Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 1.

Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 1.

V. 1. Nach dem Tode Moses usw. Hier zeigt sich zunächst Gottes beständige Freundlichkeit gegen sein Volk und die ununterbrochene Sorge um sein Wohlergehen. Durch neue Aufträge bestätigt er den Josua als neuen Führer und beweist dadurch, dass seine Gnade nicht aufhöre. Denn das Volk soll nicht meinen, es sei jetzt durch Moses Tod ganz und gar verlassen. Josua war bereits zum Leiter des Volkes erkoren, es war ihm nicht nur sein Amt auferlegt, sondern er war auch mit Geistesgaben dafür ausgerüstet worden. Allein da oft sogar die Tapfersten, selbst wenn sie wohlgerüstet sind, sich im entscheidenden Augenblick zurückziehen oder gar wankend werden, so war die Ermutigung keineswegs überflüssig, damit Josua sich sofort zum Aufbruch rüste. Nicht nur um seinetwillen wurde seine Berufung aufs Neue bestätigt; vielmehr sollte das Volk nicht länger zögern, von ganzem Herzen diesem Führer zu folgen, den es keinen Fuß bewegen sah, ohne dass Gott voranging.

V. 2. Mein Knecht Mose ist gestorben usw. Zwei Auffassungen sind möglich. Entweder: Da Mose gestorben ist, so ist jetzt die Last auf dich gewälzt; du sollst also an seine Stelle treten, zu dessen Nachfolger du bestimmt bist. Oder: Obgleich Mose gestorben ist, so sollst du dennoch nicht aufhören, sondern vorwärts dringen. Mir scheint es am richtigsten, hier die Folgerung zu finden, dass Josua das Amt, aus welchem Mose geschieden war, nur als rechtmäßiger Nachfolger zu übernehmen habe. Dass der Herr den Mose ausdrücklich seinen Knecht nennt, muss aus dem Zusammenhang verstanden werden, in welchem dieser Titel auf seine Leistungen in der Führung des Volkes deutet. Denn hier handelt es sich nicht um die Gesetzgebung, sondern um die Oberleitung, welche nach Moses Tode auf Josua überging. Nicht nur um Mose zu loben, erkennt Gott ihn als seinen Knecht an, sondern vor allem um das Ansehen Josuas, der an seine Stelle trat, zu erhöhen. Weil nun ein bloßer Befehl für das Volk keine hinreichende Unterlage gewesen wäre, fügt Gott zu dem Befehl, den Jordan zu überschreiten, zugleich die Verheißung, dass die Herrscher der Landstriche, welche Israel betreten sollte, schon so gut wie überwunden seien. Nichts macht uns ja feiger und unbrauchbarer, als Mangel an Vertrauen, dagegen flößt der Glaube an den Gott, der uns glücklichen Ausgang verheißt, Kraft ein zu jeglicher Unternehmung. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Gott das Herz der Israeliten durch wunderbare Verheißungen aufrichtet; vielmehr ruft er ihnen jetzt ins Gedächtnis zurück, was Mose ihnen schon längst vorher bezeugt hatte. Er sagt, jetzt sei die Zeit gekommen, in welcher er erfülle, was Mose ihnen schon früher versprochen habe. Man könnte einwenden, das sei doch dem Abraham lange vor Mose verheißen worden und diese Verheißung, die Mose 400 Jahre später erst vernommen habe, gründe sich daher eigentlich auf den uralten Bund mit Abraham. Darauf erwidere ich: Von diesem allgemein bekannten und berühmten Bunde ist hier nicht die Rede; Mose aber wird darum als Zeuge aufgeführt, weil er noch besser im Gedächtnis des Volkes war. Durch seinen Tod wäre ja der Glaube des Volkes erschüttert worden, wenn Gott nicht verheißen hätte, er werde für die Erfüllung aller Verheißungen bürgen.

