Calvin, Jean - Der Prophet Jesaja - Kapitel 39.

Calvin, Jean - Der Prophet Jesaja - Kapitel 39.

V. 1: In der Zeit sandte Merodach-Baladan usw. Man nimmt an, Merodach Baladan sei der erste König von Chaldäa gewesen. Sein Vater führte zwar schon bei den Babyloniern die Regierung, aber ohne den Titel des Königs. Im 12. Jahre seiner Herrschaft unterwarf Merodach die Assyrer und machte sie den Chaldäern untertan. Der Prophet erzählt nun einfach, dass von dem babylonischen König Gesandte mit Briefen und Geschenken gesandt wurden. Doch ist dabei der Hinweis beachtenswert, dass der Babylonier dies in schlauer Absicht deshalb tat, um den Hiskia mit Schmeicheleien an sich zu locken. Schon bedrohte er die Assyrer, gegen die, wie er wusste, die Juden wegen der fortwährenden Kriege, die sie mit den Assyrern führen mussten, mit Recht erbittert waren. Um nun für den geplanten Krieg einen Bundesgenossen und Helfer zu gewinnen, sucht er mit allerlei Schlichen die Freundschaft Hiskias. Und der Ehrgeiz verführte des frommen Königs Seele, sodass er gierig die trügerische Lockspeise des Tyrannen aufnahm. Als Vorwand diente dem Letzteren die Wiedergenesung Hiskias. Dazu beglückwünschten ihn die Gesandten. Gott hatte durch ein wunderbares Zeichen offenbart, dass das Wohl Hiskias ihm am Herzen liege; darum glaubte Merodach, wenn er mit ihm ein Bündnis schlösse, werde er unter himmlischem Schutze Krieg führen. Gottlose Menschen pflegen ja alle Zeichen göttlicher Gnade in falscher Weise zu missbrauchen.

V. 2. Des freute sich Hiskia usw. Hier ist der Prophet lediglich Geschichtsschreiber. Er zählt einfach auf, was Hiskia tat. Sodann zeigt er, aus welchem Grunde das geschah. Hiskia wollte, von Ehrgeiz geblendet, den Gesandten gegenüber prahlen. Wer diese Geschichte einfach liest, sollte meinen, Hiskia habe nichts Unrechtes getan. Der Anstand erforderte es doch, die Gesandten mit allen Ehren aufzunehmen. Es wäre nicht schön gewesen, Leute, die aus freien Stücken seine Freundschaft suchten, zurückzuweisen und die Freundschaft eines so mächtigen Königs zu verachten. Aber im Herzen Hiskias steckte verborgen die Sucht nach eitler Prahlerei. Er wollte sich dem Babylonier anpreisen, damit dieser erkenne, wie vorteilhaft für ihn dies Bündnis sei. Und zu dieser Erkenntnis sollte er kommen durch den Anblick all der Schätze, der Machtmittel und der kriegerischen Hilfsmittel Hiskias. Dadurch nun, dass Hiskia so auf die unerlaubte Hilfe auswärtiger Mächte erpicht war, setzte er Gottes Ehre herab; das war tadelnswert. Noch kurz vorher hatte er zweimal Gottes Hilfe erfahren. Sonst würde der Prophet das Vergehen Hiskias nicht so scharf getadelt haben. Darin liegt eine ernste Warnung. Nichts ist gefährlicher, als im Glück blind zu werden. Daher auch jenes treffende Wort: Glück ist schwerer zu ertragen, als Unglück. Wenn alles nach unserm Sinn geht, lassen wir uns gehen und werden übermütig. Das widerfuhr dem Hiskia, dem vom Propheten eine so herrliche Verheißung gegeben, dessen Schatz die Furcht Gottes war. In solchen Zeiten müssen wir uns besonders davor hüten, der gleichen Gefahr zu unterliegen. Hiskia lässt sich von eitler Prahlsucht fortreißen und denkt nicht mehr daran, dass er zuvor durch ein herrliches Gotteswunder dem Tode entrissen wurde. Vorher versprach er, er wolle den Herrn allezeit in der Versammlung der Frommen loben. Nun aber, da er seine Freundschaft begehrt und sich im Namen eines mächtigen Herrschers begrüßt sieht, vergisst er seines Gottes und die Wohltaten, die er von ihm empfangen hatte. Da sehen wir, wie leicht der fromme König von seinem Ehrgeiz sich fortreißen lässt und zu Fall kommt. Bescheiden bleiben und uns in Zucht nehmen, das erhält uns stets in der Furcht Gottes.

V. 3. Da kam der Prophet Jesaja usw. Obwohl Jesaja nicht ausdrücklich sagt, dass er von Gott beauftragt sei, so hat er doch sicher auf Antrieb des heiligen Geistes und im Auftrag Gottes gehandelt. Darum heißt es auch: da kam der Prophet Jesaja. Nicht als gewöhnlicher Mensch kam er, sondern in Erfüllung einer ihm von Gott auferlegten Pflicht. Hiskia sollte wissen, dass er es nicht mit einem sterblichen Menschen, sondern mit Gott zu tun habe. Wenn es einfach heißt: dass Jesaja „kam“, so kann man weiter daraus schließen, dass er nicht herbeigerufen worden ist. Als Hiskia mit seinen Schätzen prahlte, ließ er den Propheten ruhig zu Hause. Bei solchen Anlässen pflegen Propheten nicht erwünscht zu sein. Früher, als er in höchster Not war, als Rabsake so frecht höhnte und in unverschämter Weise Gott verspottete, schickte Hiskia zu Jesaja hin und bat ihn, er möchte bei Gott für ihn eintreten, ihn trösten und ihm aus seiner Angst helfen. In Unglück und Nöten sind die Propheten gesuchte Leute; im Glück werden sie vergessen, ja zurückgewiesen; mit ihren Ermahnungen könnten sie ja unsere Lust stören und in Trauer verwandeln. – Jesaja kommt also, wenn auch ungerufen. Sein festes Auftreten ist zu loben und zu bewundern. Sein Beispiel zeigt uns, dass wir nicht warten dürfen, bis die Menschen, welche unseres Amtes bedürfen, uns rufen. Unsere Pflicht ist es, die irrenden Schafe zu sammeln; das müssen wir fleißig tun, auch wenn niemand es von uns verlangt. Dass Hiskia von dem babylonischen König sich verführen ließ und Gott nicht um Rat fragte, muss mit Recht getadelt werden. Doch war es anderseits ein Zeichen von ungewöhnlicher Demut, dass er den Propheten nicht verächtlich zurückweist als einen, der ihn zur Unzeit stört. Vielmehr antwortet er ihm freundlich und nimmt zuletzt auch die sehr harte Strafe mit ruhigem und gelassenem Herzen auf. Besser wäre es freilich gewesen, er hätte von Anfang an den Mund Gottes befragt, wie es im Psalm (119, 24) heißt: „Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen, die sind meine Ratsleute.“ Aber da er einmal auf verkehrten Weg geraten war, so war es immerhin noch anzuerkennen, dass er die Strafe für seine Übertretung gehorsam hinnahm.

Was sagen diese Männer? Der Prophet fährt nicht gleich mit scharfem Tadel über Hiskia her, sondern fasst ihn nur sanft an, um ihn zur Erkenntnis seiner Sünde zu bringen. In seiner Verblendung meinte Hiskia, alles stünde bei ihm vortrefflich. Darum musste er allmählich aus seiner Stumpfheit aufgeweckt werden. Immerhin lag in den Worten des Propheten verborgen ein scharfer Stachel, als hätte er gesagt: was hast du mit jenen Männern? Musstest du nicht die Berührung mit denselben wie eine Seuche fliehen?

Hiskia sprach: Sie kommen von ferne zu mir, nämlich von Babel. Die Antwort Hiskias lässt darauf schließen, dass er von jenem sanften Tadel sich noch nicht getroffen fühlte. Noch prahlt er selbstgefällig damit, jene Leute seien von fernher gekommen, von Babel. Dieses Land war nun dem Propheten nicht unbekannt. Darum hätte Hiskia nicht nötig gehabt, nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass jene Leute von ferne gekommen seien. Ehrgeizig, wie er ist, rühmt er sich damit nur selber. Er muss darum schärfer angefasst werden.

V. 4. Er aber sprach: Was haben sie in deinem Hause gesehen? Der Prophet fährt in verblümter Weise in seiner Ermahnung fort, in der Hoffnung, dass Hiskia dadurch innerlich getroffen werden und Missfallen an sich selber empfinden möchte. Das erreicht er jedoch noch nicht, obschon es kaum zu glauben ist, dass Hiskia so stumpf war, dass er jene Stiche nicht gefühlt hätte. Er wusste doch, dass der Prophet nicht aus Neugierde gekommen war, um Neuigkeiten zu hören; auch wusste er, dass derselbe nicht im Scherze mit ihm rede, sondern in ernster Sache. Wie es aber auch sei, man muss es dem Hiskia zum Besten auslegen, dass er freundlich antwortet. Er fährt nicht auf gegen den Propheten, sondern erzählt bescheiden, wie die Sache sich verhält. Noch erkennt er nicht, dass er gesündigt hat, dass sündiger Ehrgeiz die verborgene Triebfeder seines Handelns ist. So berauscht nicht nur der süße Trank des Ehrgeizes die Menschen, er raubt ihnen auch alles Denken, sodass sie trotz aller Mahnung nicht Buße tun.

V. 5. Und Jesaja sprach zu Hiskia: Höre das Wort des Herrn Zebaoth usw. Aus diesem Gottesgericht können wir erkennen, dass die Sünde Hiskias keine leichte war, ob auch die meisten anders über sie urteilen möchten. Das Maß der Züchtigung, das Gott über Menschen verhängt, entspricht ihrem Vergehen. Aus der Schwere der Strafe kann man hier also folgern, dass das Vergehen des Hiskia kein ungewöhnliches, sondern eine schwere Missetat war. Es ist verkehrt, Worte und Taten der Menschen mit menschlichem Maßstab zu messen; Gott allein ist der rechte Richter.

Hiskia zeigte seine Schätze. Aber waren denn die nur dazu zusammengehäuft, um ewig begraben und verborgen zu bleiben? Er empfing die Gesandten freundlich. Aber sollte er sie fortjagen? Er lieh ihrer Botschaft, dass der Nebenbuhler des assyrischen Königs aus sich heraus eifrigst seine Freundschaft begehrte, sein Ohr. Sollte er solchen Vorteil abweisen? Endlich war das Zeigen seiner Schläge doch nichts so Böses, dass es nicht entschuldigt werden könnte. So denken Menschen. Aber Gott, dem nichts verborgen ist, sieht zunächst in der Freude des Hiskia etwas von Undankbarkeit; denn der Leiden uneingedenk, von denen er vor kurzem bedrückt wurde, setzt Hiskia die Chaldäer gleichsam an die Stelle Gottes, dem er sich und all das Seine hätte weihen müssen. Sodann sieht er darin den Hochmut des Königs, der in seinen glänzenden Reichtümern geflissentlich seinen eignen Ruhm sucht. Ferner sieht Gott darin ein verwerfliches Interesse an einem Bündnis, das dem ganzen Volke zum Verderben gereichen musste. Aber der schlimmste Fehler Hiskias war doch der Ehrgeiz, der aus den Menschenherzen fast alle Gottesfurcht schwinden lässt. Darum ruft Augustinus mit Recht aus: „Was ist doch der Hochmut für ein böses Gift! Er kann nur durch Gift geheilt werden!“ Dahin gehört auch, wenn Paulus von dem Engel des Satans redet, der ihn mit Fäusten schlägt, damit er sich selbst nicht überhebe (2. Kor. 12, 7). Im Elend war Hiskia unüberwindlich, durch jene Schmeichelreden lässt er sich aber überwinden und widersteht nicht dem törichten Ehrgeiz. Wir sollen darum mit aller Sorgfalt darauf achten, wie schlimm diese Sünde ist, und sollen sie meiden.

Da der Prophet eine harte Botschaft zu überbringen hatte, so stellt er sich als Herold Gottes vor und sagt: „Höre das Wort des Herrn Zebaoth!“ – und dann noch einmal (V. 6): „so spricht der Herr.“ Er tut das nicht, um den Unwillen, der in Hiskia aufsteigen konnte, von sich abzulenken, sondern um den König in der Tiefe seines Herzens zu treffen. Wir könnend daraus wieder die Festigkeit und Kühnheit des Propheten erkennen. Er fürchtet nicht den Anblick des Königs und scheut sich nicht, dessen Sünde aufzudecken und Gottes Gericht ihm anzukündigen. Auch damals hörten die meisten Könige nicht gern die Wahrheit. Aber er war fest davon überzeugt, dass ihm dieser Auftrag von Gott gegeben sei. Darum führt der Prophet ihn, so unangenehm er ihm auch sein mochte, getrost aus. Allerdings waren die Propheten Untertanen ihrer Könige. Darum maßten sie sich auch selbst nichts an, sondern handelten nur im Namen und Auftrag Gottes. Denn auf Erden ist nichts so erhaben, dass es sich nicht der Majestät Gottes unterwerfen müsste. Hätte Jesaja die Absicht gehabt, das Wohlwollen des Königs zu gewinnen, dann hätte er nach Schmeichler Art geschwiegen. Aber er weiß, was seines Amtes ist und gibt sich Mühe, dasselbe getreulichst auszurichten.

V. 6. Alles, was in deinem Hause ist usw. Zu beachten ist die Art der Strafe, welche der Herr gegen Hiskia anwendet. Nichts von dem, was im Hause Hiskias ist und was seine Väter gesammelt haben, soll bleiben. Die Dinge, mit denen er geprahlt hatte, nimmt Gott seinen Nachkommen fort, sodass diese dann sich nicht mehr damit rühmen können. So straft der Herr den Stolz und Ehrgeiz der Menschenkinder. Ihr Name und Reich, die, wie sie hoffen, ewig sein würden, werden vernichtet, ihr Andenken wird mit Schmach und Schande bedeckt; all ihre törichten Pläne stellt er auf den Kopf, sodass sie völlig das Gegenteil von dem erfahren, was sie sich in ihrem Wahne einbilden. Vielleicht wendet jemand ein, es sei verkehrt, die Plünderung Jerusalems und die Verbannung des Volkes der Sünde eines einzigen Mannes zuzuschreiben, zumal die Schrift überall darauf hinweist, dass die allgemeine Herzenshärtigkeit des Volkes die Ursache gewesen, weshalb Gott Stadt und Land den Chaldäern zur Plünderung preisgab. Aber ich meine, es ist doch nichts Ungereimtes, dass Gott gegen die Sünde eines einzelnen Menschen und zugleich gegen die Missetaten eines ganzen Volkes sich wendet. Als der Zorn über das ganze Land erging, mussten alle insgesamt ihre Schuld erkennen, und wiederum musste jeder einzelne noch besonders bedenken, was er selbst verschuldet hatte. Niemand sollte die Schuld auf andere wälzen, vielmehr ein jeder sie in sich selber suchen. Da überdem die Juden dem Zorn Gottes schon wegen zahlloser Sünden verfallen waren, so ließ Gott es zu, dass Hiskia fehlte mit der Sünde aller. Umso mehr eilte er mit seinem Zorn und bahnte seinem Gericht den Weg. So war es auch bei David. Die Schrift weist darauf hin, es sei nicht zufällig gewesen, dass David das Volk zählte, sondern das sei durch die Sünde des Volkes selber verursacht worden, gegen das der Herr bei dieser Gelegenheit vorgehen wollte. Und der Zorn des Herrn, heißt es (2. Sam. 24, 1), ergrimmte abermals wider Israel und reizte David wider sie, dass er sprach: Gehe hin, zähle Israel und Juda. So wird auch an dieser Stelle dem Hiskia die Strafe angekündigt; seine Sünde aber, durch welche er den Zorn Gottes hervorrief, war auch die Sünde des ganzen Volkes. Darum richtete sich Gottes Rache auch gegen dieses.

V. 7. Dazu werden sie von deinen Kindern usw. Das musste dem Hiskia noch viel bitterer sein. Darum ist es auch des Nachdrucks wegen an den Schluss gesetzt. Wenn irgendein Unheil über ein Volk kommt, dann meinen wohl die Könige, sie und die Ihrigen dürfe es nicht treffen, als ob sie nicht zur Zahl der Menschen gehörten. Wenn Hiskia nun hörte, dass seine Kinder in die Knechtschaft geführt werden sollten, so musste ihm das ganz besonders hart sein. Daraus können wir wieder den Schluss ziehen, wie sehr es dem Herrn missfiel, dass Hiskia seine Stärke in irdischem Reichtum suchte und vor Gottlosen sich rühmte. Gott straft es schwer wie ein nicht sühnendes Verbrechen.

V. 8. Und Hiskia sprach zu Jesaja: Das Wort des Herrn ist gut. Hiskia ist kein unbeugsamer und kein maßlos stolzer Mensch gewesen. Denn die Drohung des Propheten nimmt er in Demut auf. Als er von dem Zorn Gottes hört, da erkennt er seine Schuld und gibt zu, dass er mit Recht gestraft werde. Das ist ein schönes Beispiel von Sanftmut und Gehorsam. Hiskia streitet und hadert nicht mit dem Propheten, sondern ist sanft und demütig. So sollen wir sanftmütigen Geistes auf den Herrn hören nicht nur, wenn er uns aufmuntert und ermahnt, sondern auch wenn er uns erschreckt und verdammt und seine gerechten Strafen ankündigt. Denn mit den Worten: das Wort des Herrn ist gut – spendet Hiskia nicht nur der Gerechtigkeit des Herrn Lob, sondern nimmt auch geduldig aus seiner Hand hin, was ihm hart und bitter sein musste.

Wohl wurde auch den Gottlosen zuweilen ein Geständnis ihrer Schuld ausgepresst. Doch war dabei ihr Trotz nicht gebrochen; sie murrten dabei gegen ihren Richter. Um also Gottes bittere Drohungen zu versüßen, müssen wir auf seine Barmherzigkeit unsere Hoffnung setzen, sonst schäumt aus unsern Herzen nur herbe Bitterkeit auf. Wer da weiß, dass Gott bei seinen Strafen keineswegs seine väterliche Liebe ablegt, der wird nicht nur bekennen, dass er gerecht ist, der wird auch sanft und still seine zeitweise Härte ertragen. Wenn es uns durch reiche Erfahrung der Gnade Gottes feststeht, dass er unser Vater ist, dann wird es uns auch nicht schwer und bitter, seinem Willen stille zu halten. Denn der Glaube sagt sich, dass uns nichts besser ist, als seine väterliche Züchtigung. So gibt Eli, als er gescholten ward, die demütige Antwort (1. Sam. 3, 18): „Es ist der Herr; er tue, was ihm wohlgefällt.“ Und zwar ist er nicht nur deshalb stille, weil er mit seinem Murren doch nichts ausrichten kann, sondern weil er sich aufrichtig unter Gottes Gericht beugt. Dem äußeren Schein nach ist so auch das Schweigen des Saul zu deuten, als er vernimmt, dass er seines Königreiches beraubt werden würde (1. Sam. 13, 14). Was ihn aber innerlich trifft, ist nur die Strafe, nicht das Missfallen an seiner Sünde. Darum ist es nicht zu verwundern, dass es in ihm wild kochte, wenn er auch äußerlich Ruhe zeigte; gern hätte er Widerstand geleistet, aber er konnte es nicht. So bitten und flehen Verbrecher, wenn Ketten und Fußfesseln sie festhalten, vor ihren Richtern. Am liebsten aber möchten sie dieselben von ihrem Richtstuhl herabreißen und mit ihren Füßen zertreten. David aber und Hiskia demütigen sich unter Gottes gewaltige Hand, doch verlieren sie dabei nicht die Hoffnung auf Vergebung. Sie wollen lieber die auferlegten Strafen auf sich nehmen, als der Herrschaft Gottes sich entziehen.

Das du sagest. Beachtenswert ist, dass der König nicht einfach sagt: Das Wort des Herrn ist gut – sondern hinzufügt: das du sagest. Es fällt dem Hiskia nicht schwer, ein von einem sterblichen Menschen ihm vorgehaltenes Wort in Ehrfurcht aufzunehmen, weil er dabei auf den schaut, der es eigentlich veranlasst hat. Gewiss konnte dem Könige der Freimut des Jesaja unangenehm und lästig sein; aber er erkennt in ihm Gottes Diener und lässt sich darum zur Ordnung weisen. Umso weniger erträglich ist die Empfindlichkeit der Leute, die, wenn man sie mahnt und tadelt, unwillig werden und dann voller Geringschätzung den Lehrern und Dienern die Frage entgegen schleudern: Seid ihr denn nicht auch Menschen? Als wenn man dem Herrn nur dann gehorchen müsste, wenn er Engel vom Himmel herabschickte oder selber hernieder stiege! Freilich sind die wahren Propheten von den falschen zu unterscheiden, die Stimme des Hirten von der Stimme des Mietlings. Aber wir dürfen nicht alle ohne Ausnahme zurückweisen. Wir müssen dieselben anhören, nicht nur wenn sie mahnen und tadeln, sondern auch wenn sie das Urteil sprechen und auf Gottes Geheiß die gerechten Strafen für unsere Sünden ankündigen.

Und sprach: Es soll ja Friede und Beständigkeit sein, so lange ich leben. Manche Ausleger fassen den Satz als Gebetswunsch: „Es sei nur Friede“ usw. Tatsächlich enthält der Satz einen Dank dafür, dass der Herr die verdiente Strafe ermäßigt. – Hiskia will sagen: Gott könnte gleich die Feinde bestimmen, mich aus meinem Königreich zu vertreiben; aber er schont mich und mildert die verdiente Strafe dadurch, dass er sie aufschiebt. Statt „Beständigkeit“ übersetzt man auch „Treue“ und denkt dabei an die treue Bewahrung des rechen Gottesdienstes. Es schwebt aber sicherlich der äußerlich ruhige Zustand des Königreiches vor, und man könnte sogar zusammenziehen: „beständiger Friede.“ Es könnte aber grausam erscheinen, dass Hiskia für seine Nachkommen keine Sorge zeigt und sich nicht sehr darum kümmert, was hinterher kommen werde. Es sind gottlose, schreckliche Worte: Nach uns mag kommen, was will; nach uns die Sintflut, - und ähnliche andere. Doch Hiskia hat etwas ganz anderes im Sinn. Er wünschte den kommenden Geschlechtern das Beste. Aber dass Gott seine Strafe aufschob und ihm darin einen Beweis seiner Güte gab, durfte er doch nicht für nichts achten; und er konnte doch hoffen, dass am Ende auch seine Nachkommen irgendwie Barmherzigkeit erfahren würden. Gewiss müssen wir unserer Zeit vor allem dienen und sie besonders im Auge haben. Wohl sollen wir die Zukunft nicht beiseitesetzen, aber die Gegenwart nimmt uns doch noch mehr in Anspruch. Gott legt uns denen gegenüber, die zugleich mit uns leben, größere Pflichten auf. Gegenseitig untereinander verbunden sollen wir einer den andern unterstützen. Zu beachten ist auch noch, dass früher, als er dem Tode sehr nahe war, der Herr dem Hiskia eine Verlängerung des Lebens verheißen hatte; jetzt hatte er mit Recht fürchten müssen, dass Gott ihm um seiner Sünde willen von neuem das Leben abkürzen werde. Als er nun hört, dass die Verheißung fest und gültig bleibe, dankt er Gott und trägt voller Geduld an der zukünftigen Heimsuchung, obwohl sie auch für ihn selbst schwer und bitter war.

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