Zuletzt angesehen: Calvin, Jean – Hiob 12, 7 – 13

Calvin, Jean – Hiob 12, 7 – 13

Calvin, Jean – Hiob 12, 7 – 13

7) Frage das Vieh, das wird dich lehren; frage die Vögel des Himmels, die werden´s dir erklären. 8) Oder rede mit der Erde, so wird sie dich lehren, und die Fische des Meeres werden´s dir erzählen. 9) Wer wüsste das nicht, dass Gottes Hand dies gemacht hat? 10) Der in seiner Hand hat alle lebendigen Seelen und den Geist aller Menschen? 11) Unterscheidet nicht das Ohr die Worte, gleichwie der Gaumen den Geschmack der Speisen? 12) Bei den Alten ist Weisheit, und das Alter bringt Klugheit mit. 13) Nein, bei Ihm ist Weisheit und Stärke, bei Ihm ist Rat und Klugheit.

In der ganzen Welt und einem jeden Geschöpf strahlt Gottes Herrlichkeit so leuchtend auf, dass es dort genug für uns zu lernen gibt, wenn wir nur das gebührende Verständnis mitbringen. Weshalb sind wir denn so stumpf, dass wir Gott darin nicht erkennen? Das kommt daher, dass wir nicht auf das blicken, was doch offen vor unsern Augen liegt. Gewiss sucht jeder sich zu entschuldigen: Ich bin kein Gelehrter, ich habe nicht studiert! Jawohl, aber du brauchst dich nur von den unvernünftigen Tieren belehren zu lassen! Die Erde, die doch nicht sprechen kann, die stummen Fische, die können uns über Gott belehren, zwar nicht über sein innerstes Wesen, aber doch so, dass sie uns einen Begriff von ihm geben. Und nun sind wir so stumpf! Daraus muss man doch schließen, dass es nur an unserm Undank liegt und dass wir die Augen nicht auftun mögen, um zu sehen, was Gott uns zeigt. Und nicht nur hier sagt der Heilige Geist, dass Gottes Herrlichkeit sich in allem zeigt, auch Ps 19, 2 heißt es: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes.“ Die wohlgeordnete Einteilung zwischen Tag und Nacht, die Sterne am Himmel und alles, was sonst noch da ist, alles das ist uns wie ein lebendiges Abbild der Majestät Gottes. Und wenn auch die Sterne nicht reden können, so schreien sie doch in ihrem Schweigen so laut, dass es am Jüngsten Tage keiner andern Zeugen gegen uns bedarf. Davon redet auch Paulus: „Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt, also dass sie keine Entschuldigung haben“ (Röm 1, 20), und Apg 14, 17 heißt es: „Er hat sich selbst nicht unbezeugt gelassen“; laut und klar ruft er durch seine Geschöpfe uns zu, dass alles das von ihm gekommen ist. Die ganze Welt hat er geschaffen, und alles ist ihm untertänig – ist es da nicht billig, dass auch wir, die wir doch unser Leben von ihm haben, von ganzem Herzen sein eigen sind und ihm huldigen? Tun wir es nicht, was bedarf es da noch eines langen Prozesses, um uns zu verdammen? Der Vergleich mit den unvernünftigen Tieren soll uns dahin führen, dass wir Gott anbeten und ihm dienen – hat er doch auch die Unterscheidung zwischen Gut und Böse in unser Gewissen eingegraben! Aber bei unserer Gleichgültigkeit, Stumpfheit und Undankbarkeit vergraben wir das alles, so dass sogar das Vieh mehr Vernunft und Verstand hat als wir. Die Tiere sind unsere Lehrer, nicht durch ihr Beispiel, sondern weil wir bei ihnen die Herrlichkeit Gottes wahrnehmen können. Ja, sie zeigen uns sogar unsere Pflicht; sie erfüllen ihre Pflicht fleißiger als wir; darum tragen wir doppelte Schuld. Darauf macht uns auch Jesaja aufmerksam: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennet´s nicht, und mein Volk vernimmt´s nicht“ (1, 3). Wir werden erwidern: Aber wir gehören doch zur Kirche Gottes und zu seinem Hause; wir sind doch viel weiter gekommen als sie! Nun, in seiner Kirche lässt Gott sich hören, seine Stimme ertönt dort hell und klar – und doch erkennen wir ihn nicht. Woher kommt es aber, dass ein Ochse und Esel mehr Vernunft und Verstand hat als die sterblichen Menschen? Warum hat er uns denn Vernunft gegeben? Warum sind wir unterwiesen in seinem Wort und Willen? Heißt das nicht, Gottes Güte in unverantwortlicher Weise zunichte machen?

