Calvin, Jean - An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 601 (C. R. – 3150)

Calvin, Jean - An die Evangelischen in Frankreich.

Trotz der Verfolgung war das Jahr 1559 für die evangelische Kirche Frankreichs erfolgreich; die Synode zu Paris (vgl. 600) stellte die Lehreinheit her; in mancherlei Fragen der Kirchenzucht wurde Calvin um Rat gefragt, und erließ deshalb folgendes nicht genau datierbares Rundschreiben. Caphars (Kaffern, Ungläubige) nannten die Reformatoren solche katholischen Theologen, die der evangelischen Lehre Zugeständnisse machten, ohne sie anzunehmen.

Ratschläge für Kirchen- und Sittenzucht.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei stets mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Herren und Brüder, da das, was wir zu schreiben haben, den größten Teil der Gemeinden in Frankreich angeht, so hielten wir es für das Beste, einen Brief an Euch alle gemeinsam zu richten, nicht nur um uns Mühe zu sparen, sondern auch, um überflüssiges Reden zu vermeiden, und damit Ihr auch ganz sicher seid, dass wir keine Unterschiede machen verschiedenen Gemeinden gegenüber, vielmehr wünschen, dass auch unsere Entscheidungen Euch allen gleichermaßen bekannt und bezeugt werden.

Erstens sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, dass einige es nicht für gut halten, dass man ihren Glauben prüft, und wenn die Prüfung nicht genügend ausfällt, sie nicht zum Abendmahl zulässt, bis sie bessere Fortschritte gemacht haben. Wir bitten nun im Namen Gottes alle die, denen diese strenge Maßregel nicht gefällt, sich nicht mit ihren Fehlern zu schmeicheln und sich auch nicht schmeicheln lassen zu wollen; denn das wäre ihr eigenes Verderben. Der Spruch St. Pauli muss allen Christen wohl bekannt sein, dass, wer unwürdig isset das Brot des Herrn, schuldig ist der Schändung des Heiligen [1. Kor. 11, 27 – 29]. Damit man das Abendmahl nun würdig brauche, fordert er, dass ein jeder sich selbst prüfe, und zeigt damit, dass, wer nicht zur Selbstprüfung fähig ist, nicht an den heiligen Tisch treten darf. Wenn also irgendein Unwissender sich herzu drängt, das Abendmahl leichtfertig zu empfangen, ohne auch den Glauben anzunehmen, so fordert er das Zorngericht Gottes heraus. Die man also hindert, sich so ins Verderben zu stürzen, dürfen nicht zürnen, dass man um ihr Wohl besorgt ist. Wäre ein jeder wohlberaten, so wäre ja kein anderer Richter nötig als eines jeden Gewissen; da aber viele sich vergessen, ist eine gewisse kirchliche Ordnung nötig. Das war zu allen Zeiten so, vor allem um eine Entweihung der Sakramente zu verhüten. Denn wenn jedermann ohne jede Unterscheidung zugelassen wird, so ist das eine Verachtung, die Gott nicht dulden kann. Ihr wisst, unser Herr hat das Abendmahl nur seinen Jüngern ausgeteilt, und wer nicht unterrichtet ist in der Lehre des Evangeliums, hat keinen Zutritt nach der Einsetzung des Herrn. Deshalb kann sich niemand beklagen, wenn man erst untersucht, ob er ein Christ ist, ehe man ihn zum Abendmahl zulässt.

Ebenso ist es überhaupt mit einer regelrechten, ordentlichen Sittenzucht, die in der Kirche bestehen muss, damit man die abweisen kann, die man als unwürdig kennt. Wir wissen wohl, das erscheint denen hart und seltsam, die das Joch unseres Herrn Jesu nicht zu unterscheiden vermögen von der papistischen Tyrannei. Aber man muss eben mehr auf den Willen Gottes achten und sich ihm unterordnen, als seinen eignen Gelüsten den Zügel schießen zu lassen. Sogar die Heiden können uns darin beschämen, denn wiewohl sie ihrem Aberglauben keine solche Ehrfurcht erwiesen, wie wir sie unsern Sakramenten schuldig sind, so haben sie doch bekannt, wer befleckt sei durch irgendein Verbrechen, dürfe nicht daran teilnehmen. Wenn nun jemand der Genuss des Abendmahls verboten wird, so ist das ja kein Ausschluss für immer und braucht ihn nicht in Verzweiflung zu stürzen, sondern es soll nur ihm zur Demütigung und den andern zur Lehre dienen. Da das alles vorgeschrieben ist durch Gottes Wort, das keinen Widerspruch duldet, so bitten wir Euch im Namen Gottes, Euch dessen nicht zu schämen, wenn Ihr Euch dem was Ihr als gut und heilig erkennt, unterwerfet.