V. 4. Von der Wüste an und diesem Libanon usw. Gott hatte die Israeliten zu Herrn des ganzen Landes eingesetzt; ihre Trägheit, die sie an der völligen Eroberung hinderte, durfte nicht ungestraft bleiben. Darum musste in Erfüllung gehen, was Mose ihnen gedroht hatte: wenn sie die dem Untergang geweihten Völker nicht ausrotteten, so würden sie „Dornen für ihre Augen und Stacheln für ihre Seiten“ werden. Aber ebenso wie der vierzigjährige Aufenthalt in der Wüste Gottes Verheißung nicht hinfällig gemacht hatte, so konnte sein Beschluss auch dadurch nicht geändert werden, dass der völlige Besitz noch lange Zeit hinausgeschoben wurde.

Jetzt hätte das Volk mit Eifer in das vorgeschriebene Gebiet eindringen müssen, allein es wollte nicht. Wahrlich da hatte es verdient, noch weiter umhergetrieben zu werden. Aber durch Gottes Nachsicht wurde ihnen ein Gebiet zugewiesen, welches zum bequemen Wohnen ausreichte. Es war ihnen vorhergesagt, dass die von ihnen geschonten Überbleibsel der Völker zur Strafe für ihren Ungehorsam ihnen Gefahr bringen würden; doch wurden sie nur dann von ihnen belästigt, wenn sie durch ihre Treulosigkeit und ihren beständigen Abfall Gottes Zorn hervorriefen. So oft es ihnen gut ging, verfielen sie schnell wieder in Zügellosigkeit. Aber Gottes wunderbare Güte bewahrte sie, dass sie, unterdrückt und fast vernichtet durch die Gewalt der Feinde, in der größten Todesgefahr doch am Leben blieben. Mehr noch: er sandte ihnen plötzlich Retter, welche ihnen in der hoffnungslos verlorenen Lage Hilfe brachten.

V. 5. Es soll dir niemand widerstehen. Weil Josua in Zukunft mit vielen kriegslustigen Feinden zu tun bekam, musste er mit ganz besonderem Vertrauen ausgerüstet werden. Sonst wäre ja Gottes Verheißung über das Land durch die sorgenvolle Frage verdunkelt worden: Wie schwer wird es sein, so viele Völker zu überwinden? Darum wird dieses Hindernis beseitigt. Um allen Zweifel ganz und gar zu tilgen, erinnert der Herr seinen Knecht an die Siege Moses. Bei diesen hatte er deutlich bewiesen, dass es für ihn nicht schwer sei, die größten Helden und Heere zu überwältigen. So soll Josua an dem Beistande, den Gott dem Mose gewährt hatte, erkennen, wie seine Kämpfe ausgehen werden. Denn er soll sie unter derselben göttlichen Führung und Leitung unternehmen: Gottes Gnadenerweisungen schließen sich in ununterbrochener Reihenfolge aneinander an.

Ich will dich nicht verlassen. Dies Wort wird Hebr. 13, 5 angewandt, um die Gläubigen vor dem Geiz zu warnen und um allerlei Besorgnis in den allzu ängstlichen Gemütern zu beseitigen. Aus der Ängstlichkeit erwächst Misstrauen, und das weckt in uns solche Unruhe und Not, dass wir elendiglich hin und her schwanken auch in den geringsten Gefahren, bis wir endlich zu der Gewissheit kommen, dass Gott bei uns ist, und dass wir bei ihm überreichen Beistand finden zu unserem Schutze. Kein anderes Heilmittel für unsere Furchtsamkeit schreibt er uns vor; die Gegenwart seiner Hilfe muss uns genügen.

