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Calvin, Jean - Kirche und Welt

Calvin, Jean - Kirche und Welt

Jedoch hat jene Unterscheidung nicht etwa den Sinn, dass wir die ganze Gestaltung des bürgerlichen Lebens für etwas Beflecktes halten, das einen Christenmenschen nichts anginge. Zwar schreien und pochen die Schwarmgeister, die an ungebundener Zügellosigkeit ihre Freude haben, solchermaßen: nachdem wir durch Christus den Elementen dieser Welt gestorben sind und, in Gottes Reich übergegangen, unter den Himmlischen unseren Platz haben, ist es unserer unwürdig und liegt es weit unter unserer hohen Stellung, uns mit jenen unheiligen und unreinen Sorgen zu befassen, die zu Geschäften gehören, die einem Christenmenschen fremd sind. wozu, so sagen sie, soll es denn Gesetze geben ohne Urteile und Gerichtshöfe? Was aber hat ein Christenmensch mit solchen Urteilen zu tun? Ja wenn es nicht erlaubt ist, zu töten was sollen uns dann Gesetze und Urteile? Aber wie wir oben darauf aufmerksam gemacht haben, dass diese weltliche Art des Regiments von einem geistlichen, innerlichen Reiche Christi verschieden ist so müssen wir auch wissen, dass diese beiden in keiner Hinsicht zueinander im Widerspruch stehen. Denn das letztere läßt zwar gewisse Anfänge des himmlischen Reiches schon jetzt auf Erden in uns beginnen und läßt in diesem sterblichen, vergänglichen Leben gewissermaßen die unsterbliche, unvergängliche Seligkeit anfangen. Das bürgerliche Regiment aber hat die Aufgabe, solange wir unter den Menschen leben, die äußere Verehrung Gottes zu fördern und zu schützen, die gesunde Lehre der Frömmigkeit und den (guten) Stand der Kirche zu verteidigen, unser Leben auf die Gemeinschaft der Menschen hin zu gestalten, unsere Sitten zur bürgerlichen Gerechtigkeit heranzubilden, uns miteinander zusammenzubringen und den gemeinen Frieden wie die öffentliche Ruhe zu erhalten. Ich gebe zu: dies alles ist überflüssig, wenn das Reich Gottes, wie es jetzt in uns beschaffen ist, das gegenwärtige Leben auslöscht. Denn wenn sie vorschützen, es müsse eben in der Kirche Gottes eine solche Vollkommenheit herrschen, dass für sie die eigene Selbstregierung an Stelle des Gesetzes ausreichend wäre, so beruht diese Vollkommenheit auf ihrer eigenen, törichten Einbildung, da sie in der Gemeinschaft der Menschen niemals zu finden ist. Denn die Frechheit der Bösen ist so groß, ihre Nichtsnutzigkeit so widerspenstig, dass sie kaum durch große Strenge der Gesetze in Schranken zu halten ist und was würden sie dann wohl nach unserer Meinung tun, wenn sie sähen, dass man ihrer Bosheit ungestraft freien Lauf läßt? Es sind doch Menschen, die nicht einmal mit Gewalt zureichend davon abgehalten werden können, Böses zu tun.

Aber von dem Nutzen der bürgerlichen Ordnung zu sprechen, wird an anderer Stelle passendere Gelegenheit sein. Jetzt wollen wir nun, dass man begreift, dass es eine entsetzliche Barbarei ist, wenn man daran denkt, sie abzuschaffen, ist doch ihr Nutzen unter den Menschen nicht geringer als der von Brot und Wasser, Sonne und Luft, ihre Würde aber noch viel hervorragender. Denn sie dient nicht nur - was jene alle bezwecken - dazu, dass die Menschen atmen, essen, trinken und erwärmt werden: allerdings schließt sie sicherlich das alles in sich, in dem sie ja bewirkt, dass die Menschen miteinander leben, aber trotzdem, sage ich, dient sie nicht allein dazu, nein, sie hat auch den Zweck, dass sich Abgötterei, Frevel gegen Gottes Namen, Lästerungen gegen seine Wahrheit und andere Ärgernisse bezüglich der Religion nicht öffentlich erheben und sich unter dem Volk verbreiten, sie hat den Zweck, dass die bürgerliche Ruhe nicht erschüttert wird, dass jeder das Seine unverkürzt und unversehrt behält, dass die Menschen unbeschadet untereinander Handel treiben können und dass Ehrbarkeit und Bescheidenheit unter ihnen gepflegt werden. Kurz, sie dient dazu, dass unter den Christen die öffentliche Gestalt der Religion zutage tritt und unter den Menschen die Menschlichkeit bestehen bleibt.

Es darf auch niemand stutzig werden, dass ich die Fürsorge für eine rechte Regelung der Religion der bürgerlichen Ordnung der Menschen übertrage, obwohl ich sie doch oben außerhalb des menschlichen Urteils gestellt zu haben scheine. Denn ich überlasse es den Menschen hier ebensowenig wie zuvor, über Religion und Verehrung Gottes nach ihrem eigenen Ermessen Gesetze zu erlassen, wenn ich die bürgerliche Ordnung gutheiße, die darauf dringt, dass die wahre Religion, die in Gottes Gesetz beschlossen liegt, nicht ungestraft öffentlich und mit öffentlichem Frevel geschändet und geschmäht wird.

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