Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (623)

Nr. 623 (C. R. – 3197)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (623)

De La Renaudie war von Lausanne aus, wo er mit seinem Schwiegervater, de Rognac (vgl. 44), im Exil lebte, mit Calvin in Verbindung getreten. Der Zürcher Pfarrer Wolf übersetzte eine Schrift des Lutheraners Tilemann Hesshus gegen Calvin für diesen ins Lateinische.

Calvin und die Verschwörer.

Damit uns kein Streit entsteht, verehrter, liebster Bruder, will ich die Sache, die dir so unlieb ist, gar nicht berühren. Wenn nur unsere Übereinstimmung in Bezug auf die Hauptlehre fest und unangefochten bleibt, so mag jeder dem andern in Nebensachen ein freies Urteil erlauben. Ich suchte dich von etwas zu überzeugen, das ich für recht und nützlich hielt. Da aber nun schon Ärger daraus entstanden ist, so ists besser, damit aufzuhören. Nur auf eins will ich dich noch aufmerksam machen: auf die Affen Luthers setze ich schon längst keine Hoffnung mehr, und auch von Jakob Andreä und seinesgleichen ist nicht viel zu erwarten. Aber dass mit uns verbundene Brüder sich von barbarischer Tyrannei unterdrücken lassen müssen und nicht die geringste Hilfe von uns erlangen, schmerzt mich sehr. Denn meinst du nicht auch, dass viele im Stillen wünschen, wir möchten ihnen die Hand bieten, und nun sich von uns verlassen glauben? Doch ich will zu etwas anderem übergehen. Unbedenklich hast du die Schuld an den Unruhen in Frankreich von uns abzuwälzen versucht und durftest das auch mit gutem Gewissen tun. Als man vor acht Monaten begann, sich mit solchen Plänen zu befassen, setzte ich meinen ganzen Einfluss ein, ein weiteres Vorgehen darin zu verhindern. Allerdings ganz im geheimen und unauffällig, weil ich fürchtete, wenn nur ein Gerücht davon zu den Feinden dringe, so brächte ich alle Evangelischen in Gefahr, hingemordet zu werden. Ich glaubte, die leidenschaftlichen Pläne durch mein Eingreifen schon durchkreuzt und vernichtet zu haben, als ein Mensch, der bei mir sehr wenig gilt, aus Frankreich zu mir kam und sich rühmte, als Führer gewählt zu sein. Ich verwies ihm sofort solches Prahlen und sagte deutlich, ich weise eine solche Verschwörung mit Schauder weit von mir. Am folgenden Tag suchte dieser Hungerleider, der von allen Seiten Beute zusammenscharren wollte, einen reichen Freund in seine Netze zu ziehen und von ihm unter dem Namen eines Beitrages eine große Summe zu erpressen und log ihm dabei unverschämter Weise vor, ich missbillige die Verschwörung durchaus nicht, wolle es aber nur nicht offen sagen, um mir keinen Hass zuzuziehen. Als ich davon hörte, rief ich in meiner Empörung sofort meine Kollegen herbei und wies sein eitles Geschwätz scharf zurück; ja er gestand zu, schon in Paris erfahren zu haben, dass ich von diesem Plan nichts wissen wolle. Obwohl man nun überall wusste, dass er mir verdächtig war, so gewann er doch viele Freunde, schon durch seine Nähe, (er wohnte nämlich in Lausanne), und durch sein einschmeichelndes, verlockendes Wesen; so kams, dass er sozusagen in drei Tagen ganz Genf ansteckte. Viele, sowohl Adlige als Bürgerliche und Handwerker kamen zu heimlichen Beratungen zusammen; aber doch kam das Gerücht davon mir zu Ohren. Ich habe nun öffentlich und privatim kein Hel daraus gemacht, wie sehr mir diese Verschwörung missfiel. Als das nichts nützte, habe ich mich darüber beklagt, dass wir so wenig Ansehen hätten und man in einer so überaus ernsten Sache unsern Rat verachte. Hundertmal habe ich gesagt, es sei eine neue Art von Verhexung. Den traurigen Ausgang habe ich so vorausgesagt, dass viele ihre Torheit bereuten, als es zu spät war. Ich bitte dich also um deiner Freundlichkeit und unserer gegenseitigen Freundschaft willen, doch ganz ruhig fortzufahren in unserer Entschuldigung. Das übrige kannst du von Herrn Vermigli erfahren; das Kopfweh lässt mich nämlich nicht weiter schreiben. So muss ich denn auch unsern guten Bruder, Herrn Wolf, um Verzeihung bitten, wenn ich seinen Brief nicht beantworte. Danke ihm in meinem Namen für die Arbeit, die er mir zulieb übernommen hat, und grüße ihn und die andern Kollegen angelegentlich von mir. Lebwohl, trefflicher Mann und sehr verehrter Bruder. Der Herr leite, behüte, stärke und segne dich samt deinem ganzen Hause. Amen.

Genf, 11. Mai 1560.
Dein
Johannes Calvin.

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