Ohne Zweifel habt Ihr auch Männer gewählt und eingesetzt, Ärgernisse abzustellen, Fehlbare zu ermahnen und darüber zu wachen, dass jedermann sich ehrbar aufführt. Wer nun zu solchem Amte berufen ist, muss seinerseits Freundlichkeit und Takt zeigen, so dass keiner unter dem Vorwande einer brüderlichen Rüge verlästert wird oder gekränkt durch Verleumdungen, falsche Berichte oder Verdächtigungen. Wir berühren diesen Punkt besonders, damit die Ermahnungen auch Gehör finden, die so abzuhalten sind, dass der Angeschuldigte gehört wird und sich entschuldigen kann, damit es nicht jedem frei steht, einen Unschuldigen zu verlästern und zu bedrängen. Die rechte Weise wird dir sein: Wer, um sein Gewissen zu entlasten, glaubt, den Aufsehern etwas anzeigen zu müssen, soll es tun; aber dann soll sich der Angeschuldigte frei rechtfertigen dürfen, und, falls er unschuldig erfunden wird, so soll der Angeber wegen seiner unbedachten Tat gerügt werden. Hat einer sogar etwa aus Bosheit seinen Nächsten willentlich verleumdet, so ist das vollends gar nicht zu dulden. Bitte aber auch Gott, dass er die zu solchem Amt Erwählten leite durch seinen Geist der Klugheit, der Milde, des Eifers und der Einfalt. Dann duldet aber auch, dass Ihr im Zaum gehalten werdet, wie wir es alle nötig haben, und die, die über die Herde zu wachen haben, sollen in allererster Linie getadelt und gezüchtigt werden, wenn sie fehlen.

Unter den Fehlern, die manche sich verziehen sehen möchten, ist einer der, papistische Pfründen zu behalten und damit Handel zu treiben. Das ist ohne langen Prozess zu verurteilen; denn es ist ein mit dem Christentum unvereinbares Vergehen, sich zu beflecken mit solchem unheiligen Frevel. Etwas anderes scheint auf den ersten Blick nicht so schwer, nämlich dass man die Kinder zur papistischen Taufe bringt und die Toten zur Leichenfeier. Wenn aber die, die dazu die Erlaubnis möchten, oder sich selbst gestatten, solches zu tun, es genauer bedächten und sich Gott dabei als Richter vor Augen stellten, so würden sie leicht merken, wie verdammenswert es ist. Denn Ihr seid wohl darüber unterrichtet, mit welch hässlichen, abscheulichen Bräuchen die Taufe im Papismus verhunzt ist mit wahrhaftem Satansgespött. Wer sein Kind da zur Taufe bringt, befleckt es nach Kräften, statt dass er es den Segen Gottes empfangen lässt. An der Fürbitte für die Toten teilzunehmen ist unmöglich, ohne die Bedeutung des einzigartigen Opfers unseres Herrn Jesu Christi zu schmälern, da die Lehre vom Fegfeuer sich auf menschliche Werkgerechtigkeit gründet. Erwägt, ob das entschuldbar ist und ob es, wenn einer damit der Gemeinde Ärgernis gibt, mit Stillschweigen übergangen oder als leichter Fehler hingenommen werden darf, oder ob es nicht Rüge verdient, die den Schuldigen in Zukunft zu besserer Aufführung bringt. Wir wissen, unter welchem Zwang Ihr steht, und haben so Mitleid mit Euch, dass das Liebesgebot uns leitet, da Ihr aber nichts damit gewinnt, wenn wir Euch freisprechen, so duldet es, verurteilt zu werden durch Gottes Wort, alles zu Eurem Wohl und Eurer Seligkeit. Von einer weiteren schwierigen Frage unter Euch hören wir: nämlich, ob es erlaubt sei, dass jemand an einem Ort, wo eine reformierte Gemeinde ist, als Prediger auftritt, ohne von ihr berufen zu sein, und ob man, wenn es vorkommt, ihn hören soll oder nicht. Hier bitten wir Euch, zu bedenken, dass, wenn Gott Euch die Gnade erwiesen hat, Euch zu einer Herde zu sammeln, das noch nicht heißen will, dass nicht in der allgemeinen Verwirrung, die jetzt noch in Frankreich herrscht, mancherlei geduldet werden muss, was in einer wohl geordneten Gemeinde zu verurteilen wäre. Wir reden dabei nicht von Dingen, die Gott beleidigen könnten oder seinem Wort zuwiderliefen. Da aber die armen Papisten anzusehen sind als verirrte Schafe, so geht es nicht an, wenn Gott Leute erweckt, sie aus der Irre heimzuführen, dass wir solch ein Heilswerk hindern, vielmehr heißt es da handeln nach dem Spruch unseres Herrn Jesu Christi: Wer nicht wider uns ist, der ist für uns [Mark. 9, 40]. Denn es handelt sich ja hier nicht um das eigentliche Pfarramt, sondern nur um solche, die lehren, um die Verirrten Schritt für Schritt zu Jesu Christo zu leiten. Es handelt sich auch nicht um einen dauernden Zustand, sondern nur um ein außerordentliches Mittel, dessen sich Gott bedient in der Wirrsal des Papsttums. Ferner müsst Ihr Euch dessen erinnern, was St. Paulus sagt, dass nämlich die, die nicht Hausgenossen der Kirche sind, nicht ihrem Gesetze unterworfen sind [1. Kor. 5, 12, 13]. Auch müssen wir darauf achten, was der gleiche Apostel anderswo sagt, dass wir uns freuen sollen, wenn nur das Evangelium verkündet wird, wenns auch nur zufällig geschieht [Phil. 1, 18]. Aus diesem Grund wagen wir es nicht, den Gläubigen zu verbieten, auch die Predigten solcher Leute zu hören, wenns nämlich gute, reine Lehre ist, ohne abergläubisches Beten oder anderes Beiwerk. Nicht so aber, dass sie sich unter diesem Vorwand von der Versammlung zurückziehen oder lässiger werden sollen im Besuch der gewöhnlichen Predigt ihres Pfarrers, vielmehr sollen sie angeregt und befestigt werden, sich an die Lebensordnung zu halten, in die Gott sie nach seiner Gnade hineingestellt hat. Deshalb müsst Ihr auch wohl auf der Hut sein, Euch nicht von Leuten umgarnen zu lassen, die indirekt die Schafe von der Herde wegzulocken und ihnen ihren gewöhnlichen Pfarrer zu verleiden suchen. Indessen scheint es uns recht, dass die, die nicht aus bloßer Neugier hingehen und auch nicht um sich vom rechten Weg abzuwenden, in Ruhe zu lassen sind.

