Burk, Christian - Die Bußpredigt Johannis des Täufers.

Burk, Christian - Die Bußpredigt Johannis des Täufers.

Adventspredigt über Mark. 1,4-8 von Ch. F. Burk,
Pfarrer in Groß-Bottwar im Königreich Württemberg

Text: Mark. 1,4-8
Johannes der war in der Wüste, taufte und predigte von der Taufe der Buße, zur Vergebung der Sünden. Und es ging zu ihm hinaus das ganze jüdische Land, und die von Jerusalem, und ließen sich alle von ihm taufen im Jordan, und bekannten ihre Sünden. Johannis aber war bekleidet mit Kamelshaaren, und mit einem ledernen Gürtel um seine Lenden, und aß Heuschrecken und wilden Honig; und predigte und sprach: Es kommt einer nach mir, der ist stärker denn ich, dem ich nicht genugsam bin, dass ich mich vor ihm bücke, und die Riemen seiner Schuhe auflöse. Ich taufe euch mit Wasser, aber Er wird euch mit dem heil. Geist taufen.

Ein großer Vorzug des Evangeliums, teuerste Freunde, besteht darin, dass dasselbe seine Lehren und Ermahnungen auf Geschichte gründet, und zwar auf eine Geschichte, die in die Verhältnisse des gewöhnlichen, menschlichen Lebens so sehr eingreift, dass sie in allen Zeiten unter den verschiedensten Nationen der Erde die mannigfaltigsten Anwendungen zulässt. Eben dadurch eignet sich das Evangelium zum Quell des Heils, aus dem die ganze Menschheit ihren Durst nach Erkenntnis, Gerechtigkeit und Frieden stillen kann. Einen Beleg für diese Wahrheit gibt auch unser heutiger Text. Es bedarf nicht mehr, als dass wir uns lebhaft die Geschichte vergegenwärtigen, die er mit kurzen, einfachen Worten uns erzählt, um uns Belehrungen, Zurechtweisungen und Tröstungen von solcher Fülle, Kraft und Tiefe zuzuführen, dass wir uns leicht überzeugen können, derjenige hätte unendlich viel gewonnen, bei dem dies alles zu Wahrheit, Kraft und Leben gekommen wäre.

Ich stelle euch daher nach Anleitung unsres Textes vor:

Die Predigt der Buße durch Johannes den Täufer:

und zwar:

  1. Den Bußprediger selbst.
  2. Den Inhalt seiner Predigt
  3. Die Wirkung derselben
  4. Ihren eigentlichen Wert

I.

Wohin müssen wir gehen, um diesen Prediger der Buße kennen zu lernen? Wir dürfen ihn nicht suchen in den prachtvollen Palästen der Hauptstadt, eben so wenig in Kapernaum oder in irgend einer andern Stadt an den reizenden Ufern des Sees Genezareth. Auf dem Gebirge von Juda entsprossen, brachte er schon seine Jugendzeit größtenteils in der einsamen Wüste unweit des untern Jordan-Tals zu.

Hier, wo dem Auge nichts anderes sich darbietet, als steile kahle Felsen und eine heiße unfruchtbare Sandebene, die den still und langsam zum toten Meere hin schleichenden Fluss umgeben, hier, wo die ganze Natur an den Ernst der Ewigkeit mahnet, und an die heil. Gerechtigkeit des großen Gottes, die einst Sodom und Gomorrha in den Abgründen dieses Meeres ihr Grab finden ließ, hier treffen wir den Prediger der Buße. Und seine ganze Erscheinung erinnert uns an den strengsten Eiferer der Vorzeit, an den Propheten Elias, dessen Feuer und Schwert die Baals-Pfaffen verzehrte. Sein raues härenes Gewand, der lederne Gürtel um seine Lenden, die einfache Kost, an der ihm die Wüste nie Überfluss darbietet, zeigen uns einen Mann, der sich selbst überwunden, der sein Fleisch samt den Lüsten und Begierden gekreuzigt und sein Herz los gemacht hat von aller Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt. Sie zeigen uns einen Mann, dem die Verführung vergeblich Ehre, Gold oder Wollust zum Preis für die Untreue gegen seinen Gott bieten würde, einen Mann, der sich nicht scheuen wird, jedem ohne Unterschied die ernste bittere Wahrheit frei ins Angesicht zu sagen. Steht er gleich noch in der Hälfte seiner Tage, so wird er dennoch sein Leben nicht zu teuer achten, um heut oder morgen, wann der Herr will, ein Blutzeuge der Wahrheit zu werden.

