Calvin, Jean – Das Evangelium des Johannes - Kapitel 17.

Calvin, Jean – Das Evangelium des Johannes - Kapitel 17.

V. 1. Solches redete Jesus. Nachdem Jesus seine Jünger über das geduldige Tragen des Kreuzes belehrt hatte, hat er ihnen Trostworte dargeboten, damit sie sich auf dieselben stützen und standhalten sollten. Darauf verhieß er ihnen das Kommen des Geistes, richtete sie dadurch zu neuer, schöner Hoffnung auf und setzte ihnen dann auseinander, wie prächtig und herrlich es in seinem Reiche sein werde. Nunmehr geht er zum Gebet über; und er hat wohl Ursache dazu: denn bloße Belehrung bleibt ein kaltes Ding, wenn Gott sie nicht innerlich wirksam macht. Jesus gibt mit diesem Gebet allen Lehrern ein Vorbild, dass sie nicht nur darauf ihren Fleiß verwenden, dass sie den guten Samen des Wortes säen, sondern auch eifrig dabei Gott um seine Beihilfe anflehen, damit sein Segen ihre Arbeit fruchtbar mache. Kurz, diese Anrufung des Vaters war das Siegel auf die vorangehende Lehre, die damit ihren zusammenhaltenden Schlussstein empfing und den Jüngern nun als ein fester Grund des Glaubens dienen konnte.

Hob seine Augen auf gen Himmel. Das war ein Anzeichen außerordentlicher Ergriffenheit und Inbrunst. Schon mit seiner äußeren Haltung bezeugte Christus, dass er der Bewegung seiner Seele nach, mehr im Himmel als auf der Erde weilte; er ließ die Menschen weit hinter sich zurück und hielt vertrauliche Zwiesprache mit dem Vater. Nach dem Himmel schaute er, nicht etwa, weil der Gott, der auch die ganze Erde erfüllt, auf diesen Himmel beschränkt wäre, sondern weil dort vorzugsweise seine Majestät erscheint. Auch mahnt uns der Anblick der Himmel daran, dass Gott hoch erhaben ist über allem Geschaffenen. Dem Aufheben der Augen eng verwandt ist das Emporstrecken der Hände beim Beten. Da wir Menschen von Natur träge und schwerfällig sind, und irdischer Sinn uns in die Tiefe zieht, so brauchen wir derartige äußere Anregungen, Notbehelfe, die uns zu Gott emportragen sollen. Wollen wir übrigens mit Wahrhaftigkeit Christo nachfolgen, so dürfen wir ihn nicht einfach nachahmen; man muss sich hüten, dass man mit seiner Gebärdensprache nicht über den augenblicklichen Seeleninhalt hinausgehe. Wie es uns innerlich zumute ist, so sollen wir Zunge, Augen und Hände gebrauchen. Der Zöllner trat mit niedergeschlagenen Augen vor Gott; so war es recht. Er hat damit nicht etwa, wie man bei einer gesetzlich-einseitigen Auffassung unserer Stelle denken könnte, einen Verstoß begangen. Das Sündenbewusstsein verwirrte und beschämte ihn dermaßen, dass er nicht anders konnte, als zu Boden zu blicken. Das war jedoch kein Hindernis für ihn, mit gläubiger Zuversicht Verzeihung zu erbitten. Selbstverständlich ziemte unserem Heilande ein anderes Benehmen beim Gebet: er hatte ja nichts, dessen er sich zu schämen zu brauchte. Auch David hat ohne Zweifel je nach den Zeitumständen und seiner Herzensverfassung in ganz verschiedener Weise gebetet.

Vater, die Stunde ist hier usw. Christus bittet um die herrliche Aufrichtung seines Reiches, um dann wieder seinerseits des Vaters herrlichen Namen zu verklären. Dass jetzt erst diese Stunde gekommen sei, obwohl er doch durch seine Wunder und den gesamten Eindruck seiner Persönlichkeit längst als Gottessohn erwiesen war, kann Jesus sagen, weil der Glanz seines geistlichen Reiches in der Tat erst jetzt aus ziemlicher Dunkelheit hervorbrechen sollte. Freilich war ja der Tod, welchem Jesus zunächst entgegenging, äußerlich nichts weniger als eine Offenbarung dieses Glanzes. Uns aber leuchtete gerade darin seine unermessliche Herrlichkeit, die den Ungläubigen verborgen bleibt: macht uns doch Christi Tod dessen gewiss, dass unsere Sünden gesühnt, dass die Welt mit Gott versöhnt ist, dass es aus ist mit dem Fluch und mit Satans Gewalt.

Das hat auch Christus mit dieser seiner Bitte im Auge; er will, dass durch das Wirken des Geistes vom Himmel her sein Tod Frucht bringe, wie sie Gott in seinem ewigen Ratschluss gewollt und beabsichtigt hat. Mit der Stunde, welche gekommen sei, meint er nicht die, welche Menschen angesetzt haben, sondern welche Gott vorherbestimmt hat. Trotzdem ist dies Gebet nicht überflüssig; Christus hängt so völlig ab von dem Willen Gottes, dass er erkennt: Mag es der Vater auch noch so gewiss zugesagt haben, - mir kommt es zu, danach zu verlangen, darum zu bitten.

Gott will alles ausführen, was er sich vorgenommen hat, und es hat demgegenüber ebenso wenig Bedeutung, ob die Welt gleichgültig gähnend dabei zuschaut oder mit aller Macht sich dagegen wehrt; dennoch ist es unsere Pflicht, das, was er verheißen hat, von ihm zu erbitten. Das ist ja gerade das Gute an den Verheißungen, dass sie uns ins Gebet treiben.

Auf dass dich dein Sohn auch verkläre. Beides hängt miteinander zusammen: Verklärung des Sohnes durch den Vater und des Vaters durch den Sohn. Was anders ist der Zweck des Kommens Jesu, als dass er uns zum Vater führt? Daraus folgt: alle Ehre, die Christo dargebracht wird, ist durchaus nicht etwa eine Schmälerung der Ehre des Vaters, sondern ganz im Gegenteil eine Befestigung derselben. Zu bedenken ist immer, was für eine Stellung Christus bei diesem Gebet einnimmt: er redet hier als Gott, geoffenbart im Fleisch, in seinem Amte als Mittler zwischen Gott und Mensch, - deshalb dürfen wir hier nicht etwa auf seine ewige Gottheit allein schauen.

V. 2. Gleichwie du ihm Macht hast gegeben. Damit bekräftigt Jesus nochmals, dass er nichts erbittet, was etwa dem Willen des Vaters nicht entspräche. Das ist ja stete Gebetsregel: Erbitte nichts mehr, als was Gott willig geben wird! Wäre es doch höchst verkehrt, etwas vor ihn zu bringen, was nur uns beliebt.

„Macht über alles Fleisch“ ist die Christo verliehene Herrscherstellung: der Vater hat ihn als König und Haupt eingesetzt. Doch merke wohl, weshalb! Er soll den Seinen das ewige Leben vermitteln. Seine Königsgewalt hat Christus also nicht sowohl seinet-, als vielmehr unserer Rettung wegen empfangen. Darum sollen wir uns mit freiem, fröhlichem Willen Christo unterwerfen, nicht etwa bloß um des unausweichlichen Befehls Gottes willen: ist doch diese Ergebung an Christum, die uns zum ewigen Leben führt, für uns selbst das Allerbegehrenswerteste. Übrigens sagt Christus nicht, er sei von Gott zum Herrn der ganzen Welt bestellt, um jedermann ohne Unterschied das Leben zu verschaffen, sondern er bezieht diese Gnade nur auf die, welche ihm gegeben worden sind.

Wieso aber gegeben? Unterwirft ihm doch der Vater auch die, welche er von sich stößt.

