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Calvin, Jean – Hiob 32, 1- 3.

Calvin, Jean – Hiob 32, 1- 3.

1) Da nahmen die drei Männer davon Abstand, noch länger mit Hiob zu reden, weil er sich in sich selbst für gerecht hielt. 2) Elihu, aber, Baracheels Sohn, von Bus, aus dem Geschlecht Rams, ward zornig auf Hiob und sehr entrüstet, weil er sich für gerechter hielt als Gott. 3) Aber auch auf seine drei Freunde wurde er zornig, weil sie keine Antwort fanden und dennoch Hiob verdammten.

Nicht unbegründet ist Elihus Zorn über Hiob und seine Freunde: Hiob hatte zwar wohl eine gute und verständige Klage vorzubringen, aber er war über seine Grenzen maßlos hinausgegangen, während die anderen sich in Gegensatz zu Gott setzten, so gute Gründe sie auch anführen konnten – und der Sache taten sie damit einen schlechten Dienst. Nun wollen die drei Freunde nicht länger mit Hiob disputieren, weil er sich in sich selbst für gerecht hielt. Nun, so hoch hat Hiob seine Gerechtigkeit doch nicht eingeschätzt, dass er gemeint hätte, es sei an ihm überhaupt nichts zu tadeln. Im Gegenteil, er bekennt sich als einen armen Sünder; aber er wollte sich nur nicht nach dem Belieben derer, die so verkehrt über seine Trübsal urteilten, ins Unrecht setzen lassen. Darum meinten sie, er mache sich selbst gerecht, obwohl er gar nicht daran dachte. Das Sprichwort hat recht: Blinder Eifer schadet nur; und wenn ein Richter übereilt urteilt, so kann nichts anderes als ein törichter und leichtfertiger Spruch zustande kommen. Wir müssen immer mit unserm Urteil zurückhalten, bis uns die Wahrheit völlig bekannt ist. Und wenn uns die Leute böswillig verdammen, ohne Grund dazu zu haben, so sollen wir uns nicht allzu sehr entrüsten; denn Hiob, dem vortrefflichen Diener Gottes, ist es auch so ergangen. Wir wollen ruhig unsern Weg weitergehen und der Wahrheit, von der wir überzeugt sind, beständig anhangen. Aber auch Kinder Gottes lassen sich leicht vom Zorn übermannen und halten sich nicht genug im Zaum. Da müssen wir an uns halten; sonst kommt zu dem Eigensinn auch noch die Leichtfertigkeit. Gewiss, wer sich weit vorwagt, ist in der Regel auch eigensinnig; aber wenn wir gefehlt haben, müssen wir nicht auch noch eigensinnig dabei beharren, sondern uns beherrschen und zurückhalten.

Was nun den Elihu anlangt, so ist es nicht bedeutungslos, dass die Schrift auch über seine Herkunft berichtet. Er stammte aus Bus. Es ist also auch in der alten Zeit bei allen Irrtümern, in die die Völker verstrickt waren, doch noch ein gutes Samenkorn von Religion bei ihnen verblieben. Nach der Sintflut hat die Welt sich alsbald aufgelehnt und jeder sich der Lüge und dem Verderben zugewandt, obwohl ein schreckliches Strafgericht Gottes ergangen war. Dennoch sind nicht alle abtrünnig geworden, nicht alle haben die wahre Religion verlassen. Wir sehen an Elihu, dass noch gute und heilige Lehre vorhanden war. Es sollte den Ungläubigen alle Entschuldigung genommen werden, und keiner sollte sich auf seine Unwissenheit berufen können. Die Menschen lassen sich sonst nicht so leicht betrügen; handelt es sich aber um den Dienst Gottes, so machen sie die Augen zu und löschen alles Licht aus, dann wollen sie nur noch betrogen sein.

Propheten Gottes waren diese Frommen, von denen wir hier hören, nicht; aber die Lehre, die von ihnen ausgegangen ist, hatte eine Majestät an sich, die der Prophetie gleichkommt. Die Anwendung auf Hiobs Person war verkehrt, gleichwohl verfügten sie über eine trefflichen Geist, und ihre Lehre muss angenommen werden, als käme sie aus der Schule des Heiligen Geistes. Bei aller ihrer Vortrefflichkeit aber bleibt bestehen, dass sie im Gesetze Gottes nicht unterwiesen und von Gottes Kirche getrennt waren. Wir haben es also mit Leuten zu tun, die keine Schrift hatten; sie hatten überhaupt nichts anderes als die Lehre, die Noah und seine Kinder nach der Sintflut verkündigt hatten; aber Gott hatte ihnen eine Erkenntnis gegeben, die wohl zur Erbauung des gemeinen Volkes dienen konnte. Darum hat die Welt sich auch nicht mit Unwissenheit entschuldigen können.

