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Calvin, Jean - Psalm 128.

Calvin, Jean - Psalm 128.

Inhaltsangabe:

Dieser Psalm berührt sich mit dem vorhergehenden und ist eine Art Anhang dazu. Er sagt uns, dass der über dem ganzen Menschengeschlechte waltende Segen Gottes, von welchem Salomo sprach, an denen, die ihm in Wahrheit und Aufrichtigkeit dienen, besonders deutlich zu sehen sei.

Ein Stufenlied.

1 Wohl dem, der den Herrn fürchtet und auf seinen Wegen gehet! 2 Du wirst dich nähren deiner Hände Arbeit; wohl dir, du hast` s gut. 3 Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock drinnen in deinem Hause, deine Kinder wie die Ölzweige um deinen Tisch her.

V.1. Wohl dem usw. In allen unseren Geschäften und in unserem ganzen Lebenslauf hängt der Erfolg einzig und allein von der Gnade Gottes ab; so hörten wir im letzten Psalm. Daran schließt sich jetzt die Erinnerung des Propheten: wer gern an dem Segen Gottes teilhaben möchte, soll sich ihm aufrichtig und ganz hingeben, denn die ihm dienen, werden nie in ihrer Hoffnung getäuscht werden. Der erste Vers enthält das Thema des Psalms, die übrigen dienen nur der Auslegung.

Es geht wider die Vernunft, und von Hunderten wird kaum einer es unterschreiben, dass der Mann glücklich sein solle, der den Herrn fürchtet,- zumal in diesem Leben. Allenthalben treiben sich Epikuräer in großer Zahl umher, Gesinnungsgenossen jenes Dionysius1), der bei einer günstigen Schifffahrt prahlte, die Götter seien den Heiligtumsschändern gewogen. Auch gibt es Schwache, denen das Glück der Bösen zu ernstlicher Beunruhigung gereicht. Dann ermatten sie unter ihren Mühseligkeiten, und wenn es auch den Verächtern nicht gut geht und die Lage der Guten erträglich ist, so haben doch die meisten für das Walten der göttlichen Vorsehung kein Auge oder wollen es nicht haben. Wenigstens war es vor Zeiten so ziemlich die herrschende Anschauung: Das Beste sei, nicht geboren werden, das Zweitbeste, bald sterben. Endlich meint der fleischliche Sinn, entweder, es sei um die ganze Menschheit samt und sonders ein jämmerlich Ding, oder doch das Glück sei den Gottlosen und Frevlern mehr hold als den Guten. Hiermit ist nun, wie ich eingehend bei Psalm 37 erörtert habe, unvereinbar der Satz, dass diejenigen glücklich sind, die den Herrn fürchten. Umso mehr ist es angebracht, dem weiter nachzudenken. Übrigens handelt es sich hier um ein Glück, das nicht offen vor Augen liegt. Um es zu fassen, müssen wir uns deshalb zuerst an die gleich folgende Erklärung halten und müssen ferner wissen, dass es vor allem auf dem göttlichen Schutz beruht. Denn wenn Gott auch alles auf einen Haufen legte, was wohl zum Glück gehören mag: Wünschenswerteres wird es doch nicht geben, als sich bergen zu dürfen unter seinem Schutz. Wenn dem so ist, so wird jeder, der gewisslich glaubt, dass Gott sich um die Welt und um die Angelegenheiten der Menschen kümmert, ohne Zweifel auch davon überzeugt sein, dass es ein höheres, irdisches Glück, als das hier beschriebene, nicht gibt.

Aber bevor ich weitergehe, wollen wir auf das im zweiten Teil des Verses beigefügte Merkmal, welches die Gottesfürchtigen von den Verächtern unterscheidet, achten. Wir sehen, wie selbst ganz sittenlose Leute mit ebensoviel Hochmut als Schamlosigkeit und Hohn sich ihrer Gottesfurcht rühmen. Darum verlangt der Prophet den Beweis im praktischen Leben: glücklich ist nur, wer seine Gottesfurcht damit beweist, dass er auf seinen Wegen gehet. Eins lässt sich eben nicht vom anderen trennen; aus der Wurzel muss die Frucht hervor wachsen. Und auch das folgt aus unserer Stelle, dass unser Wandel nur dann vor Gott taugt, wenn wir ihn nach seinem Gesetz einrichten. Es gibt keine Religion ohne Gottesfurcht, das ist sicher. Wo aber Furcht Gottes ist, da ist auch, wie gesagt, ein Wandel nach seinen Geboten.

