Burk, Karl - Das Christentum eine Sache auch der Männer

Burk, Karl - Das Christentum eine Sache auch der Männer

In Christo geliebte Freunde! Im Anfang des Kapitels, aus welchem unser Text genommen ist, sehen wir unsern Herrn im Gespräch mit der Samariterin und müssen staunen über die Größe der Erbarmung und der Weisheit, womit Er dieses leichtfertige Weib zur Einkehr in sich selbst und zum Glauben an Ihn als den Heiland der Welt zu führen, ja aus ihr eine Zeugin für Seine Person unter ihren Landsleuten zu machen weiß. Unser heutiges Evangelium aber zeigt uns, dass der Herr nicht nur ein leicht bewegliches Weiberherz, sondern auch ein stolzes Mannesherz zu überwinden, im Stande ist, und dass Er auch diesem darzureichen vermag, was es bedarf für Zeit und Ewigkeit. Das ist eine Wahrheit, die wohl verdient, dass wir ernstlich über sie nachdenken. Ist es ja doch eine traurige Erfahrung, dass fast allerorten die Männerwelt in ihrer Mehrzahl von Christo sich abwendet. Nicht nur in römisch-katholischen Ländern, wie in Italien und Frankreich, steht beinahe die ganze männliche Bevölkerung dem Christentum gleichgültig oder feindlich gegenüber und nur in den Herzen der Frauen hat es noch eine Stätte, sondern auch unter uns sieht man überall, wo die Anhänglichkeit an das Evangelium öffentlich zur Erscheinung kommt, im Besuch des Gottesdienstes, in der Teilnahme am heiligen Abendmahl, dass die Männer weit in der Minderzahl sind, und auch in den Häusern ist es so, dass, wenn das Gebet und das Lesen in Gottes Wort noch geübt wird, dies häufig nur der Frau zu danken ist, während der Mann teilnahmslos oder verdrießlich dabei sitzt, oder gar die Ansprüche, welche das Geschäft oder die Geselligkeit an ihn machen, zum willkommenen Vorwand braucht, um der häuslichen Andacht sich zu entziehen. Es liegt aber auf der Hand, dass dies kein gesunder Zustand im Volksleben ist, wenn Männer und Frauen gerade in den tiefsten Fragen des Lebens und in den heiligsten Anliegen des Herzens auf entgegengesetztem Standpunkt stehen. Dieser Zustand wirkt jetzt schon verderblich ein, nicht nur indem er eine tiefere geistige Einheit in der Ehe unmöglich macht, sondern auch indem er der unter uns herrschenden Gestalt der Frömmigkeit jenen männlichen Charakter raubt, welcher dem Christentum in den besten Zeiten der Kirche, im apostolischen Zeitalter und im Reformationszeitalter aufgeprägt war, und unserem religiösen Leben etwas weibisch Aufgeregtes and weibisch Schwächliches gibt. Und wenn unsere Männer nicht erkennen, wovon sie gefallen sind, und mit ihrem Denken und Leben umkehren zu dem lebendigen Gott und dem Herrn Christo, so werden wir, wovon an manchen Orten schon starke Anfänge vorhanden sind, bald auch christusfeindliche und gottesleugnerische Weiber bekommen, und dadurch wird der Leuchter des Evangeliums in den Häusern vollends ganz von der Stelle gestoßen werden.

So ist es denn wohl der Mühe wert, dass wir genauer betrachten das Christentum als eine Sache auch für die Männer. Hierbei fassen wir nach Anleitung unseres Textes 4 Punkte ins Auge:

  1. Auch der Mann bedarf eines Gottes und Heilandes.
  2. Bittend und glaubend zu Christo zu kommen, ist auch für den Mann nicht eine Schande, sondern eine Ehre.
  3. Mannesarbeit ist es, nachzudenken über die Wunderwege des Herrn.
  4. Wenn ein Mann zu Christo kommt, so ist das ein Segen für sein ganzes Haus.

Herr, unser Gott! Du hast schon manche starke Mannesseele Deinem Sohn zum Eigentum geschenkt und hast manchen Mann zu etwas Rechtem gemacht in seinem irdischen Beruf und zu einem Segen für seine Umgebungen dadurch, dass Du ihn Christum finden ließt. Wir bitten Dich, beweise auch an den Herzen unserer heutigen Männerwelt Deine lebendig machende Kraft, und lass immer mehrere zu dem Entschlusse gelangen, hinfort nicht ihnen selbst zu leben, sondern Ihm, der für sie gestorben und auferstanden ist. Amen.

