Burger, Carl Heinrich August von - Eilfte Predigt. - Am Gründonnerstag 1855 Nachmittags.

Burger, Carl Heinrich August von - Eilfte Predigt. - Am Gründonnerstag 1855 Nachmittags.

Text: Joh. 6, 55-57.
Denn mein Fleisch ist die rechte Speise, und mein Blut ist der rechte Trank. Wer mein Fleisch isset, und trinket mein Blut, der bleibet in mir, und Ich in ihm. Wie mich gesandt hat der lebendige Vater, und Ich lebe um des Vaters willen: also, wer mich isset, derselbige wird auch leben um meinet willen.

Unter den wichtigen Gedenktagen, welche sich in dieser Woche an einander reihen, ist der heutige einem Christenherzen nächst dem morgenden besonders theuer. Er vergegenwärtigt uns die letzten Abschiedsstunden, die der Herr im Kreise Seiner Jünger zugebracht hat; er erinnert uns an alle die tröstlichen und herzerhebenden Gespräche, die Er mit ihnen noch geführt hat, die uns der Jünger, der an Jesu Brust lag, aufbehalten hat zum unschätzbaren bleibenden Gedächtniß. Aber wir haben noch ein anderes Andenken von jenem Tag behalten, welches der Herr uns geschenkt hat nicht bloß zum Gedächtniß, sondern zum immer neuen und fortwährenden Genusse: es ist das Gnadenmahl, das Er gestiftet hat vor Seinem Scheiden, um das auch unsere Gemeinde in diesen Tagen ungewöhnlich zahlreich sich versammelt, von dem wir auch in dieser Stunde reden wollen. Der Text, den ich dazu gewählt habe, ist nicht genommen aus den Berichten der Evangelisten über den geschichtlichen Hergang bei dieser Stiftung; aber er ist ein Wort aus Jesu eignem Munde, das einen Blick uns öffnet in das Innre des göttlichen Geheimnisses, von welchem uns zu sprechen vorgesetzt ist. Wir thun dieß mit der heiligen Scheu und in der lebendigen Erkenntniß, daß wir von einem Geheimniß reden, von dem nur den Saum des Schleiers zu lüften für unser endliches Verständniß möglich ist. Aber was der Herr gesagt hat, hat Er uns ja wissen lassen, damit wir es behalten und erwägen sollen; Er wolle selbst dazu Sein Licht uns geben, doch vor Allem einen glaubensvollen Sinn und ein demüthiges Herz, das dem Herren Recht gibt, Er spreche für uns dunkel oder helle. Will Er doch die Unmündigen schauen lassen, was Er verbirgt den Weisen und den Klugen; so kann Er auch uns heute eine Gabe Seines Lichtes schenken, auf die wir keinen Anspruch haben als den unsers Mangels, unsrer Armuth.

Darum lasset uns im Vertrauen auf Seine Freundlichkeit und Gnade sprechen von der Gemeinschaft des Leibes und des Blutes Christi, welche wir im heiligen Abendmahl erlangen; wir fragen:

  1. wodurch dieß Gut also mittheilbar geworden ist;
  2. wie es von uns genossen wird;
  3. was es in den Genießenden bewirkt.

Herr Jesu Christe, gnadenvoller Mittler, lehre wenigstens ahnend uns fassen, was Du uns gewährest. Segne das Wort aus Deinem Munde heute an unsern Herzen, und gib uns selige Gewißheit Deiner Macht und Nähe, die uns erquickt hat und erquicken soll. Verkläre Dich in uns, damit wir preisen können Deinen Namen mit Worten und mit Werken, und laß Dein Zeugniß eine Quelle göttlicher Erkenntniß in uns werden.

Amen.

I.