Allenthalben ist Gottes Herrlichkeit zu sehen. Und worin besteht sie? In seiner Macht und Güte, Weisheit und Gerechtigkeit. Gott hat die Welt aufs allerbeste geordnet; da ist eine bewundernswerte Weisheit, die uns in Entzücken versetzen muss, da ist eine unendliche Kraft, mit der Gott alles erhält und bewahrt, was er gemacht hat: sie erhält alles in seinem Bestand. Und das ist doch schier unmöglich! Neben seiner anbetungswürdigen Macht aber erscheint seine Güte. Warum hat er die Welt gemacht, warum sie mit solchem Reichtum erfüllt, warum sie so wunderbar geschmückt? Hat er damit nicht seine Liebe und sein Erbarmen gegen die Menschen erzeigen wollen? Heißt es doch auch in den Psalmen, dass sie auch die unvernünftigen Tiere umfasst: „Herr, du hilfst Menschen und Vieh“ (Ps 36, 7). Und wir stehen ihm doch noch viel näher, und uns hat er doch unvergleichlich viel edlere Gaben verliehen! Wir sehen aber auch seine Gerechtigkeit in der Art, wie er über seine Geschöpfe wacht und für uns sorgt, und andererseits seine Gerichte. Wir sehen ihn die Welt auf eine so wunderbare Weise regieren, dass auch die Bösen zu Schanden werden müssen, obwohl sie sie auf alle Weise anzugreifen suchen. Wir müssen also auf die Betrachtung der Werke Gottes größeren Fleiß verwenden.

Gewiss, wir dringen auf diesem Wege nicht bis auf den Grund seiner Weisheit; denn sie ist ein tiefer Abgrund. Gleichwohl müssen wir nach dem Maße unseres Verständnisses uns bemühen, gehorsame Schüler Gottes zu werden. Sonst bedarf es am Jüngsten Tage keiner anderen Überführung gegen uns, als dass wir nicht verstanden haben, was die stummen und vernunftlosen und gefühllosen Kreaturen uns gelehrt haben. Die Engel des Paradieses sind erschienen, um uns den Willen Gottes zu erklären; dieser Wille ist uns durch die Propheten und Apostel, besonders aber durch unsern Herrn Jesus Christus bezeugt. Was für eine Entschuldigung haben wir, wenn wir uns das nicht zunutze machen? Aber wären wir selbst der Heiligen Schrift beraubt und hätten keinerlei Unterweisung, so wäre doch die Belehrung, die uns die Tiere geben, ausreichend, um uns zu verdammen und uns alle Entschuldigung zu nehmen. Darum lasst uns die Warnung Hiobs hören: Frage das Vieh, das wird dich lehren!

Hiob fährt fort: Unterscheidet nicht das Ohr die Worte, gleichwie der Gaumen den Geschmack der Speisen? Die Speisen können wir unterscheiden, und so ist es nicht nur mit unserem Gaumen, sondern mit allen Sinnen; denn wenn wir etwas sehen, was uns Vergnügen macht, so werden unsere Augen hell, da können wir gehen und laufen und schonen weder Arm noch Schenkel. Aber wenn es sich um das Urteil über eine Lehre handelt, die zu unserer Seligkeit dient und aus der wir Erbauung schöpfen sollen, da sind wir stumpf wie Holzblöcke. Doch wenn törichte Reden geführt oder „böse Geschwätze“, wie sie Paulus nennt, laut werden (1. Kor 15, 33), da spitzen wir die Ohren, da braucht man uns ein Wort nur einmal zu sagen, so verstehen wir es sofort. Zu solchen Reden treibt es uns, als wären wir ausgehungert, und solcher unnützen und kindischen, ja gottlosen und schädlichen Dinge werden wir niemals satt. Darauf ist der Mensch wie versessen. Hält aber Gott uns vor, was zu unserer Erbauung dient, da geht es uns, wie es bei Jesaja heißt: Und wenn man es uns dreimal wiederholt, so lassen wir es doch verrinnen und verstehen´s nicht. Denn Jesaja vergleicht solche stumpfen und ungelehrigen Leute, weil sie Gott um ihrer Bosheit willen ihres Verständnisses beraubt, mit kleinen Kindern, denen man vorbuchstabieren muss: A, A. Und hat man ihnen diese Buchstaben vier- oder fünfmal vorgesagt und eingeprägt, so sagen sie wohl A, aber wenn man sie fragt: Was ist das für ein Buchstabe? – so wissen sie nichts mehr davon. Darum muss man denen, die in Gottes Schule nichts gelernt haben, die Lehre immer wiederholen, ja, man muss ihnen jedes Wort, jede Silbe vorkauen, und doch begreifen sie´s nicht, und es geht ihnen nicht in den Kopf (nach Jes 28, 9.10). So ist es auch mit uns. Dinge, die zu unserm leiblichen Leben dienen, wissen wir ganz genau, auch ohne in die Schule gegangen zu sein und ohne studiert zu haben; da ist jeder Meister und Doktor, wenn es sich um sein Vergnügen und seinen Nutzen handelt. Aber geht es um die Lehre Gottes, so sind wir ärger als die Tiere; der Gaumen kann die Speisen unterscheiden, aber an der Lehre Gottes finden wir keinen Geschmack, ja, wir mögen sie gar nicht kosten.