Antwort: Nur die Auserwählten gehören wirklich zu seiner Herde, die er als ein treuer Hirte bewacht. Somit erstreckt sich zwar Christi Königsstab auf alle Menschen, bringt aber nur den Auserwählten Rettung, welche mit willigem Gehorsam der Stimme des Hirten folgen; die andern zwingt er mit Gewalt zu gehorchen, bis er sie zuletzt mit eisernem Zepter ganz zerschmettert.

V. 3. Das ist aber das ewige Leben usw. Damit beschreibt Jesus, auf welche Weise er das ewige Leben verleiht: dadurch, dass er den Auserwählten helle, klare Erkenntnis Gottes schenkt. Jesus redet nämlich hier nicht von dem Genuss des Lebens, wie wir es dereinst zu besitzen hoffen, sondern nur davon, wie man zum Leben kommt. Wer diesen Spruch recht verstehen will, muss sich zuerst vergegenwärtigen, dass wir alle in einem Todeszustande befangen sind, bis der lebendige Gott, der allein das Leben ist, uns leuchtend aufgeht. Ist das geschehen, können wir ihn im Glauben „unseren Gott“ nennen, so sind wir eben damit in den Besitz des Lebens gelangt; und erst wo diese Erfahrung vorhanden ist, kann von einer für unser Heil wirklich fruchtbaren Erkenntnis die Rede sein. In unserem Verse hat jedes sein besonderes Gewicht; denn es handelt sich eben nicht um jede beliebige Erkenntnis Gottes, sondern um die, welche aus Glauben in Glauben uns in Gottes Ebenbild umgestaltet. Diese Erkenntnis ist ganz dasselbe wie der Glaube, durch den wir Christo einverleibt und damit Gottes Kinder und Himmelserben werden. Weil aber Gott nur im Angesichte Christi erkannt wird, der sein lebendiges und deutliches Abbild ist, deshalb heißt es hier: dass sie dich den du gesandt hast, Jesum Christ, erkennen. Davon, dass an erster Stelle der Vater und dann erst der Sohn steht, darf man sich nicht irreführen lassen, als wäre die Reihenfolge des Glaubens diese: zunächst musst du Gott erkennen, und dann muss du auch Christum noch berücksichtigen. Das ist durchaus nicht der Sinn. Vielmehr ist Gott überhaupt nur durch Vermittlung des Sohnes erkennbar.

Gottes Wesen wird nun mit zwei Beiwörtern beschrieben: Er ist der wahre Gott, und er ist allein Gott. Es ist vor allem notwendig, dass man im Glauben den scharfen Unterschied innehält zwischen dem wahren, d. h. wirklichen Gott selbst und leeren Menschengedanken über die Gottheit. Hat der Glaube mit unumstößlicher Gewissheit ihn ergriffen, so darf er nun in keiner Weise mehr gebeugt oder erschüttert werden. Sodann ist unumgänglich nötig, dass der Glaube, in der Einsicht, dass es an Gott weder Veränderung noch Unvollkommenheit gibt, an ihm allein seine Genüge finde.

Die geläufige Übersetzung: sie sollen dich erkennen, der du allein wahrer Gott bist, - erscheint mir ziemlich farblos. Wir sollen vielmehr den Vater als den wahren Gott anerkennen. Dabei entsteht freilich der Anschein, als spräche Christus sich selbst ein wirkliches Recht auf den göttlichen Namen und einen Anteil am göttlichen Wesen ab. Wollte man dem gegenüber sagen, dass unser Satz vielmehr die Worte „und den du gesandt hast, Jesum Christ“ unter den Titel des allein wahren Gottes mitbegreifen wolle, so würde nur die gleiche Schwierigkeit bezüglich der Gottheit des heiligen Geistes sich einstellen.

Die Lösung besteht darin, dass wir uns die im Johannesevangelium geläufige Sprechweise Jesu gegenwärtig halten: wenn der Christus, der in Menschengestalt vor uns steht, vom Vatergott redet, so denkt er dabei an die Gottheit in ihrer überweltlichen Macht. Einer ist also wahrer Gott: der Vater Jesu Christi. Das heißt: eben der Gott, der seit langem der Welt den Erlöser verheißen hatte, ist dieser Eine; aber in Christo allein ist Gottes Einheit und Wahrheit zu finden, - denn dazu hat sich Christus erniedrigt, dass er uns emporhöbe. Wenn man dies versteht, wird man auch hier Christi göttliche Majestät erkennen, und ihn ganz Vater, und den Vater ganz in ihm anschauen.

Kurz, wer Christum als etwas Besonderes für sich neben Gott dem Vater ansieht, den Sohn vom Vater losreißt, der kennt den noch nicht, der allein wahrer Gott ist, und macht sich einen Gedankengott. Darum werden wir geheißen, Gott und den, den er gesandt hat, zu erkennen: denn dieser ist nur die ausgestreckte Hand, mit welcher Gott uns zu sich einlädt. - -

Die Leute, die es nicht fassen können, dass ein Mensch lediglich deshalb verloren gehen soll, weil er Gott nicht kennt, haben noch nicht begriffen, dass Gott die einzige Quelle des Lebens ist, und dass daher alle, die von ihm abgewandt sind, kein Leben haben können. Und wenn man nur durch Glauben zu Gott kommen kann, so hält uns unausweichlich der Unglaube im Tode fest.

Wenn man demgegenüber eine Ungerechtigkeit darin findet, dass Menschen, die außerdem gerecht und unschuldig sind, verdammt werden, so übersieht man, dass doch tatsächlich an den Menschen, so lange sie in ihrer alten Natur bleiben, nichts recht und rein ist. Erst durch Erkenntnis Gottes werden wir, wie Paulus Kol. 3, 10 bezeugt, zu Gottes Ebenbild erneuert.

V. 4. Ich habe dich verklärt, d. h. ich habe dir Ehre verschafft. So sagt Jesus, weil Gott einerseits in seiner Lehre, anderseits in seinen Wundern der Welt bekannt geworden war. Die Ehre Gottes aber besteht darin, dass wir ihn für das ansehen, was er wirklich ist. Wenn Jesus hinzusetzt: Ich habe das Werk vollendet, das du mir aufgetragen hast, - so will er damit sagen: Nun bin ich am Ziele der Laufbahn, auf die du mich gerufen hast, - war ja doch die Zeit da, wo er in seine himmlische Herrlichkeit zurückkehren sollte. Doch redet er hier nicht bloß von seinem Lehramt, sondern will auch die anderen Seiten seines Berufes mit einbeziehen. Denn wenn auch noch die Hauptsache ausstand, sein Opfertod, mit dem er die Sünden aller Menschen sühnen sollte, so durfte Jesus doch im Angesichte dieser Todesstunde schon wie auf ein vollendetes Werk zurückblicken. Lag auch diese Stunde noch hinter ihm, dann blieb nichts anderes mehr übrig als die Ausgießung des Geistes. Durch seine Kraft sollte dann die Frucht und der Ertrag seines ganzen nach des Vaters Gebot ausgeführten Lebenswerkes zutage kommen.

V. 5. Mit der Klarheit, die ich bei dir hatte. Jesus wünscht, beim Vater verherrlicht zu werden, nicht bloß innerlich und ohne Zeugen, sondern so, dass er, im Himmel wiederaufgenommen, dort seine Erhabenheit und Macht ausüben könne, damit jedes Knie sich vor ihm beuge. Der Zusatz bei dir selbst steht im Gegensatz zu aller irdischen und vergänglichen Herrlichkeit (vgl. Röm. 6, 10). Dabei erbittet Jesus nichts Neues und Zufälliges, sondern lediglich die Herrlichkeit, die er beim Vater hatte, ehe die Welt war. Dieselbe soll aber jetzt auch in dem menschlichen Fleische, das er angenommen hatte, wiederstrahlen oder, besser gesagt, in seiner ganzen mittlerischen Person. Wir haben hier eine hervorragende Beweisstelle dafür, dass Christus durchaus nicht etwa erst neuerdings Gott geworden oder in der Zeit als eine Art Gott geschaffen worden ist. War seine Herrlichkeit eine ewige, so ist er auch selbst stets gewesen. Unterschieden wird freilich zwischen seiner Person und der des Vaters, - so ist er also nicht bloß Gott von Ewigkeit, sondern auch das ewige Wort Gottes, vom Vater gezeugt vor aller Zeit.