Wenn man jedoch sagt, Gott habe die Menschen zu dieser Zeit im Verderben wandeln lassen, so soll das heißen: Er hat nicht ihnen allen die Gnade bewiesen, ihnen die besondere Wahrheit zu geben, die er seiner Kirche und seinem Volke vorbehalten hat. Aber das dient nicht zu ihrer Entschuldigung. Gott also die Menschen in der Irre laufen lassen, und sie sind alle ins Verderben geraten; gleichwohl ist doch ein Same in ihren Herzen geblieben, und sie haben die Wahrheit gekannt. Sie konnten nicht sagen: Wir wissen nicht, was Gott ist, wir haben keine Religion gehabt – niemand konnte sich ihrer ganz entschlagen -; denn das ist in ihr Gewissen eingegraben geblieben, dass die Welt nicht von selbst entstanden ist und dass es eine himmlische Majestät gibt, der man sich unterwerfen muss. Paulus redet ausdrücklich von dem Zeugnis, das Gott den Kreaturen eingeprägt hat: „Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt“ (Röm 1, 20). Die Ordnung der Welt ist ja wie ein Buch, das uns lehrt und das uns zu Gott führen soll. Doch müssen wir das Wort Röm 2, 14.15 hinzunehmen: „So die Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun des Gesetzes Werk, sind dieselben, dieweil sie das Gesetz nicht haben, sich selber ein Gesetz, als die da beweisen, des Gesetzes Werk sei geschrieben in ihren Herzen.“ Gott hat uns in unserm Gewissen eine Gewissheit gegeben, die uns jede Unklarheit über Gut und Böse unmöglich macht. Gewiss, nicht jeder hat das, was hier von den Freunden Hiobs berichtet wird; aber das ist sicher: Man findet in der ganzen Welt keinen so rohen und barbarischen Menschen, der nicht irgendein Nagen des Gewissens in sich spürte, der nicht wüsste, dass es irgendeinen Gott gibt, und der nicht so viel Unterscheidungsvermögen hätte, dass er das Böse verdammte und das Gute lobte. Es gibt also gleichsam Fußstapfen, die Gott im Herzen auch der Unwissendsten zurückgelassen hat, damit die Menschen sich nicht hinter einer Entschuldigung verstecken können, sondern in dem Prozess verurteilt werden, der sich in der Verborgenheit ihres Innern abspielt. Wenn aber die Erkenntnis Gottes so hell in der Welt leuchtete, dass alle davon erleuchtet werden konnten, - wie ist es dann möglich, dass sie sich einem so groben und plumpen Unverstand ergeben konnten, dass sie Holz und Stein, Sonne und Mond anbeteten und sich fratzenhafte Götzenbilder daraus machten und nicht mehr wussten, was es um den lebendigen Gott sei? Das ist ja gerade, wie wenn ein Mensch am hellen Mittag mutwillig anrennt oder ein Trunkener umherirrt, obschon er den rechten Weg vor Augen sieht! Also nicht durch Einfältigkeit sind die Menschen in die Irre geraten, sondern in offenbarer Bosheit haben sie Gott getrotzt. Es ist so, wie Johannes sagt: „Das Licht scheint in der Finsternis“ (Joh 1, 5). Die Menschen hätten unmöglich in eine so plumpe und ungeheuerliche Abgötterei hineingeraten können, wenn sie sich nicht mutwillig hineingestürzt hätten. Deshalb lasst uns umso vorsichtiger wandeln, solange uns das Licht noch scheint! Wir haben Jesus Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, der leuchtet über uns. Lasst uns ja nicht die Augen zumachen, sondern wandeln, solange der Tag noch währt!

Elihu ward zornig auf Hiob. Er wird nicht wegen eines übermäßigen, leidenschaftlichen Zornes getadelt, sondern es ist ein guter und löblicher Unwille; denn er geht aus Elihus Eifer um die Wahrheit Gottes hervor, als er sah, dass Hiob sich für gerechter hielt als Gott. Hiobs Freunde stritten wider ihn, weil er ein gottloser Mensch wäre. Hiob bestreitet das, und er hat auch vollkommen Recht; aber er geht zu weit, und wenn seine Sache auch gut ist, so führt er sie doch nicht richtig. Elihu denkt also daran, dass Hiob sich zu ungeduldigem Murren hat verleiten lassen, und insofern hat er eben gerechter sein wollen als Gott. Gewiss, das war nicht seine Absicht; er hätte hundertmal lieber gewollt, die Erde hätte ihn verschlungen oder er wäre nie geboren, als dass er eine solche Gotteslästerung auch nur in seinen Gedanken hätte begehen sollen. Wie kann denn aber gesagt werden, er habe sich für gerechter gehalten als Gott? Nun, wir können Gott manchmal lästern, ohne daran überhaupt zu denken. Wieso denn? Indem wir mit ihm rechten! Wenn wir nicht alles gut finden, was er tut, besonders wenn er uns betrübt, so ist es sicher, dass wir gerechter sein wollen als Gott. Gewiss, wir sagen das nicht, wir sind uns dessen nicht einmal bewusst, aber in der Tat ist es so. Das genügt zu unserer Verdammnis: wir geben der Gerechtigkeit Gottes nicht die Ehre, dass wir sie wirklich anerkennen. Hiob weiß, dass Gott gerecht ist, er erkennt es auch ohne Heuchelei an. Er bekennt sich als armen Sünder, er gibt zu, dass er auf tausend nicht eins antworten könnte. Er will sich also keineswegs über Gott stellen, ja nicht einmal ihm gleichstellen. Dabei aber sagt er: Ich muss mich wundern, dass Gott mich so plagt – was ist denn an mir zu tadeln? Und weiter: Ich bin eine arme schwache Kreatur – ist es denn wirklich nötig, dass Gott seinen starken Arm gegen mich ausstreckt? Warum tötet er mich denn nicht auf den ersten Streich? So lässt er sich gehen in Murren und Trotz, und damit erklärt er sich für gerechter als Gott. Das ist ein Beispiel dafür, wie oft wir in unsern Stimmungen Gott lästern, ohne es zu wissen, und das muss uns vorsichtig machen, damit wir uns in unserer inneren Erregung nicht gehen lassen.

