Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 7.

Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 7.

V. 1. Aber die Kinder Israel vergriffen sich usw. Das heimliche Vergehen eines Mannes, das hier berichtet wird, stürzte das ganze Volk, auch die Unschuldigen, in Schuld. Es könnte zwar ungerecht erscheinen, dass wegen der heimlichen Tat eines Einzelnen das ganze Volk, das nichts davon wusste, verurteilt wurde. Aber das ist ja nichts Neues, dass die Sünde eines Gliedes auf den ganzen Körper übergeht. Auch wenn uns der Grund völlig verborgen bliebe, müsste es uns genügen, dass diese Übertretung eben den Kindern Israel angerechnet wurde, obwohl die Schuld sich auf einen Einzelnen beschränkte. Aber weil es zu geschehen pflegt, dass auch Leute, die nicht ganz schlecht sind, durch bequemes Gehenlassen den Fehlern der Brüder Vorschub leisten, so wird ein Anteil an der Schuld mit gutem Grund auf sie alle gewälzt, welche sich durch Vertuschen mit in die Sünde verwickeln. Auch Paulus rechnet den Korinthern die Schandtat des Einzelnen zu und tadelt heftig ihren Stolz, weil sie trotz solcher Schande sich noch zu rühmen wagen (1. Kor. 5, 1 ff.). Hier aber muss man doch annehmen, dass keiner den Dieb kannte, daher kann man keinen als mitschuldig bezeichnen, weil er etwa, ohne die Tat zu verhindern, sie geschehen ließ. Aber man könnte sagen: Sie waren mitschuldig, weil sie vorher nicht genug auf allerlei Übertretungen geachtet hatten. Daher konnte es geschehen, dass dieser Elende sich zu solcher Schandtat erkühnte. Das Unkraut sprosst ja heimlich und bringt schädliche Früchte, wenn es nicht früh genug ausgerissen wird. Doch der Grund, weshalb Gott das ganze Volk wegen dieses Diebstahls für schuldig erklärt, liegt tiefer. Er wollte durch dieses außerordentliche Beispiel die Nachkommen daran mahnen, dass sie alle mitschuldig würden an dem Vergehen eines Einzelnen, damit sie sich desto sorgfältiger vor allen Fehltritten hüteten. Wir wollen uns kein Urteil erlauben, bis einst die Bücher geöffnet werden, in denen Gottes Urteile klar offenliegen, die jetzt noch unsern blinden Augen verborgen bleiben. Uns möge es genügen, dass durch das Vergehen des einen Mannes das ganze Volk verunreinigt wurde, weil der oberste Richter also entschieden hat, vor dem wir jetzt verstummen müssen, gleichwie wir dereinst vor seinem Richterstuhl zu erscheinen haben. Ausführlich wird mitgeteilt, aus welchem Stamm Achan stammte: das geschieht, um die Schande zu mehren und öffentlich bekannt zu geben; es soll deutlich werden, wie seine Tat die ganze Familie und den ganzen Stamm befleckte. Wenn also einer unserer Angehörigen ein Verbrechen begeht, so wird in seiner Person uns gleichsam ein demütigendes Zeichen aufgedrückt. Das geschieht nicht etwa, weil es gerecht wäre, alle Angehörigen eines Verbrechers zu beschimpfen, sondern damit alle Verwandten eifrig einander zur Besserung antreiben und anerkennen lernen, dass nicht nur ein eigenes Vergehen, sondern auch falsche Nachsicht Strafe verdient. Der Anstoß war umso größer, weil eine solche Schandtat gerade im Stamme Juda, der Zierde des ganzen Volkes, zu tadeln war. Nur durch Gottes wunderbaren Rat ist es geschehen, dass er trotzdem seine bevorzugte Stellung behielt, welche ihm die Hoffnung auf den zukünftigen Königsthron gab. Aus der strengen Bestrafung, die das Ärgernis beseitigen sollte, lernen wir, dass die Kirche zur Abwehr solcher Anstöße, die den Spott der Gottlosen herausfordern, kein besseres Mittel hat, als strenge Verurteilung aller Vergehen.