V. 6. Ich habe deinen Namen offenbart. Hier beginnt die Fürbitte Jesu für die Jünger. Mit der innigen Liebe, die ihn befähigte, für sie nun bald in den Tod zu gehen, legt er die Sorge für ihr Wohl Gott ans Herz. Zunächst hebt er hervor, dass sie seine Lehre angenommen haben, welche die Menschen zu wahren Gotteskindern macht. Wohl war Christus unermüdlich treu darauf bedacht, alle Menschen zu Gott zu rufen, aber alle seine Bemühungen hatten nur Erfolg bei den Auserwählten. Jedem zugänglich war seine Predigt, welche den Vaternamen Gottes kundtat, und auch gegenüber Verstockten hat er unablässig Gottes Herrlichkeit gepriesen. Der Grund, dass er hier sagt, er habe nur einer kleinen Zahl Menschen diesen Namen offenbart, liegt darin, dass nur die Auserwählten infolge innerer Belehrung durch Gottes Geist von solcher Offenbarung einen Nutzen haben. Dieser Unterschied, dass viele übergangen werden, und nur einigen der Name des Vaters innerlich offenbart wird, liegt letzthin in Gottes ewiger Erwählung. Darum redet Jesus von den Menschen, die du mir von der Welt gegeben hast. So fließt also der Glaube aus der Vorherbestimmung Gottes und wird nicht ohne Auswahl allen verliehen, wie auch nicht alle zu Christo kommen. Wenn er hinzufügt: sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, so sagt er damit zunächst, dass ihre Auswahl von Ewigkeit her feststeht, sodann, worauf gegründet wir dieselbe zu denken haben. Sind die Auserwählten von je her Gottes Eigentum, so stellt Gott den Unterschied zwischen ihnen und den Verworfenen nicht her auf Grund ihres Glaubens oder irgendeines Verdienstes, sondern allein auf Grund seiner freien Gnade; und hätten sie sich ihm noch so sehr entfremdet, so rechnet er sie doch in seinem geheimen Ratschluss zu den Seinigen. Sie selbst kommen aber erst dadurch zur Gewissheit über diesen göttlichen Ratschluss, dass der Vater dem Sohne alle die zur Obhut übergibt, welche er auserwählt hat, damit sie nicht verloren werden. Wollen wir untrüglich wissen, dass wir zur Schar der Gotteskinder gehören, so müssen wir unsere Augen auf Christum richten. Von der Vorherbestimmung Gottes erfährt man überhaupt erst dadurch etwas, dass Christus erscheint; dadurch, dass er uns sich zu eigen macht, erfahren wir, dass wir vorherbestimmt sind.

Sie haben dein Wort behalten. Das ist die dritte Stufe. Die erste ist die Auswahl aus Gnaden. Die zweite ist jenes göttliche Geben, wodurch wir der Pflege Christi anvertraut werden. Vom guten Hirten angenommen, kommen wir vermöge unseres Glaubens zu seiner Herde. Während nun den Verworfenen das Wort Gottes nichts hilft, ist es in den Herzen der Auserwählten keimfähig und treibt Wurzeln. Daher heißt es von ihnen: „Sie behalten das Wort“.

V. 7. Nun wissen sie usw. Hier kommt zum Ausdruck, was die Hauptsache beim Glauben ist, nämlich dass man so an Christum glaubt, dass der Glaube nicht stehen bleibt bei dem Anblick menschlicher Niedrigkeit, sondern seine göttliche Kraft anschaut und erfasst. Wenn die Gläubigen wissen, dass alles, was Jesus hat, von Gott stammt, so erkennen sie damit auch, dass, was Christus ihnen gibt, himmlisch und göttlich ist. Und es ist ja auch so: ergreifen wir Gott nicht in Christo, dann kommen wir unser Lebtag aus dem Wanken und Schwanken nicht heraus.

V. 8. Sie haben es angenommen. Dieses Wissen kommt in den Gläubigen einfach dadurch zustande, dass sie die von Jesu vorgetragene Lehre angenommen haben. Doch damit niemand wähne, seine Lehre sei menschlichen oder irdischen Ursprungs, so betont er kräftig ihre göttliche Herkunft. Das ist der Sinn der Wendung: die Worte, die du mir gegeben hast, hab ich ihnen gegeben. Da redet Jesus, wie es sein Brauch war, als der Mittler, der Beauftragte Gottes, welcher eben nur das gelehrt hat, was er zuvor vom Vater empfing. Da sich seine göttliche Hoheit noch unter der Knechtsgestalt verbarg, redet er von Gott nur als vom Vater. Dabei gilt es, stets im Sinne zu behalten, was Johannes zu Anfang bezeugt hat (1, 1), nämlich, dass Christus, insofern er Gottes ewiges Wort war, stets mit dem Vater zusammen der eine Gott gewesen ist.

Der Sinn ist also dieser: Christus war den Jüngern gegenüber Gottes treuer Zeuge; ihr Glaube sollte einzig und allein in Gottes Wahrheit gegründet sein, und er war es auch, denn der Vater selbst redete in dem Sohne. Die Annahme seines Wortes seitens der Jünger, von der Jesus redet, hat aber ihren Grund darin, dass er ihnen mit innerer Geisteswirkung den Namen Gottes offenbarte.

Und erkannt wahrhaftig usw. Das ist eine Wiederholung des eben schon ausgesprochenen Gedankens mit anderen Worten. Dass Christus vom Vater ausging und von ihm gesandt wurde, bedeutet ja nichts anderes, als dass alles, was er hat, vom Vater kommt. Er will mit dem allen uns dahin bringen, dass wir im Glauben immer geradeswegs auf unseren Heiland schauen; wir sollen dabei uns hüten, an seiner Person auch nur das mindeste Irdische oder gar Verächtliche zu sehen; vielmehr muss sich unser Glaube zur Anschauung seiner Gotteskraft emporschwingen und davon ganz durchdrungen sein, dass in Christo Gott selber und alles, was zu Gott gehört, in vollkommener Weise vorhanden ist. Bemerkenswert ist der anfängliche Gebrauch des Wortes „erkennen“, dem gleich das Wort „glauben“ nachfolgt. Christus will uns damit klarmachen, dass eine Gotteserkenntnis, die ihren Namen verdient, nur durch den Glauben möglich ist, und dass wahrer Glaube etwas so Festes und Gewisses ist, dass er mit Grund ein Wissen genannt werden darf.

V. 9. Ich bitte für sie. Bis dahin hat Christus im Gebet den Vater daran erinnert, dass es ihm gelungen ist, den Jüngern die Gnade Gottes zuzuwenden. Jetzt kommt er zur eigentlichen Fürbitte, worin er zeigt, dass er nichts erbittet, was nicht mit des Vaters Willen übereinstimmt: empfiehlt er dem Vater doch nur die, welche dieser schon selbst von freien Stücken lieb hat. Rundheraus weist Jesus es ab, für die Welt zu beten: es liegt ihm nur die eigene Herde, die er vom Vater empfangen hat, am Herzen.

