Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (719)

Nr. 719 (C. R. – 3900)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (719)

Vgl. 716. Der schwer verwundete Sohn des Connetable war Gabriel de Montmorency; der Herzog de Nevers (vgl. 707) war zur katholischen Armee übergegangen. Louis de Vaudray, Seigneur de St. Phale, hatte auf hugenottischer Seite das Gefecht begonnen. Francois de Lorraine, der Bruder des Herzogs de Guise, war französischer Groß-Prior des Johanniter-Ordens. Über den Abfall des Adrets vgl. 716. Der Kardinal de Guise reiste von Trient nur für einige Tage nach Innsbruck. Baudouin wurde von Calvin beschuldigt, ihm Briefe entwendet zu haben. Mit dem Franzosen in Polen, der für die Antitrinitarier schrieb, ist wohl Pierre Statorius (vgl. 615, 627) gemeint. Christoph Threcius war ein in Genf studierender Pole.

Die Schlacht bei Dreux.

Endlich ist ein Brief vom Admiral gekommen, der uns über die Schlacht und ihren Ausgang berichtete. Der Prinz hatte seine Truppen ins Feld geführt, um die Feinde zu Verlassen des Lagers zu nötigen. Hätte das Fußvolk seine Pflicht getan, so wäre der Sieg zweifellos sofort ohne Mühe und fast ohne Verluste zu gewinnen gewesen. Die Feigheit des Fußvolks (andere halten es für Verrat) hat den Erfolg aufgehalten. Als der Prinz sah, dass sie so schmählich langsam vorrückten und zwar Deutsche wie Franzosen, brach er durch, um sie zu beschämen und so wenigstens in den Kampf zu treiben. Dabei wurde sein Pferd am Bug verletzt, und so kams, dass die Feinde, die in der Nähe waren, sich seiner bemächtigten, denn er konnte nicht rasch genug ein neues Pferd bekommen. Der Connetable war bereits gefangen, Marschall de St. Andre gefallen, ein Sohn des Connetable und der Herzog de Nevers hatten tödliche Wunden empfangen. Ein Bruder des Guisen, der sog. Groß-Prior, war ebenfalls schwer verwundet. Etwa zwanzig andere von den feindlichen Offizieren sind gefallen, darunter drei Ritter vom Königsorden. Vom hohen Adel sind nicht wenige gefangen und werden in sicherem Gewahrsam gehalten. Die deutschen Reiter haben sich brav gehalten, wie es rechten Soldaten ziemt; die gleiche Bravour zeigte die französische Kavallerie. Die Verluste sind im ganzen Feindesheer sehr groß; die Unsern haben nicht den fünften Teil davon verloren. Unter den Gefangenen ist außer dem Prinzen niemand, um den wir sehr in Sorgen wären, als etwa de St.-Phale. Bei einbrechender Nacht zogen beide Heere ins Lager zurück. Bei den Feinden herrschte große Angst; die Unsern waren am folgenden Tag noch so siegesfreudig, dass sie unbedenklich die Gegner zu neuem Kampfe reizten, doch hielt sich de Guise im Lager. Der Admiral hielt es für genügend, die Kampfeslust gezeigt zu haben. Der Prinz wird auf einer Burg zwischen Chartres und Dreux gefangen gehalten; die Königin-Mutter ist nach Chartres, der Hauptstadt der Gegend, aufgebrochen; kurz nach ihr kam der König. Jedenfalls ist auch der Prinz dahin gebracht worden. Wie die Unterredung ausgefallen ist, weiß man nicht; nur fürchten wir die allzu große Neigung de Condes, sich von der eiteln Hoffnung auf Frieden leiten zu lassen, die schon bisher die Ursache alles Übels für uns war. Obwohl er schon drei- viermal betrogen worden ist, konnte man ihn nie dazu bringen, sich in acht zu nehmen. Freilich denen, die ihn bewachten, ist er recht mutig entgegengetreten, so dass man sagen kann, seit dem Tag der Schlacht habe er rechten Mannesmut gewonnen. Er berief sich auf ein Edikt, das die Feinde im Juli im Namen des Königs veröffentlicht haben und in dem behauptet wird, sie hätten den Krieg begonnen, um ihn [Conde, aus den Händen der Hugenotten] zu befreien. Er sagt nun, dazu passe es nicht, dass er nun gefangen gehalten werde. Er setzte auch dazu, da ihm die Reichsstände die Regentschaft Frankreichs übertragen hätten, so verkörpere er das Königtum, und niemand dürfe Hand an ihn legen, der unter dem Könige stehe.