V. 2. Da nun Josua usw. Die Klugheit erfordert, dass man die Lage der Stadt und ihrer Zugänge erkundete, um nicht beim Vorgehen durch unbekanntes Gebiet in einen Hinterhalt zu fallen. Es scheint ein Fehler gewesen zu sein, nur mit 3 000 Mann vorzugehen; und dass dieselben zurückgeschlagen wurden, wäre dann die gerechte Strafe für diesen etwas leichten Betrieb gewesen. Doch der heilige Geist sagt, nicht die geringe Anzahl sei der Grund gewesen, weshalb sie verstreut wurden, sodass die Schuld an dem Verlust darin zu suchen wäre. Vielmehr wollte Gott nach seinem verborgenen Ratschluss durch diesen noch nicht sehr großen Verlust seinen Zorn bekunden. Das war ein besonderer Beweis seiner Milde, dass er das Volk ohne große Niederlage veranlasste, das rechte Heilmittel für den Schaden zu suchen. Vielleicht hätten die Bewohner von Ai den Ausfall gar nicht gewagt, wenn die Israeliten mit einem ordentlichen Heere die Stadt angegriffen hätten. So bahnte sich Gott erst einen Weg für sein Gericht: doch mäßigt er es so sehr, dass er die verborgene Schandtat nur aufdeckt, durch die sonst das ganze Volk, wie durch eine schleichende Pest, vergiftet worden wäre. Obgleich es nun nicht wunderbar ist, dass die Israeliten auf dem ungünstigen abschüssigen Boden geschlagen wurden, so zeigt sich doch ganz klar und deutlich, dass sie durch Furcht und Schrecken besiegt waren, noch bevor sie zum Kampfe kamen; denn sie wandten sich um und zogen sich von den Höhen in eine Talsenkung (V. 5) zurück. Wie sehr die Feinde sie verachteten, beweist der Mut und die Siegeszuversicht: sie scheuten sich nicht, den Fliehenden eiligst bis zum Lager nachzujagen. Schrecken verbreitete sich im Lager, der alle Herzen verzagt machte. Sie hatten ja auch Ursache, sich zu fürchten. Bisher hatten sie fast spielend einen Sieg nach dem anderen errungen; jetzt mussten sie sehen, dass sie schimpflich unterlegen waren. Ungewöhnliche Überraschungen erschrecken uns am meisten. Himmlische Furcht schmetterte sie nieder mehr als der Tod von dreißig Menschen und die Flucht der dreitausend.