Das könnte freilich sonderbar und verkehrt erscheinen. Denn einerseits ist doch Christus ganz gewiss für unser Beten das beste Vorbild, - und anderseits werden wir angewiesen (1. Tim. 2,1), nicht mit solcher Beschränkung, sondern für alle Menschen zu beten.

Auch Christus selbst hat dies alsbald getan, indem er sprach (Lk. 23, 34): „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“.

Dabei ist jedoch zu bedenken, dass auch die Gebete, deren Wortlaut alle Menschen umfasst, tatsächlich im tiefsten Grunde nur auf die Auserwählten zielen. Es ist unsere heilige Pflicht zu wünschen, dass dieser und jener, ja jeder einzelne gerettet werde; so sollen wir mit Fürbitten der Liebe die ganze Menschheit umfassen: denn es ist bis jetzt nicht unsere Sache, die Verworfenen von den Auserwählten zu unterscheiden.

Doch wenn wir beten: „Dein Reich komme!“ so liegt darin doch auch das Begehren, dass Gott seine Feinde niederwerfen möge. Dieser Unterschied ruht darauf, dass wir eben für die Errettung aller beten, die, wie wir sehen, nach Gottes Ebenbild geschaffen sind und die gleiche Menschennatur wie wir haben, - dass wir aber dem Gericht Gottes das Urteil über diejenigen überlassen, welche er selbst als Verworfene erkennt.

Übrigens hat das hier berichtete Gebet eine ganz besondere Art an sich und kann deshalb nicht ohne weiteres als auch für uns vorbildlich hingestellt werden. Christus betet hier nicht, wie ein beliebiger Christ das soll und kann, bloß aus der Gesinnung des Glaubens und der Liebe heraus, - er ist eingetreten in den uns unzugänglichen himmlischen Tempel Gottes und schaut mit Augen des ewigen Gottessohnes in Gottes geheime Gerichte hinein, die uns schwachen Menschen verhüllt bleiben, solange wir im Glauben wallen. Aus diesen Gebetsworten erschließen wir, dass Gott, welche er will, aus der Welt zu künftigen Erben des Lebens erwählt, und dass er bei solcher Scheidung innerhalb der Menschheit sich nicht nach menschlichen Verdienst, sondern nach seinem freien Wohlgefallen richtet. Denn wer den Grund der Erwählung im Menschen selber suchen wollte, müsste doch alles auf den Glauben stellen. Dass aber dieser Glaube eine Gabe Gottes ist, ergibt sich aus Christi Worten ohne weiteres. Oder zu welchem anderen Zwecke gibt denn der Vater die Menschen, die ihm zuvor gehören, seinem Sohne, als damit dieser in ihnen den Glauben schaffe? Entsteht also der Glaube durch dies Geben Gottes, und liegt vor diesem Geben nach sachlicher und zeitlicher Folge die Erwählung, so bleibt nichts anderes übrig, als das Zugeständnis, dass Gott die Menschen, die er aus der Welt gerettet sehen will, in seiner freien Gnade erwählt.

Betet Christus nach alledem allein für die Auserwählten, so müssen wir also an unsere Erwählung glauben, wenn anders wir gewiss sein wollen, dass er auch für uns vor dem Vater eintritt. Folglich versündigen sich die Leute, die den Erwählungsglauben aus den Herzen reißen möchten, schwer an den Gläubigen: sie berauben sie des Trostes der Fürbitte Christi. Anderseits lässt sich unsere Stelle auch zur Widerlegung des Leichtsinns verwenden, der den Erwählungsglauben als Vorwand für geistliche Trägheit nehmen möchte: denn Christi Vorgang zeigt gerade, dass dieser Glaube uns umso tiefer ins Gebet treiben muss.

V. 10. Und alles, was mein ist, das ist dein. Mit diesem Satze ist ausgesprochen, dass Jesus sicherlich vom Vater erhört werden muss. Er will sagen: Ich befehle dir ja niemand anders an, als die, welche du selber zu den Deinen zählst; ich habe keine Liebhabereien und Sondermeinungen, daher kannst du mich nicht mit meiner Bitte abweisen. –

In dem zweiten Satze zeigt Jesus, dass er allen Grund hat, sich der Auserwählten anzunehmen: was dein ist, das ist mein. Das alles sagt er, um unseren Glauben zu stärken. Wir sollen ausschließlich bei Christo Rettung für uns suchen: doch werden wir an ihm erst dann volles Genüge finden, wenn wir wissen, dass wir in ihm Gott selbst besitzen. Deshalb ist festzuhalten an der Einheit von Vater und Sohn, die so innig ist, dass einer hat und ist, was der andere hat und ist.

Mit dem zweiten Satze steht im Zusammenhang der Zusatz: und ich bin in ihnen verklärt, d. h. sie sind ein Zeugnis meiner Herrlichkeit. Denn es folgt daraus: also ist es recht und billig, dass ich mir wiederum die Förderung ihres Heiles angelegen sein lasse. Ist Christus in uns verklärt, so wird er niemals lässig sein in der Förderung unseres Heils.

V. 11. Ich bin nicht mehr in der Welt. Ein weiterer Grund zu brünstiger Fürbitte für seine Jünger ist der hier angeführte: bald werden sie seiner leiblichen Gegenwart beraubt sein, die ihnen doch so unentbehrlich schien. Solange er bei ihnen weilte, nahm er sie, gerade wie die Henne ihre Küchlein, unter seine Flügel. Jetzt, da er von ihnen scheidet, bittet er den Vater, sie zu schützen und zu schirmen, wie sie es ja so sehr bedürfen. Die rechte Arznei für ihre Ängstlichkeit ist völliges Ausruhen in Gottes Liebe; sie wandern jetzt aus der Hand des Sohnes in die Hand des Vaters. Für uns ist es kein geringer Trost, zu hören, wie der Sohn Gottes ganz besonders sich das Seelenheil der Seinen angelegen sein lässt, da er leiblich von ihnen geht. Daraus ist zu ersehen, dass er auch heute unser gedenkt, die wir uns in der Welt abmühen, und dass er bereit ist, aus seiner himmlischen Herrlichkeit her uns zu Hilfe zu kommen, wenn uns etwas drückt oder bekümmert.

Erhalte sie in deinem Namen. Das Ziel und die Absicht dieses ganzen Gebetes sind, dass die Jünger nicht innerlich zusammenbrechen sollen, als hätte sich ihre Lage durch die körperliche Entfernung ihres Meisters verschlechtert. Christus ist ihnen nur auf eine gewisse Zeit vom Vater als Hüter zur Seite gestellt worden. Jetzt gibt er sie nach Ausführung seines Auftrages wieder in die Hand des Vaters zurück. Künftighin wird dieser selbst sie in seine starke und treue Obhut und Pflege nehmen. Sie erleiden also keine Einbuße: Gott selber, dessen Macht ohne Grenzen ist, wie sie schützen und schirmen. In welcher Weise der Vater die Jünger Christi „erhalten“ soll, zeigen die Worte: dass sie eins seien. Die Menschen, welche der himmlische Vater zu erhalten und zu erretten beschlossen hat, sammelt er in heiliger Glaubens- und Geistesgemeinschaft. Weil es aber nicht damit schon genug ist, dass die Menschen sich in irgendeiner Weise zusammentun, fügt Jesus hinzu: gleich wie wir. Dann erst ist unser Einssein ein glückliches, wenn es das Gepräge der Einheit Gottes des Vaters und Christi an sich trägt, - wie das Wachs, in das der Siegelring eingedrückt wird, die Form des Ringsiegels annimmt. Näher Auskunft über diese Einheit werden uns die folgenden Verse bringen.

