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Calvin, Jean – Hiob 4, 1-9

Calvin, Jean – Hiob 4, 1-9

1) Da hub Eliphas von Theman an und sprach: 2) Wenn man ein Wort versucht, verdrießt es dich? Doch wer vermöchte an sich zu halten? 3) Siehe, du hast viele unterwiesen und matte Hände gestärkt. 4) Du hast mit deinen Worten aufgerichtet, die da fielen; du hast schwache und zitternde Knie gestärkt. 5) Nun an dich das Unglück kommt, bist du verzagt, und nun es dich trifft, erschrickst du. 6) Ist das deine Gottesfurcht, dein Vertrauen, deine Hoffnung, dein tadelloser Wandel? 7) Ich bitte dich, gedenke doch: ist je ein Schuldloser umgekommen? Oder sind jemals vertilgt die Gerechten? 8) Soviel ich gesehen habe: die Unrecht pflügen und Mühsal säen, die ernten´s auch. 9) Durch Gottes Atem kommen sie um, durch seines Mundes Hauch schwinden sie dahin.

Eliphas von Theman, einer von Hiobs Freunden, die gekommen sind, ihn zu trösten, begibt sich mit ihm ins Gespräch. Er wisse ganz genau: was Hiob scheinbar an Gottesfurcht und Unschuld gehabt, sei lauter Heuchelei gewesen, weil er so über´s Maß hinausgegangen sei und Gottes Züchtigung nicht geduldig tragen könne. Aber er geht noch weiter: Hiob müsse ein ganz verworfener Mensch sein, weil Gott ihn so hart behandle; bei frommen Leuten komme es doch nicht vor, dass Gott sie so bis zum äußersten plage. Das ist es, womit Eliphas seine Streitrede gegen Hiob anhebt.

Nun müssen wir eins bedenken: Hiob hat eine gute Sache, aber er führt sie gar schlecht, seine Gegner dagegen haben eine schlechte Sache, aber sie führen sie sehr gut – man kann ja bisweilen eine schlechte Sache sehr schön anfärben. Das ist wohl zu berücksichtigen, sonst bleibt das Gespräch unverständlich. Hiob hat eine gute Sache: er erkennt, dass Gott ihn heimsucht, und obwohl er sich als Sünder weiß, der solche Züchtigungen verdient, so ist ihm doch gewiss, dass ihm Gott nicht deshalb so schlimme Widerwärtigkeiten zugeschickt hat; nicht seiner Sünden wegen ist es geschehen, sondern da muss eine geheime Ursache zugrunde liegen, die ihm nicht bekannt ist. Dabei verschließt er sich den Mund, weil er doch einen Rechtsstreit mit Gott nicht gewinnen kann; gleichwohl aber kann er´s nicht lassen, allerlei maßlose Reden zu führen, er treibt also seine gute Sache schlecht. Seine Freunde aber gehen von einem Grundsatz aus, der nicht richtig ist: die Menschen, so meinen sie, würden in diesem irdischen Leben von Gott immer behandelt, wie sie es verdienten. Das ist ein ganz falscher Satz. Denn was wir sehen, was die Schrift uns lehrt, was die Erfahrung bestätigt, ist das gerade Gegenteil davon. Trotzdem bringen die Redenden allerlei gute und heilige Gedanken vor, denen wir gute und nützliche Lehren entnehmen können.