V. 6. Sei getrost und unverzagt. Aufs Neue wird die Ermunterung zur Tapferkeit angefügt, und zwar, eine doppelte, damit sie desto mehr Eindruck mache. Doch wird auch die Verheißung mit anderen Worten nochmals eingeschoben, um den Josua seiner Berufung gewisser zu machen. Ohne ängstliche Zweifel soll er das Amt übernehmen, von dem er wusste, dass es ihm von Gott übertragen sei. Auch soll er, wenn er beim Kampf auf großen Widerstand stößt, nicht mitten im Laufe wankend werden. Denn es genügte nicht, dass er im Anfang mit Mut erfüllt wurde: er musste auch mit Beharrlichkeit ausgerüstet werden. Der Glaube besitzt die Kraft, uns zu tapferem Handeln anzutreiben; Feigheit und Zurückweichen offenbart den Unglauben. Doch kann man aus dieser Stelle ersehen, dass die Verheißungen allein nicht genügend Kraft besitzen, wenn nicht die anspornenden Ermunterungen hinzutreten. Denn wenn sogar Josua, dessen mutiger Eifer doch sonst einzigartig war, zur Pflichttreue angetrieben werden musste, wie viel heftiger müssen wir dann angespornt werden, die wir doch so sehr an Trägheit leiden! Dazu kommt noch, dass Josua nicht nur ein einzelnes Mal und nicht nur mit einem einzelnen Worte zum Mut und zur Beharrlichkeit aufgefordert wird; zu wiederholten Malen und mit immer neuen Worten wird er ermutigt, weil er sich für viele und mannigfaltige Kämpfe rüsten musste. Er soll tapfer und ungebrochenen Mutes sein. Obwohl schon aus diesen zwei Worten klar wird, dass Gott ihm hier eine überaus wichtige Ermahnung gibt, so ist er doch nicht zufrieden mit diesem doppelten Ausdruck und wiederholt kurz darauf nochmals die Ermahnung und zwar noch ausführlicher. Er fügt jetzt (V. 7) noch das Wörtlein sehr hinzu. Daraus lernen wir also, dass wir niemals gefährlichen und schwierigen Aufgaben gewachsen sein können, wenn wir nicht das angespannteste Streben einsetzen. Unsere Kraft ist schwach, Satan tritt uns heftig entgegen, und nur allzu leicht lassen wir im Eifer nach. Weil aber viele ihre Kraft auf verkehrte und zwecklose Art versuchen, wird der rechte Weg zur Tapferkeit gezeigt: Josua soll seinen ganzen Eifer darauf richten, das Gesetz zu befolgen. Daraus folgt, dass wir erst dann unüberwindlich werden, wenn wir dem treuen Gott Gehorsam zu leisten bemüht sind. Stellenweise kann es besser sein, still und untätig liegen zu bleiben, statt sich von übereilter Kühnheit hinreißen zu lassen. Aber Gott verlangt nicht einfach, dass sein Knecht mutig sei, das Gesetz zu bewahren, vielmehr fordert er, dass er mannhaft kämpfe, damit er unter der Last seines mühevollen Amtes nicht ermüde. Aber weil Zweifel aufkommen konnten, wie Josua sich in verwickelten Lagen verhalten und entschließen sollte, so weist er ihn auf das, was das Gesetz ihn lehrt. Denn wenn er dieser Richtschnur folge, werde er auf alles vorbereitet sein. Weislich, so sagt er, wirst du handeln in allen Dingen, wenn du dich nur an die Lehre des Gesetzes hältst. Das hebräische Wort, welches hier steht, bedeutet nicht nur: klug handeln, sondern auch: glücklich handeln; in der Regel ist ja Unklugheit und Unglück miteinander verbunden. Josua soll sich also ganz sicher auf Gottes Hilfe verlassen können, wenn er sich von seiner Belehrung ganz und gar leiten lässt. Wenn uns Gefahren erschrecken und bedrohen, kommt sehr viel darauf an, dass wir die Gewissheit haben, Gott sei einverstanden mit unserem Tun. Denn nichts anderes ist uns vorgeschrieben, als seinen Geboten gehorchen. Weil es nun aber nicht genügt, bis zu einem gewissen Grade Gott zu gehorchen, so empfiehlt er dem Josua Bescheidenheit und Nüchternheit, durch die er in einfältigem Gehorsam erhalten werden soll. Viele nämlich, welche sonst wohl die rechte Gesinnung haben, bilden sich bisweilen ein, mehr zu verstehen, als wirklich der Fall ist; daher kommt es, dass sie dann aus Nachlässigkeit vielerlei versäumen, oder ihre eigenen Pläne mit Gottes Geboten vermengen. Das allgemeine Verbot, nichts zum Gesetze hinzuzufügen, nichts davon wegzulassen (5. Mo. 13, 1), wendet Gott hier speziell auf Josua an. Denn wenn dieser Grundsatz für das Leben des gewöhnlichen Bürgers gilt, so müssen die Führer und Leiter des Volkes vor allen anderen Gott gehorchen. Wenn nun sogar ein Held wie Josua einen solchen Zügel zur Selbstbeherrschung nötig hatte, damit er nicht zu weit gehe, wie unerträglich erscheint dann unsere Verwegenheit, mit der wir, die wir doch weit unter ihm stehen, uns dennoch größere Freiheiten herausnehmen! Wer höhere Ehren genießt, soll nach Gottes besonderer Vorschrift dennoch sich durch dasselbe Gesetz gebunden fühlen, wie der Geringste im Volke.

V. 8. Lass das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen. Auch eine unablässige Beschäftigung mit dem Gesetze wird uns vorgeschrieben; denn wenn sie auch nur ganz kurze Zeit unterbrochen wird, so schleichen sich leicht Irrtümer ins Herz, und das Gedächtnis rostet ein. Daher gehen viele, die das regelmäßige Lesen in Gottes Wort unterlassen, in Unwissenheit und Unverstand ihrer Beschäftigung nach. Gott verlangt hier von seinem Knechte, dass er täglich Fortschritte mache und in seinem ganzen Leben unaufhörlich immer tiefer in das Gesetz eindringe. Daraus folgt, dass diejenigen, welche dieses Forschens überdrüssig werden, maßlos verblendet sind. Dass übrigens das Gesetz nicht von Josuas „Munde“ weichen soll, während doch die Erinnerung an die Augen näher zu liegen schien, ist in Rücksicht auf seine besondere Stellung gesagt: Josua soll das Gesetz nicht nur für sich wie ein Privatmann studieren, sondern als Führer des Volkes zu dessen allgemeinem Besten. Was er aus dem Gesetz lernt, soll er, wie es sein Amt mit sich bringt, zum Nutzen des Volkes vortragen. Auch soll sein Lerneifer den anderen ein Vorbild des Gehorsams sein. Viele predigen nämlich Gottes Gesetze mit dem Munde, die doch seine schlechtesten Wächter sind. Zweierlei wird ihm also befohlen: das Volk soll er belehren, und sein eigenes Leben gleichzeitig nach derselben Richtschnur bilden. – Der andere Teil des Verses zeigt, dass die Gottlosen schließlich doch kein Glück haben mit dem, was sie unter Verachtung des göttlichen Wortes unternehmen. Selbst wenn sie zuweilen der Anfang freundlich anlacht, wird der Ausgang unglücklich sein. Nirgend anders als nur allein von Gottes Gnade dürfen wir günstige Erfolge erhoffen. Deshalb sollten wir ablassen von den Plänen, die wir leichtsinnig gefasst haben, und alle Anmaßung fahren lassen, die stets mit Verachtung Gottes verbunden ist. Die Gläubigen müssen also, damit alles ihnen nach Wunsch gehe, Gottes Segen zu erlangen suchen, sowohl durch eifriges Forschen in seinem Wort, als auch besonders durch Gehorsam des Glaubens. Am Schluss des Verses wird eine zweite Verheißung beigefügt. Josua soll mit der Zusage eines glücklichen Erfolges zugleich daran erinnert werden, dass die Menschen nichts richtig, ordentlich und weise anfangen können, wenn sie sich nicht dem Worte Gottes unterwerfen. Darum wird die Klugheit, welche die Gläubigen sich aus Gottes Wort erwerben, gegenübergestellt dem dreisten Selbstvertrauen derjenigen, welche aus eigenem Sinn verständig genug zu handeln meinen.

V. 9. Siehe, ich habe dir geboten usw. Gott stellt seine Autorität in den Mittelpunkt und will dadurch das Herz seines Knechts von Zweifel und Sorge befreien. Bin ich es nicht, der dir solchen Befehl gibt? fragt er. Ich selbst werde auch mit dir sein. Das wird nachdrücklich betont, denn seinem Befehle darf niemand widerstreben. Diese Stelle lehrt wieder, dass nichts unser Vertrauen stärker beeinflussen kann, als wenn wir uns auf Gottes Berufung und Befehl verlassen und in dieser Gewissheit ihm als Führer folgen, wohin er uns ruft.

V. 10. Da gebot Josua usw. Man könnte darüber im Zweifel sein, ob Josua nach der Aussendung der Kundschafter oder erst nach ihrer Rückkehr diesen Befehl erlassen habe. Mir scheint es nicht nur wahrscheinlich, sondern ganz sicher, dass er erst, nachdem er aus ihren Berichten die gewünschte Auskunft empfangen hatte, mit dem Aufbruch begann. Es wäre ja sonst verkehrte Übereilung gewesen, einen unbekannten Weg zu beginnen, wenn er es doch für ratsam hielt, sich erst über viele Dinge Auskunft zu verschaffen, bevor er den Fuß in Feindesland setzte. Aber es ist ja nichts Neues, dass die zeitliche Reihenfolge nicht eingehalten und das, was überschlagen wurde, erst später angefügt wird. Daher ist das zweite Kapitel gleichsam ein eingeschobener Abschnitt, welcher den Leser ausführlicher auseinandersetzen soll, wann Josua den Befehl zum Aufbruch gegeben habe. Denn als er nach ausreichender Erkundigung sah, dass die Zeit zum Aufbruch gekommen war, befahl er dem Volk, sich zum Abmarsch zu rüsten. In seinem Vertrauen verkündigte er (V. 11), dass sie nach Verlauf von drei Tagen den Jordan überschreiten würden. Das hätte er nie wagen dürfen, wenn nicht Gottes Geist ihn dazu getrieben hätte. Niemand hatte die Furt untersucht, auch zeigte sich keine Hoffnung, dass dies noch geschehen könnte. Dazu ließ der Fluss sich weder mit einer Brücke noch mit Schiffen überschreiten. Leicht und ohne Mühe hätte man den Übergang verhindern können. Nichts blieb also übrig, als dass Gott selbst sie hinüberführte. Das hoffte Josua auch, und zwar nicht leichtsinnig aus seinem eigenen Herzen, sondern weil es ihm von Gott geoffenbart worden war. Der bereitwillige Gehorsam des Volkes bewies Glauben, denn bei den großen Schwierigkeiten wären sie sicherlich nicht so gehorsam gewesen, wenn sie nicht alle Sorge auf Gott geworfen hätten. Und es ist unzweifelhaft, dass Gott ihnen diesen Eifer ins Herz gab, um nun alle Hindernisse, welche die Verwirklichung seiner Verheißungen verzögern konnten, zu beseitigen.

V. 12. Und zu den Rubenitern usw. Ihnen war das Erbteil östlich vom Jordan eingeräumt, doch unter der Bedingung, dass sie bei der Unterwerfung der kananäischen Völkerschaften ihren Brüdern noch Kriegsdienste leisten sollten. Josua ermahnt sie nun, sich treu zu beweisen; sie sollen ihre Weiber, Kinder und all ihr Gepäck zurücklassen, den Jordan überschreiten und nicht eher mit dem Kriegführen aufhören, als bis sie auch ihren Brüdern zum ruhigen Besitze geholfen haben. Durch zwei Gründe treibt er sie zur Erfüllung dieser Pflicht an; der erste ist aus der Autorität, der zweite aus der Billigkeit hergeleitet. Er erinnert sie an das, was Mose ihnen befohlen hat, von dessen Worten sie nicht abweichen dürfen: denn es war allgemein anerkannt, dass er nichts aus sich selbst hervorgebracht hatte, sondern nur das, was Gott ihm in den Mund gelegt hatte. Dabei spricht Josua nicht geradezu aus, gibt ihnen aber deutlich zu verstehen, dass auch sie an diese Abmachung gebunden seien, weil sie es auf sich genommen hatten, also zu handeln.