Ist schon das bisherige geeignet, uns Ehrfurcht vor diesem Manne einzuflößen, so werden wir ihn noch höher achten lernen, wenn wir ihm noch etwas näher treten, denn die herbe Strenge seines Angesichtes ist durch die Züge der anspruchslosesten Demut und einen prophetischen Blick in das erbarmungsreiche Herz des kommenden Weltheilandes gemildert. Er ist nicht ein Neuling, der seine kaum erst gewonnene Erkenntnis von dem Willen Gottes in übermütiger Selbstgerechtigkeit zur Zucht-Rute der Brüder missbraucht, und ob des fremden Splitters den Balken im eignen Auge vergisst, er richtet sich selbst, und ist es aus langer Übung gewohnt, sich selbst zu richten; darum ist er so klein in seinen eignen Augen, darum so voll freudiger Bereitwilligkeit von Tag zu Tag kleiner zu werden; man fühlt es ihm an, dass er seinen schweren Buß-Prediger-Beruf nur darum erträglich findet, weil er der Einzige ist unter seinen Zeitgenossen, der das Lamm kennt, das der Welt Sünde trägt, und der freudigen Überzeugung lebt: Der Heiland, der die Sünden vergibt, und alles neu und besser macht, ist bereits mitten unter das Volk getreten, das ihn noch nicht kennt – und seiner in so hohem Grade bedarf. Kein teilnehmender Freund könnte mit heißerer Sehnsucht den Tag erwarten, da sein teuerster Herzensfreund die beglückte Braut heimführen wird, als der liebevoll ernste Johannes der Zeit entgegen harrte, da das unglückliche, mit Schuld und Sünde beladene Israel, in den Genuss der Segnungen eintreten wird, die ihm sein vom Himmel gekommener König und Bräutigam Jesus Christus bereiten wird, und wenn irgend etwas geeignet ist, seinen Ermahnungen zur Buße die äußerste Schärfe zu verleihen, so ist es nichts andres, als die Besorgnis, es möchte irgend einer seiner Brüder durch Unbußfertigkeit der Teilnahme an dem seligen Reich Jesu verlustig gehen.

II.

Hören wir nun auch die Predigt dieses Mannes. Ihr Hauptinhalt ist der: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Es ist aber natürlich dass er diese Worte nicht gleichförmig immer wiederholte, sondern die verschiedensten Anwendungen davon machte. Er hatte sich mit derselben an Israel gewandt und übersah es nicht, dass es befremdend erscheinen könnte, dass er Abrahams Kinder, das auserwählte Volk des Eigentums, zur Buße aufforderte.

Er erklärte daher, dass er sie so lange nicht für ächte Abrahams-Kinder und eben darum auch nicht für Erben der, dem Abraham gegebenen Verheißungen ansehen könne, so lange sie nicht Abrahams Glauben und Abrahams Werke hätten. Lieber würde sich Gott aus den harten Felsblöcken der Wüste Kinder erwecken, als dass er auch nur einen Finger breit von den Forderungen seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit abwiche. Darum dürfe sich Niemand der Ermahnung zur Buße entziehen. Kein Alter und kein Stand sei davon freigesprochen: Gleich wie jung und alt, vornehm und gering, reich und arm teilnehmen wolle an dem Glücke des kommenden messianischen Reiches, eben so müsse auch jung und alt, vornehm und gering, reich und arm zur Buße sich bequemen. Weil die Sünde zu Allen durchgedrungen, so seien auch Alle vom Reiche des Messias geschieden, die nicht Buße tun. Und zwar gestatte die Eile der Zeit keinen Aufschub. Schon sei die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt, darum, welcher Baum nicht gute Früchte bringe, der werde abgehauen und ins Feuer geworfen. Der Herr habe bereits die Wurfschaufel in der Hand, schon sei es an dem, dass er seine Tenne fege und den Weizen in seine Scheuern sammle, aber die Spreu werde er verbrennen mit ewigem Feuer.

