Calvin, Jean - Der Brief an die Philipper - Kapitel 1.

Calvin, Jean - Der Brief an die Philipper - Kapitel 1.

V. 1. Paulus u.Anderwärts pflegt Paulus seine Titel an die Spitze eines Briefes zu setzen, um dadurch seiner Person und seinem Amte Gewicht zu verschaffen. Bei den Philippern bedurfte es solcher Empfehlungen nicht, denn sie hatten ihn als einen wahren Apostel Christi kennengelernt und dachten nicht daran, ihm diese Würde streitig zu machen. Sie waren ihrer göttlichen Berufung immer unveränderlich treu geblieben.

Den Bischöfen. Die Vorsteher der Gemeinde werden durch diese besondere Anrede geehrt. Man sieht daraus, dass alle Diener am Worte „Bischöfe“ hießen; denn hier besitzt eine und dieselbe Gemeinde deren mehrere. Die Wörter Vorsteher und Bischof haben also dieselbe Bedeutung. Später verblieb der Bischofstitel allein demjenigen, welchem die Ältesten einer Gemeinde den Vorsitz in ihren Versammlungen übertragen hatten. Nun braucht man ja über die Worte nicht zu streiten. Aber in jedem Falle ist es besser, bei der Sprechweise des heiligen Geistes zu bleiben. Denn weil man von dieser ursprünglichen Sprechweise abgewichen ist, ist es dahin gekommen, dass einer, indem er sich den Titel Bischof allein anmaßte, sich zum Herrscher über die anderen Ältesten aufwarf, als wenn sie nicht alle Kollegen und zu einem und demselben Geschäft berufen wären.

Den Dienern (Diakonen), d. h. den Armenpflegern, welche die Einsammlung und Verteilung der Almosen überwachten.

V. 3. Ich danke. Ein doppelter Grund lässt den Apostel mit Danksagung beginnen. Einmal will er damit den Philippern seine Liebe bezeugen; weiter aber soll das Lob ihres früheren Lebens sie im Fortschritt auf gleicher Bahn erhalten. Als ein anderes Zeugnis seiner Liebe kann er seinen Eifer in der Fürbitte erwähnen. Bemerkenswert ist dabei, dass jede Erinnerung an erfreuliche Ereignisse und Tatsachen den Apostel in Dank gegen Gott ausbrechen lässt. Das muss auch uns zur Gewohnheit werden. Ebenso bemerkenswert erscheint, wofür er Gott dankt: für die Gemeinschaft der Philipper am Evangelium Christi. Daraus folgt nämlich, dass diese ein Werk der göttlichen Gnade ist.

V. 4. In allen meinen Gebeten. Soeben hatte Paulus gesagt, dass er sich immer freue, so oft er ihrer gedenke, jetzt fügt er hinzu, dass er an sie denke, so oft er bete. Er sagt auch, dass er dieses mit Freuden tue. Die Freude bezieht sich auf die Vergangenheit, die Fürbitte auf die Zukunft. Er freut sich über die glücklichen Anfänge, aber er wünscht die Vollendung. Wir müssen uns immer so über die von Gott empfangenen Wohltaten freuen, dass wir zugleich daran denken, das, was uns noch fehlt, von ihm zu erbitten.

V. 5. Über eurer Gemeinschaft. Der Apostel redet jetzt nicht mehr von der Fürbitte, sondern verweilt weiter bei dem Gegenstande seiner Freude. Er freut sich nämlich darüber, dass sie in die Gemeinschaft des Evangeliums gelangt sind, das heißt, dass sie am Evangelium Anteil erhalten haben. Dieses ist geschehen durch den Glauben. Denn das Evangelium gehört uns so lange nicht zu eigen, bis wir es wirklich im Glauben ergriffen haben.

Wenn er nun weiter sagt: vom ersten Tage an, so lobt er damit ihre Bereitwilligkeit, dass sie sich alsbald lernbegierig zeigten, als das Evangelium ihnen verkündigt wurde.

Das Wörtchen bis her bezeichnet das Ausharren. Wir wissen ja, wie selten die Tugend ist, Gott gleich zu folgen, wenn er ruft, und standhaft bis ans Ende fortzufahren; denn viele sind träge zum Gehorchen, und noch mehrere gehen wieder rückwärts durch Leichtsinn und Unbeständigkeit.

V. 6. Und bin desselbigen in guter Zuversicht. Zur gegenwärtigen Freude gesellt sich die Zuversicht für die Zukunft. Nun könnte aber jemand einwenden: Wie können die Menschen bei der so großen Schwäche ihrer Natur, unter den vielen Hindernissen, Schwierigkeiten und Gefahren sich von dem morgigen Tag etwas versprechen? Sicherlich gründete Paulus auch seine Zuversicht nicht auf die menschliche Standhaftigkeit und Kraft, sondern allein darauf, dass Gott seine Liebe zu den Philippern kundgetan hatte. Überhaupt ist das die rechte Betrachtung der göttlichen Wohltaten, dass wir ihnen Stoff zukünftiger Hoffnung entnehmen. Denn da sie Zeugnisse, sowohl der Güte als auch des väterlichen Wohlwollens Gottes gegen uns sind, so wäre es ja höchst undankbar, Hoffnung und Mut nicht dadurch stärken zu lassen. Auch gleicht Gottes Wohltun nicht dem Wohltun der Menschen; er wird nie müde zu segnen, er gibt sich niemals aus. Deshalb sollen die Gläubigen sich stets diese Schlusskette vorhalten: Gott wird das Werk seiner Hände nicht liegen lassen. Wir aber sind (Jes. 64, 7) „seiner Hände Werk“. Also wird er vollführen, was er in uns angefangen hat. Wenn ich sage: „wir sind das Werk seiner Hände“, so denke ich dabei nicht bloß an die Schöpfung, sondern auch an unsere Berufung zur Gotteskindschaft. Denn dass Gott uns kräftig durch seinen Geist zu sich rief, ist ein Zeichen unserer Erwählung. Nun entsteht aber die Frage, ob jemand über anderer Leute Heil eine Gewissheit haben könne? Denn Paulus redet hier nicht von sich, sondern von den Philippern. Ich antworte: über mein eigenes Heil habe ich eine ganz andere Gewissheit, wie über fremdes. Denn mir, wie jedem Erwählten, wird Gottes Geist zum Zeugen der Berufung. Bei anderen können wir nur aus äußeren Zeichen auf den Geist zurückschließen. So waltet ein erheblicher Unterschied ob: denn die Gewissheit des Glaubens bleibt im Herzen verschlossen, und erstreckt sich nicht auf andere. Indessen sollen wir gute Hoffnung für Jeden hegen, bei dem wir irgendetwas sehen, was irgend als Zeichen göttlicher Erwählung gelten kann: sonst sind wir ungerecht gegen unseren Nächsten, beurteilen ihn verkehrt und lieblos, und auch undankbar gegen Gott. Aber sowohl in Bezug auf uns selbst als auf andere gilt die allgemeine Regel, dass wir nicht das Vertrauen auf unsere Kräfte, sondern ganz allein auf Gott setzen.

