Calvin, Jean - An Viret in Lausanne (110).

Nr. 110 (C. R. – 537)

Calvin, Jean - An Viret in Lausanne (110).

Castellio hatte 1542 mehrmals im Dorf Vandoeuvres gepredigt. Nach seiner Entlassung wandte er sich nach Bern, kehrte dann aber wieder nach Genf zurück, von wo er erst im Juli endgültig schied. Das Weggelassene sind unwichtige Nachrichten.

Weiteres über Castellio.

- - Auch Sebastian [Castellios] wegen hat Ribit kurz mit mir verhandelt und schien es durchsetzen zu wollen, dass er von uns nicht bei Seite gelassen werden dürfe. Als er mehrmals auf mich eindrang mit der Frage, was ich denn wolle, dass Castellio tun solle, antwortete ich etwas erregt, lieber wolle ich von der Stelle weichen, als dass man mich gewaltsam zwinge, ihn gegen die Überzeugung meines Gewissens ins Amt zu lassen. Ribit warf ein, Castellio sei ja bereits im Amt gewesen. Ich wies das ab und fügte bei, wenn er ohne Prüfung ein paar Mal gesandt worden sei, [in Vandoeuvres] zu predigen, als ich abwesend war und nichts darum wusste, so sei es unbillig, mir das anzurechnen. Ich konnte nicht recht merken, ob Ribit scherzte, als wir aufs Hohelied zu sprechen kamen. Doch schien er darüber nicht sehr verschieden von Castellio zu denken. Von Christi Höllenfahrt sprachen wir nur ein paar Worte. Denn unser Gespräch wurde durch ein paar andere Besuche unterbrochen. Ich weiß nicht, was das heißen soll, wenn Sebastian prahlt, selbst meine Freunde seien verwundert und lachen darüber, dass ich zur Verteidigung des Hohenlieds den 45. Psalm ihm entgegenhielt, und dass ich, obschon im Bekenntnis das „Niederfahren zur Hölle“ nach dem „Begraben“ steht, zur Bestätigung meiner Auslegung das Wort am Kreuz: Mein Gott, mein Gott usw. [Matth. 27, 46] angeführt habe. Ich werde sein und andrer Leute Spottlächeln ruhigen Gemüts ertragen; aber ich brauche mich nicht zu fürchten, dass sie mich mit guten Gründen besiegen. Nur das möchte ich von Euch erreichen, dass Ihr mir nicht Sebastians wegen beschwerlich werdet. Sebastian denkt nun einmal so von mir, soviel ich aus seinen Reden entnehmen konnte, dass es schwierig wäre, je wieder Einigkeit unter uns herbeizuführen. Ich sage dir das, was eigentlich andern gilt; denn du bist mir ja bisher nie mit dieser Sache lästig gefallen. Kurz nach Castellios Rückkehr wollte ich wissen, was denn die Punkte seien, deretwegen man mich und die Kirche warnen sollte. Ich habe nur zwei Dinge aus ihm herausgebracht. Irgendein Berner wollte bei mir über das Hohelied bei mir dasselbe gelernt haben, was ich an ihm, Castellio, tadele. Diese Verleumdung habe ich zunichte gemacht. Das zweite war, meine Kollegen redeten bloß mir zu Gefallen. Ich gab die Antwort, die sich darauf gehörte. Sonst hatte er nichts. Er tut mir leid. Ich möchte, es könnte irgendwo ohne Anstoß gut für ihn gesorgt werden, und ich würde für meinen Teil gern die Hand dazu bieten. Ich bin von seiner Begabung und seiner Gelehrsamkeit sehr eingenommen. Nur möchte ich, zu seiner Begabung käme auch besseres Urteil und seine Gelehrsamkeit wäre durch Lebensklugheit gelenkt, und das unbändige Selbstvertrauen, das aus der Überschätzung seiner doch nicht außerordentlichen Gelehrsamkeit stammt, verschwände ganz bei ihm. Lebwohl, liebster Bruder und trefflichster Freund. Viele Grüße an die Brüder, deine Frau und deine Tante. Der Herr behüte Euch alle. Meine Frau lässt dich und deine Angehörigen angelegentlich grüßen.

Genf, [Anfang März 1544].

Dein

Johannes Calvin.

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