Calvin, Jean - An die Pfarrer von Montbeliard.

Nr. 103 (C. R. – 506)

Calvin, Jean - An die Pfarrer von Montbeliard.

In der evangelischen Kirche der zu Württemberg gehörigen Grafschaft Montbeliard hatte Herzog Christoph lutherische Zeremonien einführen lassen, weshalb sich die dortigen Pfarrer, besonders Toussaint (Tossanus) um Rat an Farel und Calvin wandten.

Die rechte Stellung zu lutherischen Zeremonien.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesu Christo, liebe, verehrte Brüder. Obwohl diese Eure beiden Brüder von Euch nur nach Neuchatel gesandt worden sind, um die dortigen Pfarrer um Rat zu fragen, so sind sie doch auf deren Mahnung hin auch zu mir nach Genf gereist, um Euch auch meine Meinung in den Fragen, deretwegen Ihr die Neuchateller um Rat batet, zu melden. Ich von mir aus nehme mir nicht so viel heraus, dass ichs gewagt hätte, ungefragt mich in Eure Beratung zu mischen und meine Meinung dazu zu sagen. Weil aber unser Bruder Toussaint in seinem Brief mit Namensnennung sagt, Ihr möchtet mein und andrer Leute Urteil hören, so fürchte ich nicht, dass es mir als freche Anmaßung ausgelegt wird, wenn ich Euch einfach und kurz auseinandersetze, was ich tun würde, wenn ich in Eurer Lage wäre. Ich habe freilich schon vor zwei Monaten meine Meinung meinem lieben Bruder Toussaint gewissermaßen privatim mitgeteilt. Nun aber, da mir Eure Boten die einzelnen Punkte aufgezählt haben, über die Ihr im Zweifel seid, oder über die wenigstens eine gewisse Uneinigkeit herrscht, ob Ihr sie annehmen dürft oder nicht, will ich bei jedem Punkt kurzen Bescheid geben, wie ich davon denke.

Dass sich die Leute, die am Abendmahl teilnehmen wollen, beim Pfarrer zu einer Prüfung anmelden sollen, missfällt mir nicht so sehr; ja ich meine vielmehr, Ihr alle solltet von Euch aus darum bitten. Denn das ist der Lebensnerv einer wirklich frommen, heiligen Kirchenzucht. Weil es aber von diesem Brauch leicht abwärts geht zu einem gewissen Missbrauch, so wird es gut sein, um aller Gefahr zu begegnen, die Grenzen gleich festzusetzen, die die gesetzmäßige Anwendung dieser Einrichtung bestimmen. Nämlich, dass die Abendmahlsprüfung erstens eine Art privater Unterweisung zu vertraulicher Belehrung der Unwissenden sein soll, zweitens, dass man sie brauchen soll zum Ermahnen und Tadeln der Leute, die ihrer Christenpflicht im Leben zu wenig nachkommen und schließlich, dass sie dafür da sei, ängstliche Gewissen aufzurichten und zu befestigen.

Über die Austeilung des Abendmahls bin ich der Meinung, dass man die Sitte der Kranken-Kommunion gut zulassen darf, wo es notwendig und passend ist, und dass man sich auch dem nicht allzu sehr zu widersetzen braucht, den Verbrechern vor der Hinrichtung das Abendmahl zu geben, wenn sie es wünschen und zum Empfang genügend vorbereitet scheinen. Aber nur unter der Bedingung, dass es wirklich eine Kommunion ist, d. h. dass das Brot in einer Gemeinschaft von Gläubigen gebrochen wird. Dass aber das Abendmahl auch nach einem gewöhnlichen Predigtgottesdienst außerordentlicher Weise auf den Wunsch eines einzelnen Gemeindeglieds hin abgehalten werden soll, das ist zu unsinnig. Auch ziemt es sich nicht, dass das heilige Mahl, das ein gemeinschaftliches Feiern aller sein soll, in Gegenwart aller vorgesetzt werde, ohne dass dies vorher feierlich angekündet worden ist, so dass sich die Gemeinde zur Teilnahme vorbereiten kann. Die Art und Weise aber, die der Fürst hier befiehlt, hieße doch nichts anderes, als die öffentliche Ordnung der Kirche dem Gelüsten irgendeines einzelnen unterzuordnen. Wirft man dagegen das Bedürfnis der einzelnen ein, so braucht Ihr Euch nicht zu weigern, das Abendmahl öfter als bisher zu feiern, so dass keiner mehr sein Bedürfnis vorschützen kann, wenn er nur zur gemeinsamen Feier zu kommen braucht [um öfters das Abendmahl zu genießen].