Man muss aber noch eine andere Anklage erheben. Heute gibt es viele, die von Gott nichts wissen, alle Verkündigung mit Füßen treten und sich dabei hinter die Ausflucht verstecken: Ja, ich kann´s nicht unterscheiden; ich fürchte, man könnte mich im Namen Gottes und der Religion betrügen, drum ist´s besser, ich weiß überhaupt nichts davon! Oh, was ist das doch für ein Undank! Gott hat uns die Ohren gegeben, um auf ihn zu hören und ihm zu gehorchen, und wir wollten sagen: Ich will lieber überhaupt nichts wissen? Das ist ja gerade, als wollten wir sagen: Ich will lieber überhaupt nichts mehr essen; denn es gibt auch schlechte Speisen, woran ich mich vergiften könnte; darum ist es besser, ich esse nichts. Hätte ein solcher Narr nicht verdient, Hungers zu sterben? So machen´s auch die, die da sagen: Ich will von der Bibel nichts wissen, sie könnte mich betrügen. Nun aber ist sie doch die Speise für deine Seele, du arme Kreatur; unser Herr nährt die Leiber mit Essen und Trinken, die Seelen nährt er mit seinem Wort. Und da möchten wir diese Speise verwerfen, aus Furcht, wir könnten uns daran verderben? Heißt das nicht offenkundig Gott versuchen? Wenn wir Gott bitten, dass er uns durch seinen Heiligen Geist regiere, damit wir nicht durch Lügen getäuscht werden, so wird er auch zeigen, dass er uns die Ohren nicht vergebens anerschaffen hat, sondern damit wir ihm zuhören und sein Wort in aller Furcht und Ehrerbietung annehmen.

Bei den Alten ist Weisheit, und das Alter bringt Klugheit mit. Nein, bei Ihm ist Weisheit und Stärke, bei Ihm ist Rat und Klugheit. Hiob stellt einen Vergleich an zwischen Gott und den Menschen: Ja freilich, bei den Alten ist Weisheit. Man könnte denken, das sei spöttisch gemeint: Ihr beruft euch auf die Alten – so muss Gott wohl auf seine Ehre verzichten, damit die Menschen an seine Stelle treten! Aber nein, Hiob gibt zu, dass es auch bei den Menschen Weisheit geben kann, man muss nur nicht zuviel Aufhebens davon machen: wenn ein Mensch lange gelebt und viel gesehen hat, so kann er sich wohl eine gewisse Klugheit erwerben; aber darf das Gott Abbruch tun? Keineswegs! Alle Weisheit der Menschen ist eitel, wie lobenswert sie an sich auch sein mag. Denn wenn man die Menschen mit Gott vergleicht, so muss alles, was sie haben, verschwinden; Gott allein muss als weise gelten, und es muss sich zeigen, dass es überhaupt keine Weisheit gibt als in ihm. So meint es auch Hiob.