Bis an den Tag Jesu Christi. Zunächst schwebt hierbei das Ende des Kampfes vor. Und dieser Kampf endigt mit dem Tode. Weil aber der heilige Geist diesen Ausdruck sonst in der Schrift gewöhnlich von der letzten Wiederkunft Christi gebraucht, so muss man auch an den weiteren Fortschritt der göttlichen Gnade bis zur Auferstehung des Fleisches denken. Denn obwohl diejenigen, die von ihrem sterblichen Leibe befreit sind, nicht mehr mit den Begierden des Fleisches zu kämpfen haben, sondern gleichsam außerhalb des Kampfplatzes stehen, so darf doch von ihnen gesagt werden, dass sie fortschreiten, weil sie noch nicht zu dem gelangt sind, was sie erstreben, noch das Glück und die Herrlichkeit nicht besitzen, auf die sie hoffen, und weil der Tag für sie noch nicht angebrochen ist, der die verborgenen Schätze der Hoffnung offenbaren wird. Darum müssen wir immer, wenn von der Hoffnung die Rede ist, auf die selige Auferstehung als auf das letzte Ziel sehen.

V. 7. Wie es denn mir billig ist. Denn wir würden die Gaben Gottes unbillig herabsetzen, wenn wir diejenigen nicht als Gottes Kinder anerkennen wollten, aus denen die wahren Zeichen der Frömmigkeit, die Merkmale des Kindschaftsgeistes, hervorleuchten. Paulus sagt daher, dass die Billigkeit es ihm gebiete, von den Philippern immer das Beste zu hoffen, da er ja sehe, dass sie mit ihm derselben Gnade teilhaftig geworden. Er bezeichnet die Philipper als Genossen derselben Gnade in den Banden und bei der Verteidigung des Evangeliums.

Im Herzen haben heißt: von ganzem Herzen, mit aufrichtiger, ungeheuchelter, gewisser und unzweifelhafter Meinung sie als solche betrachten. Denn die Philipper hatten dem Paulus immer nach ihrem Vermögen Beistand geleistet. Dadurch waren sie seine Mitarbeiter geworden bei der Ausbreitung des Evangeliums. Wegen der frommen Gesinnung, die sie durch alle möglichen Hilfsleistungen bezeugt hatten, wusste Paulus sich mit ihnen verbunden, wenn sie auch äußerlich von ihm getrennt waren. Wie hatte er sie aber im Herzen?

Als Genossen der Gnade. Bei welcher Gelegenheit? In den Banden, durch die das Evangelium verteidigt wurde. Da er sie als solche erkannt hatte, so ist es billig von ihm, wenn er von ihnen das Beste hofft.

Teilhaftig derselben Gnade, wie ich sie in meinen Banden erfahre. Der Welt erscheint es lächerlich, den Kerker unter die Wohltaten Gottes zu zählen. Und doch, recht angesehen erweist uns Gott eine große Ehre, wenn er uns Verfolgungen für seine Wahrheit erleiden lässt; denn nicht umsonst steht geschrieben (Mt. 5, 11): „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und reden allerlei Übles wider euch, so sie daran lügen“. Wir dürfen also die Gemeinschaft des Kreuzes Christi mit willigem und dankbarem Gemüte auf uns nehmen.

Zu den Banden fügt der Apostel die Verteidigung und Kräftigung des Evangeliums. Dadurch wird noch deutlicher, welch einen ehrenvollen Dienst Gott uns aufträgt, wenn er uns seinen Feinden gegenüberstellt, damit wir von seinem Evangelium Zeugnis ablegen. So überträgt er uns gewissermaßen den Schutz des Evangeliums. Mit diesem Gedanken im Herzen vermochten die Märtyrer alle Wut der Gottlosen und alle Qualen zu überwinden. Wenn doch allen denen, die zum Bekenntnis ihres Glaubens berufen werden, dieses zum Bewusstsein käme, dass sie Christi auserwählte Rüstzeuge sind, um seine Sache zu führen! Solcher Trost würde ihnen hinreichenden Mut verleihen und sie vor treulosem Abfall schützen. Freilich könnte man fragen, ob der Fortschritt des Evangeliums an der Tapferkeit der Menschen hänge? Ich antworte: Gottes Wahrheit ist fest durch sich selbst und bedarf keiner fremden Stützen. Denn wenn auch alle Menschen Lügner wären, so bleibt Gott doch wahrhaftig. Aber Wahrheit ist es, dass schwache Gemüter durch solche menschlichen Mittelursachen gestärkt werden. Die Bekräftigung des Evangeliums, von welcher Paulus redet, findet in der Seele der Menschen statt. Denn erfahrungsgemäß haben die Hinrichtungen der Märtyrer als ebenso viele Siegel für die Wahrheit des Evangeliums gewirkt. Ein altes Wort sagt: das Blut der Blutzeugen ist der Same der Kirche. An diesen Spruch schließen sich meine Verse an:*)