Auch (V. 15) durch Gründe der Billigkeit sucht er sie zu bewegen; sonst wäre ja die Lage derjenigen, für die das gleiche Erbteil bestimmt war, eine ganz ungleichmäßige geworden. Es wäre doch unrecht, so sagt er, wenn eure Brüder in heißem Kampfe noch immer gefährdet wären, während ihr schon alle Vorteile eines ruhigen Wohnsitzes genießen könnt. Darum gibt er ihnen den Befehl (V. 14): ihr sollt vor euren Brüdern herziehen. Damit meint er nicht, dass sie in erster Linie mit den Feinden sich herumschlagen und in den mannigfaltigsten Gefahren desto mehr Last und Mühe ertragen sollten. Er will sie dadurch nur ermutigen zu freudigem Vorwärtsdringen; es hätte ja wie Feigheit ausgesehen, wenn sie als Nachhut den anderen langsam nachgezogen wären. Dass sie „vorherziehen“, bedeutet also nicht, dass sie in vorderster Kampflinie stehen, sie sollen vielmehr durch Einhalten der Ordnung ihren bereitwilligen Eifer bekunden. Denn sicherlich sind die Kinder Israel so, wie sie eingeteilt waren, in vier Abteilungen vorangezogen. Übrigens sollen nur streitbare Männer ausziehen: die Greise und weniger starke Leute durften zu Hause bleiben, um ihre Geschäfte zu betreiben oder auszuruhen, wenn sie schwach und hinfällig waren.

V. 16. Und sie antworteten usw. Die Kinder Rubens gaben sich mit Josuas Befehl nicht nur zufrieden, sondern leisteten freiwillig und freudig den schuldigen Gehorsam. Das erst ist eine rechte Pflichterfüllung, wenn man mit Freuden tut, was Gott verlangt, nicht mit Widerwillen, wie Paulus sagt (2. Kor. 9, 7). Nun könnte einer sagen, sie hätten etwas bescheidener sein müssen mit der rühmenden Hervorhebung ihres Gehorsams gegen Mose (V. 17); denn sie waren doch oft sehr ungehorsam gegen ihn gewesen. Darauf antworte ich: Wenn sie ihm auch nicht stets mit dem erforderlichen Eifer gefolgt sind, so waren sie doch zum Gehorsam bereit genug. Man könnte sogar ihre Bescheidenheit lobenswert finden, wenn man vergleicht, wie übermütig ihre Väter sich oft aufgelehnt und mit welcher Hartnäckigkeit sie das von Gott ihnen auferlegte Joch abzuschütteln versucht haben. Hier reden nicht jene Widerspenstigen, über die Gott im Psalm 95, 8 ff. klagt, sie hätten ihn gereizt, sondern diejenigen, welche sich den göttlichen Strafexempeln gebeugt und dadurch Nachgiebigkeit und Gehorsam gelernt hatten. Sie heben aber nicht so sehr ihre Tapferkeit hervor, als vielmehr die Machtstellung des Josua, und versprechen, er werde ihnen so viel gelten, wie Mose ihnen galt. Der Wunsch, den sie anfügen, weist auf den Grund ihrer Zuversicht: Gott möge mit seinem Knechte Josua sein, wie er dem Mose geholfen habe. Damit zeigen sie sich zum Kampfe unter den neuen Führer bereit, weil sie davon überzeugt waren, dass er durch Gott eingesetzt war, und hofften, mit Gottes Hilfe werde er siegreich sein. Sie hatten es ja erfahren, dass Gott wunderbar durch Moses Hand sich gegenwärtig bewiesen hatte. Ihr Gottvertrauen zeigt sich sowohl darin, dass sie zur eigenen Ermutigung an die bisherigen Erfahrungen göttlicher Gnade erinnern, als auch darin, dass sie den Josua jetzt als glücklichen und siegreichen Nachfolger Moses anerkennen. Die Worte: „dein Gott“ weisen nachdrücklich auf die fortlaufende Kette der göttlichen Gnadenerweisungen hin. Der ganze Satz, in welchem sie ihren Glauben rühmen, ist zugleich ein Segenswunsch. Sie zeigen dadurch, dass sie gute Hoffnung in ihrem Herzen haben; aber weil es sich um besonders schwierige Aufgaben handelt, wenden sie sich gleichzeitig zum Gebet. Dann ermuntern sie auch ihrerseits den Josua zur Unverzagtheit und beweisen dadurch, dass sie von demselben Vertrauen erfüllt sind wie er. Obgleich also Josua für alle ein Vorbild der Tapferkeit war und sie durch Worte und Taten anfeuerte, wurde er selbst auch, der ihnen voran zog, durch sie angespornt und konnte durch seinen Mut wiederum anfeuernd auf das Volk einwirken.

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