Calvin, Jean - An den Rat von Genf.

Nr. 395 (C. R. – 1922)

Calvin, Jean - An den Rat von Genf.

Ein gewisser Lambert Le Blanc war wegen widernatürlicher Unzucht verbrannt worden; der Rat forderte von einer Kommission, an deren Spitze Calvin stand, ein Gutachten, was mit den in den Prozess verwickelten jungen Leuten und Knaben geschehen solle.

Gutachten über die Bestrafung einiger Päderasten.

In Erwägung der Geständnisse und Aussagen, die die jungen Leute bei ihrer Konfrontation abgelegt haben in Gegenwart der hochedeln Herren Syndics und der Unterzeichneten, wegen des Vergehens der Sodomie, und nachdem wir alles wohl gehört, betrachtet, geprüft und verglichen haben, ist unsre Meinung: Genanntes Vergehen ist genügend erwiesen in Bezug auf genannte Knaben, und wie solches Vergehen eins der furchtbarsten und abscheulichsten ist, die es gibt (was aus heiliger Schrift und gemeinem Recht erhellt), so ist es bei solcher Jugend ein sonderlich seltsames, ungeheuerliches Vorkommnis. Immerhin finden wir, dass ein Unterschied besteht im Vergehen und in der Strafwürdigkeit bei genannten Knaben. Denn die beiden Jüngsten ließen nur solches Vergehen an sich ausüben und konnten bei ihrer großer Jugend das Furchtbare und Entsetzliche an genanntem Vergehen nicht so leicht begreifen, wie die andern drei. Nichtsdestoweniger können sie nicht ganz von der Strafe befreit werden, denn eine gewisse Urteilsfähigkeit und Überlegung konnten sie doch auch haben. Deshalb, und damit sie für die Zukunft einen Abscheu und eine Erinnerung an ihr Übeltun haben zur Vermeidung eines Rückfalls, scheint es uns, ohne besserer Ansicht vorgreifen zu wollen, richtig, dass sie mit Ruten gestrichen werden in verschlossenem Raum in Gegenwart genannter Herren und einiger ihrer Angehörigen. Die Knaben sollen durch das Erdulden solcher Strafe in Gegenwart ihrer Angehörigen lernen, sie in Zukunft mehr zu fürchten und sich ihrer Zucht und Ermahnung williger zu fügen. Und damit sie besser erkennen, dass ihnen damit noch Gnade erwiesen wird, und wie gräulich ihre Übeltat war, wird es gut sein, ihnen die Feuerstrafe vorzuführen, indem man ein paar Bündlein Holz vor ihnen verbrennt unter scharfer Androhung genannter Feuerstrafe, falls sie rückfällig werden. Über alles das soll ein Protokoll geführt werden.

Was nun die drei Älteren betrifft, so finden wir: in Anbetracht dieses ihres Alters sind sie zurechnungsfähig in genanntem Vergehen; dazu tritt die Gewohnheit, Vertrautheit und Kenntnis besagten Verbrechens und seiner Strafbarkeit und sein fortgesetztes, wiederholtes Tun; das nicht allein, nachdem sie gesehen haben, wie der letzte Sodomit zum Tod verurteilt und verbrannt wurde, sondern auch noch nach besagtem Verhör, wie sie alle drei gestanden. Dadurch wird ihre große, bewusste Bosheit erwiesen, in der jeder von ihnen auch schon versucht hat, kleine Mädchen zu schänden. Aus diesen Gründen finden wir nicht, dass sie um ihrer Jugend willen von der Strafe genannten Vergehens befreit werden sollen. Denn wenn die Gesetze vom Entschuldigen der Verbrechen Jugendlicher reden, so brauchen sie den deutlichen Ausdruck unmündige Kinder, und damit sind solche gemeint, die noch nicht zurechnungsfähig sind und wirklich nicht wissen, was sie tun, und nicht bereits mannbare oder der Mannbarkeit nahe junge Leute, die der Bosheit fähig sind, solche Vergehen fortgesetzt zu verüben. So können wir nach Anordnung des Rechts nicht finden, dass die Burschen die Todesstrafe nicht verdient hätten; immerhin nicht in der scharfen Ausführung, wie wenn sie schon älter gewesen wären. Es würde nach der Strenge des Gesetzes, um die Strafe dem Vergehen entsprechen und doch um ihrer Jugend willen nicht gar zu streng sein lassen, genügen, wenn sie ertränkt würden. Sollten jedoch Ew. Exzellenzen geruhen, ihnen die Todesstrafe in Gnaden zu schenken, so scheint es uns doch unumgänglich, dass sie einer um der Abschreckung willen öffentlichen, körperlichen Züchtigung unterworfen werden. Denn es ist unmöglich, das Vergehen zu verbergen und zu verschweigen, und es läge in der Straflosigkeit oder Verheimlichung der Strafe größere Gefahr, als im öffentlichen, abschreckenden Strafvollzug, wobei auch zu erwägen ist, dass man den Zorn Gottes fürchten müsste, der nicht darum ein solches Vergehen bei solchen Leuten aufgedeckt hat, damit es sogar in dieser Stadt ungestraft bleibe. Es bestünde Gefahr, dass der Herr durch eine viel entsetzlichere Strafe offenbar machte, was die Menschen verbergen wollten, und dass sein Zorn dann auch andere mit ins Unglück brächte. Deshalb scheint es uns, verdienen die drei größern Burschen mindestens, an den Kreuzwegen öffentlich ausgepeitscht zu werden, den Strick um den Hals, und an einigen Stellen, wo sie ausgepeitscht werden, soll ein Feuer angezündet werden, um ihnen zu zeigen, welche Strafe ein so abscheuliches Verbrechen verdiente; auch soll ihnen damit angedeutet und gedroht werden, was sie bei einem Rückfall erwartet. Und damit sie, nach genannter Strafe der Auspeitschung, nicht dem Abscheu des Volkes zu sehr ausgesetzt sind, sollen sie dann für bestimmte Zeit irgendwo, wo es Ihnen gut scheint, in Haft gehalten werden, z. T. bei Wasser und Brot, und wenn Sie beschließen, sie ihren Angehörigen zum Hausarrest anzubefehlen, so soll diesen eingeschärft werden, was ihnen damit überbunden wird.

[März 1554]

Germ. ColladonJohannes Calvin
Francois ChevallierAbel Poupin.
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