I.

In Christo Geliebte! Der Mann, welcher uns in unserem Evangelium begegnet, gehörte nicht zu der unter schwerem Druck seufzenden Volksmenge, sondern war einer von denen, von welchen der Herr sprach: „die weiche Kleider haben, sind in der Könige Häusern.“ Und zwar war es der Hof jenes leichtfertigen Herodes, zu welchem er in Beziehung stand. Aber siehe, dennoch tritt die Not des Lebens auch an diesen Mann heran. Sein Sohn, der einzige wie es scheint, ward todkrank, und da ist kein Arzt, der ihm helfen kann, und auch des Vaters einflussreiche Stellung, seine Kenntnisse, sein Geld - alles ist wirkungslos. Machtlos steht der Mann, dessen Wort sonst viel galt, der Macht des Todes gegenüber, welcher ihm das Liebste, was er hat, zu entreißen droht. Da erfährt er, was das Lied sagt:

„Mitten wir im Leben sind
Von dem Tod umfangen;
Wen suchen wir, der Hilfe tu,
Dass wir Gnad' erlangen?“

Und wo ist ein Mann, und wäre er der begabteste oder reichste, welcher vor ähnlichen Erfahrungen gesichert wäre? wo einer, der es vermöchte, um seine Hütte eine Mauer zu bauen, dass kein Unfall derselben sich nahen darf? Und wenn du nun am Krankenbett eines geliebten Kindes stehst und des Arztes Miene dir es verkündigt, dass menschliche Kunst hier ein Ende hat, und du hast keinen Gott und Heiland, an den du dich wenden kannst, wie erbärmlich stehst du da! nichts bleibt dir als ein unmächtiger Grimm gegen ein neidisches Schicksal, das dir die liebsten Hoffnungen zu Schanden macht. Und wenn der Tod sein Werk getan hat, und du hast nicht die Gewissheit, dass dein Kind lebt, lebt droben im himmlischen Vaterhaus, was hast du von all deiner Mannesstärke? Du bist ein Besiegter, besiegt durch eine blinde Macht, so sehr auch dein Denken und dein Gefühl sich dagegen empören mag. Oder bestünde etwa das dem Manne Geziemende darin, dass er gegen solche Erlebnisse des häuslichen Lebens sein Herz abstumpft und den Tod seiner Kinder oder ein schweres, vielleicht unheilbares Leiden derselben mit Gleichgültigkeit ansieht? Sind das die rechten Männer, welche den Jammer von Weib und Kind nicht achten, wenn nur ihnen selbst nichts abgeht an Wohlleben? Einen Mann mögen Vorkommnisse des häuslichen Lebens nicht so häufig wie eine Frau daran erinnern, dass er von einer höheren Macht abhängig ist, er mag eine Zeitlang, so lange es ihm wohl geht, bei sich selbst stolz sprechen: ich werde nimmermehr darniederliegen, aber es kommen auch für ihn Zeiten, wo es in seinem häuslichen Leben ihm fühlbar wird, dass er eines Gottes und Heilandes bedarf. Und daneben das Berufsleben! Die Berufsstellungen sind ja unendlich verschieden; aber jeder Mann, der seinen Beruf mit Ernst auffasst und mit Gewissenhaftigkeit treibt, wird gar manchmal in Lagen kommen, wo er sich gestehen muss: „Mit unsrer Macht ist nichts getan!“ und: „Wo Gott nicht hilft, da kann ich nichts.“ Das predigt dem Landmann und Weingärtner jede Ernte und jede Weinlese, namentlich auch die diesjährige; das kann der Gewerbsmann, wenn er nachdenkt, heraus hören aus den gewerblichen Stockungen und Übelständen der Zeit, das erfährt der Arzt und der Künstler, der Lehrer und der Seelsorger alle Tage bei der Ausübung seines Berufs. Und gerade die tüchtigen Arbeiter, die männlichen Charaktere haben das immer demütig anerkannt, während dagegen diejenigen, welche keines Gottes zu bedürfen meinen, wenn ihnen etwas gelingt, zu knabenhafter Selbstüberhebung, wenn aber der Erfolg ihres Tuns ausbleibt, zu unmännlicher Verzagtheit versucht sind. „Nun ja,“ sagst du vielleicht, „das lasse ich mir gefallen, eines Gottes bedarf man freilich, an einen Gott, der zu unserem Tun das Gedeihen geben muss, glaube ich auch. Aber was man von einem Heiland sagt, um deswillen uns die Sünden vergeben und Kraft zum Guten geschenkt werde, das hat für mich keinen Wert. Vergebung suchen, das ist ein unmännliches Tun, das überlasse ich Weibern und Kindern. Wer feste sittliche Grundsätze, einen männlichen Charakter hat, der bedarf eines solchen Heilandes nicht, bei dem heißt es: Selbst ist der Mann!“