V. 12. Dieweil ich war in der Welt. Christus sagt, er habe die Jünger in dem Namen des Vaters erhalten, da er sich sozusagen als den Diener hinstellt, der, was er tat, nur in Gottes Kraft und Auftrag vollbrachte. Er will sagen: Denkt nur ja nicht, jetzt sei es um euch geschehen; Gottes Kraft erlahmt und erstirbt nicht durch meinen Hingang! Aber erscheint es nicht höchst seltsam, dass Christus die Aufgabe, die Jünger zu bewahren, an Gott abtritt? Hört er denn nach Vollendung seines Erdenlebens auf, der Hüter der Seinigen zu sein? Antwort: Es ist ja nur von Christi persönlich sichtbarem Hüteramte hier die Rede; damit hat es allerdings durch sein Sterben ein Ende. Solange er auf der Erde weilte, brauchte er nicht anderweit einen Beschützer herbei zu holen, der ihm die Jünger bewahrte; diese Bewahrung besorgte der Mittler selbst, der in Knechtsgestalt sich seine Zeit lang zeigte. Jetzt nun heißt er die Jünger, sobald sie ihn nicht mehr bei sich haben werden, geradeswegs zum Himmel ihre Gedanken erheben. Folglich bewahrt Christus heute nicht weniger als vormals seine Gläubigen, nur auf eine andere Art: denn jetzt erstrahlt die göttliche Majestät in ihm mit öffentlicher Klarheit.

Die du mir gegeben hast. Abermals bedient er sich desselben Beweismittels: es sei durchaus nicht geziemend, dass der Vater jemals Menschen fallen lasse, welche der Sohn in seinem Auftrag bis zur Vollführung seines Amtes erhalten habe. Jesus will sagen: was du mir aufgetragen hast, das habe ich treulich ausgeführt und habe es dahin gebracht, dass in meiner Hand nichts verloren ging; nun, da du das mir Anvertraute wieder an dich nimmst, ist es deine Sache, dafür zu sorgen, dass es heil und ganz bleibe! Wenn Jesus dabei den Judas geflissentlich ausnimmt, so geschieht dies mit begreiflicher Absicht. Zu den Auserwählten und der wirklichen Herde Gottes hat er freilich niemals gehört, aber es sah doch infolge seiner Apostelwürde so aus, als gehöre er dazu. Kein Mensch hätte es vermutet, dass er nicht zu den Auserwählten gehörte, so lange er sein hohes Amt bekleidete. Streng genommen ist es also nicht richtig, dass von den Auserwählten, von denen, welche der Vater dem Sohne wirklich gegeben hat, dieser eine verloren ging. Mit dem Gebrauch dieses Ausdrucks versetzt sich Jesus lediglich für einen Augenblick in die Gedanken der Menschen. Damit aber niemand meine, durch das Verlorengehen des Judas sei Gottes ewige Erwählung ins Wanken gekommen, fügt Jesus hinzu, er sei das verlorene Kind, wörtlich „der Sohn des Verderbens“. Mit diesem Ausdruck deutet er an, dass des Judas Fall, der vor Menschenaugen freilich unvermutet kam, für Gott keine Überraschung war. Als „Sohn des Verderbens“ oder „Kind des Todes“ bezeichnet die hebräische Sprache eben einen Menschen, der sicherem Verderben entgegen gehen muss.

Dass die Schrift erfüllt würde. Das bezieht sich auf den Fall des Judas. Doch wäre es ein Fehlschluss, wenn man daraus schließen wollte, dass die Schuld an diesem Falle Gott und nicht Judas selbst zu tragen habe, - als hätte jene Weissagung seine Sünde notwendig gemacht. Man darf das, was geschieht, nicht deshalb weissagenden Aussprüchen Schuld geben, weil diese es vorher gesagt haben. Ganz selbstverständlich verkündigen die Propheten nur solche Dinge, die auch, wenn sie davon geschwiegen hätten, dennoch eingetreten sein würden. Die Ursache für die Ereignisse liegt nicht dort.

Allerdings räume ich ein: es geschieht nichts ohne göttliche Anordnung. Hier aber handelt es sich nur um die heilige Schrift, nämlich, ob ihre Vorhersagen die Menschen so oder so zu handeln zwingen. Ich habe gezeigt, dass es nicht an dem ist. Christus beabsichtigt nicht, der Schrift den Untergang des Judas zur Last zu legen, sondern nur, den Anstoß zu beseitigen, durch welchen die schwachen Seelen der Jünger tief erschüttert werden konnten. Beseitigt ist er insofern, als der Geist Gottes schon in alter Zeit bezeugt hat, es werde so gehen; denn in der Regel entsetzen wir uns bei unerhörten, plötzlich eintretenden Ereignissen. Eine sehr wichtige und weittragende Beobachtung. Denn wovon kommt es, dass heutigen Tages die große Mehrzahl der Menschen allerlei Ärgernissen erliegt? Doch davon, dass sie nicht Bescheid wissen in den göttlichen Zeugnissen, mit denen Gottes Fürsorge sie im Blick auf diese Übel und Wirren im Voraus zu wappnen suchte.

V. 13. Ich rede solches in der Welt. Hier zeigt Christus, dass er nicht deshalb so heiße Fürbitte für seine Jünger vor den Vater bringt, weil er etwa ängstlich wäre betreffs ihrer Zukunft, sondern vielmehr, um sie von ihrer Ängstlichkeit zu heilen. Wir wissen ja, wie sehr unsere Seelen nach äußeren Stützen ausspähen: bieten sich solche dar, so ergreifen wir sie mit förmlicher Gier und lassen sie nicht leicht wieder fahren. Christus betet also im Beisein der Jünger zum Vater, - nicht weil es überhaupt der Worte bedurfte, sondern um ihnen jeden Zweifel zu nehmen.

Ich rede „in der Welt“, damit will er sagen: „vor euren Ohren, damit eure Herzen ruhig seien“. Ihr Heil war ja gesichert, da es von Christo in die Hand Gottes gelegt war. –

Meine Freude“ sagt Jesus, weil es sich um eine Freude handelt, welche die Jünger von ihm empfangen müssen, oder besser, weil er der Urheber, Anlass und Unterpfand dieser Freude ist. In uns ist nur Unruhe und Verzagtheit; in Christo allein ist Heiterkeit und Seelenruhe.

V. 14. Ich habe ihnen gegeben dein Wort usw. Mit verändertem Ausdruck empfiehlt Jesus abermals die Jünger seinem Vater: um des Hasses der Welt willen tut ihnen Gottes Hilfe not. Als Ursache dieses Hasses bezeichnet er: sie haben Gottes Wort angenommen, das nun einmal der Welt unausstehlich ist. Er will sagen: Es ist deine Sache, sie zu beschützen; denn um deines Wortes willen sind sie der Welt so sehr verhasst! Hierbei ist im Gedächtnis zu behalten, dass, wie wir oben hörten, das Ziel dieses Gebetes ist, dass die Freude Christi in uns völlig werde. Jedes Mal, wenn die Wut der Welt gegen uns in einem solchen Maße entbrannt ist, dass wir nur noch durch Handbreite vom Untergange getrennt scheinen, wollen wir alsbald dies als Schild vor uns halten, dass wir wissen: Gott lässt die, welche um des Evangeliums willen leiden, niemals im Stich. Jesus sagt von seinen Jüngern: sie sind nicht von der Welt, weil alle die von der Welt innerlich losgemacht wurden, welchen er durch seinen Geist die Wiedergeburt schenkte. Gott lässt seine Schafe nicht inmitten der Wölfe umherirren, ohne als Hirt mit ihnen zu gehen.