V. 2. Du wirst dich nähren deiner Hände Arbeit usw. Man kann auch den ganzen Vers als einen zusammenhängenden Satz fassen: indem du dich nährst von deiner Hände Arbeit, wirst du glücklich sein und es gut haben. Keinesfalls gehört der Satz: wohl dir, du hast's gut – etwa als Einleitung zum folgenden. Diese Gnade Gottes, dass die Gläubigen die Frucht ihrer Arbeit genießen sollen, steht im Gegensatz zu dem Fluch, der dem ganzen menschlichen Geschlecht auferlegt ist. Aber der Prophet gibt uns zugleich einen Wink, dass das Glück anders zu schätzen ist, als die Welt es gewöhnlich tut. Sie sucht es im Nichtstun, im Vergnügen, in Ehre und Reichtum; hier aber werden die, die Gott dienen, in eine bescheidene Lebensweise hinein gewiesen, die eigentlich niemand will. Wer wird denn, wenn er die Wahl hat, von seiner Arbeit leben wollen? Des Menschen Begierde ist ein unersättlicher Schlund; und so geht er, sobald er das Wort Glück hört, mit seinen Vorstellungen gleich ins Maßlose. Darum heißt uns der Prophet zufrieden sein, wenn wir nur unter unserem göttlichen Ernährer und Erzieher unseren Verhältnissen entsprechend von unserer Hände Arbeit leben dürfen; wie es im 34. Psalm (V. 11) hieß: „Junge Löwen müssen darben und hungern, aber die den Herrn suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut.“ Nicht von dem höchsten Glück redet der Prophet, denn das besteht nicht in Essen und Trinken, ist auch nicht an die engen Schranken dieses kurzen Lebens gebunden, wohl aber verheißt er den Gläubigen auch während ihrer Pilgerschaft oder in dieser irdischen Herberge, soweit das hier möglich ist, ein glückliches Leben; gleichwie Paulus (1. Tim. 4, 8) sagt, der Gottseligkeit sei beides verheißen, nämlich dass Gott unser Leben lang für uns sorge, bis er uns endlich zur ewigen Herrlichkeit führt. Die Worte gewinnen Nachdruck durch den Übergang von der dritten zur zweiten Person. Jeden einzelnen redet der Prophet an in dem Sinn: nicht bloß wartet deiner ein unvergängliches Glück im Himmel, sondern, solange du hienieden wallst, will Gott nicht aufhören, als Hausvater dich zu versorgen nach seiner Pflicht, so dass dir das tägliche Brot von seiner Hand zukommt, wenn du nur mit einem bescheidenen Lose zufrieden bist.

V. 3. Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock. Hier wird noch einmal der Segen Gottes nach derselben Richtung beschrieben, wie von Salomo im vorhergehenden Psalm, dass Gott nämlich seinen Verehrern Fruchtbarkeit oder zahlreiche Nachkommenschaft geben will. Die meisten wünschen sich Kinder – und es ist ein natürlicher Wunsch – aber viele werden ihrer hernach überdrüssig. Den Armen ist es oft lieber, wenn sie keine Kinder haben, als wenn sie ein Häuflein ohne Mittel zurücklassen sollen. Aber wenn auch die verkehrte Welt oft selbst nicht weiß, was sie wünschen soll, Gott stellt diesen seinen Segen über alle Reichtümer, und darum soll er auch von uns wert gehalten werden. Wenn also jemand eine Lebensgefährtin hat, die zu ihm passt, so achte er diesen Segen nicht geringer als Salomo, welcher (Spr. 19, 14) versichert: Ein gutes Eheweib kommt vom Herrn. Wer noch dazu Vater einer großen Kinderschar ist, der nehme solche edle Wohltat dankbar hin. – Hält man mir entgegen, das seien fleischliche Dinge, damit halte der Prophet die Gläubigen an der Erde fest und hemme den Flug des Geistes zum Himmel hin, so erwidere ich: auf dem Boden des alten Bundes ist es nicht verwunderlich, dass Gott die Juden, die wie Kinder waren, auch in dieser Weise etwas von seiner Liebe und Vaterhuld schmecken ließ. Immerhin geschah dies derart, dass ihre Gedanken auf ein himmlisches Leben gelenkt wurden. Noch jetzt ist es der Fall, wenn auch in geringerem Maße, dass Gott uns durch zeitliche Wohltaten seine Gunst bezeugt, wie wir vorhin von Paulus hörten, die Gottseligkeit habe die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens. Das bedeutet nicht einen Hemmschuh für den zum Himmel strebenden Geist, sondern eine Leiter, an der er empor steigt. Mit Recht erinnert also der Prophet die Gläubigen, es sei schon eine Frucht ihres rechtschaffenen Wandels, wenn Gott ihnen das tägliche Brot beschert, in der Ehe und Familie sie segnet und huldvoll für ihr äußeres Leben Sorge trägt. Aber diese gegenwärtige Gnade soll für sie nur ein Grund sein, desto freudiger ihrem himmlischen Erbe zuzueilen. Und wenn den Frommen nicht immer dieses Glück zuteil wird, sondern ein frommer Mann mitunter eine widrige, unsympathische, stolze oder lasterhafte Gattin und leichtsinnige, zuchtlose Kinder hat, die vielleicht gar Schande über das Elternhaus bringen, so möge er es nur erkennen, dass der Segen Gottes deshalb ausgeblieben ist, weil er ihn durch eigene Schuld abgewehrt hat. Gewiss, wenn jeder seine eigenen Fehler bedenkt, wird er gestehen müssen, dass ihm die irdischen Segnungen Gottes mir Recht entzogen werden.

