibt uns dieser Psalm die Lehre, dass Gott seiner Gemeinde wohl mancherlei Kreuz und Leiden auflegt, aber nur um sich desto besser als ihren Befreier und Rächer erweisen zu können. Deshalb ruft er dem Volke Gottes die schweren Trübsale ins Gedächtnis zurück, die es je und je durchgemacht hat, und die wunderbare Errettung, die es immer wieder erfahren durfte, damit es aus den früheren Erfahrungen Hoffnung schöpfe für die kommenden Zeiten. Die Verwünschung im zweiten Teile lehrt, dass für die Feinde des Volkes Gottes die Vergeltung bald kommen wird.

Ein Stufenlied.

1 Sie haben mich oft gedränget von meiner Jugend auf, so sage Israel. 2 sie haben mich oft gedränget von meiner Jugend auf; aber sie haben mich nicht übermocht. 3 Die Pflüger haben auf meinem Rücken geackert und ihre Furchen lang gezogen. 4 Der Herr, der gerecht ist, hat der Gottlosen Seile abgehauen.

V. 1. Sie haben mich oft gedränget. Es ist anzunehmen, dass die Abfassung dieses Psalms in eine Zeit fällt, wo die Gemeinde Gottes in äußerste Bedrängnis geraten war oder eine erschütternde Krisis durchlebte oder unter dem Druck einer Gewaltherrschaft stand, so dass nur noch ein Schritt war bis zu ihrer Vernichtung. Gerade dann, wenn die Anfechtung den Gläubigen so zusetzt, dass sie kaum Atem schöpfen können, ist die rechte Zeit, darüber nachzudenken, wie Gott von Anfang an und durch die Jahrhunderte hindurch sein Volk im Leiden geübt hat. Warum grämen wir uns und verzagen so leicht, wenn Gott einmal dem Mutwillen unserer Feinde den Zügel schießen lässt? Weil wir von der augenblicklichen Empfindung des Leidens uns hinnehmen lassen und uns nicht darauf besinnen, dass unsere Väter in gleicher Weise auf die Probe gestellt wurden, dass uns nicht widerfährt, was sie nicht schon durchgemacht haben. Kein besserer Trost für die Gläubigen, als wenn sie zurückblicken auf die früheren Kämpfe der Gemeinde und erkennen, dass sie allezeit eine Gemeinde unterm Kreuz gewesen, durch Ungerechtigkeit der Feinde hart mitgenommen worden ist. Hiernach scheint es mir am meisten einleuchtend, dass der Psalm nach der babylonischen Gefangenschaft entstanden ist, als das Volk von seinen Nachbarn viele schwere und bittere Kränkungen erleiden musste und schließlich unter der Gewaltherrschaft des Antiochus fast aufgerieben wurde. In den Stürmen dieser dunklen Zeit will der Prophet die Gläubigen zur Tapferkeit ermuntern, nicht den einen und andern bloß, sondern die ganze Gemeinde ohne Ausnahme. Um so empfindliche Kränkungen ertragen zu können, sollen sie ihnen als Hoffnungsschild die Tatsache entgegen halten, dass die Gemeinde Gottes immer noch durch Erdulden gesiegt habe.

Fast jedes Wort hat Gewicht. So sage Israel, d. h. erwäge bei sich selbst die vergangenen Proben und ziehe daraus den Schluss, dass das Volk Gottes nie ohne Kreuz gewesen ist, dass aber die mancherlei Trübsal immer ein gutes Ende genommen und zu seiner Bewährung gedient hat. Die Furchtbarkeit der Feinde wird durch die Unbestimmtheit des Ausdrucks mehr hervorgehoben, als wenn die Assyrer oder die Ägypter mit Namen genannt wären. Man liest zwischen den Zeilen, dass die Welt voller Feinde ist, die der Satan mit leichter Mühe in Harnisch bringt, um die Guten zu verderben, daher sich immer neue Kriege von allen Seiten erheben. Und die Geschichte beweist es zur Genüge, dass das Volk Gottes nicht mit einer Hand voll Feinden zu tun gehabt hat, sondern dass es fast die ganze Welt gegen sich hatte, und dass nicht bloß äußere, sondern auch innere Feinde ihm zu schaffen machten.