Der du so sprichst, hast du noch nie die Wahrnehmung gemacht, dass Krankheit und Tod nicht nur dein Haus bedrohen, dass sie vielmehr ihren Sitz haben auch in deinem Herzen? dass du nicht nur von außen her Beistand brauchst zu deinem Tun, sondern auch Leitung und Antrieb, damit du das Gute tust, und Verzeihung, wo du das Böse getan hast? Hat dich dein Herz noch nie verdammt? Und wenn es geschieht, wenn dein Gewissen aufwacht als Zeuge wider dich selbst, was ist dann männlicher: das Zeugnis der Wahrheit im eigenen Innern unterdrücken? sich selbst belügen? nach Art eines Schulknaben Ausflüchte und Entschuldigungen suchen? oder aber der ernsten Wahrheit fest ins Auge blicken und bekennen: „ich habe gesündigt“? Wer aber gesündigt hat und immer wieder sündigt trotz aller seiner guten Vorsätze, der braucht einen Heiland.

II.

Wenn du Ihn aber brauchst, brauchst für die Nöte deines Hauses und deines Berufs und deines Herzens, dann musst du dich auch entschließen, zu Ihm zu kommen, wie der Königische gekommen ist, bittend und glaubend. Es ist ihn gewiss nicht leicht angekommen, diesen Schritt zu tun. Dass er, der königliche Beamte, vor dem Zimmermannssohn aus Nazareth als ein Bittender sollte stehen, das war eine schwere Zumutung für seinen Stolz. So gibt's auch unter unsrer Männerwelt nicht wenige, die fühlen das Bedürfnis, einen Gott und Heiland zu haben; aber zu Ihm zu kommen mit Beten und Glauben, das dünkt sie etwas Entwürdigendes. Beten ist eine Sache für Weiber und Schwächlinge, ein Mann mit gefalteten Händen, ein Mann auf den Knien, das wäre ja schimpflich. Aber haben nicht gerade die Mannhaftesten im Gebet vor Gott sich gebeugt und eben dadurch die Kraft erlangt, als Männer zu stehen vor der Welt? Schau vor allem auf den Herrn Jesum, wie Er dort im klaren Bewusstsein, dass es dem schmerzlichsten und schmachvollsten Tod entgegengehe, Seinen Häschern sich selbst ausliefert, siehe: dort in Gethsemane im allerdemütigsten Gebet vor Seinem Vater im Staube liegend, hat Er diesen Heldenmut sich erkämpft! Denk an einen Paulus. Was hat ihm den Mannesmut gegeben, unter Nöten und Verfolgungen so freudig zu sprechen: „ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“ und dort auf dem Meer, in die Mitte der schreckensbleichen Schiffsleute und der hoffnungslosen Krieger hineinzutreten mit der Mahnung: „seid unverzagt“? Er beugte seine Knie vor dem Vater Jesu Christi, darum konnte er als ein Mann stehen gegen Menschen und gegen Wellen! Und erinnern wir uns an das größte Heldenwort der Neuzeit, jenes „hier steh ich, ich kann nicht anders!“ mit welchem der arme Mönch dem Kaiser und den Reichsfürsten gegenübertrat! Alle Welt rühmt die Mannhaftigkeit dieses Worts, aber Wenige denken daran, dass, der es gesprochen, zuvor in demütigem Flehen vor Gott sich gestärkt zu solchem Wort. So haben die echten Helden der Menschheit sich nie geschämt, im Gebet sich vor ihrem Gott und Heiland niederzuwerfen, und eben dadurch sind sie das geworden, was sie waren. Dagegen die Maulhelden, deren es so viele gibt in unsrer Zeit, deren Mannhaftigkeit darin besteht, dass sie die gewaltigsten Worte brauchen und jedes Mal das am Lautesten rufen, wovon sie annehmen, dass es den meisten Beifall finde, die Leute, welche wie ein Rohr vom Winde der Menschenmeinung und Menschengunst umhergetrieben werden, die sind gewiss keine Beter.