Zur Erde rinnt der Heilgen Blut,
Vergossen durch der Feinde Wut.
Aus diesem Blut, dem Samen gleich,
Wächst immer neu des Herren Reich.1)

V. 8. Denn Gott ist mein Zeuge. Jetzt erklärt der Apostel seine Liebe zu den Philippern noch ausdrücklicher, und zwar ganz passend mit einem Eide. Denn wir wissen ja, wie sehr Gott die Erbauung seiner Kirche am Herzen liegt. Dafür aber war es erforderlich, dass die Philipper fest von der Liebe des Paulus überzeugt wurden; denn wenn das Volk weiß, dass es von seinem Lehrer geliebt wird, so trägt dieses sehr viel zur gläubigen Annahme der Lehre bei. Der Apostel ruft dabei Gott als Zeugen seiner Gesinnung an: denn Gott allein ist die Wahrheit, und er allein prüft die Herzen. Von seinem Verlangen nach den Philippern redet nun Paulus als einem Zeichen der Liebe. Denn wir verlangen nach dem, was uns lieb ist.

Von Herzensgrund, in Jesu Christo, oder genau übersetzt: „mit dem Herzen Christi“. Das Herz Christi stellt der Apostel der fleischlichen Neigung gegenüber, um damit zu bezeugen, dass seine Liebe heilig und fromm sei. Wer nach dem Fleische liebt, sieht auf seinen Vorteil und kann nach Zeit und Umständen seine Gesinnung ändern. Zugleich kann man hier lernen, nach welcher Regel sich die Neigungen der Gläubigen richten müssen, nämlich nach der Regel, dass sie mit Verleugnung ihres eigenen Willens sich Christi Leitung übergeben. Und sicherlich, die wahre Liebe kann aus keiner anderen Quelle fließen als aus dem Herzen Christi! Das muss für uns ein Stachel und Antrieb zum Lieben sein, dass Christus gleichsam sein Herz öffnet, um unsere gegenseitige Liebe zu nähren.

V. 9. Und darum bete ich, dass eure Liebe usw. Paulus kehrt jetzt zur Fürbitte zurück, deren er früher nur mit einem Worte gedacht hat. Er breitet den Inhalt seiner Fürbitte vor den Lesern aus, damit auch sie nach seinem Vorbilde beten lernen und sich zum Erwerbe eben derselben Güter ausstrecken möchten. Denn wahres Wachstum der Christen besteht darin, dass sie zunehmen an Erkenntnis und Erfahrung, und somit auch an der Liebe. Denn mit dem Fortschritt der Erkenntnis muss auch die Liebe in uns erwachsen. Der Sinn ist kurz dieser: damit eure Liebe wachse nach dem Maß der Erkenntnis.

Allerlei, besser alle Erfahrung bezeichnet eine reife und sichere Erfahrung, nicht eine Kenntnis von allerlei Dingen.

V. 10. Dass ihr prüfen möget. Wir haben hier eine kurze Beschreibung der christlichen Weisheit. Diese besteht nämlich darin, dass man weiß, was da sachgemäß ist und uns frommt, aber nicht darin, dass man den Geist mit eitlen Spitzfindigkeiten und Grübeleien quält. Denn der Herr will nicht, dass die Gläubigen ihre Zeit verschwenden, um unnütze Dinge zu lernen.

Damit ihr lauter seid. Hier hören wir, wozu die Erkenntnis nütze ist: dass wir mit reinem Gewissen vor Gott leben.

Und ohne Anstoß. Diese Worte können auf zweierlei Weise erklärt werden. Nach einer verbreiteten Auslegung wünscht Paulus den Philippern, dass sie nicht nur vor Gott rein und unbefleckt seien, sondern auch vor den Menschen „unanstößig“ und ehrenhaft, sodass sie nicht durch ein schlechtes Beispiel ihrem Nächsten Anstoß geben. Ich verwerfe diese Erklärung nicht, halte aber eine andere für besser: Paulus wünscht, dass seine Leser in ihrem Christenstande bis an den Tag Christi fortschreiten mögen, ohne sich an einem Hindernis zu stoßen. Denn in Folge der Unwissenheit gleiten wir oft aus, stoßen an und irren. Und wir wissen ja alle aus Erfahrung, wie viele Hindernisse der Teufel uns immer wieder auf ´s neue in den Weg stellt, um unsern Lauf zu hemmen oder ganz zu hindern.

V. 11. Erfüllt mit Früchten der Gerechtigkeit. Dieses bezieht sich auf das äußere Leben. Denn auf dem Grunde eines guten Gewissens wachsen gute Werke. Deshalb sollen die Philipper zur Ehre Gottes sich an guten Werken fruchtbar beweisen. Paulus sagt, dass solche Früchte durch Christum geschehen, weil sie aus Christi Gnade fließen. Denn die Heiligung durch Christi Geist ist der Anfang eines neuen Lebens. Christus hat den Geist empfangen, damit wir alle aus seiner Fülle schöpfen. Das Gleichnis vom Baum und seinen Früchten legt auch den Gedanken nahe: wir sind alle wilde und unnütze Ölbäume, bis wir Christo eingepflanzt werden, der als die lebendige Wurzel uns zu fruchtbaren Bäumen umgestaltet; wie er selbst sagt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Zugleich erinnert der Apostel an den Zweck des neuen Lebens: wir sollen der Ehre Gottes dienen. Auch der beste Lebenswandel vor den Augen der Menschen ist vor Gott wertlos und verwerflich, wenn er nicht Gottes Ehre zum Ziele nimmt. Dass aber Paulus hier auf Gerechtigkeit des Lebens drängt, widerstreitet nicht der Gerechtigkeit aus Gnaden durch den Glauben. Denn er zieht ja nicht den weiteren Schluss: wo Früchte der Gerechtigkeit sind, da ist auch Gerechtigkeit vor Gott. Als Gerechtigkeit vor Gott gilt nur die volle Erfüllung des Gesetzes, die kein Heiliger leistet, auch wenn er nach seinem Vermögen gute und liebliche Früchte der Gerechtigkeit hervorbringt. Gott allein legt den Grund der Gerechtigkeit in der Erneuerung durch seinen Geist; er allein deckt durch die Vergebung der Sünden, was unserer Vollkommenheit fehlt: so hängt trotz allem die Gerechtigkeit allein am Glauben.