Mit der Jugend sind die ersten Anfänge des Volks gemeint, da Gott es aus Ägypten führte, ja noch vorher, da er Abraham und die Patriarchen in einem Leben voll Mühe und Kampf sich verzehren ließ. Waren sie schon in Kanaan unmenschlich hin und her gehetzt worden, so wurde für ihre Nachkommen Ägypten ein noch schlimmerer Aufenthalt, die Stätte drückender, ja schimpflicher Knechtschaft. Wie hart es beim Auszuge herging, ist bekannt. Von da an gab es je und dann etwas Erleichterung, aber doch keine anhaltende Ruhe bis zu Davids Regierung. Nun schienen einmal glückliche Zustände zu herrschen, aber schon bald hernach entstanden Unordnungen, und es kamen Niederlagen, die das Volk Gottes mit dem Untergang bedrohten. In der babylonischen Gefangenschaft fehlte nicht viel, dass es hoffnungslos wie in einem Grab vermodert wäre. Nach der Rückkehr wurde ihm kaum eine kurze Pause zum Atemschöpfen gegönnt. In der Tat, manchen tödlichen Schlag hat es empfangen. Also nicht an ein geringfügiges Ungemach dürfen wir denken, wenn es hier heißt, sie seien „gedränget“ gewesen. Der Prophet stellt gleichsam das Volk Gottes als halbtot vor uns hin, die Feinde haben es unter ihre Füße gebracht und treten ungescheut darauf herum. Kommen wir auf uns, so haben wir die entsetzlichen Verfolgungen anzureihen, die der Kirche tausendmal ein Ende gemacht haben würden, hätte Gott sie nicht auf verborgene Weise erhalten und gleichsam wieder erstehen lassen. Und wenn wir nicht ganz gefühllos werden in unseren Leiden, so drängt die Not des unglücklichen Zeitalters, in welchem wir leben, uns wieder zu denselben Erwägungen.

V. 2. Auch die Wiederholung ist nicht überflüssig: Sie haben mich gedränget, sie haben mich gedränget. Sie erinnert daran, dass das Volk Gottes nicht ein oder zweimal einen Kampf zu bestehen hatte, sondern unaufhörlich in Atem gehalten und in der Geduld geübt worden ist. In der Jugend, so hörten wir, hat es angefangen, d. h. von Beginn seines Daseins an ist es so geführt worden, dass es sich ans Kreuztragen hat gewöhnen können. Und die harte Erziehung – das liegt weiter in den Worten – ist nicht zwecklos gewesen, dass Gott sein Volk nämlich unablässig und in zunehmendem Maße mit Leidensschlägen bearbeitet hat. So ernst waren die ersten Proben im Kindesalter! Wir werden uns tief schämen müssen wegen unserer Weichlichkeit, wenn jetzt, nachdem die Gemeinde in Christus zum Mannesalter herangewachsen ist, unsere Kraft zum Tragen nicht reicht. Aber ein Trost liegt in dem letzten Wort: sie haben mich nicht übermocht. Die Feinde haben bei allem, was sie versuchten, nie ihren Willen bekommen, Gott hat ihre Hoffnung und ihre Bemühungen zunichte gemacht.

V. 3. Die Pflüger haben auf meinem Rücken geackert. Ein schickliches Gleichnis zur Veranschaulichung dessen, was von den schweren Nöten der Gemeinde gesagt war. Der Psalmist vergleicht das Volk Gottes mit einem Acker, durch welchen der Pflug geht. Er sagt, es seien Furchen gezogen worden, so dass kein Eckchen von dem Aufwühlen und Umgraben verschont blieb. Das ist ein überaus bezeichnendes Bild für die Tatsache, dass der Gemeinde das Kreuz allezeit auf den Rücken gebunden war, um ihn zu zerreißen in die Länge und Breite. Aber auch hier steht der Trost gleich daneben: Gott, der Gerechte, hat die Seile abgehauen. Der Ausdruck entspricht dem Bilde vom Pflug, der bekanntlich mit Stricken an den Hals der Rinder angebunden wurde. Die Gottlosen waren in ihrer unermüdlichen und unersättlichen Grausamkeit entschlossen, weiter zu machen; mit Mitteln und Werkzeugen waren sie ausgerüstet, da hat der Herr in einer Weise, wie man es nicht erwarten konnte, eingegriffen, um ihrem Wüten Einhalt zu tun, gerade wie wenn jemand die Stricke und Riemen am Pfluge zerrisse und so die Rinder losmachte. Wir sehen hier, wie es sich mit der Gemeinde Gottes verhält. Weil es Gottes Wille ist, dass wir sein Joch gelassen auf uns nehmen, deshalb vergleicht uns der heilige Geist mit einem Ackerland, das sich nicht wehren kann, wenn es ganz und gar von der Pflugschar zerrissen wird. Man könnte noch mehr darin finden: Das Pflügen geschehe, damit der Acker besät werden und schließlich Frucht tragen könne. Aber der Prophet redet meines Erachtens einfach von den Trübsalen der Gemeinde. – Dass Gott gerecht ist, will im vorliegenden Zusammenhang etwa besagen: wenn er sich auch eine Zeitlang anders stellen mag, so vergisst er doch niemals seiner Gerechtigkeit, dass er die Elenden nicht lösen sollte von ihrem Joch. Es ist derselbe Gedanke, den auch Paulus 2. Thess. 1, 6 f. ausspricht. Und das ist sehr der Beachtung wert, dass das Heil der Gemeinde aufs engste verknüpft ist mit der Gerechtigkeit Gottes. Ein praktischer Wink ist es auch, dass die Feinde deswegen nicht übermächtig geworden sind, weil Gott ihre Unternehmungen abgeschnitten hat; er hat sie nicht weiter gehen lassen, als er bei sich selbst beschlossen hatte.