Der Herr sagt im ersten Verse unsers Textes: „Mein Fleisch ist die rechte Speise,“ oder ist wahre Speise, und „mein Blut ist der rechte“, ist wahrer „Trank.“ Er hatte Sich vorher genannt das Brod, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben, und hinzugesetzt: „Das Brod, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“ Da zankten die Juden unter einander und sprachen: Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? Sie sahen den Menschen Jesus vor sich stehen im Leben dieses Leibes, und hörten Ihn von Seinem Fleische sagen, das Er ihnen zur Nahrung geben wolle. Das konnte ihnen freilich widersinnig dünken. Aber weil sie feindseligen Sinnes waren und entschlossen nicht zu glauben, auch wenn der Herr ganz anders geredet hätte, als Er that; weil sie deßhalb noch weniger geneigt waren, das, was sie nicht verstanden, einstweilen als ein vorgelegtes Räthsel demüthig hinzunehmen, bis der Herr den Schlüssel dazu ihnen geben werde; weil sie vielmehr Anstoß an Ihm suchten, so läßt sie der Herr auch finden, was sie suchen. Er nimmt nichts zurück, denn Er hat nichts zu viel gesagt; Er bekräftigt vielmehr Sein Wort, mag es sie stoßen oder nicht, mit großem Nachdruck, und versichert wiederholt, und so, daß kein Zweifel übrig bleibt, ob Er auch von wirklichem Genusse spreche: daß Sein Leib Speise und Sein Blut ein Trank sei, welchen Er mittheilen wolle. Alle Fragen, welche dieß Wort anregt, will Er lösen; aber nicht den Fürwitzigen, den Spöttern und den Zweiflern, sondern denen, welche Sein Wort gelten lassen, weil sie wissen, daß Sein Mund nicht lüget; denen, welche Ihm vertrauen, und darum Zugang gewinnen zu den Geheimnissen Seiner Liebe, Seines Lebens. Zu dieser Klasse Hörer aber soll ja doch ein Christ gerechnet werden können. Darum dürfen wir die Frage uns auch erlauben, nur nicht in dem Sinne, in welchem sie die Juden stellten, um den Herren eines Widersinns zu zeihen, sondern um zu wissen, wie wir Sein Wort nehmen dürfen: Wie kann uns der Herr Sein Fleisch zu essen geben?

Die nächste Antwort ist: Lebend im Fleische nicht; aber in Folge deß, daß Er Sein Leben für uns in den Tod gibt. Er selbst sagt in Anwendung auf Sich dieses Gleichniß: „Es sei denn, daß das Waizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte.“ So lange unser Herr im Fleische weilte, beschloß Er die Kraft Seines Lebens lediglich in Sich; damit daß Er Sich für uns in den Tod gab, hat Er die Sühnung vollbracht, welche unsern Tod verschlinget, und die Kraft Seines Lebens breitet sich aus über Alle und auf Alle, welche Er mit Seinem Tod gekommen ist zu retten. Das Samenkorn trägt in sich die Kraft eine neue Aehre zu erzeugen mit vielen Körnern, alle von gleicher Art, wie es selber zuvor eines gewesen ist; aber diese Kraft entwickelt sich erst, wenn es sein eigenes abgeschlossenes Dasein hingibt und sich auflöset, um in seiner Frucht neu zu erstehen. Dies Bild soll uns deuten, was der Herr bezweckt, wenn Er für uns in den Tod geht. Er will auch nicht allein bleiben, sondern das, was Sein ist, in neuen Gnadenschöpfungen ergießen, daß wir alle davon sollen Theil bekommen; und also ist Sein Tod der erste Schritt dazu, daß Er Sein Leben zum Gemeingut mache für Alle, die Ihm angehören und die Ihm einverleibt sind durch den Glauben.

Aber wir dürfen von den Worten des Herrn nicht ein Tütelchen fallen lassen oder übergehen. Er redet nicht bloß und im Allgemeinen von Mittheilung Seines Lebens, das von uns empfangen und aufgenommen werden soll im Glauben: Er redet vom Genusse Seines Leibes und Blutes, Er nennt beides wirklich eine Speise und einen Trank. Dürfen wir dieß bestimmte Zeugniß auflösen zu dem allgemeinen Satze, daß Alle, welche an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben sollen? Dann hätten schier die Juden Recht, sich über Dunkelheit der Rede Jesu zu beschweren. Denn dunkel ist eine Rede, wenn sie nicht verstanden werden soll, wie sie gesagt ist; wenn man einfache Wahrheiten ausdrückt in geheimnißvoller Sprache ohne Ursach. Wahrlich so redet der Herr nicht. Wenn aber wirklich Sein Leib und Blut Nahrung für uns sein soll, welche wir genießen, so kehrt die Frage wieder: Wie mag das geschehen? Der Herr läßt es Seine Jünger ahnen, wenn Er ihnen zuruft: „Aergert euch das? Wie wenn ihr denn sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin, wo Er zuvor war? Der Geist ist es, der da lebendig macht, das Fleisch ist kein nütze.“ Das sagt der Herr nicht, als ob Seine Worte nicht so genommen werden dürften, wie sie lauten, sondern anders, geistiger, höher oder tiefer, oder ich kann selbst nicht sagen, wie denn? Sondern mit der Hinweisung auf Seine Auffahrt zeigt Er uns die Verwandlung an, die Er als Menschensohn erfahren werde. Da wird Sein Fleisch verkläret werden aus dem natürlichen zum geistlichen Leibe, aus dem sterblichen Fleische zum Leibe der Unsterblichkeit. Da wird die Fülle der Herrlichkeit, die Er als Gottes Sohn besessen hat bei Seinem Vater, ehe der Welt Grund gelegt war, also Seine menschliche Natur durchstrahlen, daß sie Theil nimmt, freien, unbeschränkten Antheil in jeder Richtung und auf alle Weise an der Vollkommenheit der göttlichen Natur. Dann wird Er nicht mehr gebunden und umgränzt sein von den Gesetzen irdischer Leiblichkeit, sondern frei und entfesselt sein von allen diesen Schranken, die das Fleisch beengen, so daß Er Seine Lebensfülle durch wirkliche Mittheilung Seiner verklärten Natur ausgießen kann in die Gefäße, die Er sich dazu erwählet, ohne daß Er darum abnimmt oder ärmer wird und sich verzehret. Auf diese bevorstehende Verwandlung, welche mit der Auffahrt des Menschensohnes vollzogen wird, verweiset Er die Jünger. Dann wird das vergängliche Fleisch selbst vergeistiget sein, und in diesem Sinne sagt Er: „Der Geist ist es, der da lebendig macht; das Fleisch,“ das sterbliche Fleisch „ist kein nütze,“ das gibt nicht das Leben. Aber der geistige Leib, der Leib der Verklärung ist die Sonne, die mit ihrem Lichtglanz auch die Glieder Christi füllet und sie theilhaftig Seines Lebens machet. Also auf die Frage: wie ist das Gnadengut des Leibes und des Blutes Christi mittheilbar geworden? ist die Antwort: Erstlich dadurch, daß Er sich für uns in den Tod gegeben; aber zum andern vielmehr noch dadurch, daß Er vom Tod erstanden und verklärt ist und über Alles herrscht und Alles füllet, und gegenwärtig ist, wo Er sein will, in voller Freiheit, wie Er will und wie Er es uns zugesagt hat.

II.

Nun kommen wir zur zweiten leichteren Frage: Wie wird dieß Gut von uns genossen? „Wer mein Fleisch isset, und trinket mein Blut,“ sagt der Herr, „der bleibet in mir und Ich in ihm.“ Daß dieß Verhältniß inniger Gemeinschaft nicht bloß ein äußerliches ist, das durch den Mund vollzogen wird, ohne daß die Seele daran Antheil nähme, das ist so klar, daß man kein Wort dabei verlieren müßte, wenn nicht, was wahr ist, auch gemißbraucht werden konnte dadurch, daß man sich darauf stützt, um andere nicht minder wahre Sätze damit zu verneinen. Allerdings genießet Niemand Jesu Leib und Blut ohne den Glauben sich zum Leben; allerdings bleibt Niemand im Herrn und der Herr wiederum in ihm, wenn er nicht an Ihn glaubt. Durch den Glauben nimmt die Gnadengabe des Herrn bei uns ihren Eingang. Vieles thut der Herr an uns und an allen Menschen, ohne daß sie es erkennen und sich gläubig Ihm hingeben; aber unser Haupt wird und bleibt Er, und wir sind Seine Glieder nur, wenn wir zu Ihm sprechen können in der Wahrheit: Wir haben geglaubt und erkannt, daß Du bist Christus, der Sohn Gottes. Also ist auch Sein Leib und Blut für uns ein Brod des Lebens nur dann, wenn wir im Glauben es hinnehmen. Aber sollte darum das leibliche Essen und Trinken desselben ausgeschlossen sein? Freilich konnten die Hörer Jesu damals, als Er diese Worte sagte, noch nicht fassen, wie das zugehen solle. Aber als Er in Seiner letzten Nacht auf Erden das Brod brach und zu Seinen Jungen: sagte: „Nehmet hin und esset, das ist mein Leib!“ und theilte den Kelch unter sie und sprach: „Nehmet hin und trinket, das ist mein Blut des neuen Testamentes:“ mußten sie nicht an das Wort in unserem Text dadurch erinnert werden, und müssen wir es nicht auch? Ist jenes gnadenreiche Sakrament nicht die Erfüllung Seines Wortes, das wir heute betrachten, wie wollen wir die schlagende Uebereinstimmung desselben mit der späteren Stiftung uns erklären? Das ist es eben, was ich sagte: den Seinen löset der Herr alle Räthsel, die Er ihnen vorlegt, zu rechter Zeit, wenn sie in Demuth es erwarten. So fällt auch auf das räthselhafte Wort des Herrn in unserem Texte das Licht der Erfüllung durch die Einsetzung des h. Abendmahles, eben da Er im Begriff ist hinzugehen, um Seinen Leib und Blut erst in den Tod für uns dahin zu geben, dann aber es verklärt zurückzunehmen, damit Er es uns mittheilen könne. So gibt Er sich denn Seinen Erlösten hin; so macht Er Seine heilige Gemeinde zum Gefäße Seines Lebens, und erfüllt sie nicht bloß mit Seinem Geiste; Er will auch Gestalt in ihr gewinnen und sie Sich ähnlich machen ganz und gar nach Leib und Seele, auf daß Er sei der Erstgeborne unter vielen Brüdern, die alle Seine Züge an sich tragen, die alle Sein Bild wiederstrahlen, weil sie alle aus Ihm ihres Lebens Grund empfangen und mit Ihm genähret haben. Im h. Abendmahle wird das Verhältniß, daß Er in uns sein will und wir in Ihm, zum bleibenden Charakter uns ausgeprägt auf den Tag der Zukunft, da Er soll geoffenbaret werden; und ob auch Tausende, Gott sei's geklagt! hingehen mögen ohne Glauben, leichtsinnig und gedankenlos, bloß einem äußeren Gebrauche sich zu unterziehen: es ist das ihre Schuld und ihre Verantwortung allein. Niemanden wird das heilige Abendmahl gereicht, der nicht getauft ist auf den Namen Jesu Christi, der nicht zuvor Ihm einverleibt ist als Sein Eigenthum und aufgenommen in die Gemeinde, die Sein Leib ist. Ist er von seiner Bestimmung abgefallen und ihr untreu worden, desto schlimmer für ihn. Gottes Gaben und Berufung aber mögen Ihn nicht reuen. Er setzt Sein Werk fort und behandelt jeden, der getauft ist, als das, was er sein soll; ist er es nicht, durch eigne Schuld, so verwandelt freilich Gottes Gabe sich für ihn in's Gegentheil, in eine zentnerschwere Last auf sein Gewissen, und in ein Gericht, das zur Verdammniß reif macht. Aber sollte Gott um unsers Mißbrauchs willen Sein Wort brechen und zurückziehn? In Ewigkeit nicht! sondern es bleibe vielmehr also, daß Gott sei wahrhaftig, und wären alle Menschen falsch. Was Er uns zusagt, hält Er auch, und fragen wir, wie wir des Herrn Leib und Blut genießen können, so ist die Antwort unumstößlich: im h. Abendmahl, wo Er uns Beides gibt, genießen wir's im Glauben, uns zum Segen, genießen wir's leichtsinnig ohne Glauben, uns zum Gericht.

III.

Wir greifen aber unsrer dritten Frage vor: Was diese Gabe in den Genießenden bewirkt. Der Herr sagt es im letzten Verse unsers Textes: „Wie mich gesandt hat der lebendige Vater, und ich lebe um des Vaters willen, also wer mich isset, der wird auch leben um meinetwillen.“ Der Herr bestätigt damit nicht bloß wiederholt, was Er gesagt hat von der Art, auf die wir Sein genießen sollen; Er deutet uns auch das unausgründliche Geheimniß ihrer Wirkung. Denn was Er davon sagt, ist nichts Geringeres, als daß Er durch den Genuß Seines Leibes und Blutes uns Sein Leben mittheilen wolle, ähnlich wie Er das Seine aus dem Vater habe. Nun aber ist ja Jesus Christus, der Menschensohn, nicht bloß verbunden mit dem Vater durch das Baud einer geistigen Gemeinschaft, ähnlich etwa wie sonst ein Prophet und ein Apostel, durch dessen Mund der Herr spricht und den Er mit Seinen Gaben heiligt. Sondern die Fülle der Gottheit wohnt in Ihm leibhaftig; Er ist der Eingeborne Sohn des Vaters selbst von Ewigkeit, das Wort, das im Anfange bei Gott war und selbst Gott ist, durch das die Welt gemacht ist, welches im Schooße der Maria unser Fleisch angenommen hat zu unauflöslicher persönlicher Vereinigung mit Sich, ohne irgend Seine Gottheit damit aufzugeben; es besteht zwischen dem Vater und dem Menschensohne Jesu Christo nicht bloß ein Verhältniß der Liebe, des Vertrauens, der gegenseitigen Hingabe, oder wie wir sonst noch es beschreiben wollen, wenn wir bloß eine geistige, bloß eine sittliche Verbindung schildern: es besteht Wesensgemeinschaft zwischen beiden dadurch, daß die menschliche Natur des Herrn erfüllt ist und getragen von der göttlichen Person des Herrn vom Himmel selbst. Gott war in Christo, zeugt ja der Apostel, und versöhnte die Welt mit Ihm selber. Ich und der Vater sind Eins, spricht der Sohn. - So aber will auch Er uns, Seine Glieder, füllen; nicht bloß uns zu sich ziehen und an sich fesseln durch den Glauben, und unsre fleischliche Natur dadurch veredeln und verbessern; sondern Er will uns theilhaftig machen der göttlichen Natur, eine Kraft unauflöslichen Lebens, die aus Ihm stammt, die nicht erwachsen ist aus unserem Fleische, in uns niederlegen und uns von ihr durchwirken und zu neuen Menschen machen lassen. Es ist eine schöpferische Neugeburt, die Er in uns vollzieht. Er senket einen göttlichen Keim in unser sterbliches Fleisch durch die Taufe. Dieser göttliche Keim wird genährt mit Seinem verklärten Leibe und Blute; wird mit jeder neuen Gabe in jedem Abendmahlsgenuß gekräftigt und gestärkt zum Wachsthum; und von hier aus deckt sich uns auf, warum der Herr im Vers vor unsrem Texte sagen konnte: „Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken.“ Spräche Er bloß von geistiger Vereinigung, bloß von einem Genusse, der im Geiste sich vollziehet; wäre das Leben, das Er mittheilt, lediglich und ganz allein beschränkt auf die geistige Wirkung durch den Glauben: wie kommt die Auferstehung damit in Verbindung? Denn was auferweckt wird, das ist doch gewiß der Leib! So aber will Er unsere ganze Natur heilen und durchdringen mit der Kraft und Lebensfülle, die in Ihm ist. Das Wort des Apostels: wir sollen Bein von Seinem Bein und Fleisch von Seinem Fleische werden, ist nicht bloß ein Bild inniger Vertraulichkeit und geistiger Verähnlichung, sondern Sein Leben soll das unsre wirklich werden. Es wird jetzt noch verwahrt in dem gebrechlichen Gefäße der sterblichen Natur; wir können es noch nicht vertragen in dem ganzen Reichthum seiner Kraft und seines Lichtes. Es ist noch zu viel Finsterniß in uns, die muß erst ausgeschieden werden, und dazu dient Seiner züchtigenden Gnade auch die Schwachheit unsres Fleisches. Sie demüthigt uns, damit wir uns nicht selbst überheben, nicht an uns raffen und in eigenmächtigem Genusse und Gebrauche verderben, was unser Gott uns zugedacht hat, und einen zweiten Sündenfall damit begehen, noch schlimmer und gefährlicher als einst der erste. Darum muß ein Paulus sich genügen lassen an der Gnade Gottes und hat sich nichts zu rühmen als von seiner Schwachheit; darum muß unser äußerlicher Mensch verwesen unter dem Druck dieses Leibes und der Noth der Erde; darum legt der Herr viel Kreuz auf Seine Liebsten und macht sie klein, damit sie groß durch Seine Kraft und Gnade werden möchten. Aber es kommt ein Tag, da hat das Werk der Zucht ein Ende, und was in der verborgenen Werkstätte des armen Leibes dieses Todes aufgerichtet worden ist, das soll erscheinen. Das ist der Tag der Auferweckung, wo Christus, unser Leben, wird offenbaret werden und wir mit Ihm in Herrlichkeit; wo Er auch unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde Seinem verklärten Leibe; wo an allen Seinen Gliedern Sein Bild erscheint, leiblich und geistlich, in Kraft und Zier, im Lichte und zu ewiger Freude. Dann werden wir erst das Geheimniß, von welchem wir jetzt lallen, ganz verstehen. Aber wehe, wenn wir, weil wir es noch nicht ganz verstehen, es leugnen und verneinen wollten! wehe, wenn wir die Gabe Christi beschränken wollten nach dem Maaße unseres irdischen Verständnisses, wenn uns der Herr nicht mehr geben sollte, oder könnte, als wir fassen und begreifen mögen! Nein lasset uns des Herren Gnade preisen, der überschwänglich über Bitten und Verstehen thun kann! aber auch höhere Gedanken fassen, in rechter Weise, von dem Werthe des Menschen, an den Gott so viel wendet und den Er so hoher Dinge würdigt. Ein Träger Christi zu sein ist ein jeder Christ berufen; Christus in uns und wir in Ihm, dies Wort sollen wir annehmen dankbar, gläubig; der Herr selbst will es wahr machen und in uns wohnen. Er will uns jetzt bereiten zu der Herrlichkeit, die einst nicht erst geschaffen, sondern aufgedeckt und geoffenbaret werden soll, wenn der Herr erscheinet. Sein h. Abendmahl, da Er uns Seinen Leib und Blut zur Speise gibt, nähret uns mit Kräften der Ewigkeit, und der Tod verzehret einmal nur das Gefäß, die Hülle des Samenkornes, damit der Keim desselben frei erstehe, herrlich und in Ehren, und Christi Kraft und Lebensbild an unserem Leib und Geist erscheine als der Charakter aller Seiner Kinder. - Dieß ist das Geheimniß, von dem wir heute sprechen sollten; behaltet und beweget es jetzt in euern Herzen, bis Gott es uns im Lichte wird erkennen lassen. Dann aber wollen wir Ihm mit verklärten Zungen ein neues Loblied singen. Amen.

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