Wie aber das Beten für einen Mann keine Schande, sondern eine Ehre ist, so auch das nicht, ohne was es kein rechtes Gebet geben kann, das Glauben. Freilich hören wir oft, dem Manne gebühre das Wissen, Glauben sei eine Sache der Kinder, und auch diese könne man nicht frühe genug vom Glauben zum Wissen führen. Wer so reden kann, der versteht weder was Glauben ist, noch was Wissen ist. Diese beiden sind nicht wider einander, sondern gehören aufs engste zusammen. Der Glaube stammt aus dem Wissen und führt zum Wissen. Das sehen wir an dem Königischen. Was er von Jesu weiß, was er von Ihm gehört hat, das bewegt ihn zu glauben; dieser Glaube hinwiederum führt ihn dazu, dass er mehr von Jesu erfährt, besser mit Ihm bekannt wird. Freilich wird es auch manche gegeben haben, wie es noch heute viele der Art gibt, welche von Jesu wussten, aber doch nichts um Ihn sich kümmerten, nicht an Ihn glaubten. Daraus sehen wir: es gibt ein doppeltes Wissen, eines, bei welchem ich nur einzelne Wahrheiten in mein Gedächtnis oder meinen Verstand aufnehme, aber mein Herz bleibt unberührt davon; das ist ein Wissen ohne Glauben. Und es gibt ein anderes Wissen, bei welchem ich die Wahrheit, welche ich weiß, auch anwende auf mich selbst, sie ergreife als tröstende oder demütigende Wahrheit für mich, und diese Anwendung des Erkannten auf das eigene Herz, das ist Glaube. Und nun urteilt selbst: welches Wissen ist männlicher, jenes glaubenslose, wo der Mensch nur mit der Wahrheit spielt, mit ihrem Besitz nur Eitelkeit treibt, oder das Wissen des Glaubens, bei welchem man aus der Wahrheit einen Lebensernst macht? Man hört so viel klagen darüber, dass das Wissen, welches man der Jugend mit so viel Mühe beibringt, die Leute nicht gebildeter und gesitteter mache und so gar bald wieder vergessen sei. Was ist der tiefste Grund dieser beklagenswerten Erscheinung? Dass es so oft ein Wissen ist ohne Glauben, ein schülerhaftes Wissen, nicht ein männliches, nicht ein solches, das den Menschen innerlich in Zucht nimmt und dadurch zum Manne heranbildet. Der Glaube hat es aber nicht bloß mit Wahrheiten zu tun, sondern er hat es zu tun mit Personen, und schon wo es sich um die Beziehung menschlicher Personen zu einander handelt, ist der Glaube das wahrhaft männliche Verhalten. Lasst mich versuchen, das an dem Beispiel zweier Könige des Altertums klar zu machen. Wir alle wissen von Alexander dem Großen. Unter allem aber, was von diesem Könige erzählt wird, ist es Eine Tat, welche am meisten den Eindruck macht: das war ein Mann! Man hatte dem Könige gesagt, sein Leibarzt sei erkauft worden, ihn zu vergiften; er aber nahm die Arznei, welche ihm jener reichte, und trank sie aus, ohne ein Wort zu sprechen. Das war eine mannhafte Handlungsweise, und das, was ihr zu Grunde lag, war der Glaube, der feste Glaube an die Ehrlichkeit eines Menschen. Wenn dagegen jener andere König, Dionysius, so wenig Glauben an die Menschheit hatte, dass er nicht einmal wagte, sich den Bart abnehmen zu lassen, aus Furcht, ermordet zu werden, so fühlt jedes: das ist ein unmännliches Benehmen.

Ist es nun eine Ehre für einen Mann, Menschen gegenüber Glauben zu beweisen: sollte es da seiner unwürdig sein, dem ewigen Gott und treuen Heilande in festem Glauben alles Gute zuzutrauen? Wenn äußere Not droht, was ist da männlicher, mit unruhigen Sorgen sich zu ängsten, oder aber allem äußeren Anschein zum Trotz darauf zu stehen:

„Nun weiß und glaub' ich's feste, Ich rühm's auch ohne Scheu,
Dass Gott, der Höchst' und Beste, Mir herzlich günstig sei,
Und dass in allen Fällen Er mir zur Seiten steh
Und dämpfe Sturm und Wellen Und was mir bringet Weh“?

