Calvin, Jean - An Pfarrer Desprez in Chire bei Poitiers.

Nr. 705 (C. R. – 3759)

Calvin, Jean - An Pfarrer Desprez in Chire bei Poitiers.

Ein Herr de Seillons war durch Pfarrer Desprez mit der Schwester seiner verstorbenen Frau getraut worden; dieser hatte sich dafür auf eine Predigt von Luther aus dem Jahre 1522 und auf eine Randglosse zu 3. Mose 18, 18 in einer Genfer Bibel des Buchdruckers Antoine Reboul berufen. Darüber von Poitiers angefragt, hatte sich Calvin in einem Gutachten gegen eine solche Ehe ausgesprochen; Desprez erklärte sich bereit, das Urteil anzunehmen und entschuldigte sich, dass er das Kind Herrn de Seillons getauft und mit ihm trotz seiner Exkommunikation verkehrt hatte. Über den Mönch von Loudun vgl. 666.

Über die Ehe mit der Schwägerin; Mahnung zur Ordnung.

Lieber Herr und Bruder, es ist schon recht lange her, dass Klagen über die Ehe, sie Sie eingesegnet haben, bis zu uns drangen. Aber schon ehe wir wussten, dass Sie es getan hatten, waren wir von den Brüdern in Poitiers um Rat gefragt worden und gaben ihnen ein schriftliches Gutachten darüber ab. Darin gaben wir bereits Antwort auf einige Punkte Ihrer Verteidigung, indem wir einfach den Fall selbst erwogen, da uns der Urheber selbst noch ganz unbekannt war. Soviel über unser Schreiben. Seither verlautete nun, dass Sie nicht nur unbedacht diese Ehe eingesegnet hatten, sondern nun den doppelten Fehler begingen, dies gegen alle zu verfechten als das Richtige und Gesetzmäßige. Seitdem Sie aber in die Geschichte hineingezogen wurden, haben wir nichts mehr dazu gesagt, weder im Guten noch im Bösen. Freilich hat sie uns geärgert, und ich hätte Ihnen das nicht verschwiegen, wenn ich Ihnen persönlich näher gestanden hätte. Nun, da Ihr Brief in unserm Kollegium vorgelesen worden ist, danken wir Gott, dass er Ihnen die Gnade gegeben hat, sich nicht auf Ihre Meinung zu versteifen, sondern Eintracht und brüderliche Verbindung mit andern Kirchen zu wünschen. Was nun die Sache an und für sich betrifft, so war Luther damals, als er die von Ihnen angeführte Predigt hielt, noch so ziemlich ein Neuling und noch nicht recht zu Hause in der Schrift. Über die Randglosse zu 3. Mose 18, 18 waren wir recht erstaunt. Der Geldgier der Buchdrucker schafft uns viel Verwirrung; denn da sie, gewinnsüchtig wie sie sind, überall solche Rand-Anmerkungen aufzutreiben suchen, die nichts sind als Groschenfänger, so finden sie auch Leute genug, die sich dazu hergeben, frech über ihre Fähigkeit hinaus Papier zu beschmieren. Zu diesen zählen wir auch den großen Renommisten, der sich rühmt, in Rebouls Drucken wahre Wunderdinge zustande gebracht zu haben. Freilich war wohl in Wirklichkeit die Ehe bereits lange eingesegnet, [bevor diese Genfer Bibel erschien].