Eliphas meint: Du hast viele unterwiesen und matte Hände gestärkt … Nun an dich das Unglück kommt, bist du verzagt, und nun es dich trifft, erschrickst du. „Daraus entnehme ich“, will er sagen, „die Gottesfurcht, die du hattest, war also nichts anderes als die Erwartung, Gott werde dir allezeit gnädig sein. Kurz gesagt: Du hast Gott nur auf Borg gedient, deine Hingabe an Gott war nicht aufrichtig, sondern berechnet: du hofftest, Gott werde dir immer gnädig sein. Bisher hast du ihm gern gedient, aber jetzt, wo er dir grausam vorkommt, sagst du ihm den Dienst auf – da sieht man doch, es war nur Heuchelei.“ Ja, wäre Hiob so gewesen, wie Eliphas voraussetzt, so hätte er Recht; denn daran erkennt man die Heuchler, dass sie den Mund voll nehmen, andere zu unterweisen, aber nichts davon merken lassen, dass sie selbst nach dieser Lehre leben. Jeder von uns muss sein eigener Lehrmeister sein, und wenn unsere Lehre dem Nächsten zugute kommen soll, so müssen wir bei uns selber anfangen, uns zu belehren. Haben wir also andere gelehrt, Widerspenstige und Hartnäckige aufs beste gestraft, Irrende auf den rechten Weg gebracht und Ermattete aufgerichtet, ohne jedoch mit der Tat zu beweisen, dass wir von Herzen und in Aufrichtigkeit geredet haben, so haben wir selbst umso mehr Strafe und Verdammnis verdient. Das soll uns zu einem Wandel in Furcht und Demut treiben. Wollen wir jemand lehren, so sollen wir wissen: Ja, Gott will wohl, dass ich meinem Nächsten diene, aber erst muss ich mein eigener Richter sein; ich trage sein Wort vor, dabei aber muss ich mich selber unterweisen, sonst gereicht es mir zu großer, schmählicher Beschämung, wenn ich nicht mein eigenes Leben nach meinen Worten und meiner Verkündigung einrichte. Das sollen vor allem die Diener des Evangeliums bedenken; darum sagt auch der hl. Paulus: „Ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde“ (1. Kor 9, 27). Wir, die wir das Wort Gottes vorzutragen haben, sind umso strafwürdiger, wenn wir nicht deutlich merken lassen, dass Gott die Gnaden seines Heiligen Geistes über uns ausgegossen hat, also bei uns selber den Anfang machen. Müssen wir andere strafen, so lasst uns erst uns selber strafen! Müssen wir andere ermahnen, lasst uns erst uns selbst ermahnen! Wir müssen erst selber vorangehen. Besonders wenn wir die tadeln müssen, die sich verfehlt haben, lasst uns das Wort des Paulus befolgen: „Liebe Brüder, so ein Mensch etwa von einem Fehler übereilt würde, so helfet ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist“ (Gal 6, 1). „Und siehe auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest“; siehst du dann, dass auch du nur ein Mensch mit seinen Gebrechen bist, so musst du auch deinen Nächsten mit Geduld tragen; doch soll dich das nicht daran hindern, die göttlichen Ermahnungen auszusprechen.