V. 6. Josua aber zerriss seine Kleider usw. Es war nicht recht, dass ein beherzter Führer bei dem Verlust von dreißig Mann so aus der Fassung kam. Leicht hätte er ja mit hundertmal so viel Truppen die von dem weiten Wege ermüdeten Feinde überwinden können. Dennoch war der tiefe Schmerz, der ihn zu Boden drückte und fast mutlos machte, wohl begründet. Gott hatte verheißen, die Kinder Israel würden stets siegreich sein. Darum konnten sie sich nicht trösten mit dem Gedanken an den wechselnden Erfolg im Kriege, mit dem sonst Besiegte sich trösten und wieder aufrichten können. Da ihr Erfolg ihrer Erwartung nicht entsprach, so erklärte Josua den wahren Grund, das Unglück könne nur dadurch entstanden sein, dass Gott seine verheißene Hilfe ihnen entzogen habe. Darum überlassen sich die Ältesten mit ihm nicht nur dem Schmerz und der Trauer, sondern beginnen eine feierliche Trauerklage. Sie zerreißen ihre Kleider und streuen sich Asche aufs Haupt, wie es bei tiefster Trauer geschah. Diesen Brauch haben auch die Ungläubigen, um ihren Schmerz auszudrücken. Doch war er für die frommen Verehrer Gottes ein besonderes Mittel, um Gottes Zorn durch Abbitte zu besänftigen. Daher liegt im Zerreißen der Kleidung das Bekenntnis der Schuld. Das geht ja auch aus dem angefügten Gebet hervor, in welche frommer Glaube mit übergroßer Erschütterung ringt. Es zeugt von Glauben, dass sie sich geradeswegs zu Gott hinwenden. Sie erkennen, dass seine Hand die Wunden schlägt, aber auch bereit ist, sie zu heilen. Doch lassen sie sich von ihrem Schmerz allzu weit hinreißen in dem Wunsche: Wären wir doch geblieben in der Wüste! Es ist nichts Neues, dass bei frommen Seelen, die mit heiligem Eifer sich anschicken, Gott zu suchen, das Glaubenslicht doch durch heftige Gemütsbewegungen verdunkelt wird. Alle derartigen Gebete würden sündhaft sein, wenn Gott nicht nach seiner unermesslichen Güte diese Flecken übersehen und die Gebete trotzdem annehmen wollte. Immerhin ist die Offenherzigkeit, mit der sie freimütig zu Gott eilen und alle ihre Sorge auf ihn werfen, noch viel annehmbarer als die falsche Bescheidenheit der Heuchler: diese nehmen sich vielleicht eifrigst zusammen, dass nur ja kein Wort als Beweis ihrer Frechheit ihnen entschlüpfe, aber im Innern sind sie voll trotziger Auflehnung. Josua ging zu weit, als er mit Gott über die Ausführung des Volkes aus der Wüste haderte. Und er lässt sich zu noch größerer Auflehnung hinreißen, als er der Verheißung und Absicht Gottes den stürmischen Wunsch entgegensetzt: Wären wir doch nie aus der Wüste gezogen! Das hieß doch Gottes Bund vernichten. Aber weil es seine Absicht war, Gottes Ehre unversehrt zu erhalten, ist die Heftigkeit, die sonst Gottes Zorn mit Recht herausgefordert hätte, entschuldbar. Wir lernen daraus, dass auch die Heiligen, wenn sie dem rechten Ziele zustreben, leicht straucheln und fallen können. Das kann sogar bisweilen im Gebet geschehen, wo doch die Echtheit des Glaubens und Gehorsams am meisten offenbar werden sollte. Dass es dem Josua um Gottes Ehre vor allen Dingen zu tun war, zeigt der folgende Vers, in welchem er als ein Mann redet, dem die Verteidigung Gottes aufgetragen ist (V. 8): Mein Herr, was soll ich sagen, spricht er, wenn man mir vorhält, dass Israel seinen Feinden den Rücken gekehrt hat? Mit Recht klagt er darüber, dass er darauf nichts zu antworten habe. Gott hatte ihn ja zum Herold und Zeugen seiner Gnade erwählt, daher durfte er auf ständigen siegreichen Fortschritt hoffen. Vorher hatte er die zu seinem Amte ihm geschenkte göttliche Macht laut gerühmt; jetzt musste der unglückliche Ausgang ihn zu schimpflichem Verstummen zwingen! Am meisten kränkte ihn die Schmach, die dadurch auf seine göttliche Berufung fiel. Damit wollte er nicht für seine eigene Ehre sorgen, sondern nur Gottes Wahrheit vor der ganzen Welt schützen. Weil er auf Gottes Geheiß hin das Volk in das Land Kanaan geführt hatte, bezeichnet er nun bei dem Unglück den Herrn sowohl als Urheber wie als Rächer, als wollte er sagen: Weil ich nun in solche Bedrängnis von dir hineingeführt worden bin, sodass ich als Betrüger erscheinen könnte, so ist es nun auch deine Sache, zu meiner Verteidigung helfend einzugreifen.