Da wir nun bereits in Kürze dargelegt haben, was Gott uns gegeben hat, so will ich mich nicht mehr weiter darauf einlassen, sondern nur sagen, dass das Gesetz, das Blutsverwandten befiehlt, einem verstorbenen Bruder Samen zu erwecken [5. Mose 26, 5 – 10], hier ganz falsch herbeigezogen wird, da es sich gar nicht auf die Verwandtschaftsgrade bei denen eine Ehe erlaubt ist, bezieht. Und wenn verboten ist, die Schwester der Frau, die man hat, zu heiraten bei deren Lebzeiten, so ist es auch ein Missverständnis, zu meinen, durch dies Verbot solle nur der Inzest getroffen werden; denn es steht im Text ein anderer Grund, nämlich damit kein Zank unter den Schwestern entstehe, wenn eine zu Unrecht sich ängstigt. Für die jetzige Lage nun genügt uns, was Sie in Ihrem Briefe anbieten und vorbringen durchaus. Wenn einzelne noch deswegen auf gespanntem Fuße mit Ihnen stehen, so möchten wir, dass alles unterdrückt würde, und wir werden unser Möglichstes dazu tun. Doch bitte ich Sie auch, sich Ihrerseits jedes Tuns zu enthalten, das die Wunde aufreißen könnte, wie z. B. Ihr Verkehr mit Herrn de Seillons vielen Leuten üble Nachrede gegen Sie geradezu in den Mund legt. Freilich ist es uns erlaubt, einem Exkommunizierten in seiner Not zu helfen, aber Sie wissen wohl, dass das sich nicht auch auf jeden persönlichen Verkehr mit ihm ausdehnen lässt, da St. Paulus uns mahnt: habt nichts mit ihm zu schaffen, auf dass er schamrot werde; doch haltet ihn nicht als einen Feind, sondern vermahnet ihn als einen Bruder [2. Thess. 3, 14. 15]. Das gebe ich Ihnen zu, dass das Kind nicht von der Taufe ausgeschlossen werden durfte, da es von einem dazu berechtigten Paten dargebracht wurde, wenn nämlich dabei nach der Forderung der Kirchenzucht, die Sie kennen, Einspruch [gegen den gebannten Vater] erhoben wurde. Aber gerade das hat Ärgernis erregt, dass Ihre Taufhandlung die Ehe zu bestätigen schien, was durchaus unerlaubt war. Ich schreibe Ihnen das weniger als Vorwurf wegen dessen, was Sie getan haben, als vielmehr zur Mahnung für die Zukunft. Dazu kann ich Ihnen nicht verschweigen, dass man hier auch sonst schlimme Berichte von Ihnen ausstreute, die wider unser Wissen unser Ohr trafen. So behauptet man allgemein, Sie seien allzu geneigt, sich den Menschen gefällig zu erweisen, den Mantel nach dem Winde zu hängen und Dinge, die Züchtigung verdienten und nicht ertragen werden dürften, zu bemänteln. D. h. wir glauben nicht alles, um Sie verurteilen zu können; aber es ist vielleicht gut, es Ihnen vorzuhalten, damit Sie sich in Zukunft mehr in acht nehmen. So wird hier berichtet, Sie hätten einem Gerichtsschreiber in Poitiers zu lieb sein Kind heimlich und verstohlen getauft. Etwas anderes von Ihnen steht noch in frischerer Erinnerung. Sie hätten nämlich einige der Intriganten von Loudun aufgemuntert, der Kirche zu Trotz ihren schismatischen Mönch wiederzuwählen, der verdient, am Galgen zu hängen und nicht auf einer Kanzel zu stehen. Ich weiß wohl, dass Sie ihn nicht wieder selbst wiedereinführen wollten; aber unter dem Vorwand, Sie hätten Ihre Vermittlung versprochen, es bis zu der Unordnung, die eintrat, zu bringen. Wirklich, nur mit tiefer Betrübnis bringe ich diese schlimmen Geschichten vor, aber da Sie mir Anlass zum Schreiben boten, so wäre es Verrat an Ihnen, wenn ich nicht offen redete. Jedenfalls bitte ich Sie, nehmen Sie diesen Freimut und diese Geradheit nicht übel, und seien Sie überzeugt, dass ich nicht nur in brüderlicher Eintracht mit Ihnen verbunden sein möchte, sondern dass ich mich in allem und mit allen Mitteln bemühen werde, Ihnen zu ehrfürchtiger Aufnahme Ihrer Predigt zu helfen. Ich verbürge mich ebenso für unser Kollegium; denn wir sehen es wirklich alle als Pflicht an, die Begabung, die Gott Ihnen verliehen hat, zu respektieren und zur Geltung zu bringen. Glauben Sie uns, wir sind durchaus bereit dazu. Damit, lieber Herr und Bruder, empfehle ich mich herzlichst Ihrer Gewogenheit, wie auch unser ganzes Kollegium es tut, und bitte den lieben Gott, er wolle Sie behüten, Sie zunehmen lassen an allem Guten und Sie teilnehmen lassen . . . . .

Ostern [29. März] 1562.

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