Eliphas fährt fort: Ist das deine Gottesfurcht, dein Vertrauen, deine Hoffnung, dein tadelloser Wandel? Er meint, Hiob sei ein Heuchler gewesen, er habe Gott nur darum gedient, weil es ihm darnach gelüstete, hoch geachtet und gepriesen zu werden. Gewiss, dienen wir Gott nur deshalb, weil wir fürchten, ihn sonst zum Feinde zu haben, so ist das ein knechtischer Dienst. Gott will aber nicht, dass wir ihm als Lohnknechte dienen, sondern er will einen Dienst mit freimütigem Herzen und mit einer solchen Hingabe, dass wir sprechen: Herr, wir sind dein, es ist billig, dass ein jeder von uns sich dir zum Dienste ergebe und sich bemühe, deinen Namen zu verherrlichen. Wir müssen also Gott mit Freimütigkeit dienen, nicht aus knechtischem Zwang. Freilich an andern Stellen der Schrift heißt es, dass unsere Arbeit für den Herrn nicht vergeblich ist, wie z. B. Ps 19, 12: „Wer deine Rechte hält, der hat großen Lohn.“ Aber es steht hier eben zweierlei ohne Widerspruch nebeneinander: Wir sollen uns durch freiwillige Neigung zum Dienst Gottes treiben lassen und dürfen nichtsdestoweniger versichert sein, Gott werde nicht zugeben, dass unsere Arbeit vergeblich sei in dem Herrn (1. Kor 15, 58). Überall in der Schrift ist dieser Gedanke ausgesprochen, besonders deutlich zusammengefasst Hebr 6, 10: „Gott ist nicht ungerecht, dass er vergesse eures Werks und der Arbeit der Liebe, die ihr erzeigt habt an seinem Namen.“ Wir dürfen also wohl auf die Verheißungen sehen, die uns Gott gegeben hat, dass unsere Bemühung in seinem Dienst nicht soll vergeblich sein, dass unsere Hoffnung uns nicht trügen wird, ja dass unser Lohn groß sein soll im Himmel. Doch muss der Dienst, den wir Gott leisten, aus freiem Gehorsam kommen; wenn es ihm gefällt, uns mit Trübsal heimzusuchen, so sollen wir darum nicht aufhören, in seinem Gehorsam zu bleiben und in seiner Furcht zu wandeln. Dann werden wir nicht einen Lohn bekommen wie ein Mietknecht. Wir wollen uns Gott in freiem Gehorsam ergeben und uns völlig seinem Dienste weihen, im Leid wie im Glück, dann wird unsere Arbeit nicht vergeblich sein. Es steht einem Kinde nicht zu, seinem Vater Vorschriften zu machen, sondern es sagt: „Hier bin ich! Regiere du mich nach deinem Willen; dein Wille ist immer gut, und ich bezeuge öffentlich: Ich will nichts anderes, als dir unterworfen sein.“ Zwar wissen wir wohl: Es ist nicht verlorene Mühe, wenn man Gott dient; er hat uns großen Lohn verheißen, und die Hoffnung darauf betrügt uns nicht. Aber das erste muss eine freie Neigung sein, und wir dürfen keinen Vertrag mit Gott machen wollen, als hätte er sich uns verpflichtet, je nachdem es uns gelüstet, und als müsse er uns alles bewilligen, was wir uns in unserm Gehirn einbilden. Gottes Diener wissen wohl, dass ihr Dienst Gott angenehm und niemals nutzlos ist, aber dabei bauen sie doch nicht auf den verheißenen Lohn, verlangen auch nicht, dass Gott sich in ihre Gedanken schicken soll; sie wollen ihn zu nichts zwingen, sondern in Demut liefern sie sich in allen Dingen seinem Wohlgefallen und seiner Fügung aus. Mit der Frage, ob Gott uns Lohn schuldig ist oder nicht, sind wir hier nicht beschäftigt. Auch wenn wir alles getan haben, was uns möglich ist, so ist Gott deshalb doch nicht unser Schuldner; der verheißene Lohn ist nur als Gnadenlohn zu verstehen. Verdient haben wir ihn nicht, sind auch seiner nicht wert, sondern er ist uns deshalb verheißen, damit wir wissen: gleichwie Gott uns in seine Gnade aufgenommen hat, so will er auch unsere Werke anerkennen, nämlich als solche, die er durch seinen Geist gewirkt hat. Denn in uns ist nichts Gutes, nein, was Gott uns gegeben hat, das erkennt er an, als wenn wir es ihm darbrächten; nimmt er also unsere Werke in seiner lauteren Güte an, so geschieht es, um uns desto mehr Mut zu seinem Dienst zu machen; wir sollen auf seine Verheißungen blicken, in denen er uns bezeugt, dass unser Lohn im Himmel groß ist, dass er uns in dieser Welt segnen will und uns nichts mangeln wird. Im Blick darauf also können wir uns trösten; dabei dürfen wir nicht so rechnen, als müsse Gott mit uns nach unserem Willen handeln; wir sollen uns vielmehr ihm ganz und gar befehlen, und uns seinem guten Willen völlig unterwerfen.

Nun fährt Eliphas fort: Ich bitte dich, gedenke doch: ist je ein Schuldloser umgekommen? Oder sind jemals vertilgt die Gerechten? Ein ganz richtiger Gedanke, wie denn überhaupt alles, was er gegen Hiob vorbringt, gut und heilig ist, obschon er eine schlechte Sache vertritt! Soviel ist sicher: Die Grundsätze, die er hier ausspricht, sind der lauteren Wahrheit Gottes entnommen. Dass kein Gerechter jemals umgekommen sei, das ist gerade, als hätte es der Heilige Geist selbst gesagt. Denn Gott hat versprochen, für die Gerechten zu sorgen, wie es Ps 34, 16 heißt: „Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien.“ Die Schrift ist voll davon, dass Gott seine Hand ausgereckt hat, zu erhalten die Frommen, die ihn anrufen und auf ihn vertrauen. Es müsste ja auch der Teufel mächtiger sein als Gott, wenn die Gerechten verloren gingen; deshalb müssen wir umso mehr an dem Worte Jesu festhalten: „Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn alles“ (Joh 10, 29): unser Heil steht niemals in Gefahr, wenn Gott uns in seine Hut nimmt. Er will seine Kraft entfalten, um uns zu schützen. Also ist unser Heil völlig sichergestellt, wenn Gott dafür Sorge trägt. So ist denn der Gedanke ganz richtig: die Gerechten kommen nicht um, die Schuldlosen können nicht vertilgt werden. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen „umkommen“ und „betrübt werden“. Trübsale sind nicht immer dazu da, dass die Menschen umkommen; zwar sind sie bisweilen so schwer, dass sie scheinbar tödlich sind, aber wenn Gott sich die Macht zuschreibt, aus dem Grabe zu befreien, so dürfen wir auch nicht daran zweifeln, dass wir Hilfe von ihm erfahren, wenn wir recht ausgehalten haben. Eliphas macht also von seinem richtigen Grundsatz eine schlechte Anwendung; er tut, als wäre Hiob schon umgekommen, als hätte ihn Gott schon völlig verlassen und es gäbe keine Hilfe mehr für ihn. Und das war verkehrt. Gewiss, er war ein armer und ganz entstellter Mensch, nur mit Abscheu konnte man ihn anschauen, so recht ein Beweisstück für Gottes Zorn; aber soviel ist sicher: Gott hatte noch nicht aufgehört, ihn zu lieben, wie wir es sehen werden und wie es sich am Ende herausstellen wird. Eliphas ist voreingenommen, der Schreck über Hiobs Anblick trübt sein Urteil, so dass er der Barmherzigkeit und reinen Güte keinen Raum mehr lässt – darin besteht sein Fehler.

Sehen wir einen armen, scheinbar hoffnungslos verlorenen Menschen, so lasst uns Gottes Güte preisen und hoffen, er werde für die scheinbar unheilbaren Krankheiten doch noch Hilfe wissen! Nach menschlichem Urteil mag alles verloren sein; Gott aber verfügt über Mittel, die wir nicht kennen, um den Seinen zu helfen, wenn er sich ihnen gnädig erzeigen will. Lasst uns also abwarten, bis er uns das Ende sehen lässt, und mittlerweile unser Urteil in der Schwebe lassen, damit wir nicht maßlos und leichtfertig urteilen. Schickt Gott aber uns selber große Trübsale zu, so komme uns sofort das Wort in den Sinn, das hier zu Hiob gesagt wird. Es ist nicht nötig, dass erst ein Eliphas kommt, um uns zu plagen und uns vorzureden, wir seien verloren. Wir tragen alle den Samen der Ungeduld in uns, uns in unserm Elend zu betrüben und in Verzweiflung zu stürzen; das bringt unsere Natur so mit sich. Umso mehr müssen wir gegen einen solchen Ansturm gerüstet sein. Wenn einem sein Herz solche Anfechtungen vorhält, so soll er sagen: Es ist ganz richtig, der Gerechte kommt niemals um, und der Schuldlose geht nicht zugrunde. Aber was ist mit diesem Umkommen gemeint? Es ist nicht dasselbe wie einfach: in Trübsal geraten. Die Heilige Schrift sagt uns ja, dass Gott die Toten auferweckt, dass er den Zerschlagenen Kraft gibt und die wieder aufrichtet, die auf den Tod verwundet sind. Was will die Schrift mit solchen Worten anders sagen, als dass Gott allen armen Angefochtenen seine Kraft offenbaren will? Gott will die Seinen nicht in der Weise behüten, dass er sie verzärtelt, sondern er will sie aus dem Grabe ziehen, will sie auf wunderbare Weise erhalten. Sie sollen wissen: Er ist der, dem es zusteht zu herrschen, indem er durch den Tod hindurch das Leben gibt. Wir haben ja auch die Verheißung, dass Gott die Ausgänge des Todes in seiner Hand hat. Als David uns anzeigen will, wie Gott uns führt, sagt er: „Ihm gehören die Ausgänge des Todes“ (Ps 68, 21; Grundtext). Damit meint er: Wir werden alle Augenblicke in den Tod gestürzt, so dass wir nicht einen Schritt tun können, ohne dass es den Anschein hat, es sei um uns geschehen; aber „Gott gehören die Ausgänge des Todes“. Auf diese Stellen müssen wir wohl acht geben, damit wir gerüstet sind, wenn der Teufel uns ins Ohr flüstern will: „Wer bist du denn? Siehst du nicht, dass es droben keine Hilfe für dich gibt? Gerechte Leute kommen doch nicht um!“ In solchem Fall sollen wir den Teufel mit der Antwort abweisen: „Es ist wahr: die Gerechten kommen nicht um, aber ich bin ja auch nicht umgekommen!“ „Aber“ – so möchte er einwenden – „du bist doch wie ein Toter!“ „Aber mein Gott ist der, der die Ausgänge des Todes in seiner Hand hat!“ Dasselbe sagt David Psalm 23, 4: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“

Eliphas fährt fort: Soviel ich gesehen habe: die Unrecht pflügen und Mühsal säen, die ernten´s auch. Die beiden Worte „Unrecht“ und „Mühsal“ sind in der Schrift gewöhnlich verbunden, und zwar zur Bezeichnung der Gewalttaten, womit die Gottlosen ihre Nächsten quälen und plagen. Sie „pflügen“: wer seinem Nächsten Schaden tun und Verlust zufügen will, der trifft dazu Vorbereitungen wie ein Ackersmann; wenn er säen will, so muss er zuvor den Pflug über den Acker führen, um denselben recht zuzurüsten. So machen´s auch die Gottlosen: ihre Ungerechtigkeiten, Betrügereien und Verrätereien bereiten sie im Herzen vor, und wenn sie alles ausgesonnen haben, suchen sie Mittel und Wege, um ihre Bubenstücke auszuführen; das meint Eliphas mit dem „Pflügen“. Darnach „säen sie Mühsal“: Haben sie ihre Vorbereitungen getroffen, so fallen sie über die armen Leute her, um sie zu berauben und aufzufressen. Aber sie „ernten“ auch, was sie gesäet haben: Gott lässt alles Unheil, das sie ersonnen haben, über ihr Haupt kommen. Das ist wiederum ein durchaus richtiger Satz, und wir müssen ihn nehmen als vom Heiligen Geist gesprochen, als eine allgemein gültige Lehre. Wollen wir ihn uns aber recht zunutze machen, so müssen wir Gott bitten, er wolle uns dazu den Geist der Weisheit verleihen, damit wir die Schrift nicht hin und her drehen und in ihr Gegenteil verkehren, wie es Eliphas getan hat. Es liegt hier eine Drohung Gottes gegen die Gottlosen vor; er will sie im Zügel halten, damit die Menschen in Liebe und Redlichkeit miteinander leben und niemand seinen Nächsten schädige, wie wir den andererseits die Verheißung hören: „Wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen“ (2. Kor 9, 6). Jesaja sagt: „Du Räuber, meinst du, man werde dich nicht berauben?“ (33, 1), und anderswo heißt es: „Nach welchem Maße die Menschen gehandelt haben, darnach muss ihnen wieder vergolten werden.“ „Der Gottlose hat eine Grube gegraben und ausgehöhlt und ist in die Grube gefallen, die er gemacht hat“ (Ps 7, 16). Und: „Es wird ein unbarmherzig Gericht über den gehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat“ (Jak 2, 13). Wenn wir solche Sprüche hören, sollen wir erzittern und zusehen, dass wir in Rechtlichkeit wahrer Redlichkeit mit unserem Nächsten umgehen, damit man sieht, dass wir immer in der Furcht Gottes wandeln.

Hat jedoch jemand Gutes getan, und er wird doch mit Trübsal heimgesucht, und hat er mit allen Frieden und Eintracht gesucht und wird dennoch verfolgt, so dürfen wir daraus nicht den Schluss ziehen, er gehöre zu denen, die Unrecht und Mühsal ernten, weil sie Unrecht und Mühsal gesät haben. Denn wir wissen ja gar nicht, warum Gott ihn so heimsucht. Freilich, wenn einer ein Verächter Gottes gewesen ist und ein wüstes, ärgerliches Leben geführt hat, so können wir nur dem Urteil der Schrift über ihn beistimmen. Wollten wir aber auf den ersten Blick unser Urteil fällen, ohne den Menschen recht zu kennen und ohne mehr von ihm zu wissen, als dass er Trübsal leidet, und wollten wir dann urteilen, er sei verflucht, so wäre das ein leichtfertiges und vermessenes Urteil, und Gott müsste es verwerfen. Darum müssen wir mit unserem Urteil zurückhalten und mit aller Bescheidenheit und Mäßigung verfahren.

Eliphas fährt fort: Durch Gottes Atem kommen sie um, durch seines Mundes Hauch schwinden sie dahin. Wenn die Gottlosen meinen, sie würden bei den Menschen straflos bleiben, so werden sie umkommen durch den Atem Gottes. Wenn die Menschen ihre Pflicht vernachlässigen und keine Gerechtigkeit üben, wenn die, die das Schwert handhaben sollen, schweigen und tun, als wären sie tote Götzen, und wenn niemand Recht und Gerechtigkeit aufrecht hält, sondern jeder alle Schlechtigkeit unterstützt, so wird doch deshalb Gott im Himmel nicht müßig sein. Dann rüstet und wappnet sich Gott; er braucht nicht große Massen von Völkern zusammen zu bringen, um sich wehrhaft zu machen; er braucht sich nicht hier und da nach Mitteln umzusehen, um die Gottlosen zu überwältigen; es genügt ein Hauch seines Mundes, und alles liegt am Boden. Dabei aber lasst uns an das denken, was uns von dem Königreich unseres Herrn Jesus Christus gesagt ist; denn dem Hauche seines Mundes und seinem Worte wird die Kraft zugeschrieben, die Gottlosen zunichte zu machen. So heißt es bei Jesaja: „Er wird mit dem Stab seines Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten“ (11, 4), und der hl. Paulus bezieht dies Zeugnis auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus: „Der Herr wird den Boshaftigen umbringen mit dem Geist seines Mundes“ (2. Thess 2, 8). Wie ist denn die Herrschaft Jesu Christi beschaffen? Wenn seine Feinde sich durch ein einfaches Wort beschämen lassen, so braucht es keines anderen Donners, um sie zu zerschmettern! Darum lasst uns wohl Acht geben: Allemal, sooft das Evangelium gepredigt wird, lässt Gott seinen Donner rollen über alle Verächter, die sich gegen ihn verhärten und verstocken. Eine Zeitlang allerdings merken wir nichts von der Kraft des Wortes, mit der es die Gottlosen straft, und doch müssen sie endlich fühlen, dass Gott nicht umsonst durch seinen Propheten gesagt und durch seine Apostel bestätigt hat: Jesus Christus wird den Boshaftigen zerstören durch den Hauch seines Mundes und die Kraft seines Wortes. Darum wollen wir uns vor diesem Worte fürchten und uns dem Evangelium unterwerfen, auf dass wir die darin beschlossene Kraft nicht fühlen zu unserer Beschämung, sondern es uns zum Heil gereiche, wenn wir seine Kraft erfahren.

Nun sehen wir allerdings bisweilen fromme und brave Leute in Trübsal versenkt; es sieht aus, als wollte sie Gott zerbrechen zerschmettern, wie wir ein Beispiel davon an David sehen. Aber gleichwohl bleibt jener Satz in Geltung, wenn wir nur betrachten, wie der göttliche Richter in der Regel verfährt. Denn aus der Art, wie Gott in dieser Welt straft, darf man nicht eine Regel machen, von der es keine Ausnahme gäbe. Wenn gesagt wird, es werde ein unbarmherziges Gericht ergehen über alle, die keine Mitleid üben, so dürfen wir das nicht in allen Fällen nach dem gegenwärtigen Geschehen beurteilen; denn wir dürfen daraus nicht den Schluss ziehen, es müssten alle grausam Verfolgten nun auch besonders grausam gewesen sein. Wir sehen doch, wie es dem Herrn Jesus Christus ergangen ist, und er ist doch das Haupt, der Spiegel und das Musterbeispiel für alle Kinder Gottes. Wir sehen auch, was vielen Gläubigen widerfahren ist. Wir dürfen also diesen Satz nur von dem gewöhnlichen Richten Gottes verstehen. Das können wir schon aus der gegenteiligen Verheißung entnehmen: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen“ (Matth 5, 5). Das ist wahr; es bedeutet aber nicht, dass wir von allem Übel verschont bleiben sollen. Es soll nur heißen: Gott wird uns das Erdreich besitzen und im Frieden bleiben lassen, sofern es uns heilsam ist.

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