V. 9. Wenn das die Kanaaniter hören usw. Josua hält dem Herrn vor, was weiter zu befürchten steht: alle Nachbarvölker, welche zwar augenblicklich unterworfen waren und im äußersten Schrecken über Gottes Wunder sich ruhig verhielten, würden aufs Neue zu einem plötzlichen Angriff auf das Volk Mut gewinnen. Das war sehr wahrscheinlich. Gottes Macht hatte ihren Widerstand gebrochen und sie niedergeschmettert. Sicherlich würden sie sich kühn zum Angriff erheben, sobald sie aufhörten, vor Gottes Macht zu zittern. So überlässt Josua es dem Herrn, gegen die Gefahr, welche die Zukunft zu bringen schien, rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Die Kanaaniter würden sicher diese Gelegenheit benutzen und in plötzlichem Vorstoß das entmutigte Volk leicht überwältigen. Die letzten Worte zeigen, dass er nicht nur um das Es Heil des Volkes besorgt war; vor allem ängstigte er sich um das Ansehen des göttlichen Namens, damit dieser nicht dem Spott der Gottlosen preisgegeben würde. Das wäre die natürliche Folge gewesen, falls das Volk aus dem so oft verheißenen Erbe wieder herausgetrieben worden wäre. Dabei denken wir an Gottes Ausspruch im Liede Mose (5. Mo. 32, 26): „Ich würde ihr Gedächtnis aufheben unter den Menschen, wenn ich nicht den Zorn der Feinde scheute, dass nicht ihre Feinde stolz würden und sagten: Unsere Macht ist hoch und der Herr hat nicht solches alles getan.“ Jetzt gilt es, sagt Josua, auf der Hut sein, damit nicht die Feinde durch die Niederlage des Volkes so übermütig werden, dass sie über Gott selbst triumphieren.

V. 10. Da sprach der Herr zu Josua usw. Gott tadelt Josua nicht deshalb, weil er sich zu Boden wirft, um die Niederlage des Volkes zu beklagen. Das war ja doch der Weg, um Vergebung zu erlangen: demütig fürbittend musste er sich vor ihm hinwerfen. Er tadelt ihn aber, weil er sich maßloser Trauer hingibt. Lange genug hat er auf dem Boden gelegen: nun soll er aufhören, zu trauern, soll nicht länger untätig sein, weil ein anderes Mittel zur Heilung erforderlich ist. Zuerst wurde die Ursache des Unglücks aufgedeckt, jetzt schreibt Gott das Heilmittel vor. Die Niederlage kam daher, dass Gott, gekränkt durch des Volkes Frevel, ihm seinen Schutz entzogen hatte. Oben haben wir davon gesprochen, warum der Frevel eines Einzelnen an allen bestraft werden musste. Gottes Verdammungsurteil hat eben verborgene Gründe, über die man wohl ernstlich nachdenken, die man aber nicht allzu neugierig aufspüren darf. Es war noch ein Beweis besonderer Milde, dass er die Strafe, die nach seinem Urteil alle betreffen sollte, nur an dem einen durch die Schandtat befleckten Hause ausführte. Die folgenden Worte Gottes (V. 11) zeigen das Verbrechen in seiner ganzen Größe: sie haben meinen Bund übertreten usw. Als „Bund“ wird das bezüglich des Banns ergangene Verbot bezeichnet. Denn es lag eine gegenseitige Abmachung vor, nach welcher dem Herrn die Erstlinge gehören sollten, wogegen er die Beute des ganzen Landes den Kindern Israel überließ. Es ist also nicht vom Bund im Allgemeinen die Rede, sondern Gott beklagt sich darüber, dass man ihn mit dem Verbannten betrogen habe, wie denn sofort erläuternd hinzugefügt wird: und haben des Verbannten genommen. Was zuletzt steht, dass sie das entwendete Gut unter ihre Geräte gelegt haben, scheint auf den ersten Blick ein geringes Vergehen, bezeichnet aber gerade den Gipfel ihres Verbrechens. Die Gier nach Gewinn kann bisweilen auch solche reizen, die im Allgemeinen nicht unredlich sind; aber das Verbergen und Behalten des Gestohlenen zeigt die Verstocktheit des Verbrechers, der keine Reue empfindet. Im nächsten Verse (V. 12) hat die Aussage: sie sind im Bann – den etwas abweichenden Sinn, dass die Kinder Israel wegen des entwendeten Goldes unter einem Fluch stehen und also beinahe dem Verderben geweiht sind.