5 Sie werden zu Schanden werden und zurückkehren, alle, die Zion gram sind. 6 Sie werden sein wie das Gras auf den Dächern, welches verdorret, ehe es aufschießt, 7 von welchem der Schnitter seine Hand nicht füllet, noch der Garbenwinder seinen Arm, 8 und die vorüber gehen nicht sprechen: Der Segen des Herrn sei über euch; wir segnen euch im Namen des Herrn!

V. 5. Sie werden zu Schanden werden usw. Der Prophet schaut in die Zukunft. Seine Worte können als Verwünschung gefasst werden: sie mögen zu Schanden werden; aber auch als Vorhersagung, so dass er von dem, was vergangen ist, schließt auf das, was bis zum Ende noch zu erwarten ist. In dem einen wie in dem anderen Falle zeigt er, dass die Gläubigen keinen Grund haben, den Mut zu verlieren, wenn sie sehen, dass ihre Feinde hochkommen. Das Kraut, das auf den Dächern wächst, ist wegen seiner hohen Lage doch nicht mehr wert als die Saat unten am Boden, auf die der Fuß tritt. Denn das Gras auf den Dächern steht wohl hoch über den Köpfen der Menschen; aber zum ersten ist es unnütz, sodann verdorret es, ehe es aufschießt. Einige übersetzen: „ehe man es ausrauft.“ Damit wäre gesagt, dass es ohne menschliche Hand oder Kunst vertrocknet. Nach meiner Auffassung und Übersetzung ist dies die Meinung: seine Lebenskraft ist so gering, dass es schon im Keime verwelkt und vergeht, weil keine Wurzel da ist und keine Erde, die ihm Feuchtigkeit und Nahrung gibt. So oft nun das glänzende Auftreten der Feinde und ihre hohe Stellung uns schrecken will, möge uns dieser Vergleich in den Sinn kommen, dass das auf den Dächern wachsende Gras zwar hoch ragt, aber keine Wurzel hat und darum keinen Bestand, und dass ebenso diese Leute, je näher sie in ihrem Hochmut der Sonne kommen, umso schneller von der Hitze verzehrt werden, weil die Wurzel fehlt. Nur die Demut trinkt Leben und Kraft von Gott und haucht sie uns ein.

V. 7. Von welchem der Schnitter seine Hand nicht füllet. Noch einmal wird es bestätigt: wie hoch auch die Gottlosen steigen oder sich erheben, sie bringen's nicht weiter als bis zum Halm, niemals bis zur Frucht oder zur Reife, ihr Strotzen ist nur Hohlheit und Schein. Um das ganz deutlich zu machen, stellt der Dichter sie den fruchtbaren Halmen gegenüber, die in den Tälern und Niederungen dem Menschen Nahrung liefern. Zuletzt verdienen sie nur Abscheu und Verachtung, während die Saatfelder von den Leuten gesegnet werden (V. 8). Es ist ein Brauch des Landlebens, den der Prophet hier verwertet; und wir werden dadurch gemahnt, wo wir sehen, dass etwas wachsen will, Gott um seinen Segen zu bitten zum vollen Gedeihen, denn er hat die Fruchtbarkeit der Erde in der Hand. Und es wäre gewiss zu verwundern angesichts der vielen Gefahren, denen die Früchte der Erde ausgesetzt sind, wenn nicht schon die Not uns zum Beten triebe, zumal Gottes Kinder, die es doch aus seinem Worte richtig gelernt haben, dass die Fruchtbarkeit der Erde eine Gottesgabe ist. Und hier ist nicht einmal bloß von den Kindern Gottes die Rede, sondern auch von den unbekehrten Menschen, denen dieses Wissen angeboren ist. Noch eins: wenn wir nicht bloß in der Gemeinde des Herrn unseren äußerlichen Aufenthalt haben, sondern darauf bedacht sein sollen, unter ihre rechten Glieder gezählt zu werden, so dürfen wir kühnlich die ganze Macht unserer Feinde verachten; denn ob sie gleich eine Zeitlang blühen und im Ansehen stehen, sind sie doch unfruchtbare und verfluchte Halme.

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