V. 15. Ich bitte nicht, dass due sie von der Welt nehmest. Damit erfahren wir, worin das Heil der Frommen besteht: nicht darin, dass sie, von allem Drückenden befreit, behaglich dahinleben und es äußerlich aufs Beste haben, sondern darin, dass sie mitten im Gedränge der Gefahren dank der Hilfe Gottes unversehrt bleiben. Dabei will Jesus nicht eigentlich den Vater erinnern, was das Beste sei. Er redet vielmehr in Rücksicht auf die Schwachheit seiner Jünger, welche lernen sollen, ihre oft maßlosen Wünsche in den richtigen Schranken zu halten. Kurz, Jesus verspricht den Jüngern nicht eine Gottesgnade, die ihnen alle Sorge und alles Leid erspart, wohl aber eine solche, die unbesiegliche Stärke wider alle Feinde und einen ungebrochenen Mut auch unter dem schwersten Druck der bevorstehenden Kämpfe verleiht. Wünschen wir, so, wie es Christus meint, erhalten zu werden, so dürfen wir nicht nach Leid- und Schmerzlosigkeit verlangen, auch Gott nicht darum angehen, dass er uns in die selige Ruhe des Paradieses hinüberhole, sondern müssen uns mit der Zuversicht begnügen: der Sieg ist doch unser! –

Lasst uns tapfer jedem Übel die Spitze bieten! Christus hat für uns einen glücklichen Ausgang des Kampfes erbeten. Gott nimmt die Seinen nicht fort aus der Welt, denn er will nicht, dass sie weichlich und träge sind; aber er schenkt ihnen Erlösung von dem Übel, damit sie nicht davon erdrückt werden. Er will, dass sie kämpfen, doch duldet er nicht, dass sie tödlich verwundet werden.

V. 16. Sie sind nicht von der Welt. Nochmals weist Jesus auf den Hass der ganzen Welt wider die Seinen hin, damit der Vater ihnen mit umso größerer Güte helfe. Zugleich betont er, dass sie an diesem Hasse nicht schuld sind, sondern dass er davon herrührt, dass die Welt Gott und Christo feind ist.

V. 17. Heilige sie. Diese Heiligung begreift das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit in sich: Gott erneuert uns durch seinen Geist, er befestigt diese gnädige Erneuerung in uns und fördert ihren ganzen Verlauf bis zur Vollendung. Christus erbittet also zuvörderst, dass der Vater die Jünger heilige, das heißt, sie völlig an sich binde und sie als einen heiligen Besitz sich zueigne.

Sodann vernehmen wir, wie diese Heiligung zustande kommt: durch Gottes Wahrheit, die allein in dem Wort sich erschließt, welches die Apostel aus dem Munde ihres Meisters vernommen hatten, und welches sie selbst alsbald verkündigen sollten. Ganz ähnlich sagt Paulus (Eph. 5, 26), dass die Gemeinde mit dem Wasserbad im Worte des Lebens gereinigt ist. Gott ganz allein ist es, der heiligt; aber weil das Evangelium die Gotteskraft zum Heil für jeden Gläubigen ist, muss ein jeder, der dies Mittel zur Reinigung und Heiligung nicht gebraucht, immer mehr und mehr unrein werden. „Wahrheit“ heißt hier mit besonderer Auszeichnung das Licht der himmlischen Weisheit, in der Gott sich uns offenbart, um uns seinem Ebenbilde gleich zu gestalten. Das wirkt freilich nicht schon die bloße äußere Predigt des Wortes, welche bei den Verworfenen kraft ihres unheiligen Widerstandes nicht zum Ziele führt.

Vielmehr wollen wir bedenken, dass Christus von den Erwählten redet, welche der Geist mit kräftiger Wirkung wiedergebiert. An der Tatsache, dass die Apostel die heiligende Wirkung der Gnade bisher noch so wenig an sich erfahren hatten, lässt sich ersehen, dass nicht alsbald am ersten Tage die Heiligung in uns vollendet wird, sondern dass wir während unseres ganzen Lebens darin fortschreiten müssen, bis wir nach Zurücklegung dieses Lebens im Fleische mit Gottes Gerechtigkeit völlig erfüllt werden.

V. 18. Gleichwie du mich gesandt hast usw. Mit einem weiteren Gedanken verstärkt Jesus seine Fürbitte: er und die Apostel haben ganz den gleichen Beruf. Er will hier sagen: Ich übertrage ihnen jetzt das Amt, das ich bisher auf dein Geheiß verwaltet habe; so musst du sie nun auch mit der Kraft deines Geistes ausrüsten, damit sie die schwere Last zu tragen vermögen.

V. 19. Ich heilige mich selbst für sie. Diese Worte setzen noch deutlicher auseinander, aus welchem Quell die Heiligung fließt, die durch die Lehre des Evangeliums in uns zustande kommt: Jesus selbst weiht sich dem Vater, damit seine Heiligkeit uns zuteilwerde. Gottes Segen pflegt an seinem Anfang einer kleinen Quelle, späterhin einem mächtigen Strome zu gleichen. So auch hier: zunächst besprengt uns der Geist Gottes nur mit einigen Tropfen der Heiligkeit Christi, schließlich überschüttet er uns ganz mit ihr. Dann wird uns seine Heiligkeit nicht bloß angerechnet – insofern heißt es von ihm (1. Kor. 1, 30): „Er ist uns gemacht zur Gerechtigkeit“ – sondern wirklich angeeignet, wie es weiter heißt: „Er ist uns gemacht zur Heiligung“. In seiner Person bringt Jesus uns dem Vater dar, damit wir durch seinen Geist zu wirklicher Heiligkeit erneuert werden. Übrigens ist diese Heiligung, wenn sie auch über das ganze Leben unseres Heilandes sich erstreckt, doch besonders herrlich in seinem Opfertode hervorgetreten: damals zeigte sich seine priesterliche Würde in wahrer Kraft. Damals weihte unser Hohepriester den Tempel, den Altar, sämtliche Gefäße und sein Volk durch die Kraft seines heiligen Geistes.

V. 20. Ich bitte aber nicht allein für sie. Jetzt gibt Jesus seiner Fürbitte, in die er bis dahin nur die Apostel eingeschlossen hatte, eine größere Spannweite: er zieht alle Jünger des Evangeliums hinein, so viele ihrer sein werden bis zum Weltende. Wahrlich, eine wundervolle Glaubensstärkung für uns! Glauben wir infolge der Lehre des Evangeliums an Christum, so ist es über allen Zweifel erhaben, dass wir genauso wie die Apostel unter der treuen Obhut Jesu stehen, der dafür sorgt, dass keiner von uns verloren geht. Diese Bitte unseres Heilandes ist der ruhige Hafen, in welchem jeder, der sich hinein begibt, vor der Gefahr des Schiffbruchs gesichert ist. Diese Bitte hat ganz denselben Wert, als hätte Christus mit feierlichen Worten einen Eidschwur darauf abgelegt, unsere Rettung sei ihm das allerinnigste Anliegen.

Zunächst lagen ihm die Apostel am Herzen; dass sie gerettet sind, wissen wir. Daraus sollen wir dann weiter auf die Gewissheit unserer eigenen Errettung schließen. So oft uns künftig Satan anficht, wollen wir ihm als Schild entgegenhalten: der heilige Mund des Gottessohnes hat uns nicht ohne Grund in einem Atem mit den Aposteln zusammen genannt; Jesus hat das Heil der Apostel und unser Heil sozusagen in ein und dasselbe Bündlein eingeschlossen! Es gibt keine andere Betrachtung, welche uns so entschieden wie diese zum Ergreifen des Evangeliums anspornen könne und müsste. Es ist unvergleichlich köstlich, dass Christus uns hier in seiner Hand vor Gott bringt, damit wir vor dem Verderben bewahrt bleiben. So ist es denn nicht mehr als recht und billig, dass wir seine Liebe und Fürsorge allem anderen vorziehen.