V. 13. Stehe auf und heilige das Volk. Da sie gleichsam vor Gottes Angesicht gestellt werden sollten und doch nicht unrein vor ihm erscheinen durften, so war eine Entsühnung notwendig. Darum befiehlt Josua dem Volke die im Gesetz vorgeschriebene Reinigung. So unbedeutend die Reinigungszeremonie an sich war, sie wurde wertvoll als ein Mittel, um das gleichgültige Volk aufzuwecken. Die äußerliche Opferdarbringung sollte sie zur geistlichen Reinigung führen. Die Enthaltung von dem, was sonst erlaubt war, wies sie mahnend darauf hin, dass die höchste, außerordentlichste Reinheit von ihnen verlangt wurde. Josua verkündigt vorher, was geschehen werde, damit jeder umso ernstlicher sich prüfe. Stufenweise geht Gott vor, um ihnen Bedenkzeit zur Selbstbesinnung zu geben. Das ist der Grund, weshalb er von den Stämmen zu den Familien und schließlich zu den einzelnen Personen übergeht. Darin zeigt sich Achans Verstocktheit nur umso schlimmer. Er verdoppelt seine Schamlosigkeit. Kühn wirft er sein Los und scheut sich nicht, Gott zu verspotten. Warum bekennt er nicht, da er sich ertappt sieht, eiligst von selbst seine Schuld, warum wartet er hartnäckig, bis er gegen seinen Willen hervorgezogen wird? Das ist der verdiente Lohn aller, die sich dem Satan überlieferten und von ihm verblenden ließen. Als sein Stamm und seine Familie getroffen wurde, musste er deutlich erkennen, dass er Gottes Hand nicht entrinnen würde – warum trat er nicht vor, um durch freiwilliges Geständnis Vergebung zu erflehen? Also ward sein Herz und Sinn vom Teufel ganz verblendet, weil er in der Verstocktheit beharrte. Wenn nun auch Gott nicht jedes Mal die Schandtaten in dieser Weise ans Licht bringt und nicht in jedem Falle das Los gebraucht, so zeigt doch dieses Beispiel, dass nichts so verborgen ist, was er nicht zu seiner Zeit aufdeckte. Die Art der Offenbarung ist verschieden, doch möge jeder bedenken, dass alles, was sonst kein Mensch in der weiten Welt bemerkt, vor Gott nimmermehr verborgen bleibt, und dass es seinem Willen überlassen ist, es zu offenbaren. Wenn die Sünde auch zu schlummern scheint, sie liegt doch vor der Tür und lauert auf den Elenden, bis sie ihn überfallen kann.

V. 19. Und Josua sprach zu Achan usw. Durchs Los, das scheinbar nach Zufall entscheidet, war Achan überführt worden. Weil Gott gesagt hatte, er wolle den Täter gleichsam mit dem Finger zeigen, verlangt Josua, ohne erst zweifelnd zu fragen, gleich ein Geständnis der Tat. Er wendet, wie es scheint, dieselbe Beschwörungsformel an, mit welcher die Schriftgelehrten und Hohenpriester nach Joh. 9, 24 den durch Christus geheilten Blinden zur Verantwortung ziehen. Doch hatte Josua einen besonderen Grund den Achan also aufzufordern: Gib Gott die Ehre. Denn durch Ableugnen und Ausflüchte hätte er für unwahr erklärt, was Gottes Verfügung festgestellt hatte. Der Fall war durchs Los entschieden. So fordert Josua Anerkennung des göttlichen Urteils. Zweckloses Abstreiten hätte das Verbrechen noch vergrößert. Es ist weder Ironie noch Verstellung, wenn er ihn anredet: Mein Sohn. Obwohl er ihn bereits zum Tode verurteilt hatte, möchte er doch noch seine väterliche Liebe zu ihm bezeugen. An seinem Beispiel mögen Richter lernen, bei der Bestrafung von Verbrechern ihr Urteil so sehr zu mildern, dass sie sich nicht zu unmenschlicher Strenge hinreißen lassen. Doch soll ihr Mitleid sie auch nicht gleichgültig und nachlässig machen. Sie sollen dem Verurteilten als Väter gegenüberstehen, die das rechte Maß von Milde mit der erforderlichen Strenge zu vereinigen wissen. Viele suchen die Angeklagten durch Liebenswürdigkeit zu gewinnen, indem sie sich stellen, als wollten sie Verzeihung gewähren. Doch wenn sie ihnen dann ein Geständnis entlockt haben, überliefern sie Leute, die schon auf Freisprechung hoffen, plötzlich dem Henker. Josua aber, der den Angeklagten vor Gottes Richterstuhl gestellt hat, sucht ihn nicht mit leeren Gnadenversprechungen zu gewinnen. So kann er dann auch freimütig Gottes Urteil aussprechen.

V. 20. Da antwortete Achan usw. Ganz niedergeschmettert sucht Achan keine Ausrede, will auch sein Verbrechen nicht beschönigen, sondern legt ein offenes Bekenntnis ab. Der heilige Name Gottes ist ein besseres Mittel, um ein Geständnis herbeizuführen, als alle Foltern. Doch ist Achans Offenherzigkeit kein Zeichen der Reue. Schrecken und Angst treiben ihn, das zu offenbaren, was er am liebsten verborgen hätte. Es kommt öfter vor, dass Frevler, die sich zuerst herausreden wollten, plötzlich von selbst Zeugnis gegen sich ablegen, nicht etwa weil sie sich freiwillig dazu herabließen, sondern weil Gott sie gegen ihren Willen dazu zwingt. Achan gibt alle Einzelheiten seiner Tat der Reihe nach genau an: also und also habe ich getan. Er verkennt auch nicht seine eigene Freveltat, sondern da keinerlei Verteidigung und Entschuldigung möglich ist, verurteilt er sich selbst, wie es sich gebührt: Ich habe mich versündigt, - so würde er nicht sagen, wenn er sich nicht dessen bewusst gewesen wäre, dass er sich am Heiligtum vergriffen hat. Also will er nicht mehr behaupten, er habe sich geirrt oder unbedachtsam gehandelt.

V. 22. Da sandte Josua Boten hin usw. Das eilige Laufen der Boten beweist das allgemeine eifrige Bestreben, die Schande so schnell wie möglich zu tilgen. Angstvoll gedachten sie der göttlichen Drohung. Ich werde hinfort nicht mehr mit euch sein, wo ihr nicht den Bann aus euch vertilgt. Darum eilen sie nicht nur, um Josuas Befehl schnell auszuführen, sondern um den Herrn wieder zu versöhnen. Das gestohlene Gut, das nun vor aller Augen hingelegt wurde, bewies deutlich genug die Ursache ihrer schmachvollen Niederlage. Jeder konnte mit eigenen Augen daran sehen, dass Gottes Zorn und die Entziehung seiner Hilfe berechtigt war. So wurde ihnen eingeprägt, was es bedeutete, dass Gott die Erstlinge des Landes Kanaan unvermindert für sich verlangte, auf dass sie seine Freigebigkeit stets im Gedächtnis behielten. Auch lernten sie gleichzeitig, dass Gott selbst in den verborgensten Winkeln alles erkennt, und dass es darum vergeblich ist, nach allerlei Hüllen zu greifen, um seinem Urteil sich zu entziehen.

V. 24. Da nahm Josua usw. Aus zwei Gründen wurde Achan mit seinen Kindern vor das Lager geführt. Zunächst geschah es, damit die Israeliten sich nicht durch die Hinrichtung verunreinigten, sodann auch, damit nicht irgendetwas von der Befleckung im Volke zurückbleibe. Es lag eine gewisse Feierlichkeit darin, dass die Strafe an den Missetätern außerhalb des Lagers ausgeführt wurde: auch dieses rechtmäßige Blutvergießen sollte mit einer gewissen Scheu ausgeführt werden. Nun wurde das verdorbene Glied vom Körper abgeschnitten und das Lager von der Verunreinigung befreit. Um dieses warnende Beispiel dem Gedächtnis einzuprägen, wurde der Ort danach benannt. Wenn wir uns an der Härte der grausamen Strafe stoßen, so wollen wir doch unser kühnes Urteil durch ehrfurchtsvolle Bescheidenheit mäßigen, und nicht tadeln, was unserer Meinung an Gottes Gerichten missfällt. Maßlos hart erscheint es uns wohl, dass die zarten unschuldigen Kindlein durch die Steinigung mitbestraft wurden. Dass die Tiere mitverbrannt werden, können wir eher begreifen: sie sind um der Menschen willen geschaffen und folgen darum mit Recht ihrem Herrn. Alles, was Achan besaß, wurde mit ihm vernichtet. Aber dass die Kinder wegen des Vergehens ihres Vaters vertilgt wurden, war eine harte Strafe, die zudem gegen Gottes eigenen, durch Hesekiel (18, 20) verkündigten Grundsatz verstößt. Aber wir haben soeben schon, beim Bericht über die Zerstörung einer ganzen großen Stadt, wobei Jung und Alt niedergemetzelt wurden (zu 6, 21), uns darüber ausgesprochen, dass Gott niemanden ohne seine Schuld ins Verderben stößt, obgleich er die Missetaten der Väter auf die Kinder fallen lässt. Wir meinen, dass die kleinen unmündigen Kindlein keine Schuld hatten; allein wenn wir bedenken, wie viel tiefer Gottes Erkenntnis eindringt, als unseres Verstandes Wissen, so tun wir besser daran, bei seinem Urteil stille zu schweigen, statt uns durch Verwegenheit und eitle Selbstüberhebung vor Gott schuldig zu machen. Sicherlich war es kein unbedachter Zorn, der ihn dazu trieb, Achans Kinder grausamer Weise mit zu töten. Obwohl sie seine Geschöpfe, das Werk seiner Hand waren, obwohl sie außerdem das untrügliche Zeichen der göttlichen Annahme, nämlich die Beschneidung, an ihrem Fleische trugen, hat er sie dennoch dem Tode überliefert. Was bleibt uns da anders übrig, als im Bewusstsein unserer Unzulänglichkeit uns unter seinen unerforschlichen Ratschluss zu beugen? Es kann ja sein, dass es ihnen heilsam war, zu sterben. Und Gott kann doch das von ihm geschenkte Leben wieder nehmen, wann und wie es ihm gefällt. Einmal zerfleischt ein wildes Tier ein Kind, ein anderes tötet die Schlange mit giftigem Bisse. Eins fällt ins Wasser, das andere gerät ins Feuer; eins erstickt die Amme, das andere wird durch einen Stein zerschmettert. Vielen wird der Mutterleib zum Grab, ehe sie das Licht erblickten. Alle diese Todesarten treffen ein nach Gottes Willen. Wer wollte darum mit ihm rechten? Und wenn einer so töricht sein wollte, es zu tun, - was würde er damit ausrichten? Das steht fest: Keiner kommt um, den Gottes Wille nicht zum Tode bestimmt hätte.

Übrigens beweist die Erwähnung der Ochsen, Esel und Schafe, dass Achan nicht durch Armut und Not zum Diebstahl getrieben wurde, denn er war ein begüterter Mann. Es war unersättliche Gier, da er das gestohlene Gut nicht zum notwendigen Gebrauch, sondern zum Überfluss sich angeeignet hatte.

V. 25. Und Josua sprach usw. Mit Rücksicht auf das Volk musste Josua so scharf reden, denn dieser Fall sollte als abschreckendes Beispiel wirken. Er wollte den Achan nicht der Verzweiflung preisgeben, aber er wollte an seiner Person zeigen, welch schweres Verbrechen es sei, den Frieden der Gottesgemeinde zu stören. – Die Steinigung durch das ganze Volk war ein Zeichen des allgemeinen Abscheus; alle sollten dadurch bezeugen, dass sie sich von dem hier bestraften Frevel lossagten und davor zurückschreckten. Der Steinhaufen sollte ein bleibendes Denkmal für die Nachkommen sein. Zugleich sollte er aber auch verhüten, dass einer aus Unbedachtsamkeit ein Stücklein Silber oder Gold auflesen könnte. Gott hatte zuerst zwar befohlen, ihm das Gold darzubringen; nun aber lässt er nicht zu, dass sein Heiligtum durch gestohlenes Gut entweiht werde.

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