Die Nottaufe der Hebammen zu erlauben, ist eine gottlose, frevelhafte Entweihung der Taufe. So halte ich dafür, dass Ihr diesen Punkt nicht nur ablehnen, sondern sogar, wenn der Fürst fortfährt, Euch damit übermäßig zu bedrängen, lieber Widerstand bis aufs Blut leisten sollt, als der Duldung dieses Aberglaubens beistimmen. Christus fragte die Pharisäer: Woher ist die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen? Hätten sie das Zweite bejaht, so wäre der Schluss leicht gewesen, dass eine von Menschen kommende Taufe eitel und ohne Bedeutung sei. Nun, woher ist die Hebammentaufe? Sicher nicht von dem, der das Amt des Taufens ausdrücklich den Aposteln übertragen hat. Also stammt sie doch nur von der andern, entgegengesetzten Seite her. Augustin wirft nicht von einem Weib, sondern von einem männlichen Laien die Frage auf, ob er sündige, wenn er eine Nottaufe vollziehe. Er lässt die Antwort im Ungewissen und entschuldigt die Laientaufe mehr, als dass er sie billigt. Sicher sagt er nicht, es sei erlaubt; eher gesteht er, eine Sünde liege doch darin. Aber wenn wir Christi Vorschrift folgen, so hat ein solcher Zweifel gar nicht mehr statt.

Bei Begräbnissen möchte ich die Einschränkung gemacht sehen, dass der Sarg nicht in die Kirche, sondern gerade auf den Friedhof getragen wird. Dann möchte ich auch, dass die Grabrede dort gehalten wird, damit die Leidtragenden gerade beim Grab hören, was man ihnen zu sagen hat. Diese Art und Weise wäre wohl nicht besonders zu tadeln.

Des Glockengeläutes wegen möchte ich Euch nicht raten, zu hartnäckig zu widersprechen, wenns einmal nicht erreicht werden kann, dass es der Fürst drangibt; nicht weil ich es billige, sondern weil mir die Sache nicht des Streites wert scheint.

Dagegen wäre mein Wunsch, dass Ihr recht fest wäret in Ablehnung der Festtage; aber nicht so, dass Ihr im Allgemeinen dagegen ankämpft, sondern bloß gegen die, die in keiner Weise zur Erbauung beitragen und ihren abergläubischen Charakter auf den ersten Blick zeigen. Da habt Ihr einen Grund zum Widerstand, der Beifall finden muss. Denn unter dem Papsttum wurden z. B. Mariä Empfängnis und Himmelfahrt mit großem Pomp gefeiert. Was könnte ein Diener Christi, wenn er an einem solchen Fest auf die Kanzel stiege, anders sagen, als die Dummheit der Leute zu verspotten, die solche Festtage ersonnen haben?

In kurzen, nackten Worten habe ich Euch meine Meinung dargetan. Euch auch Begründungen zu geben, schien mir teils überflüssig, teils wenigstens nicht unbedingt notwendig, da Ihr bei Eurer Klugheit auch ohne weitere Belehrung die Gründe erwägen könnt, die mich bestimmen. Nun sehe ich wohl, worin die Schwierigkeit noch besteht und wie groß sie ist, nämlich bei Euerm Fürsten etwas zu erreichen. Wenn Ihr aber in einem bescheidenen Bittgesuch darlegt, dass Ihr nicht anders könnt, wenn Ihr nicht um seinetwillen Christum verspotten wollt, so wird er doch unzweifelhaft einem so billigen Verlangen nachgeben, so weit es geht. Deshalb rate ich Euch, Euch nicht allzu schwierig und eigensinnig zu zeigen, so weit es Eurerseits geht. Denn wenn er merkt, dass Ihr Euch in Euren Forderungen mäßigt, so wird er umso leichter dazu zu bringen sein, auch seinerseits Euch etwas nachzulassen, besonders wenn er sieht, dass Ihr nicht ohne Gründe kämpft. Erschreckt Euch aber die Gefahr des Ärgernisses, die darin liegt, dass Ihr einen neuen liturgischen Brauch annehmt, der in unsern Kirchen nicht üblich ist, so liegt darin eine gewisse Berechtigung. Aber weil auch wir noch nicht einen solchen Grad der Vollkommenheit erreicht haben, dass wir nicht noch wünschten, weiter zu kommen, so braucht Euch diese Befürchtung nicht abzuhalten, die liturgischen Bräuche anzunehmen, die wenigstens nicht geradezu tadelnswert sind. Lebt wohl, bester verehrte Brüder. Meine Kollegen lassen Euch angelegentlich grüßen; auch sie weichen von meinem Urteil gar nicht ab. Der Herr Jesus lenke Euch stets mit seinem Geiste.

Genf, 7. Oktober 1543.
Euer
Johannes Calvin.

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