Am Tag vor der Schlacht hatte der Prinz den Admiral zu seinem Nachfolger ernannt. Auf seinen Namen sind die Truppen neu vereidigt worden. Ins Fußvolk hat er eine nicht unbeträchtliche Schar Neue aufgenommen. Etwa 1 000 deutsche Landsknechte sind in ihre Heimat zurückgekehrt; die deutschen Reiter dagegen sind so kriegslustig wie zu Anfang; keine Meuterei, keine Andeutung, als wollten auch sie abfallen. Ihr General hat alle Bundestruppen zum Standhalten aufgefordert und hofft das Beste; er bittet auch, man möge den Briefen des Prinzen nicht glauben, bis er wieder in Freiheit sei. Unglaublich aber ganz wahr ists, wenn ich dir berichte, dass der Connetable unter eine Bedeckung von nur zwölf Mann bis Orleans gebracht worden ist, und zwar so schnell, dass sie in vierundzwanzig Stunden in die Stadt kamen, nachdem sie dreißig französische Meilen in einem Ritt von fünfzehn Stunden zurückgelegt hatten. Der Admiral hatte vor, sich mit den Engländern zu vereinigen. Wenns nötig wird, weicht er einen zweiten Schlacht nicht aus. Falls er sich etwa gegen Lyon wendet, so haltet das nicht für eine Flucht. Zwar wird das Gerücht verbreitet, er suche in eine vom Krieg noch nicht heimgesuchte Gegend zu kommen, um sein Heer sich erholen zu lassen, doch steckt eine andere Absicht dahinter. Sicher ist es von großem Interesse, Lyon rechtzeitig Hilfe zu bringen, ehe es mehr von der Hungersnot leidet. Dazu kommt der Abfall des Barons des Adrets. Ist einmal der Herzog de Nemours geschlagen, so ist dieser ganze Strich Frankreichs bis zur Gascogne von den Räubern gesäubert. Languedoc hat Überfluss an Wein und Frucht; sobald die Straßen offen sind, ist Lyon außer Hungersgefahr. So ist künftig keine Belagerung zu fürchten. Und wenn ihm 2 000 Reiter zu Hilfe kommen, so können sie nicht wenige Neuangeworbene wieder mit zurücknehmen, was ein guter Zuwachs wäre.

Der Bote, der mir Bezas Brief brachte, ist entweder abgefangen oder auf Umwegen verirrt. Er hatte vier Tage vor der Schlacht mitten unter den Vorbereitungen geschrieben; durch die Dummheit des Boten machte der Brief allerlei Irrfahrten, ehe er in meine Hände kam; eine Kopie sende ich dir. Beza selbst ist unversehrt in Orleans, nachdem er vor der Schlacht die Soldaten tapfer ermahnt hatte, vor ihren Reihen stehend wie ein Bannerträger. So liegen unsere Dinge. Die Feinde hielten es für lohnend, allerlei prahlerischen Dunst zu verbreiten, um den Einfältigen Sand in die Augen zu streuen; aber ich habe den Hergang wahrheitsgetreu dargestellt.

Um eines bitte ich dich und alle Guten dringend, es mich schnell wissen zu lassen, wenn es heißt, der Kardinal von Lothringen komme. Er gibt vor, zum neuen römischen König reisen zu wollen, als Unterhändler wegen der Heirat des französischen Königs mit Maximilians Tochter. Doch hat er andere Absichten. So ists von Interesse für uns, zu wissen, dass er unterwegs ist, ehe er sich Frankreich nähert. Bemühe dich eifrig, die Sache herauszukriegen, und wenn du etwas erfährst, so lass es mich doch durch berittenen Eilboten wissen, damit wir seinen argen Plänen entgegen wirken können.

Hätte doch, als Baudouin bei Euch durchreiste, jemand sich meiner Klage gegen ihn angenommen! Man hätte dann entweder meinen Prozess ablehnen müssen, oder er wäre dem Strick nicht entgangen. Obwohl ich fest vorhatte, die polnischen Geschichten momentan nicht zu berühren, so hast du doch durch deine Bitte vermocht, dass ich die gottlose Irrlehre, von der die Unsern dort wie bezaubert sind, aufdecken möchte. Ich wundere mich über den dummen Hochmut des Mannes, der uns so selbstbewusst droht. Ich vermute als Verfasser des Briefes einen gewissen französischen Frechling, dessen Charakter ich in dem Brief wie in einem Spiegel zu sehen glaube. So habe ich auf deine Bitte hin mein Urteil über die Sache dargelegt, und weil seinerzeit mein Gutachten über das Mittleramt [Christi] verloren gegangen ist, so will ich, damit es nicht jetzt auch wieder so geht, das jetzige drucken lassen; auch weil eine weitere Verbreitung von Nutzen sein wird.

Während mein Brief auf einen Boten wartete, ist das Gerücht von einem neuen Gefecht entstanden, in dem die Feinde zwei Fähnlein verloren haben sollen. Denn was vom Tode des Guisen zu Cambray erzählt wird, scheint mir nicht wahrscheinlich. Aus Lyon sind 3 000 Mann ausgezogen, um die Umgebung zu brandschatzen; auf vielen Schiffen wird Weizen zugeführt. Wird Macon wieder erobert, wie man hofft, so hat man reichliche Zufuhr, weil dann die Schifffahrt nach Burgund frei ist, und die Saone könnte reichlich Wein, Weizen, Holz und Heu liefern. Lebwohl, hochberühmter Mann und von Herzen verehrter Bruder, samt den übrigen Kollegen. Der Herr erhalte Euch alle gesund und leite Euch mit seinem Geiste, damit Euer Wirken gesegnet sei.

Genf, 16. Januar 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Ich hätte diesen Brief bälder gesandt, wenn mich nicht Threcius dringend gebeten hätte, damit bis zu seine Abreise zu warten, weil er meinte, sein Kommen sei Euch lieber, wenn er ihn mitbringe. Ich hatte zwar sonst keinen Boten zur Hand; aber ich wollte lieber einen suchen, der ihn wenigstens bis Bern mitgenommen hätte. Vielleicht ging auch bei Euch das Gerücht um, das die Deutschen hier ausstreuten, ihre Gesandten seien in der Champagne ermordet worden. Ich halte es für falsch, da Se. Durchlaucht, der Pfalzgraf, dem Gesandten de Condes, Spifame, überhaupt geraten hatte, nicht auf eine deutsche Gesandtschaft zu dringen; so war die Unterhandlung überhaupt abgebrochen worden. Ganz unglaublich ist, was man sagt, der eine Gesandte sei aus dem Haus Lüneburg, der andere ein Graf von Mansfeld gewesen.

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