V. 12. Ich lasse euch aber wissen. Wir erfahren alle an uns selbst, wie sehr das Fleisch durch die Niedrigkeit des Kreuzes beleidigt wird. Wir dulden es ja wohl, dass man uns Christum, den Gekreuzigten predigt: aber wenn er selbst mit seinem Kreuze zu uns kommt, dann fliehen wir zurück und erschrecken, als wenn dies etwas Neues und Unerhörtes wäre. Und diese Erfahrung machen wir nicht nur, wenn es uns selbst trifft, sondern auch dann, wenn es die Männer trifft, die uns das Evangelium verkündigen. So hätte es auch leicht geschehen können, dass die Philipper durch die Verfolgung ihres Apostels ganz kleinmütig geworden wären. Denn es ist leicht anzunehmen, dass die bösen Arbeiter, die auch auf die geringste Gelegenheit lauerten, um dem Apostel zu schaden, es nicht unterließen, über seine Not zu spotten, um dadurch sein Evangelium verächtlich zu machen. Oder wenn sie hierdurch vielleicht auch nichts erreichten, so lag es für sie doch nahe, ihn zu beschimpfen, dass er der ganzen Welt verhasst wäre. So hätten sie den Philippern vielleicht Furcht eingeflößt, sich durch die unglückliche Gemeinschaft mit diesem Menschen einen allgemeinen, sonst durch nichts begründeten Hass zuzuziehen. Denn das sind ja die Waffen, die Satan gewöhnlich gebraucht. Dieser Gefahr tritt der Apostel entgegen, indem er erklärt, dass durch seine Bande das Evangelium gefördert worden sei. Der Zweck dieser Mitteilung ist, die Philipper zu ermutigen, damit sie sich nicht abschrecken ließen durch seine Verfolgung.

V. 13. Also dass meine Bande berühmt worden sind in Christo d. h. als in Christi Werk oder Sache getragen. Paulus will sagen, dass seine Banden berühmt wurden, um Christi Ehre zu vermehren. Ich übersetzte lieber „berühmt“ als „bekannt“ oder „offenbar“. Denn eben der Ruhm dieses Gefängnisses hatte dem Evangelium Ehre gebracht. Der Apostel gibt zu verstehen: Satan hat zwar versucht das Evangelium zu unterdrücken, und die Gottlosen meinten, dass sein Werk ihm gelingen würde; aber Gott hat seinen Versuch vereitelt und die Gottlosen in ihrer Hoffnung getäuscht. Und dieses in doppelter Weise. Während das Evangelium früher den meisten unbekannt war, so wurde es jetzt bekannt, und das nicht allein, es wurde auch berühmt sowohl in dem Richthause als in der ganzen Stadt. Prätorium oder „Richthaus“ ist der Name für den Hof und den Palast des Kaisers Nero in Rom, wo Paulus gefangen gehalten wurde.

V. 14. Und viel Brüder usw. Dieses Beispiel lehrt uns, dass die Leiden der Heiligen, die sie um des Evangeliums willen erdulden, uns mit guter Zuversicht erfüllen müssen. Allerdings würden diese Leiden für uns ein schreckliches Schauspiel bieten, wohl imstande sein, und allen Mut zu nehmen, wenn wir nur auf die Wildheit und Wut der Feinde sehen würden. Da aber hier zugleich die Hand Gottes offenbar wird, des Gottes, der unter der Schwachheit des Kreuzes die Seinen unbesiegbar macht, und sie über ihre Feinde triumphieren lässt, so gewinnen wir dadurch immer neue Zuversicht. Solche Erfahrung muss uns immer höheren Wagemut geben; denn der Sieg unserer Brüder ist uns ein Unterpfand des eigenen Sieges. Wenn wir daran denken, wird alle Furcht schwinden, und wir werden imstande sein, Zeugnis abzulegen, auch wenn tausend Gefahren uns umringen.

V. 15. Etliche zwar usw. Hier haben wir eine zweite Frucht der Bande des Paulus; nicht nur die Brüder werden durch sein Vorbild mit guter Zuversicht erfüllt, sodass die Einen standhafter wurden, die anderen freudiger zur Predigt, - auch seine Neider und Hasser empfingen einen Anstoß, das Evangelium zu verkündigen, wenngleich mit anderer Absicht.

V. 16. Jene verkündigen Christum aus Zank. Dies ist eine weitere Ausführung des vorhergehenden Satzes. Paulus wiederholt, dass es zweierlei Arten von Leuten gab, die durch seine Bande getrieben wurden, Christum zu verkündigen. Die einen trieb Zanksucht, also ein böser Sinn, die anderen dagegen ein frommer Eifer, der mit dem Apostel die Verkündigung des Evangeliums auf sich zu nehmen gedachte. Von den Ersteren heißt es, dass sie Christum nicht lauter verkündigen: es fehlte ihnen der rechte Eifer. Von dem Inhalt der Lehre ist dabei keine Rede. Es kann ja geschehen, dass jemand vollkommen reine Lehre führt und sich doch von unlauterem Sinne erfüllt zeigt. Dass eben dies hier der Fall ist, zeigt der Zusammenhang deutlich. Paulus würde es doch gewiss nicht ruhig mit angesehen haben, wenn das Evangelium verunstaltet worden wäre. Er bezeugt aber, dass er sich über die Predigt jener Leute freut, wenngleich diese Predigt nicht aus einfältigem und lauterem Herzen kam. Wie freilich eine solche Predigt dem Apostel schaden konnte, vermögen wir, denen die genaueren Verhältnisse und Umstände nur ungenügend bekannt sind, nicht zu sagen. Weiter erhebt sich die Frage: wenn es sich doch nur um Leute handeln konnte, die vom Evangelium etwas verstanden, - wie kamen dieselben Leute dazu, das Evangelium zugleich zu bekennen und zu verfolgen? Ich antworte: der Ehrgeiz ist blind, ja wütend und dumm. Deshalb braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Feinde das Evangelium als Waffe gebrauchen, um damit die guten und frommen Prediger zu quälen. Gewiss sagt Paulus hier nichts anderes, als was ich selbst erfahren habe. Es gibt auch noch jetzt solche, die das Evangelium in keiner anderen Absicht verkündigen, als um damit die frommen Prediger zu verfolgen, um so der Wut der Feinde zu dienen.