Nein, wir sollen Gott preisen in allem, was er tut, und auch wenn uns seine Hand zu hart dünkt, sollen wir doch allezeit bekennen: Herr, wenn ich in einen Prozess mit dir eintrete, so ist meine Sache verloren, das weiß ich wohl. So spricht auch Jeremia und zeigt uns damit den Weg, was wir zu tun haben: „Herr, wenn ich gleich mit dir rechten wollte, so behältst du doch recht“ (Jer 12, 1); ich wollte gerne in einen Wortstreit mit dir eintreten, und wenn ich sehe, dass alles so verworren durcheinander geht, so wollte ich gern untersuchen, warum du so handelst. Das möchte ich gern; aber, Herr, ehe du mir das gestattest, muss ich schon bekennen: Du bist gerecht, du hast in allem recht, und von dir kann nichts kommen, was nicht alles Lobes wert wäre.

Was lehrt uns aber diese Stelle über den Zorn? Zunächst das, dass man nicht jede Art Zorn verurteilen darf; wenn ein Mensch in Zorn gerät, so darf man ihm das nicht in allen Fällen als Fehler anrechnen. Es gibt Verächter Gottes, die sagen: „Ach, muss man sich denn gleich so entrüsten? Muss man sich gleich so erzürnen? Kann man denn nicht etwas sanfter vorgehen?“ Sie lästern Gott, sie trotzen Gott, sie wollen alle gute Lehre umstürzen, sie wollen alles so in Verwirrung bringen, dass man nicht mehr weiß, was Gott ist, sie wollen die Wahrheit ganz und gar begraben. Und wenn ihnen das gelungen ist, möchten sie am liebsten, man schwiege still dazu oder man gäbe ihnen recht und erzählte nur noch Fabeln auf der Kanzel und hielte keine Strafreden mehr. „Das geht doch ganz gut“, meinen sie, „kann man denn nicht predigen, ohne in Zorn zu geraten?“ Aber ist es wirklich möglich, dass wir da ruhig zusehen, dass eine sterbliche und armselige Kreatur sich so gegen die Majestät Gottes auflehnt, um alle gute Lehre mit Füßen zu treten? Kann man da wirklich geduldig zusehen? Wenn wir das täten, so zeigten wir nur, dass uns jeder Eifer um Gott fehlt; es heißt doch Psalm 69, 10: „Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen“! Wenn uns ein Wurm am Herzen nagt, so sollte uns das nicht so erregen, wie wenn man Gott solche Schmach antut und seine Wahrheit in Lüge verkehrt. Zu den Sünden darf man nicht schweigen. Aber einen Unterschied muss man machen zwischen dem Eifer um Gott und dem fleischlichen Zorn, von dem sich die Menschen um ihre eigenen Angelegenheiten entflammen lassen. An unserer Stelle heißt es, Elihu sei im Zorn entbrannt und habe sich grimmig entrüstet, und doch wird ihm das als Tugend angerechnet; denn es ist der Heilige Geist, der aus ihm redet. Wenn es einem Menschen weh tut, dass man Gott beleidigt und die Wahrheit zerstört wird, so fließt dieser Zorn aus einer guten Quelle. Damit geben wir zu erkennen, dass wir Gottes Kinder sind; denn besser können wir das gar nicht beweisen. Aber auch dabei sollen wir das Maß halten und nicht unsere unbeherrschten Leidenschaften unter den Eifer um Gott mischen, und wenn wir auch die Fehler hassen und verfluchen, sollen wir uns gleichwohl bemühen, die Personen zum Heil zu führen. Gewiss, in der Wirklichkeit ist das sehr schwer, aber Gott wird es uns gelingen lassen, wenn wir uns nur von seinem Geiste leiten lassen und ihm alle Gewalt über uns geben.

Wir müssen viel eifriger sein, als wir bisher waren, und wenn wir zürnen, so sollen wir zürnen über unsere Sünden und besonders, wenn Gott schwer beleidigt wird. Dann haben wir einen Zorn, der Gott gefällt. Weil man aber leicht von dieser Linie abweichen kann, darum dürfen wir unsern Leidenschaften nicht den Zügel schießen lassen, sondern müssen Gott bitten, er wolle uns durch seinen Geist regieren, dass unser Eifer rein und lauter sei.

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