Und unter den Anfechtungen von innen, unter den Anklagen des Gewissens, was ist da männlicher, mühsam mit diesem und jenem vermeintlichen Guten, das man an sich hat, sich herauszuputzen, oder aber mit Verzicht auf alles Eigene frisch heraus zu erklären: „Hab' ich was nicht recht getan, Ist mir's leid von Herzen, Dafür nehm' ich gläubig an Christi Tod und Schmerzen“? Ja, meine Freunde, der Glaube ist eine Mannestat, eine Tat, zu welcher ein starkes Herz gehört, und durch welche das Herz immer stärker wird. O dass wir doch in dieser zweifelsüchtigen, schwächlichen Zeit solche Mannesherzen fänden!

III.

Achten wir aber weiter auf den Königischen in unserem Evangelium! Er hört das Wort und geht hin, und da erhält er die Nachricht: „Dein Kind lebt!“ Und was tut er nun? Mancher hätte vielleicht, nachdem seine Bitte ihm erfüllt war, des neu geschenkten Kindes sich gefreut, an den aber, dem er es zu danken hatte, nicht weiter gedacht. Der Königische aber forscht nach der Stunde, in welcher es besser geworden ist, und durch solches Forschen kommt er zu der Einsicht: das Wort Jesu ist's wirklich, wodurch mir mein Kind wieder geschenkt wurde. Was er anfangs aus des Heilands Wort gehört hatte, das hat sich ihm durch sein Nachdenken bestätigt, und dadurch ist sein Glaube ein fester und Klarer geworden. Siehe, solches Forschen in den Wunderwegen des Herrn, das ist Mannesarbeit! Daran aber fehlt es so häufig unter uns, eben weil die Männer sich so wenig mit dem Evangelium beschäftigen. So besteht das Christentum, wie es sich bei uns findet, aus religiösen Anregungen und Eindrücken, aber man bringt es so selten zur zusammenhängenden Erkenntnis der Worte und Wege des Herrn, so selten zu einer geschlossenen christlichen Überzeugung, so selten zu einem im Glauben übereinstimmenden christlichen Wandel. Da gäbe es für Männer genug zu tun; da sind Tiefen zu ergründen, Rätsel zu lösen, welche auch dem begabtesten Mannesgeist Arbeit genug geben. Dass unsere Männerwelt diesen Aufgaben christlichen Denkens so aus dem Wege geht, die für einen jeden Menschen wichtigsten und tiefsten Fragen so sehr bei Seite liegen lässt, ja recht geflissentlich die Augen vor ihnen verschließt und mit ihrem Denken immer mehr ins Sichtbare und Vergängliche sich verliert, etwa noch Sinn hat für politische Fragen oder für Entdeckungen auf dem Gebiete der Natur, manchmal auch nur noch für die Fragen: was werden wir essen, was wollen wir trinken? nicht aber für die Fragen, welche auf Gott und Ewigkeit, welche auf unser eigenes Seelenleben sich beziehen, an welchen unser ewiges Schicksal hängt: das ist nicht Mannhaftigkeit, sondern das ist Feigheit. Wenn wir uns die Gedankenarbeit vergegenwärtigen, mit welcher christliche Denker alter Zeiten hinabgestiegen sind in den Schacht des göttlichen Wortes, um aus demselben Schätze der Erkenntnis zu Tage zu fördern, und damit vergleichen, wie gedankenlos und gleichgültig heutzutage Tausende an diesen Schätzen vorübergehen, wie groß und weitverbreitet die Unwissenheit in göttlichen Dingen unter unsern Zeitgenossen ist, auch unter solchen, welche sich zu den Gebildeten zählen; da wird es uns recht deutlich, welche Versäumnisse sich unsere Männerwelt zu Schulden kommen lässt, und wie dadurch in weiten Kreisen derselben eine geistige Verarmung um sich greift. Diese geistige Verarmung, welche aus so mancher Unterhaltung, aus so manchen Büchern und Zeitschriften, die mit Begierde gelesen werden, uns entgegentritt, sie wirkt dann auch auf das häusliche Leben zurück, so dass in nicht wenigen Häusern eine geistige Blindheit sich findet, oft unter feinen Formen, welche die Hauptschuld trägt an dem so viel beklagten Zerfall des Familienlebens. Die Klagen darüber werden nicht verstummen, die Auflösung der Familienbande wird eine immer ärgere werden, wenn die Männer sich nicht dem Evangelium wieder zuwenden.

IV.