Bedenklicher stehts schon mit denen, welche die Predigten der Caphars besuchen, die einige wahre Worte unter ihre Lügen mischen, um sich Gunst zu erwerben. Denn wir sind schon von selbst nur zu sehr der Lüge und Eitelkeit unterworfen und brauchen keine Lehrmeister zu suchen, die uns erst dazu erziehen. Es ist in der Tat ganz am Ort, dass Gott die straft, die mit solchem Mischmasch genährt sein wollen, wie man sie meistens sich von der Wahrheit abwenden und sich mit den Wahnideen des Satans beflecken sieht. Das kommt von ihrer Undankbarkeit, indem sie nicht zufrieden sein können mit der reinen Lehre, sondern umgetrieben sein wollen vom Wind der Lehre; so lässt denn Gott in seiner gerechten Rache zu, dass sie ganz vergiftet werden. Überhaupt hütet Euch, zu denen zu gehören, von denen St. Paulus sagt: sie lernen immerdar und können nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen [2. Tim. 3, 7]. Erinnert Euch an die Mahnung unseres Herrn Jesu Christi: Hütet Euch vor dem Sauerteig der Schriftgelehrten und Pharisäer [Mk. 8, 15]. Denn es ist für uns alle, die davon geschmeckt haben, schwer, ganz rein davon zu werden, so dass auch kein Rest von Verdorbenem zurückbleibt. Ists also nicht ein wissentliches Versuchen Gottes, wenn man sich geradezu nach solcher Unterhaltung sehnt? Ebenso ist es mit den Horen, Paternostern, allen Werkzeugen des Götzendienstes. Wir müssen die Götzen so verabscheuen, dass wir nicht einmal ihren Namen in den Mund nehmen, denn es heißt im Psalm, - und was im Ezechiel steht, stimmt damit überein -: Da wirst du an deine Irrwege gedenken und dich schämen [Ez. 16, 61, Ps. 97, 7]. Bei andern schlimmen Dingen ists ähnlich: Würfel und Karten, die freilich nicht dem Aberglauben, sondern andern Ausschweifungen dienen, haben schon viele zu Grunde gerichtet und verdorben in der Welt. Freilich, wir wagten es nicht, diese Spiele an sich ganz zu verdammen, wenn man sie in erlaubtem Maße zu üben wüsste; aber wo findet sich solche Mäßigung? Erstlich zieht nichts in der Welt die Menschen mehr an als das Spielen, so dass es ihren Sinn ganz gefangen nimmt wie eine Art Zauber. Die daran gewöhnt sind, können kaum mehr davon loskommen; wer aber einmal losgekommen ist, wird es in kurzer Zeit geradezu verachten. Übrigens wer sich dem Spiel ergibt und in dieser Torheit verharrt, fällt auch noch in manches andere Unziemliche. Es ist eine bekannte Tatsache, dass fast nie gespielt wird ohne gotteslästerliches Fluchen, Betrügen und Zanken mit den Mitspielern. Weiter, wie viel Haushaltungen sind schon dadurch zerrüttet worden! Denn keiner hält ein, bis er sich ganz ruiniert oder sich allmählich den Boden unter den Füßen untergräbt. Besonders das Spielen um Geld ist fast unmöglich, ohne dass Gott in irgendwelcher Weise dadurch verletzt wird. Deshalb ist es sehr ratsam, sich soweit als möglich davon fern zu halten; das Beste ist, sich des Spiels ganz zu enthalten.