Hier sieht man so recht, wie unbegreiflich, ja wie wahnsinnig die Welt handelt. Jeder möchte gern ewig selig werden. Christus gibt mit unmissverständlichen Worten an, wie das möglich ist; wer auf anderem Wege selig werden möchte, unternimmt etwas völlig Unmögliches. Trotzdem hält es unter Hundert kaum einer für der Mühe wert, aus Christi Hand die Seligkeit, die er so freundlich anbietet, anzunehmen.

Man beachte wohl, dass Christus für alle betet, die an ihn glauben werden; damit gibt er uns zu verstehen, wie ich bereits wiederholt erwähnte, dass unser Glaube auf ihn allein schauen muss. Weiter wird uns eingeprägt, dass solcher Glaube sich auf das apostolische Wort gründen muss. Dieses festen Fundamentes freuen wir uns mit starker Zuversicht. Mag uns die Welt tausendmal verdammen, so genügt uns die Tatsache, dass Christus uns als sein Eigentum ansieht und dem Vater anempfiehlt. Wehe den verblendeten Menschen, die wohl auch Christen sein wollen, aber nicht auf das Evangelium der Bibel ihren Glauben gründen; ja sogar die Stirn haben, zu lästern, alles in der Schrift sei ungewiss und zweideutig. So machen sie nicht Gottes heiliges Wort, sondern menschliche Überlieferung zur Lehrmeisterin ihres Glaubens. Lasst uns nie vergessen, dass der Sohn Gottes, der einzige, der darüber zu entscheiden hat, nur den Glauben gutheißt, der aus der Lehre der Apostel erwächst. Und ein sicheres Zeugnis dieser Lehre findet sich ausschließlich in ihren Schriften. Beachte, dass es heißt: „durch das Wort glauben“, womit klar gesagt wird, dass der Glaube aus dem Schall der Predigt entsteht; ist doch das Mittel, wodurch uns Gott zum Glauben bringt, die äußere, menschliche Predigt. Also ist eigentlich Gott der Urheber des Glaubens; die Menschen sind nur Diener, durch welche man gläubig wird, wie auch Paulus 1. Kor. 3, 5 lehrt.

V. 21. Auf dass sie alle eins seien. Noch einmal sagt uns der Heiland: Wollt ihr das Ziel wahren Glücks erreichen, so seid einig! Und gewiss hat er recht. Der Untergang der Menschheit ist besiegelt, wenn sie von Gott entfremdet und in sich selbst zerrissen und gespalten ist. Dagegen ist das ihre Heiligung und Wiederherstellung, wenn sie wieder richtig zu einem Leibe zusammenwächst, wie ja auch Paulus die Vollkommenheit der Kirche darein setzt (Eph. 4, 3 – 16), dass die Gläubigen durch den einen Gottesgeist miteinander im Zusammenhang stehen, und sagt, dass die Apostel, Propheten, Evangelisten und Hirten dazu da seien, dass sie den Leib Christi bauen sollen, bis es zur Glaubenseinheit kommt. Deshalb ermahnt er auch die Gläubigen, zu wachsen an dem Haupte Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am anderen hanget durch alle Gelenke, dadurch eins dem andern Handreichung tut nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seinem Maße, und machet, dass der Leib wächst zu seiner selbst Auferbauung.

So oft Christus auf die Einheit zu sprechen kommt, soll uns vor Augen stehen die hässliche, ja entsetzliche Uneinigkeit der Welt, wie sie sich findet, wo Christus nicht ist. Ferner sollen wir bedenken, dass das der Anfang des seligen Lebens ist, wenn wir allesamt uns allein von dem Geiste Christi regieren lassen und im Geiste Christi leben. Jedes Mal, wenn Christus in diesem Kapitel von seiner Einheit mit dem Vater redet, handelt es sich nicht einfach um sein göttliches Wesen, sondern um sein Mittleramt, insofern er unser Haupt ist. Wir sollen deswegen eins seien, weil ja sonst seine Einheit mit dem Vater ohne Erfolg, ohne Frucht sein würde. Willst du recht verstehen, worauf es hinausläuft, dass Christus und der Vater eins sind, so hüte dich, dir Christum ohne seine Mittleramt zu denken; schaue ihn vielmehr an als den, der das Haupt der Gemeinde ist, und verbinde das Haupt mit den Gliedern. Machst du es so, dann ist der beste Zusammenhang da, und der Zweck und Nutzen der Einheit des Sohnes mit dem Vater wird klar: denn so ergießt sich die Kraft Gottes in den aus allen Frommen bestehenden Leib Christi. Daraus folgern wir weiter, dass wir mit Christo eins sind, nicht, weil er sein göttliches Wesen in uns einströmen ließe, sondern weil er durch Wirkung seines Geistes sein Leben und alle vom Vater ihm geschenkten Güter uns mitteilt.

Auf dass die Welt glaube. Einige Ausleger verstehen unter der „Welt“ die Auserwählten, die damals noch zerstreut waren. Doch werden in diesem Kapitel unter der Welt vielmehr die Verworfenen verstanden (V. 9. 25). Diese sollen durch die Einigkeit der Christen in einem uneigentlichen Sinne „glauben“, d. h. auf Grund erzwungener Erfahrung anerkennen lernen, dass Christus in himmlischer und göttlicher Herrlichkeit thront. So kommt es dahin, dass sie glauben und doch nicht glauben, weil die Überzeugung durch den Augenschein bei ihnen keine Überzeugung aus dankbarem Herzen werden wird. Darin besteht Gottes gerechte Rache, dass er vor den Augen der Gottlosen seine göttliche Herrlichkeit nur zum Gericht erstrahlen lassen wird; ein frohes, seliges Anschauen seiner Herrlichkeit sind sie nicht wert. In V. 23 wird das Wort „erkennen“ in demselben Sinne gebraucht, wie hier „glauben“.

V. 22. Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit usw. Die vollkommene Glückseligkeit, die in mustergültiger Weise in Christo sich ausprägte, war eben darum so vollkommen, weil unser Heiland nichts nur für sich hatte, sondern weil er, der wahrhaft Reiche, alles hergab, um seine Gläubigen zu beglücken. Sein Geben aber hatte zum Ziel die Wiederherstellung des göttlichen Ebenbildes, welches durch die Sünde gestört ist: Menschenglück besteht ja in Gottebenbildlichkeit. Christus ist nicht nur als ewiges Wort Gottes das lebendige Ebenbild des Vaters: auch seiner menschlichen Natur, die er mit uns gemeinsam hat, war das Bild der Herrlichkeit des himmlischen Vaters aufgeprägt; so vermag er denn seine Glieder, die Gläubigen, in dasselbe Bild umzugestalten (vgl. 2. Kor. 3, 18). Zu den wahren Jüngern Christi sind nur die zu rechnen, in denen die vom Angesichte Jesu strahlende Herrlichkeit Gottes sichtbar ist, ähnlich dem Bild, das durch den Abdruck eines Petschaftes1) entsteht.

V. 23. Ich in ihnen und Du in mir. Damit will Jesus uns lehren: In mir wohnt die Fülle alles Guten. Was an Gott verborgen war, steht jetzt in mir sichtbar vor euch. Das alles aber soll durch meine Gemeinschaft mit euch hinüberströmen in euch, meine Jünger, wie das Wasser aus einer Quelle durch Gräben hier- und dorthin abgeleitet wird und nun allenthalben die Felder begießt.

Und liebtest sie. Hier deutet er an, dass es das deutlichste Kennzeichen und das beste Unterpfand der göttlichen Liebe zu den Frommen ist, welches auch die Welt, sie mag wollen oder nicht, anerkennen muss, wenn der in ihnen wohnende Geist die himmlischen Strahlen der Gerechtigkeit und Heiligkeit hervorleuchten lässt. Gott hat ja unzählige Weisen, uns täglich seine Vaterliebe zu bezeugen; am schönsten bezeugt er sie uns jedoch durch die in seinem Wort uns zugesprochene Kindschaft.

Gleichwie du mich liebst. Das ist so viel wie: „darum, dass du mich liebst“, denn in eigentlichem Sinne ist nur Christus „der Geliebte“. Mit der Liebe, mit welcher der himmlische Vater das Haupt der Gemeinde umfasst, neigt er sich nun auch zu allen ihren Gliedern hernieder: er liebt uns nur in Christo. Sind wir durch den Glauben gerechtfertigt, dann fängt Gott erst recht eigentlich uns zu lieben an, wie ein Vater seine Kinder liebt. Es wird auch niemals einen Menschen geben, der eines gnädigen Gottes gewiss wäre, ohne den in Christo versöhnten Gott im Glauben zu erfassen. Gleichwie nun jedes Schmecken der göttlichen Liebe aufhört, sobald Christus nicht beachtet und ergriffen wird, so dürfen wir auch auf der anderen Seite dessen ganz gewiss sein, dass von der Zeit ab, da wir durch Glauben unserem Herrn Jesus Christus einverleibt sind, keine Gefahr vorhanden ist, dass wir aus Gottes Liebe herausfallen. Nichts kann diesen Grund umstoßen: der Vater liebt uns, weil er Jesum liebt.

V. 24. Ich will, dass, wo Ich bin usw. „Wollen“ ist so viel wie „wünschen“: denn hier redet Christus nicht im Tone des Befehls, sondern der Bitte. Der Sinn der ausgesprochenen Bitte ist aber, dass der Vater die Gläubigen in das himmlische Reich einführen möge, wohin ihnen Jesus jetzt vorangeht. Dort sollen sie die vollendete Herrlichkeit sehen, welche der Vater dem Sohne gegeben hat. Denn an das Schauen dieser Herrlichkeit im gegenwärtigen Glaubensleben dürfte schwerlich zu denken sein. Freilich sehen ja die Gläubigen schon jetzt Jesu Herrlichkeit, aber doch nur, wie ein Mensch, der in einem dunklen Raum eingeschlossen ist, durch dünne Ritzen einen schwachen Lichtschimmer erblicken mag. Hier erbittet sich Jesus, dass sie immer mehr zu sehen bekommen sollen, bis sie im Himmel sich des unverhüllten vollen Glanzes ihres Heilandes freuen dürfen. Erst wenn dies erreicht ist, werden alle Wünsche des Erlösers erfüllt sein.

Denn du hast mich geliebt usw. Auch dies trifft weit mehr auf die Person des Mittlers zu, als auf die reine Gottheit Christi. Dass der Vater seine eigene Weisheit geliebt hat, das hört sich seltsam an. Und wollten wir das auch annehmen, so führt uns doch der Zusammenhang auf einen anderen Sinn unserer Stelle.

Zweifellos hat Christus, als er wünschte, die Apostel möchten mit ihm vereinigt sein und sein herrliches Reich sehen, als das Haupt der Gemeinde geredet. Gleich danach sagt er, zu solcher Vereinigung von Haupt und Gliedern solle den Vater seine Liebe bewegen: folglich hat ihn der Vater als den Erlöser der Welt geliebt. Mit solcher Liebe umfing ihn der Vater vor Erschaffung der Welt, damit er es sei, in dem er seine Auserwählten lieben könnte.

V. 25. Die Welt kennt dich nicht; Ich aber kenne dich usw. Jesus bringt seine Jünger in einen Gegensatz zur Welt, um von da aus sie dem Vater umso kräftiger empfehlen zu können. Menschen, welche, während alle Welt Gott verwirft, allein ihn kennen, verdienen wirklich eine besondere Auszeichnung. Christus hat ein Recht dazu, diejenigen ganz besonders innig ins Gebet einzuschließen, denen der Unglaube kein Hindernis war, Gott zu erkennen. Im Gedanken an die Welt und ihre Bosheit nennt Jesus hier Gott den gerechten Vater. Er will mit dieser Bezeichnung Gottes uns zu verstehen geben: Mag die Welt gleich noch so frech Gott verachten und beiseite schieben – das besagt wahrlich nicht, dass an Gott irgendetwas mangelhaft ist; die Welt mag sich stellen, wie sie will, der Ruhm, dass Er der Gerechte ist, muss ihm unangetastet bleiben. –

Diese Worte prägen uns also ein, dass der auf Gott gegründete Glaube der Frommen nicht wanken darf, wenn auch die ganze Welt zusammenbräche. Übrigens sagt Christus nicht einfach, seine Jünger hätten Gott erkannt, sondern er macht zwei Stufen: er selbst hat den Vater erkannt, und die Jünger haben erkannt, dass er vom Vater gesandt ist. Weil er aber gleich danach hinzufügt, er habe ihnen den Namen des Vaters kundgetan, deshalb empfiehlt er sie, wie bereits gesagt wurde, um ihrer Gotteserkenntnis willen, die sie vor der übrigen Welt voraushaben. Bemerkenswert ist der hier beschriebene Weg, den der Glaube inne zu halten hat. Der Sohn, der vom Schoße des Vaters her zu uns gekommen ist, erkennt ihn eigentlich ganz allein. Alle die, welche nun Gott zu nahen begehren, müssen notwendigerweise Christum, der ihnen entgegenkommt, aufnehmen und sich ihm ganz hingeben; er wird dann, nachdem er recht erkannt ist, seine Jünger zu Gott, dem Vater, emporheben.

V. 26. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und will ihn kundtun. Christus hat des Lehramtes gewaltet, doch hat er, um den Vater zu offenbaren, sich nicht nur des Schalles des Wortes bedient, sondern geheimer Kundgebung durch den Geist. Seine Lehre hat bei den Aposteln tatsächlich etwas gefruchtet. Und da ihr Glaube noch schwach war, verheißt er für die Zukunft größere Fortschritte. So bereitet er sie darauf vor, auf eine reiche Begnadigung mit heiligem Geiste zu hoffen. Freilich hat Christus hier zunächst von den Aposteln geredet, aber doch ist die allgemeine Mahnung daraus zu entnehmen, dass wir beständig danach streben sollen, vorwärts zu kommen und nicht meinen, wir hätten schon eine recht ansehnliche Strecke des Weges zurückgelegt und könnten es uns nun etwas bequemer machen. Ach nein; solange wir im Fleische wallen, haben wir noch einen großen Weg vor uns.

Auf dass die Liebe, damit du mich liebest, sei in ihnen. Das heißt: Liebe sie in mir! – oder: Lass die Liebe, damit du mich umfängst, auch auf sie überströmen! Die Liebe, die Gott uns widmet, ist ja eigentlich keine andere, als die, mit welcher er seinen Sohn von Anfang geliebt hat, um in ihm auch uns wieder angenehm und liebenswert zu machen. Ohne Frage sind wir, wie oben erwähnt, was uns selbst angeht, abgesehen von Christo, Gott verhasste Leute; erst damit beginnt er uns seine Liebe zuzuwenden, dass wir in den geistlichen Leib seines Sohnes, die christliche Gemeinde, hineinwachsen. Unschätzbares Gut des Glaubens, zu wissen: der Vater hat Christum unsertwegen geliebt, damit wir derselben Liebe wie er teilhaftig würden und immerdar teilhaftig blieben! Man beachte die Schlussworte: und Ich in ihnen. Sie lehren uns: nur dann umfasst uns Gottes Liebe, wenn Christus in uns wohnt. Der Vater kann den Sohn nicht anschauen, ohne zugleich den ganzen Leib Christi vor Augen zu haben; wollen wir in ihm von Gott gnädig angeschaut werden, so müssen wir in Wahrheit seine Glieder sein.

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eines Siegels
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