Wo dagegen ein Mann zu Christo kommt, da ist es für sein ganzes Haus ein Segen. Dass der Königische in unserem Evangelium sich entschloss, zum Heiland zu gehen, das hat ja nicht nur ihm selbst zum Glauben geholfen, sondern seinem ganzen Hause mit ihm. Dieser Segen aber, den das Haus dadurch erfährt, dass der Mann zu Christo kommt, besteht vor allem darin, dass der Mann selbst die nach Gottes Ordnung ihm gebührende Stellung als Haupt des Hauses wieder gewinnt. Kenner unserer Zustände weisen als auf eine bedenkliche Erscheinung darauf hin, dass in so wenigen Häusern der Mann wahrhaft das Haupt sei. Und woher kommt das? Daher vor allem, dass so wenige Männer betend und glaubend zu Christo kommen. Wo der Mann seine priesterliche Würde preisgibt, wo er es versäumt, für die Seinen und mit den Seinen zu beten, es versäumt, die Seinen zur Quelle der Wahrheit im Worte Gottes zu führen, da verliert er notwendig auch seine königliche Würde. Er kann vielleicht herrisch auftreten, vielleicht der Tyrann des Hauses sein, vor dem Weib und Kinder zittern, aber das Haupt des Hauses, derjenige, von welchem Geist und Leben ausgeht, ist er nicht. Weil er Gott und Christo nicht untertänig ist, so hat er die geistige Macht über die Seelen der Seinigen verloren. Er befiehlt, aber die Seinen hören aus diesem Befehl nicht Gottes Stimme heraus, sondern nur die Meinung eines Menschen, der sie mit gleichem Recht ihre Ansichten meinen gegenüber stellen zu können, und Weiberlist und Kindestrotz wissen es leicht dahin zu bringen, dass doch nicht geschieht, was er haben will. Er schilt und droht und straft, aber das Kind fühlt in solcher Strafe nicht die Handhabung göttlicher Ordnung, sondern nur menschliche Willkür; und darum demütigt die Strafe nicht und bessert nicht, sondern sie reizt zum Zorn und entfremdet das Kind mehr und mehr seinem Vater. Und das Gefühl hiervon, das Gefühl, dass er nichts nütze sei im Haus, treibt dann den Mann mehr und mehr zum Haus hinaus, dass er mit geschlagenem Gewissen den Seinen sich entzieht und seine Erholung überall sucht, nur nicht da, wo er sie nach Gottes Ordnung finden sollte. Und die Seinen machen es ihm nach, und bald geht es in solchem Hause, wie einst in Israel zu jener schlimmen Zeit, da kein König war und jeder tat, „was ihm gut däuchte.“ Wie viele solche Häuser gibt's in der Christenheit, wo jedes seinen Weg geht, jedes seine Gesellschaft, sein Vergnügen sucht und kaum noch eine Ahnung davon da ist, dass es mit seinen Hausgenossen zusammengehört zu Einem Leibe! Und wie aus dieser Zerrüttung des häuslichen Lebens Schäden hervorgehen, welche durch keine Schule und durch keine Gesetzgebung geheilt werden können, wie solchen Häusern ein Geschlecht entstammt, welches jede Zucht hasst, das erfahren wir ja täglich. Darum haben sich solche, welche mit unserem Volke es wahrhaft gut meinen, welche das sittliche und damit auch das äußere Verderben abwenden möchten, schon vielfach darüber besonnen, wie der Auflösung des Familienlebens in hohen und niederen Ständen könne Einhalt getan werden. Doch zuletzt müssen sie alle es gestehen, dass sie keinen Rat, keine Hilfe wissen. Nur eine Hilfe gibt's, und die besteht darin, dass unsere Männer zu Christo kommen. Tun sie das, lernen sie glauben an Ihn, dann lernen sie auch die lieben um Seinetwillen, welche Er ihnen anvertraut hat; dann merken es Weib und Kinder und Dienstboten, dass der Mann nicht aus Eigenliebe, nicht aus Rechthaberei und Herrschsucht befiehlt, sondern an Christi Statt und als Sein Botschafter bittet und vermahnt; dann findet ein gutes Wort auch eine gute Statt; dann gibt's wieder Häuser, in welchen der Glaube wohnt und mit dem Glauben die Liebe und die Eintracht und der Segen, welchen der Herr da verheißt, wo Brüder einträchtig beieinander wohnen. O dass doch unsere Männer die Höhe ihres Berufs bedenken möchten, aber auch die Schwere der Rechenschaft, welche sie zu geben haben nicht allein für ihre eigenen Seelen, sondern auch für die Seelen der Ihrigen, und dass sie zu Dem sich wendeten, der allein es ihnen möglich macht, jenen Beruf zu erfüllen und bei dieser Rechenschaft nicht zu Schanden zu werden! Amen.

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