Man sieht aus diesen Worten, der Eifer des Johannes übersprang die gnadenvolle Zeit des Lehramtes Christi, wo Judäa, Galiläa und Samaria von seinem süßen Evangelium wieder tönte; Johannes ist im Geiste schon in den Tagen der Zerstörung Jerusalems, da das Blut des verschmähten Sohnes Gottes von Israel gefordert wird, oder gar schon in weiterer Ferne; und warum eilt sein Geist in diese ferne ernste Zeit, warum weilt er nicht auf der vorangehenden Frist der Gnade? Das ist die Pflicht des ihm übertragenen Wächteramtes, das ist der Eifer seiner sorgsamen Liebe, die sich nicht eher beruhigen kann, als bis sie die Tränen der Buße in jeglichem Auge glänzen sieht, er kennt das betrügliche Wesen des menschlichen Herzens zu genau, als dass er die Gefahren des Aufschubs der Buße gering achten könnte, er liebt seinen Herrn, er liebt seine Brüder zu innig, als dass er es ertragen könnte, wenn auch nur ein einziges Herz zögerte mit der Buße, und jetzt hart bliebe und fühllos. Von diesem Standpunkte aus, müssen wir auch die hartscheinenden Worte betrachten, die er einst Pharisäern und Sadduzäern entgegen rief, die in heuchlerischem Sinne zu seiner Taufe sich einfanden. Ihr Schlangen und Ottergezüchte, wer hat denn euch gelehrt, dass ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Es hatte ihn tief ergriffen, dass hier die schlaue Heuchelei die heilsame Frucht seiner Bußtaufe zernichten wollte; bis dahin hatte er Reue und Zerknirschung auf den Angesichtern der herzuströmenden Täuflinge gelesen, ihre freimütigen Bekenntnisse, ihre unerzwungenen Tränen, waren ihm ein Beweis gewesen, dass sie wenigstens im jetzigen Augenblicke die Notwendigkeit der Umkehr zu Gott fühlten, aber seit auch diese scheinheiligen und weltklugen Leute mit eiskalten, steinharten Herzen herkamen zu seiner Taufe, musste er fürchten, dass sie zur leeren Zeremonie werde. Das aber war nicht sein Beruf, der Unbußfertigkeit und Selbstgerechtigkeit ein bequemes Ruhepolster unterzuschieben, sondern vielmehr zu wecken und aufzuregen, zu demütigen und zu erschüttern, auf dass überall die gefahrvolle Ruhe und Sicherheit dem ernsten Trachten nach dem Reiche Gottes Raum mache; unmöglich konnte ihm ein bloß äußerliches Sündenbekenntnis genügen, am allerwenigsten in dem Falle, wenn es mit der Miene abgelegt wurde, dass man damit aus besonderer Demut und Heiligkeit mehr tue, als man eigentlich schuldig wäre. Nein, gleich wie der heilige Gott Herzen und Nieren prüfet, und nicht nach Ansehen der Person, sondern nach der ihm aufs genaueste bekannten innern Beschaffenheit des Herzens Jeglichen beurteilt, so konnte auch Johannes keine andere Buße fordern, als eine solche, die mit innerlichem Leidtragen über die Sünde, mit Eckel und Abscheu gegen alles Böse verbunden wäre. Er musste eine Buße fordern, die einen entschiedenen Wendepunkt in dem Leben des Bußfertigen bildete, und mit der Bereitwilligkeit verbunden wäre, nicht allein die Gnade Gottes wegen der auf dem Gewissen lastenden Übertretungen ernstlich anzuflehen, sondern auch so viel es möglich wäre, das begangene Unrecht wieder gut zu machen, das Versäumte einzuholen, böse Gewohnheiten abzulegen, und das heilige Gesetz Gottes zur bleibenden Richtschnur des künftigen Wandels zu erwählen. - Indem er aber mit dem entschiedensten Ernste auf dieser unerlässlichen Forderung bestand, legte er seinen Täuflingen keine außerordentlichen Büßungen auf, wie wohl manche erwartet zu haben scheinen, und manche vielleicht auch gerne gesehen hätten, da die tägliche, bis in den Tod fortgehende Treue im Kleinen und Großen offenbar die schwerste Buße ist, die man einem Menschen auflegen kann.

III.

Was wirkte nun diese Predigt, was war ihr Erfolg? Sie verhallte wenigstens nicht ungehört an den Felsen der Wüste.

Kaum war Johannes öffentlich aufgetreten, kaum hatte er begonnen die Nähe des Reiches Gottes zu verkündigen, so strömten Hunderte und Tausende herbei, die sein Wort hören wollten. Und ihre Zahl mehrte sich von Tag zu Tag. Es kamen nicht allein arme und geringe Leute, nicht allein Zöllner und Sünder, es kamen auch reiche und angesehene und für fromm geltende Leute, es kamen auch die strengen Pharisäer, und die reichen üppigen Sadduzäer, es kamen nicht allein einfältige Landleute, es kamen auch die Städter, und selbst die Einwohner der Hauptstadt blieben nicht zurück; mit einem Wort, das ganze Land strömte herbei, um ihn zu hören, und nicht allein das, sondern sie bekannten auch ihre Sünden, und ließen sich taufen. Die mächtige Bewegung und Erschütterung durchging das ganze Judäa, und Niemand vermochte zu widerstehen der allgemein sich verbreitenden Überzeugung: So wie wir jetzt sind, taugen wir nicht in das Reich des heiligen Messias! Eine Abwaschung, eine Reinigung ist uns allen nötig. Selbst dem Sadduzäer starb in diesen ernsten Tagen der gewohnte Spott auf den Lippen, selbst die kluge Zurückhaltung vergaß für eine Zeitlang ihre Berechnungskunst. Darum wurden jetzt Sünden offenbar, die außerdem vielleicht erst der Tag des großen Weltgerichts geoffenbart hätte. Der Dieb, der Betrüger, der Ehebrecher, der Verleumder offenbarten jetzt Jeglicher seine heimlichen Sünden, eines Hellers Wert schien jetzt dem Gewissen eine unerträgliche Last, denn Gottes Geist redete durch Johannes, und das zweischneidige Schwerdt des göttlichen Worts drang als ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens durch, bis dass es schied Seele und Geist, auch Mark und Bein – da ward das verschlossenste Herz eröffnet, und der steifste Nacken zu Boden darnieder gebeugt, alles Volk tat Buße, im Sack und in der Asche, wie einst die Einwohner zu Ninive, als Jonas im Namen des Herrn Gericht und Untergang verkündigt hatte, und wenn je ein verstockter Pharisäer dem allgemeinen Bußgefühl innerlich fremd blieb, er zwang sich doch bußfertig zu scheinen. Und was soll ich sagen von den guten Vorsätzen, die in jenen Tagen nicht allein in stiller Herzenstiefe gefasst, sondern auch laut vor Johannes und allem Volk ausgesprochen wurden. Entzweite Ehegatten erneuerten den Bund ewiger Treue, Todfeinde reichten sich die Hand zur Versöhnung, verlorene Söhne und Töchter fielen den Vätern und Müttern um den Hals, gelobten mit verdoppelter Liebe das Versäumte wieder einzuholen, und die Wunden, die ihr voriger Ungehorsam geschlagen, zu heilen; der Trunkenbold wollte zur Mäßigkeit, der Wollüstige zur Keuschheit, der Zornsüchtige zur Sanftmut sich wenden, und der Faule noch im Alter sich zur Arbeit bequemen, ja der Geizige gelobte, ein Vater der Armen zu werden. War dies alles nicht schön und löblich? Hatte nicht eben mit dieser gewaltigen Wirkung auf die Gemüter Johannes seinen wichtigen Auftrag erfüllt: Dem Herrn den Weg zu bereiten, und seine Steige richtig zu machen? - Allerdings, es war das Alles schön und löblich – Johannes hatte seinen Auftrag erfüllt; aber lasst uns doch auch noch hören, was er selbst davon urteilt, welchen Wert er selbst seiner Bußpredigt und seiner Taufe beilegt.

IV.

Ich taufe euch, sagt er, mit Wasser, aber Er wird euch mit dem heil. Geist und mit Feuer taufen, denn der nach mir kommt, ist stärker denn ich, dem ich auch nicht genugsam bin, dass ich mich vor ihm bücke, und die Riemen seiner Schuhe auflöse. Bedenket es wohl, geliebte Zuhörer, mit diesen Worten führt uns Johannes an die Pforte des evangelischen Heiligtums; das Gesetz ist durch Mosen gegeben, Gnade und Wahrheit aber durch Jesum Christum geworden. Mit der Buße und wäre sie auch die ernsteste, redlichste und vollständigste treten wir nur erst in den Vorhof, in das Heiligtum tritt allein der Glaube ein. Dieser erst erlangt die Feuer- und Geistes-Taufe. Wir wollen damit die Buße nicht verachten, sie ist ja der Weg zum Ziele, wir wollen Johannes und sein Wort nicht gering schätzen, denn Jesus sagt von ihm: Er ist mehr, denn ein Prophet. Unter Allen, die von Weibern geboren sind, ist nicht aufgekommen, der größer sei, denn Johannes der Täufer. Dieses Vorrecht wollen wir ihm, wie gesagt, nicht schmälern, aber eben weil wir ihn so hoch halten, wollen wir auch glauben seinen Worten: Der nach mir kommt ist größer, denn ich. Womit übereinstimmt das rätselhaft klingende Wort des Heilandes selbst: Der kleinste im Himmelreich ist größer, denn er. Meine teuerste Zuhörer! Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, dass wir Gottes Kinder sollen heißen, Tempel des heiligen Geistes, Miterben Jesu Christi, lebendige Reben am Weinstock, Er in uns, wir in ihm! Wer dieses erfährt, in dem erst gedeiht das Werk, das in der Buße begonnen, zur Vollendung. Gleicht der Bußfertige einem Baume, den man ausgerissen aus unfruchtbarem Erdreich, und abgehauen seine wildverwachsenen Äste und Zweige; so gleicht der Gläubige dem Baum, gepflanzt an Wasserbächen, wurzelnd in dem guten Grunde der Gnade, und auf veredelten Pfropfreisern hoffnungsvolle Blüten und köstliche Früchte tragend. Gleicht der Bußfertige dem verlornen Sohne, der zitternd und zagend, bedeckt mit Lumpen und Unreinigkeit, des Vaters Haus sucht, dort um das Glück eines Taglöhners demütig anzuhalten, so gleicht der Gläubige dem begnadigten Sohne, der umarmt vom Vater und mit den Küssen der Liebe erfreuet, samt den Geschwistern an dem reich besetzten Tische sich lagert, und all des Kummers und all der Angst der vorigen Tage vergisst. Dass er demütig flehend zum Vater ging, war gut und war nötig, aber dieses Glück und diese Freude, die ihm jetzt geworden, hatte er noch nicht in der Buße, sie sind auch nicht das Verdienst seiner Buße, sondern ein freies Geschenk der unendlichen Gnade des Vaters. Darum sagen wir: Selig wer auf die Predigt der Buße hört, selig wer unruhig wird über seine Sünden, und die Last seiner Missetaten zu schwer findet. Selig, wer vor dem innern Richterstuhl seines Gewissens geduldig und demütig sich strafen lässt über Kleines und Großes, dem die Schuppen von den Augen fallen, auf dass er erkennen lerne das Gift und die Hässlichkeit der Sünde! Selig ist ein solcher Mensch, denn er ist auf dem Weg zum Heil und zum Frieden. Doch ungleich seliger noch ist der, der in lebendigem Glauben an Jesum Christum seinen Hunger und Durst nach Gerechtigkeit stillet, dem Gottes Geist die Vergebung seiner Sünden, und sein ewiges Kindesrecht versichert. Da erst lohnet sich der Schmerz der Buße mit himmlischer Freude, da erst danket man von ganzem Herzen dem ernsten Johannes seine Mark und Bein durchdringende Predigt.

Möchten wir daher alle, geliebte Zuhörer, durchdringen bis zu diesem Ziele! O dass keines auf halben Wege stehen bliebe! An Johannes-Stimmen wird es uns auch in unsern Tagen nicht fehlen; der Geist, der jenen belebte wirkt noch immer fort, und wiederholt es noch heute an allen Orten, dass ohne Buße und Glauben Niemand ins Reich Gottes kommen könne. Bald macht er den, bald jenen zu seinem Johannes, oft muss sogar, wie dort bei Bileam das stumme Tier oder auch die tote Natur, oder die scheinbar zufällige Verkettung der Umstände sein Prediger sein. Genug, wenn er nur offene Ohren und willige Herzen findet, die da bedenken zur Stunde ihrer Heimsuchung, was zu ihrem Frieden dient, und den Frieden da suchen, wo er zu finden ist. - Wir, meine Lieben, wollen an unsrem Teil uns gerne demütigen vor seinen heiligen Worten, und so wir gedemütigt sind, mit jenem Zöllner rufen: Ach Gott sei uns Sündern gnädig, und mit Jakob: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! Amen.

Quelle: Fliedner, Theodor - Ein Herr, ein Glaube

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