Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (439).

Nr. 439 (C. R. – 2120)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (439).

Am 22. und 24. Januar 1555 wurde in Genf der Streit um das Recht des Kirchenbanns vom großen und kleinen Rat zu Gunsten des Konsistoriums entschieden. Syndics für 1555 wurden vier Anhänger Calvins. Ende 1554 hatte Calvin in Bern Klage eingereicht gegen Bolsec und Fonselet, und die Waadtländer Pfarrer Zebedee und Lange, die ihn Ketzer schölten. Vgl. 417 und 425. Der Berner Rat stellt sich trotz eines für Calvin günstigen Gutachtens Hallers auf Seiten seiner Gegner und erneuerte sogar in einem Zirkular an die waadtländischen Vögte das Verbot des Abendmahlsbesuchs in Genf.

Bern schützt Calvins Gegner.

Neulich ist uns endlich nach langen Kämpfen das Recht des Kirchenbanns bestätigt worden. Ferner sind in ruhiger Wahlversammlung Syndics nach unserm Wunsche gewählt worden. Wie wir nun glauben, die Kämpfe im Innern los zu sein und es etwas leichter zu bekommen, da bricht plötzlich von unsern Nachbarn her der Krieg umso schärfer los. Der Rat sprach nicht nur die Leute, die mich Ketzer gescholten hatten, los und ließ sie frei laufen, sondern er gab ihnen sogar noch Waffen zu noch leidenschaftlicherem Angriff auf mich und unsere Kirche. Wir, die wir so viel schweres Unrecht erduldet haben, werden in Anklagezustand versetzt. Der Hauptpunkt ist, es werde des Zanks kein Ende sein, bis man uns unsere Kirchenzucht nehme und unsern Katechismus unterdrücke. Unser Rat wird aufgefordert, uns streng im Zaum zu halten. Ich finde diese Grobheit so schmachvoll, dass ich kaum abschwächen kann, was den Ohren fast unerträglich ist. Was würden diese Leute, die mitten in der Vorbereitung zum Kriege so gegen Unschuldige wüten, wohl erst tun, wenn sie Ruhe und Frieden hätten? Wir haben bezeugt, wir seien jederzeit bereit, Rechenschaft abzulegen; wir haben freiwillig sie selbst als Richter anerkannt: wir sind nicht zugelassen worden. Dabei haben sie durch amtliche Bekanntmachung ihren Untertanen verboten, mit uns das Abendmahl zu nehmen. Wundere dich jetzt nicht mehr über die wilde Art der Sachsen, wenn sogar hier, bloß aus Hass gegen einen Mann, der um des Friedens willen gern hundertmal seinen Hals darböte, die Kirchen so auseinander gerissen werden! Nichts plagt mich mehr, als dass Gott durch solche Dinge offen seine Strafe ankündigt. Wohlan, wenn ihre Gier gestillt wird und ich für lange ins Exil gehen muss, wenn mir dann nur noch der Weg durch ihr Gebiet offen ist! Aber vielleicht ist mirs noch besser, von ihrem Lande ausgeschlossen, direkt in den Tod gehen zu müssen.

Der Herr vergelte vom Himmel her Eurer Stadt die Freundlichkeit, die Ihr den Locarnern erwiesen, und ich hoffe, er wird es tun, und uns, den ungerecht Verfolgten, biete er die Hand. Ich schütte diese meine Klagen im vollen Vertrauen vor dir aus, damit du mir mit frommer Fürbitte hilfst; denn das größte Leid umfängt mich. Unsere Brüder in Bern will ich aber nicht verklagen, denn ich weiß bestimmt, dass sie diesen Ratsbeschluss durchaus verabscheuen, ja, was ich schrieb, möchte ich nicht einmal gegen den Berner Rat im Ganzen gerichtet haben, der sich nur allzu leichtgläubig von ein paar bösen, treulosen Menschen hinreißen lässt. Du siehst indessen, wie weit wir im Unglück gekommen sind.

Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr leite dich fernerhin und mache dich reich durch seine Gaben. Grüße deine Kollegen und deine Familie angelegentlich.

24. Februar 1555.

Herrn Lismanino, der hoffentlich gut bei Euch angekommen ist, viele Grüße.

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