V. 17. Sie wissen, dass ich zur Verantwortung des Evangeliums hier liege. Diesen Leuten, welche das Evangelium aus treuer Liebe zu Christo predigten, wäre es wie eine Schmach vorgekommen, hätten sie sich nicht dem Apostel zugesellt, der ja für Christi Sache focht. Genauso müssen auch wir denken. Wir müssen den Dienern des Herrn, wenn sie in Not sind, so viel wir vermögen, die Hand reichen. Tief wollen wir es uns einprägen, dass der Apostel von einer Verteidigung des Evangeliums spricht. Legt Christus solch ehrenvolles Werk in unsere Hand, welche Entschuldigung haben wir, wenn wir seine Sache nicht treu führen? Oder was haben wir zu erwarten, wenn wir sie durch unser Schweigen verraten? Was anders, als dass er uns auch aufgibt, er, der unser einziger Fürsprecher und Vertreter beim Vater ist!

V. 18. Was tut ´s aber? Leicht konnte der unlautere Sinn der bösen Prediger, von denen soeben die Rede war, die evangelische Lehre selbst um ihr Ansehen bringen. Darum erklärt es Paulus trotz allem für einen großen Gewinn, dass sie das Evangelium ausbreiten, wenn sie es auch in falscher Absicht taten: denn Gott schafft zuweilen auch durch schlechte und schändliche Mittel ein herrliches Werk. Der Apostel erklärt also seine Freude über den Erfolg; denn er gab sich ganz allein damit zufrieden, dass er Christi Reich wachsen sah. Trotzdem würde er natürlich solche Leute, wenn er es in der Hand gehabt hätte, nie in den Dienst des Evangeliums gestellt haben. So dürfen auch wir uns freuen, wenn Gott durch Gottlose etwas Gutes wirkt; aber deshalb sollen wir solche weder als Diener am Worte anstellen, noch sie als rechte Diener Christi ansehen.

V. 19. Denn ich weiß usw. Verkündigen auch einige Leute das Evangelium mit der Absicht, Missgunst gegen Paulus zu erregen, um so die Wut der Feinde gegen ihn noch mehr anzufachen, so sagt er selbst ruhig voraus, dass deren falsche Absichten ihm keinen Schaden bringen werden, weil Gott es ganz anders fügen wird. Er gibt zu verstehen: Obwohl jene Leute auf mein Verderben sinnen, so bin ich doch der guten Zuversicht, dass sie mit allen ihren Bestrebungen nichts anderes erreichen werden, als dass Christus in mir verherrlicht wird, - und das wird mir zum Heil gereichen. Aus dem Folgenden ist ersichtlich, dass er hierbei nicht an sein leibliches Wohl denkt. Woher hatte Paulus diese Zuversicht? Aus dem, was er an einer anderen Stelle lehrt, auch dann, wenn die ganze Welt mit ihrem Fürsten, dem Teufel, sich zu ihrem Untergange verbindet (Röm. 8, 28).

Durch euer Gebet. Welch ein Antrieb zum Gebet, wenn die Philipper hören, wie fest der Apostel vertraut, dass Gott ihm alles Gute auf ihr Gebet hin geben werde! Solche Sprache ist im Munde des Paulus keine Heuchelei. Denn wer auf die Fürbitte der Gläubigen vertraut, stützt sich dabei auf Gottes Verheißung. Dadurch wird der Güte und Gnade Gottes kein Abbruch getan: denn aus dieser Gnade fließt sowohl, dass wir beten, als auch dass wir Erhörung finden.

Und Handreichung des Geistes. Paulus stellt die Fürbitte der Philipper und die Handreichung des heiligen Geistes nebeneinander. Daraus dürfen wir aber nicht den Schluss ziehen, dass beide denselben Wert haben. Die Bedeutung dieser Stelle ist vielmehr diese: Ich weiß, dass dies Ganze mir zum Heile gereichen wird durch die Handreichung des heiligen Geistes, indem auch ihr mithelft mit eurem Gebet. Die Handreichung des heiligen Geistes ist die eigentliche Ursache und das Gebet nur Hilfsmittel. Von einer „Handreichung“, noch genauer von einem „Herzureichen“ spricht man, wo einer dem anderen gibt, was ihm fehlt. Da uns nun nicht weniger als alles abgeht, so muss der heilige Geist uns alles ins Herz geben. Derselbe heißt der Geist Jesu Christi,woraus wir abnehmen, dass er ein Gemeinbesitz aller ist, die Christi Namen mit Recht tragen. Die ganze Fülle des Geistes ward über Jesus ausgegossen, damit er den einzelnen Gliedern nach dem Maße seiner Gnade davon mitteile, so viel ihnen dienlich ist.

V. 20. Gemäß meiner Erwartung und Hoffnung. Wenn jemand den Paulus fragen würde: „Woher weißt du das?“ – nämlich, dass alles ihm zum Heile gereichen werde – so würde er antworten: „Aus der Hoffnung“. Denn da es feststeht, dass Gott uns in unseren Hoffnungen ganz gewiss nicht täuscht, so darf die Hoffnung selbst für uns auch nicht zweifelhaft sein. Welch wunderbares Wort: „gemäß“ meiner Hoffnung! Also steht fest, dass Gott gar nicht umhin kann, unserer Hoffnung zu entsprechen, welche sich ja auf sein Wort gründet. Und der Herr hat versprochen, dass er uns nie fallen lassen werde, auch unter allen Martern nicht, wenn es einmal von uns gefordert werden sollte, seinen Namen zu bekennen. Alle Frommen mögen daher getrost hoffen nach dem Vorbilde des Paulus, und sie werden nicht zu Schanden werden.

Mit aller Freudigkeit. Wir sehen hier, dass Paulus sich bei seinem Hoffen nicht im Geringsten nach den Wünschen seines Fleisches richtet, sondern dass er seine Hoffnung der göttlichen Verheißung unterordnet. Er sagt: Christus wird hochgepriesen werden an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. Überwiegend setzt er dabei doch den Fall des Lebens: denn dass Christus an seinem Leibe verherrlicht werden soll, ist ein Ausdruck völliger Gewissheit über seine Lebensrettung und den glücklichen Ausgang des gegenwärtigen Kampfes. Im Allgemeinen aber empfängt ein Christ, der wie Paulus sich dem Willen Gottes zur Verfügung stellt und auf ihn hin sein Leben richtet, von Gott die Gewissheit, dass er stets einen guten Ausgang hoffen darf, es mag sich fügen wie es will. So brauchen wir kein Unglück mehr zu fürchten. Denn wenn wir dem Herrn leben und sterben, so sind wir sein im Leben und im Sterben (Röm. 14, 8). Der Apostel gibt auch an, wie Christus in uns verherrlicht wird, nämlich durch vollkommene Freudigkeit. Daraus folgt, dass wir Christum, soweit es in unserer Macht steht, entwürdigen und verkleinern, wenn wir aus Furcht in unserem Glauben schwankend werden. Furcht und Scheu, die Wahrheit zu bekennen, ist also keineswegs ein leicht zu entschuldigender Fehler. – Fügt nun der Apostel hinzu, dass schon sonst allezeit ihm Gott alles zum Besten gewendet, so stärkt dieser Rückblick auf erfahrene Gnade den Glauben für die Zukunft, - wie es Röm. 5, 4 heißt: „Erfahrung bringt Hoffnung“.

V. 21. Denn Christus ist im Leben und im Sterben mir Gewinn. Die Übersetzung: Christus ist mein Leben, darum ist Sterben mein Gewinn, - ist schwerlich richtig. Vielmehr haben wir es mit einer doppelten Aussage von Christo zu tun, welcher im Leben und im Sterben als unser Gewinn bezeichnet wird. So ergibt sich ein viel ungezwungenerer Sinn, ein besserer Zusammenhang mit dem vorangehenden Satze und ein tieferer lehrhafter Inhalt. Der Apostel bezeugt, dass es ihm keinen Unterschied macht, zu leben oder zu sterben: denn weil er Christum hat, kann er beides als Gewinn verrechnen. Und gewiss ist es Christus allein, der uns im Tode und im Leben glücklich macht. Ohne ihn ist der Tod traurig und das Leben um nichts besser als der Tod, so dass es schwer zu entscheiden ist, ob außer Christus das Leben oder das Sterben mehr Nutzen bringt. Wenn aber Christus bei uns ist, so segnet er in gleicher Weise unser Leben und unseren Tod, so dass beides für uns glückbringend und wünschenswert wird.

V. 22. Sintemal aber im Fleisch leben usw. In der Verzweiflung sind die Menschen oft unschlüssig, ob sie länger mit ihren Sorgen fortleben oder durch den Tod sich von den Sorgen frei machen sollen. Wenn aber Paulus sagt, dass er mit demselben Gleichmut das Leben oder den Tod wählen würde, so steht dahinter ein ganz anderer Sinn: ihm ist die Wahl zweifelhaft, weil für die Gläubigen beides, Leben und Sterben, das gleiche Glück in sich birgt. Wenn aber das Leben „im Fleische“, wie Paulus im Vergleich zum besseren Leben fast wegwerfend sagt, dienet mehr Frucht zu schaffen, so lässt sich nicht von vorherein sagen, wohin die Wage sich neigen muss.

V. 23. Es liegt mir beides hart an. Paulus wünscht aus keinem anderen Grunde zu leben, als um durch seinen Dienst Christum zu verherrlichen und den Brüdern zu nützen. Daher sieht er sein Leben nur insofern als nützlich an, als es den Brüdern zum Heile dient. Für seine eigene Person würde es ihm das Beste dünken, bald zu sterben, weil er dann bei Christo sein wird. Welch Zeugnis aber seiner brennenden Liebe ist es, dass er anders wählt! Es handelt sich nicht um irdische Vorteile, sondern um das geistliche Gut, nach welchem die Frommen mit Recht vor allem verlangen. Dennoch vergisst Paulus dabei völlig sich selbst: er teilt nicht etwa nur gleichmäßig zwischen sich und den Philippern, sondern kommt zu dem Schluss, dass in seinem Herzen die Rücksicht auf sie das Übergewicht haben soll. Das heißt in Wahrheit für Christus leben und sterben, wenn wir, ohne an uns selbst zu denken, uns dahin treiben und ziehen lassen, wohin Christus uns ruft.

Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein. Diese beiden Stücke müssen zusammen genommen werden. An und für sich ist der Tod niemals begehrenswert. Ein solches Verlangen widerspricht unserem natürlichen Gefühl. Der Tod wird also nur im Zusammenhang mit einem anderen Grunde begehrenswert. Ein verzweifelter Mensch sucht ihn aus Überdruss am Leben. Die Gläubigen dagegen gehen ihm getrost entgegen, weil er für sie die Erlösung ist vom Sklavendienst der Sünde und der Übergang ins Himmelreich. So sagt auch Paulus hier: Ich wünsche zu sterben, weil ich dadurch zur Vereinigung mit Christo gelange. Indessen hören die Gläubigen nicht auf, vor dem Tode zurückzuschrecken; da sie aber ihre Augen auf jenes Leben, das auf den Tod folgt, richten, so überwinden sie mit diesem Troste leicht den Schrecken des Todes. Gewiss, wer an Christum glaubt, muss so gesinnt sein, dass er bei Erwähnung des Todes das Haupt emporhebt, erfreut durch die Botschaft seiner Erlösung. Aber hier zeigt es sich, dass die meisten nur Namenchristen sind. Sobald sie das Wort „Tod“ hören, erschrecken sie nicht nur, sondern sie werden fast tot vor Angst, als wenn sie noch nie ein Wort von Christo gehört hätten. O gutes Gewissen, wie stark und mächtig bist du! Die Grundlage eines guten Gewissens ist aber der Glaube. Ja der Glaube ist selbst das gute Gewissen. Bemerkenswert erscheint der Ausdruck: „abzuscheiden“, wörtlich: „losgelöst zu werden“. Die Weltkinder nennen den Tod eine Vernichtung des Menschen, als wenn der ganze Mensch im Tode unterginge. Paulus dagegen lehrt uns hier, dass der Tod eine Scheidung der Seele vom Körper ist. Gleich darauf beschreibt er den Zustand der Gläubigen nach dem Tode noch genauer. Er sagt, dass sie bei Christo wohnen werden. Wir sind auch in diesem Leben mit Christo vereinigt, insofern das Reich des Herrn in uns ist: Christus wohnt durch den Glauben in uns, da er versprochen hat, bei uns zu bleiben bis zum Ende der Welt. Aber diese Gemeinschaft mit ihm besitzen wir eben nur im Glauben; denn wenn wir auf das Sichtbare sehen, so sind wir von ihm geschieden (vgl. 2. Kor. 5, 6). Übrigens bietet unsere Stelle einen Beweis gegen die irrtümliche Annahme, dass die Seelen nach ihrer Trennung vom Körper schlafen. Denn Paulus bezeugt hier ausdrücklich, dass wir gleich nach unserem Tode Christi Gegenwart genießen werden.

V. 25. Und in guter Zuversicht weiß ich usw. Da einige es für widersinnig halten, einzugestehen, dass Paulus sich in dieser Erwartung getäuscht habe, so meinen sie, Paulus sei später aus der Gefangenschaft befreit worden und habe noch viele Länder der Erde durchwandert. Aber dieses Bedenken ist unbegründet; denn die Gläubigen richten sich in ihren Hoffnungen nach dem Worte Gottes, so dass sie nicht mehr in ihren Herzen hoffen, als Gott ihnen verheißt. Wo sie ein sicheres Zeugnis dafür haben, dass das, worauf sie hoffen, Gottes Willen gemäß ist, da hegen sie auch eine feste Zuversicht von der fortdauernden Vergebung der Sünden, von dem Beistande des Geistes, um in der Gnade bis ans Ende zu verharren, und von der Auferstehung des Fleisches. Eine solche Gewissheit hatten auch die Propheten in Bezug auf ihre Weissagungen. Sonst aber ist die Hoffnung der Gläubigen nicht unbedingt, sondern bedingt, so dass sie den Ausgang der Vorsehung Gottes überlassen, da sie überzeugt sind, dass Gott bessere Einsicht hat als sie.

V. 26. Auf dass ihr euch sehr rühmen möget in Christo Jesu, d. h. in einer Weise, welche Christus billigen würde, also auf wahrhaft christliche und heilige Art. Sonst wird uns befohlen, dass wir uns nur in Gott rühmen sollen. Daher hätten übelwollende Leute es tadeln können, wenn Paulus den Philippern erlaubt und zumutet: rühmt euch an mir! Um solchen Vorwurf die Spitze abzubrechen, sagt eben der Apostel, dass man durchaus Christi Willen gemäß handeln wird, wenn man sich seines Dieners zu Gottes Ehre rühmt. Natürlich muss solches Rühmen mehr die Lehre als die Person im Auge haben. Dann wird es eine Richtung wider die falschen Apostel bekommen, - wie auch David gerade im Widerspiel zu den Heuchlern die eigene Gerechtigkeit rühmt (Ps. 7, 9).

V. 27. Wandelt nur würdig dem Evangelium. Diese Worte bilden den Übergang zu etwas Neuem. Paulus will sagen: „Nun, für mich wird Gott sorgen, ihr aber wandelt usw. Was mich auch treffen mag, fahrt unter allen Umständen fort, richtig zu wandeln!“ Wenn übrigens ein sittenreines Verhalten als ein des Evangeliums würdiger Wandel bezeichnet wird, so liegt darin ein versteckter Hinweis, dass Leute, die anders wandeln, dem Evangelium eine Schmach antun.

Steht in Einem Geist und in Einer Seele. Das ist eine der größten Tugenden der Gemeinde, und das einzige Mittel, die Gemeinde in einem guten Stande zu erhalten, während sie durch Uneinigkeit zerfällt. Zunächst will Paulus durch diese Ermahnung seine Leser gegen neue und fremde Lehren schützen. Aber er hat zugleich die innere Erbauung der Gemeinde im Auge. Er drängt auf eine doppelte Einigkeit, nämlich eine Einigkeit des Geistes und der Seele. Die Hauptsache ist, dass wir in unseren Ansichten übereinstimmen, dazu muss aber hinzukommen, dass wir auch in unserem Herzen eins sind. Dies wollen die beiden Worte in ihrer Vereinigung besagen; dabei bezieht sich der Ausdruck „Geist“ auf die Erkenntnis, „Seele“ auf den Willen. Eine Einigkeit des Willens kann ja nur auf Einigkeit der Überzeugung ruhen.

Und samt uns kämpft kraft des Glaubens des Evangeliums. Das ist das stärkste Band der Einigkeit, wenn wir unter derselben Fahne kämpfen müssen, denn dieser Umstand verbindet oft auch die größten Feinde. Daher erinnert Paulus die Philipper zur Stärkung der Einigkeit, dass sie Mitstreiter sind. Leute, die denselben Feind zu bekämpfen und denselben Krieg zu führen haben, müssen sich im Geiste zu einer heiligen Kameradschaft vereinigen. Zu übersetzen ist übrigens schwerlich: „für den Glauben“, - sodass wir aufgerufen würden, dem Evangelium Beistand zu leisten, sondern: „kraft des Glaubens“. Der Glaube an das Evangelium ist als die gemeinsame Waffe gedacht, welche die Gläubigen gegen den Feind gebrauchen sollen. Welch wirksamer Trieb zur Eintracht liegt in dieser Mahnung zu gemeinsamem Kampfe! Weiter können wir hier lernen, dass im geistlichen Kampfe eben der Glaube der Schild ist, welcher uns deckt, um die Angriffe des Feindes abzuschlagen. Ja, der Glaube ist unsere volle Waffenrüstung und unser Sieg. Welch herrliches Ziel frommer Vereinigung! Vereinigen sich die Gottlosen zum Bösen und somit zu einem fluchwürdigen Bunde, so kämpfen wir einmütig unter dem Banner des Glaubens.

V. 28. Und euch in keinem Weg erschrecken lasst. Das zweite, was Paulus den Philippern empfiehlt, ist eine Tapferkeit des Gemüts, die sich durch keine Wut der Feinde erschrecken lässt. Damals wüteten fast überall die schrecklichsten Verfolgungen gegen die Christen, weil Satan seine ganze Macht einsetzte, um das Aufkommen des Evangeliums zu unterdrücken. Und er wütete umso heftiger, je mehr Christus die Gnade seines Geistes offenbarte. Das alles schwebt dem Apostel bei seiner Mahnung zu standhafter Unerschrockenheit vor.

Welches ist ein Anzeichen usw. Wenn die Gottlosen gegen Gott Krieg führen, so ist das schon ein Vorzeichen ihres Unterganges, und je mehr sie gegen die Frommen wüten, umso rascher eilen sie ihrem Verderben entgegen. Umgekehrt dürfen die Heiligen die Verfolgungen, welche sie von den Gottlosen erdulden, nicht zwar für den Grund ihres Heils (was die Schrift nirgends lehrt), wohl aber für ein hoch tröstliches Anzeichen dafür ansehen, dass Gott sie ihrem Heil entgegenführt (2. Thess. 1, 5). Solche Verfolgungen sind für die Kinder Gottes Siegel ihres Kindesstandes, freilich nur, wenn sie dieselben tapfer und mit Gleichmut tragen. Dagegen für die Gottlosen sind sie ein Zeugnis ihrer Verdammnis, weil sie an den Stein anstoßen, der sie zermalmen wird.

Und dasselbige von Gott. So spricht der Apostel mit Beschränkung auf das zweite Satzglied, um durch die Empfindung der göttlichen Gnade des Kreuzes Bitterkeit zu lindern. Von Natur sieht niemand in dem Kreuze ein Zeichen und eine Offenbarung seiner Seligkeit: denn Seligkeit und Kreuz scheinen ausschließende Gegensätze zu sein. Darum gibt Paulus den Philippern einen anderen Gesichtspunkt und sagt: Gottes Segen wandelt in eine Stufe zum Heil, was sonst für uns nur Unglück scheint. Er beweist dies durch folgenden Schluss dass: ihre das Kreuz zu tragen habt, ist eine Gabe Gottes, - nun aber sind alle Gaben Gottes ohne Zweifel heilsam (V. 29): Euch ist gegeben, dass ihr nicht allein an Christum glaubt, sondern auch um seinetwillen leidet. Also sind gerade die Leiden für euch ein Zeugnis der göttlichen Gnade und somit ein Unterpfand eurer Seligkeit. Wenn diese Überzeugung unserem Herzen fest eingeprägt wäre, dass auch Verfolgungen zu Gottes Wohltaten zählen, - welchen Fortschritt in der Lehre der Frömmigkeit würde das bedeuten! Oder wäre es nicht gewisslich die höchste Ehre, deren Gottes Gnade uns würdigen kann, wenn wir um seines Namens willen Schmach, Kerker, Sorgen, Folter, ja selbst den Tod erdulden? Dabei gerade schmückt uns Gott mit seinen Ehrenzeichen. Aber man wird mehr Menschen finden, die Gott mit solchen Gaben von sich weisen, als die das vorgehaltene Kreuz mit dankbarem Herzen umfassen. Daher wehe über unsere Gleichgültigkeit! Mit Vorbedacht setzt Paulus eine unlösbare Verbindung zwischen Glaube und Kreuz. Die Philipper sollen wissen, dass sie unter keiner anderen Bedingung zum Glauben an Christus berufen wurden, als dass sie um seines Namens willen Verfolgungen zu erdulden haben. So gibt er ihnen zu verstehen, dass ihr Kindesstand so wenig vom Kreuz sich trennen lässt, als man Christum von sich selbst losreißen kann. – Übrigens bezeugt Paulus hier klar und deutlich, dass sowohl der Glaube als die Standhaftigkeit in der Verfolgung Gnadengaben Gottes sind. Und gewiss ist die Weisheit Gottes zu hoch, als dass wir sie mit der Schärfe unseres eigenen Geistes erfassen könnten. Und von unserer Schwäche überzeugt uns die tägliche Erfahrung, wenn Gott auch nur für einen Augenblick seine Hand von uns zieht. Um es jedoch noch bestimmter auszudrücken, dass beides ein Werk der Gnade ist, sagt Paulus ausdrücklich, dass es uns um Christi willen geschenkt ward. Damit schließt er jeden Gedanken an Verdienst aus. So streitet diese Aussage auch wider die römische Kirchenlehre, welche die späteren Gnadengaben als Lohn dafür ansieht, dass wir die früheren Gaben in verdienstlicher Weise recht gebraucht hätten. Ich leugne zwar nicht, dass Gott den rechten Gebrauch seiner Gnadengaben belohnt durch Vermehrung seiner Gnadengaben. Aber wir dürfen unser Verdienst nicht der freien Gnade Christi und seinem Verdienste gegenüber stellen, wie jene es tun.

V. 30. Und habt denselbigen Kampf. Durch sein eigenes Beispiel bestätigt der Apostel seine Aussage. Das gibt seiner Lehre erst völliges Gewicht. Zugleich empfangen die Leser damit eine Erinnerung, dass des Apostels Bande sie nicht irre zu machen brauchen, wenn sie nur auf das Ende des Kampfes sehen.

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Aus einem „Siegeslied für Christus“, welches Calvin im Jahre 1541 zu Worms gedichtet hat.
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