Ja, diese Stelle will uns eine gute und sehr heilsame Lehre geben. Gewiss, wir dürfen die Klugheit der Menschen, die uns Gott als Helfer schickt, nicht verachten. Es gibt doch Menschen, die viel gesehen haben, und Gott will uns durch sie unterweisen lassen; halten wir es aber für nicht der Mühe wert, aus dem, worauf sie uns aufmerksam machen, unsern Gewinn zu ziehen, wem tun wir damit Unrecht? Dem lebendigen Gott! Da hat Gott einem Menschen einen hellen Verstand gegeben, hat ihm gute Urteilskraft geschenkt und ihn mit trefflicher Lehrbefähigung ausgestattet – fragt man nun aber nichts darnach und will von alledem keinen Gebrauch machen, wen treten wir dann mit Füßen? Den Heiligen Geist! Denn der, der uns hätte unterweisen können, hat das doch nicht aus sich selbst, es ist ihm von oben gegeben, und wir sollten bei ihm Hilfe finden. Teilt Gott seine Gaben aus, so soll niemand sie für sich selbst zurückbehalten, ohne den andern davon mitzuteilen: es geht Gott darum, dass alle gemeinsam davon ihren Gewinn haben. Sind wir also so anmaßend, dass wir uns von denen, die wohl gebildet sind, nicht unterweisen und uns von den Urteilsfähigen nicht führen lassen, so löschen wir damit die Klarheit Gottes aus und stoßen das Gute, das er uns zugedacht hat, von uns. Begegnen uns Menschen, von denen wir etwas lernen können, so lasst uns sie gern hören, damit wir klug werden, lasst uns ihnen mit sanftmütigem Geist begegnen und nicht störrisch gegen sie sein, wie es so leicht geschieht! Nein, da darf man sich unter keinen Umständen gleichgültig verhalten! Wir sehen es ja: Die arme Welt von heute ist blind in diesem Stück. Sie meint immer: So, wie wir heute leben, hat man schon von alters her gelebt, seit unvordenklichen Zeiten lebt man so. Und dabei geraten die armen Menschen ins Verderben, und Gott wollte sie doch so gern auf den rechten Weg leiten; dazu wird uns doch sein Wort gepredigt, dass es die volle Autorität über uns habe und wir nicht dem Lockruf jedes Vogelstellers folgen, wie Paulus sagt: Wir sollen uns nicht von den Menschen verführen lassen, sondern Gott soll uns leiten, und wir sollen weise genug sein, ihm zu gehorchen (nach Eph 4, 14).

Das müssen wir festhalten: Wir müssen uns von den Leuten geben lassen, was sie uns als Gottes Diener und Werkzeuge seines Heiligen Geistes geben können; dabei aber muss uns dann das die Hauptsache sein, dass er es ist, von dem alle Weisheit stammt, dass wir nicht darauf angewiesen sind, uns von Menschen unbesehen hierhin und dahin treiben zu lassen, sondern fest dabei bleiben müssen, dass er es ist, von dem die Unterweisung kommt. Es gibt da zwei Extreme: Auf der einen Seite sehen wir unbesonnene Leute, die alles verachten, was Gott den Menschen an Gnaden verliehen hat, und gerade die Unwissendsten begehen darin die größte Torheit: sie rühmen sich sogar ihrer Dummheit. Da ist einer, der nie etwas Rechtes gelernt hat – umso mehr meint er sich selbst rühmen zu können; es gibt heute Menschen genug, die sogar auf die Heilige Schrift sich berufen, um sich selbst nur recht viel einbilden zu können. Es steht geschrieben: „Ich preise dich, Vater und Herr des Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen geoffenbart“ (Matth 11, 25). Und nun rühmen sie sich, die ganze Theologie sei nur für sie da. Hat Gott etwa das gewollt, dass die Menschen sich auf ihre Armseligkeit etwas zugute tun und die Gaben verachten, die von ihm kommen? Woher stammen denn alle Wissenschaften? Woher kommt es denn, dass der eine mehr Verstand hat als der andere? Sind das nicht lauter Bächlein aus der einen Quelle, dem Geiste Gottes? Also dürfen wir die Gnadengaben Gottes, wenn sie uns an den Menschen entgegentreten, nicht verachten, sondern müssen sie uns zunutze machen. Denn wenn wir unterschiedslos alles verachten, was von den Menschen herkommt, so ist das eine große Torheit. Man sagt: Ein törichter Richter, ein törichter Urteilsspruch! Urteilen wir ohne Kenntnis der Dinge und ohne Urteilskraft, sind wir dann nicht doppelte Narren? Solche Narren laufen auf allen Straßen umher, die sagen: Ja, die Sache ist ganz schön und gut, auch ganz vernünftig, aber weil sie von Menschen kommt, darum verwerfe ich sie. Aber weißt du denn, ob sie nicht vorher durch menschliche Vermittlung von Gott gekommen ist? Legt man uns also irgendeine Lehre vor, so dürfen wir sie nicht voreilig verwerfen, sondern müssen sie verständig prüfen. Es gehört also Bescheidenheit dazu, um das eine Extrem, von dem ich sprach, zu vermeiden.