4 Siehe, also wird gesegnet werden der Mann, der den Herrn fürchtet. 5 Der Herr wird dich segnen aus Zion, dass du sehest das Glück Jerusalems dein Leben lang, 6 und sehest deiner Kinder Kinder. Friede über Israel!

V. 4. Siehe, also wird gesegnet werden usw. Eine Bestätigung des Gedankens, dass auch in den äußeren Umständen des flüchtigen Erdenlebens die Gnade Gottes durchschimmert zum Beweis, dass es nicht verlorene Mühe ist, ihm zu dienen. Weil aber doch der Lohn der Frömmigkeit nicht so offen am Tage liegt, so steht hier noch das hinweisende „Siehe“! Nur müssen wir immer an das schon Bemerkte denken, dass die Verheißung irdischen Segens nicht unsere Gedanken ganz in Beschlag nehmen und die Hoffnung des zukünftigen Lebens um keinen Preis ersticken darf. Aus diesem Grunde werden uns die göttlichen Wohltaten nicht immer in gleichem Maße zuteil.

V. 5. Der Herr wird dich segnen. Einige fassen diesen Satz als Gebet oder als Wunsch: Der Herr segne dich! Mir scheint es vielmehr, dass der Gedanke des vierten Verses hier weitergeführt wird, indem der Prophet noch deutlicher ausspricht, dass Gott es ist, von dem die genannten Segnungen herkommen. Oft genug sind falsche Vorstellungen bei uns im Wege, dass wir die Gaben Gottes nicht recht sehen, wenn sie uns auch vor Augen liegen. Darum war es nicht überflüssig, dieses noch einmal zu sagen, dass die Gläubigen alles Gute, das ihnen zuteil wird, als einen Gottessegen aufzunehmen haben. Dass der Segen aus Zion kommt, erinnert die gläubigen Israeliten an den Bund, den Gott mit ihnen geschlossen hatte. Da hatte er ja seine Güte zugesagt denen, die seine Gebote halten, und das gehört zu dem ABC der Frömmigkeit, das sie von frühester Kindheit an in sich aufgenommen hatten. Also nicht etwas Neues, was sie vorher nie gehört hätten, hat der Prophet ihnen zu melden. Denn es war ihnen längst aus dem Gesetz bekannt, dass es nicht umsonst ist, Gott zu dienen, und dass das auch an zeitlichen Segnungen offenbar wird; und dieses, behauptet er, sollen sie wirklich erfahren. Wenn dann noch vom Glück Jerusalems die Rede ist, so werden die Gläubigen dadurch angewiesen, nicht bloß an sich zu denken und an das, was ihnen selber frommt; ihr Hauptwunsch und Gebet soll vielmehr sein, dass sie die Gemeinde Gottes in blühendem Zustande sehen möchten. Es wäre doch sehr ungereimt, wenn die einzelnen Glieder wünschten, was ihnen gut ist, und sich dabei um den ganzen Leib nicht kümmern wollten. Leider neigen wir nur zu sehr dazu. Deshalb legt uns der Prophet mit gutem Bedacht die Sorge für das Wohl des Ganzen ans Herz und mengt die Segnungen fürs Haus und für die Gemeinde so ineinander, dass wir wissen sollen, sie gehören zusammen und dürfen nicht voneinander getrennt werden.

1)
Siehe Anmerkung zu Ps. 73, 3.
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