Ihr werde es auch nicht für Unrecht halten, wenn wir Euch, wenigstens diejenigen, deren Pfarrer für Weib und Kinder zu sorgen haben, bitten, darauf Rücksicht zu nehmen und sie in ihrer Notlage zu unterstützen. Ihr wisst, solch ein armer Bruder hat nicht die nötige Freiheit und Ruhe des Geistes, um sich ganz seinem Amte zu widmen, wenn er seine Familie in Not sieht und keine Ordnung schaffen kann. Wir werden ja auch in der Schrift ermahnt, die zu erhalten, die für die Gemeinde Gottes arbeiten, und das gilt nicht nur für sie persönlich; denn sie müssten ja Unmenschen sein, wenn sie nicht für Weib und Kind ebenso sorgten wir für sich. Wir tun ja unsrerseits dafür, was wir können; aber glaubt es, bei manchen ist der Mangel so groß, dass wir nicht abhelfen können. Da wir nun nicht daran zweifeln, dass Ihr, auch ohne dass man Euch besonders treibt und stößt, bereit seid, Eure Pflicht zu tun, so genügt es uns, Euch darauf aufmerksam gemacht zu haben.

Da Ihr jedenfalls auch täglich angegriffen und belästigt werdet von den Feinden des Glaubens, so bitten wir Euch zum Schlusse, tapfer zu kämpfen und nicht müde zu werden, bis Ihr alle Ränke des Satans überwunden und Euren Lauf vollendet habt. Doch erinnert Euch daran, welche Waffen uns dazu von oben gegeben sind, nämlich all unsere Zuflucht zu dem zu nehmen, der uns das Heil und die Ehre antut, uns in seine Hut zu nehmen, und so unsere Seelen in Geduld zu fassen. Denn diesen Kampf mit Gewalt gewinnen zu wollen, ist uns nicht erlaubt. Ihr wisst, alles, was wir tollkühn und ohne die Erlaubnis unseres Meisters versuchen, kann keinen guten, glücklichen Ausgang haben. Wir wissen wohl, wie hart und schwer diese Versuchung zu überwinden ist, dass wir so die Feinde ihre Wut an uns und den andern unschuldigen Leuten auslassen sehen sollen. Aber wir müssen eben sehen, wozu wir berufen sind, und da es einmal Gottes Wille ist, dass wir leiden, so wollen wirs nicht seltsam finden, da wir ja dadurch eine so köstliche Sache verfechten, und wollen eifrig lernen, die Ehre seines Namens, den Gehorsam, den wir ihm schulden, das Reich unsres Herrn Jesu Christi und die Hoffnung auf unsre ewige Seligkeit diesem hinfälligen Leben vorzuziehen. Darin also und überhaupt handelt nach der Lehre der Schrift und verleugnet Euch selbst, damit Ihr ein Opfer seid Gott zu einem süßen Geruche [Eph. 5, 2]. Damit wollen wir uns Euch und Eurer Fürbitte von Herzen empfehlen, und bitten unsern lieben Gott, er wolle Euch in Gnaden ansehen, Euch festigen gegen alle Widersacher, Euch in seiner Hut halten, Euch leiten durch seinen Geist und Euch wachsen lassen in allem Guten.

[1559].

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