Das andere Extrem aber beobachten wir bei den Papisten. Bei diesen heißt es: Ich will mich an das halten, was man mich von Kind auf gelehrt hat; ich will meinen Eltern und Voreltern folgen und den alten Brauch festhalten! Soll denn Gott sein Ansehen verlieren? Darf man die Menschen so hoch erheben, dass Gott unter ihren Füßen liegt? Wäre es dann nicht besser, man risse die Sonne vom Himmel und würfe sie in die Tiefe des Meeres? Nein, was von Menschen kommt und was Gott uns durch sie vermittelt und schenkt, das müssen wir so annehmen, dass ihm immer seine Ehre dabei gewahrt bleibt, dass man ihn erhebt und preist, dass groß und klein von ihm sich unterweisen lässt. Wollen wir von Menschen lernen, so tut das Gott nicht den geringsten Abbruch, er bleibt immer der Meister. Wir tun´s deshalb, um uns zu ihm leiten zu lassen; jeder Mund muss sich schließen, wenn er redet, und ihm wollen wir still zuhören. Nichts soll ihn daran hindern, uns dahin zu bringen, wo er uns haben will, und ohne Widerspruch wollen wir alles annehmen, was aus seinem Munde kommt. Diese Bescheidung müssen wir üben.

Bei Ihm ist Weisheit und Stärke, bei Ihm ist Rat und Klugheit. Damit ist alles, was den Menschen eignet, ausgeschlossen. Denn wenn die Sonne scheint, so verdunkelt sie alle hellen Sterne, und wenn Gott auftritt, was können dann die Menschen noch? Darum heißt es auch beim Propheten Jesaja: „Der Mond wird sich schämen und die Sonne mit Schanden bestehen, wenn der Herr Zebaoth König sein wird“ (24, 23). Und Hiob liegt daran, mit vielen Worten zu versichern, dass in Gott alle vollkommene Weisheit ist, damit wir nicht auf den Gedanken kommen, wir müssten noch etwas hinzutun; denn so töricht sind ja die Menschen, dass sie meinen, wenn sie einen Segen von Gott empfangen haben, sie müssten noch das Ihre dazutun und so ein Gemisch von Menschlichem und Göttlichem machen. Nein, nein, hier gibt´s kein Flickwerk! Wenn Gott seine Weisheit zu erkennen gibt, so muss sie rein und unvermischt bleiben, und die Menschen dürfen nichts hinzutun, es sei, was es wolle.

Hiob aber will noch weiter gehen: Es gibt in Gott noch eine heimliche Weisheit, die über alles menschliche Verständnis hinausgeht und zu der wir jetzt noch nicht gelangen können. Es gibt in Gott allerdings an sich keine doppelte Weisheit, wohl aber gibt es für unser Verständnis eine doppelte Art von göttlicher Weisheit. Die eine ist die in seinem Wort enthaltene, die er uns in der Weise mitteilt, dass wir durch seine Unterweisung auch weise werden; das ist also die Weisheit, die er seinen Kreaturen mitteilt. Daneben aber gibt es eine Weisheit, die er für sich behält. Das ist der wunderbare Rat, durch den er über all unser Begreifen die Welt regiert. Siehe, die Dinge, die uns nach unserm Verstand ganz verworren vorkommen, stehen unter der Ordnung Gottes. Wenn die Tyrannen herrschen, die die Seelen ins Verderben bringen, während andere selig werden, so waltet darin der wunderbare Rat Gottes. Forschen wir nach der Ursache, so geraten wir rettungslos in den Abgrund. Hier waltet eine Weisheit, die Gott für sich behält, ohne sie den Menschen mitzuteilen, und es ist gänzlich unmöglich, sie von uns aus zu erreichen. Weisheit lernen wir in Gottes Schule so, dass wir nach unserm Maß erfassen, was ihm gefällt, uns durch sein Wort zu lehren; aber es gibt noch Geheimnisse in ihm, sie wir anzubeten haben, weil wir sie nicht erkennen können, denn so hoch, dass wir sie verständen, können wir doch nicht steigen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/c/calvin/calvin-hiob/26.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain