Burger, Carl Heinrich August von - Zweiundzwanzigste Predigt. Am fünfundzwanzigsten Sonntag p. Trin.

Burger, Carl Heinrich August von - Zweiundzwanzigste Predigt. Am fünfundzwanzigsten Sonntag p. Trin.

1850.

Text: Matth. 24, 15-28.
Wenn ihr nun sehen werdet den Greuel der Verwüstung, davon gesagt ist durch den Propheten Daniel, daß er stehe an der heiligen Stätte, (wer das lieset, der merke darauf!) alsdann fliehe auf die Berge, wer im jüdischen Lande ist, und wer auf dem Dache ist, der steige nicht hernieder, etwas aus seinem Hause zu holen, und wer auf dem Felde ist, der kehre nicht um, seine Kleider zu holen. Wehe aber den Schwangern und Sängerinnen zu der Zeit. Bittet aber, daß eure Flucht nicht geschehe im Winter, oder am Sabbath. Denn es wird alsdann eine große Trübsal sein, als nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher, und als auch nicht werden wird. Und wo diese Tage nicht würden verkürzet, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzet. So alsdann Jemand zu euch wird sagen: Siehe, hier ist Christus, oder da; so sollt ihr es nicht glauben. Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehn, und große Zeichen und Wunder thun, daß verführet werden in den Irrthum (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten. Siehe, ich habe es euch zuvor gesagt. Darum, wenn sie zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste; so gehet nicht hinaus: Siehe, er ist in der Kammer; so glaubet es nicht. Denn gleichwie der Blitz ausgehet vom Aufgang und scheinet bis zum Niedergang; also wird auch sein die Zukunft des Menschen Sohnes. Wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Adler.

Der Text, den wir so eben gehört haben, berührt eine eben so wichtige und ernste, als häufig übersehene und vergessene Lehre, die Lehre von der Wiederkunft des Herrn. Es ist eigenthümlich, aber doch auch wieder ganz gemäß den Aussprüchen Christi, daß in dem Maße, als wir im Verlauf der Zeiten diesem Ausgang der Geschichte näher rücken, das Warten darauf abnimmt, die Sicherheit wächst, die Verleugnung jener Aussicht und Zusage, ja der Spott darüber Ueberhand gewinnet. Weit entfernt, daß durch diese Erscheinungen das Wort Christi aufgehoben oder wankend gemacht würde, sind sie vielmehr nur ein Beweis für seine Wahrheit und werden nur dienen, den Ausspruch des Apostels zu bestätigen, der an die Thessalonicher (1. Thess. 5,3) schreibt: „Wenn sie werden sagen: es ist Friede, es hat keine Gefahr! wird sie das Verderben schnell überfallen und werden nicht entfliehen.“ Denn eben diese allgemeine Sicherheit und Lauheit gibt der Herr selber an als neben den Vorbereitungen für Seine Zukunft gleichen Schrittes wachsend, und gründet darauf die ernste Mahnung: „Wachet, denn ihr wisset nicht, welche Stunde euer Herr kommt!“ Er ist schon zum vorläufigen Gerichte einmal gekommen über das abgefallene Volk Israel und seine Stadt und seinen Tempel; Er wird der Kirche, die jetzt aus den Heiden gesammelt ist, nicht verschonen, wenn sie im Abfall es dem Volk des alten Bundes nachthut; Er kann uns alle täglich fordern vor Sein Gericht, und weil Niemand sein Ende, geschweige das dieses Weltlaufs weiß, so ist es für jeden wohlgethan und räthlich, sich zu bereiten und zu rüsten, daß der Herr, wenn Er zu ihm kommt, ihn doch wachend finde. Zu dieser Wachsamkeit soll auch der heutige Text uns ermuntern und wir legen ihn zu Grunde, indem wir sprechen:

von der wachsenden Gefahr der letzten Zeiten.

Wir fragen:

  1. worin sie bestehe,
  2. wie sie zu überwinden sei.

I.

Der Herr will Seine Jünger und durch sie die ganze Christenheit warnen, daß Seine einbrechenden, bestimmt vorausgedroheten Gerichte sie nicht unbereitet finden. Es sind dieser Gerichte mehr als eines; sie sollen stufenweise steigend aufeinander folgen. Wie die Verheißungen des Herrn allmählig sich vollziehen und erst am Ende ihr ganzer Inhalt als erfüllt sich darstellt, so ist es auch mit Seinen Drohungen; die schließliche Erfüllung derselben kommt zuletzt, mehr als eine vorläufige geht voran. Aber bei jeder wiederholen sich ähnliche Gefahren, nur immer schwerer, je mehr die Zeit zum letzten Abschluß dränget, und so können wir auch füglich, was unser Text zunächst sagt von den Schrecken, die der Zerstörung Jerusalems und der Auflösung des alten Bundesvolkes vorangehen, auf uns anwenden und auf dreierlei Gefahren hinweisen, die uns in ernstlichen Vorboten schon bedrohen.

Für's erste heißt der Herr Seine Jünger auf das Merkzeichen achten, daß der Greuel der Verwüstung stehen werde an heiliger Stätte. Denn die heilige Stätte, hier zunächst der Tempel als das Haus des Herren, ist der Zufluchtsort der gläubigen Gemeinde, wo sie sich sammelt, um sich Trost im Gebet zu holen und Unterricht im Wort des Herrn und Stärkung in dem Gefühle Seiner Nähe. Wenn aber diese heilige Stätte selbst ein Schauplatz des Greuels der Verwüstung wird, dann ist es ein sichres Zeichen, daß der Herr nicht länger mehr zusehen könne und zusehen werde dem gehäuften Maß des Frevels und der Bosheit. Wie in Jerusalem zu seiner Zeit der Tempel vor seiner Zerstörung entweiht wurde durch Treulosigkeit und Mord und Plünderung, daß das Blut der erschlagenen Brüder über seine Stufen rann, während die drinnen sich geberdeten, als gälte es ihn zu vertheidigen, das lehrt uns die Geschichte jenes schreckenvollen Krieges und Unterganges der alten Stadt des frommen David, und es war den Christen in Jerusalem ein Zeichen, jetzt sei es Zeit, sich auf das äußerste gefaßt zu halten und zu fliehen. - Wir haben, Geliebte in dem Herrn, kein solches Haus und Tempel, in welchem sich die Anbetung des gesamten Volkes des Herrn als in ihrem Mittelpunkte vereinigte; sondern wo zwei oder drei versammelt sind im Namen Christi, da ist Sein Haus, denn Er ist mitten unter ihnen; und diese Gebäude von Stein, so werth sie uns sind um deßwillen, was wir hier empfangen, sind kein Gegenstand und Kleinod unsres Glaubens; sondern das Wort des Herrn ist unser Heiligthum und die Sakramente, die Er eingesetzt hat. Wenn aber dieß unser Heiligthum zum Gegenstand des Spottes, der Lästerung und der Verhöhnung wird; wenn, wie jetzt offen und ohne alle Scheu geschieht in Schrift und Rede, der innerste Kern des Christenthums, die heiligen Thatsachen selber, auf denen es steht, angetastet, verdächtigt und dem armen bethörten Volke der Glaube daran und die Scheu davor weggeschwatzt, und mit listigen, gewandten Lügen aus dem Herzen gewunden wird, und eine sogenannte Religion des Fortschritts und der Bildung geradezu als Schule der Lästerung sich aufthut: dann dürfen wir das Wort des Herrn in unserm Texte: „Wer das lieset, der merke darauf!“ auch auf uns anwenden, und darauf merken, ob nicht die Zeit im Anzuge sei, von welcher Paulus warnend schreibet (2. Thess. 2), daß sie beginnen werde nach der Wirkung des Satans mit allerlei lügenhaften Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden; denn dafür, daß sie die Liebe der Wahrheit nicht haben angenommen, daß sie selig würden, darum wird ihnen Gott kräftige Irrthümer senden, daß sie glauben den Lügen; auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit. - Also dieß ist die erste Gefahr, auf die der Herr uns warnend hinweist, die Greuel im Heiligthum, die frevelhafte Schmähung und Entstellung unseres allerheiligsten Glaubens, die überhand nehmende Lästerung und Spottsucht, die immer weitere Verbreitung kräftiger Irrthümer, schön geschmückter Lügen, in welche zu ihrem Gerichte verstricket werden die schon lange innerlich von der Wahrheit abgewendeten, gleichgültig wider sie gestimmten Seelen. Und diese Gefahr ist da! wir reden nicht von fernen, sondern nahen Dingen; sie haben sich unzweideutig genug angemeldet.

Aber eine weitere Gefahr ist die steigende Trübsal, die in dem Maße zunimmt, als die Welt gegen Gottes Segen sich verschließet, und im Abfall von Ihn, auf die eigne Kunst und Geschicklichkeit und Kraft mit Selbstvergötterung pocht und bauet. Nah und fern haben die Anfänge dieser Trübsal, und nicht seit gestern erst, sich eingestellt. Wir haben hier das lange nicht genug erkannte Glück, zu wohnen als in einem umhegten und beschirmten Orte, und kennen beinahe nur vom Hörensagen den Jammer, welcher andre Orte bereits überfluthet, den Jammer unzufriedener Verbissenheit, den Jammer der Verarmung, den Jammer gottvergessener Zuchtlosigkeit der Massen, den Jammer des Aufruhrs und der Seuchen und des Krieges. Es sind dieß die natürlichen Folgen der lange im Stillen vorbereiteten geistigen Zustände. Wenn lange genug das Gift die Säfte des Leibes durchschlichen und verderbt hat, dann tritt die Krankheit endlich auf die Haut und zerstört auch die äußere Gestalt und Schöne. Man sucht vergebens die verkommenen, mit Auflösung aller Bande der Gesellschaft drohenden Zustände mancher Länder und Gebiete aus äußeren Ursachen zu erklären; die wirken zwar mit und befördern den Ausbruch, aber sie sind nicht der Quell des Uebels, sondern selbst schon Frucht und Folge des tiefen geistigen Verfalles, der Glaubenslosigkeit und Sittenlosigkeit, des nur der Erde zugewandten Sinnes in Genußsucht, Herzlosigkeit und Eigennutz bei allen Ständen. Man hat das Uebel sorglos wachsen und sich ausbreiten lassen; denn die bestellten Wächter, die es verhüten sollten, schliefen; und hätten sie nur geschlafen! nein, sie halfen mit Wort und Beispiel selbst heraufbeschwören, was jetzt uns unaufhaltsam an den Abgrund des Verderbens reißt und dränget. Nun kommt Drangsal auf Drangsal, aber die erste Ursache aller ist die gehätschelte und großgezogene Sünde. Nun stehen die Aerzte verzweifelnd vor dem Kranken, und wissen weder Rath noch Hülfe, daß man mit dem Propheten klagen möchte: „Ist denn keine Salbe in Gilead oder ist kein Arzt nicht da? Warum ist denn die Tochter meines Volkes nicht geheilet? Ach daß ich Wasser genug hätte in meinem Haupt und meine Augen Thränenquellen wären, daß ich Tag und Nacht beweinen möchte die Erschlagenen in meinem Volk!“ (Jerem. 8,22. 9,1). Aber es ist zu spät; den Schaden im Ganzen werden sie nicht heilen; wohl uns, wenn es gelingt, nur viele Einzelne noch zu erretten. Wie aber der Herr gesagt hat: „Weil die Ungerechtigkeit wird überhand nehmen, wird die Liebe bei Vielen erkalten,“ so sehen wir es geschehen; und weil die Liebe erkaltet, wird der Jammer immer größer; die Unbefestigten stoßen sich daran, die Trotzigen schreiten zu gewaltsamer Selbsthülfe, und das durch Sünde herbeigeführte Unglück wird die Quelle immer größerer, weitrer Sünde. Das ist die zweite Gefahr, auf welche unser Text uns hinweist. Sie ist uns auch nur allzu nahe, und sollte der muthwillens heraufbeschworene Bruderkrieg ausbrechen, den die göttliche Barmherzigkeit in Gnaden doch noch von uns abwenden möge, wer mag dann sagen, in welcher Tiefe der Trübsal uns die allernächste Zukunft treffen könnte! -

Aber ich muß noch eine dritte Gefahr erwähnen, eine sehr feine, die besonders durch Glaubenskräfte angeregten, aber noch nicht festen Seelen bedrohlich ist: es ist die Gefahr geistiger Verführung und Verirrung. „Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen,“ sagt der Herr, „und Zeichen und Wunder thun, daß verführet werden in den Irrthum, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten; siehe ich habe es euch zuvor gesagt.“ Denn damit, daß eingesehen und zugestanden wird, die Wurzel unsrer Uebel sei der Abfall von Gott, das Erlöschen wahrhaftigen demüthigen Glaubens, das Verschwinden der Frömmigkeit und Gottesfurcht, damit ist der rechte Glaube und die wahre Frömmigkeit und die aufrichtige Furcht Gottes noch nicht selbst gewonnen; sondern nun tritt erst die Gefahr ein, daß man voreilig machen, veranstalten, schnell zusammen reimen möchte, was nur erbeten und mit hoffender wartender Demuth und Geduld errungen und vom Herrn empfangen sein will; und solchem unruhigen, ungeduldigen Suchen und Verlangen kommt dann der stets gewandte Feind des Guten mit allerlei Vorspiegelung und Täuschung leicht entgegen, um nur vom rechten Wege abzulenken; darauf entstehen dann Spaltungen und Sekten, die das Band der Liebe auch unter denen lösen, die doch im Glauben und Bekenntnisse des Einen Herren Eins sein wollen. Denn Einer sagt: hier ist der Herr, bei mir, in meiner Gemeinschaft ist Er sicherlich zu finden! Der Andere ruft: Nein, ich weiß bessere Mittel; kommt her zu mir, ich bin allein Inhaber des Weges, um Ihn zu gewinnen! und über dem eiteln Bemühen, den Herrn, der reich ist über Alle, die Ihn im Ernst anrufen, in den selbst gezogenen engen Kreis menschlicher Ordnungen und Veranstaltungen zu bannen, bricht vollends Streit und Hader aus und theilet und zerreißt die Kräfte, die nur vereint noch etwa einen Damm und eine Schutzwehr bilden könnten gegen die einbrechende Macht des Verderbens. Auch hier rede ich nicht von fernen Dingen und vergangnen oder erst zukünftigen Zeiten, sondern von gegenwärtigen Schmerzen, von alten Wunden, die immer neu aufgerissen und entzündet werden. Sind denn die Gläubigen im Herrn alle Eins? Umtönt uns nicht beständig das Geschrei von entgegengesetzten Seiten: Siehe, hier ist Christus! Nein, da ist Er! und haben nicht die Feinde Christi an solchem Hader ihre Freude und nehmen daran Anlaß, ihre Reihen immer dichter, ihre Angriffe immer heftiger zu machen und mit steigendem Erfolge zu erneuern? O meine Freunde, wir stehen schon in der Geschichte der Erfüllung unseres Textes; die Gefahren alle, die er schildert, umgeben und bedrohen uns. Wie können wir bestehen wider sie und sie noch überwinden?

II.

Ich muß kurz sein in diesem meinem zweiten Theile, denn meine Zeit ist kurz. Darum nur wenig mit gedrängten Worten.

Vor allem bedenket das Wort Christi in unserm Texte: „Siehe, ich habe es euch zuvor gesagt!“ und braucht es als einen Schild wider die Gefahr des Aergernisses. Denn daß es allbereits so steht, wie ich die Dinge nach der Wahrheit euch geschildert habe, ist es ein Grund irre zu werden an dem Herrn und Seiner Wahrheit? Das Gegentheil, denn Er hat es voraus verkündigt. Darum wenn die Lügenschriften, die jetzt wider unsern Herrn und Christ und Seine Ehre und Sein Reich verbreitet werden, euch zu Händen kommen, und wenn die Lästerungen derer, die nicht wollen, daß Er ihr Herr sei, eure Ohren treffen, so lasset euch dadurch nicht irre machen, als sei, was oft gesagt wird, und von Vielen, deßwegen wahr; sondern dringet um so fleißiger und tiefer in Gottes Wort und Verheißung und Weissagung ein und fragt euch selber, ob der die Lügen redet, der vor nahezu 1800 Jahren vorausgesagt hat, was ihr jetzt geschehen seht und höret, oder ob die die Lügner sind, die jetzt Sein Wort erfüllen zu ihrer eigenen Verdammniß. Steht fest im Glauben, seid männlich und seid stark! Sie können das Wort, von dem eure Seele lebet, lästern, aber nicht den Segen desselben euch entziehen, wenn ihr nicht selbst dawider euer Herz verschließet. Sie können den Versuch wagen, zu unsäglichem Unglück für Viele, die Kirchen und die Schulen selbst in Greuelstätten zu verwandeln; aber die Kirche, welche wesentlich ist die Gemeinde der Gläubigen, bestehet, wo noch zwei oder drei sich sammeln um das Wort des Herrn und Seine Gnadenmittel, und an den kräftigen Tröstungen derselben sich erfreuen und daran ihre Seelen laben. Und wie der Herr in den Tagen Seiner Niedrigkeit einst sagte: „Selig ist, der sich nicht an mir ärgert!“ so rufet Er uns jetzt das Gleiche zu, wo Seine Kirche auch geniedrigt werden soll und an das Kreuz muß. Wir wissen schon, sie stirbt nicht; denn ihr Herr ist auferstanden und sie lebet in Ihm und mit Ihm. Darum haltet fest an Seinem Namen, so werdet ihr mit diesem Schild des Glaubens auslöschen alle feurigen Pfeile des Bösewichts und euere und Vieler Seelen retten. Denn wie Ein Licht genügt, um viele damit anzuzünden, so steht Ein gläubiger, entschloßner Christ, der sich nicht fürchtet, und nicht zaget, sondern treu bekennt, was ihm versiegelt ist in seinem Herzen, als ein Panier und Zeichen da, an dem sich immer wieder andre stärken; und als Elias schon sagte, er sei der einzige noch überbliebne, der sein Knie nicht gebeuget habe vor dem Tagesgötzen, wird ihm die göttliche Eröffnung, daß der Herr noch 7000 sich behalten habe, die gleich ihm in der Wahrheit fest bestanden. Also ist der erste Rath der Liebe, den ich an euch richte: lasset euch nicht wegdrängen von dem Glauben an den Herrn, so habt ihr sichern Antheil auch an Semem Siege! Aber ein zweiter: Lasset von der Trübsal, die da kommt und die schon da ist, euch nicht schrecken, sondern nehmet sie zum Anlaß, darin zu beweisen die Kraft des Glaubens, der in Liebe die Welt überwindet. Wir führen einen heiligen Krieg mit der Sünde und mit dem, was aus ihr folget, und der mit uns ist, ist stärker als der wider uns streitet. Wir haben mit gesündiget; niemand ist rein; niemand darf sagen: An all dem Elend und der Noth der Zeiten bin ich frei von Mitschuld! Es ist ein trauriges Zeichen der Auflösung in der Gegenwart, daß jeder nur stets bemüht ist, die Schuld Andern zuzuschieben, um selber nichts zu thun und zuzusehen. Die Völker verklagen ihre Fürsten; dürfen nicht die Fürsten über ihre Völker wieder klagen? Und wenn sie beide Recht haben und klagen immer fort, wird denn dadurch geholfen? Darum mehrt und schüret nicht das Uebel, sondern helft es lieber heilen Zanket nicht und streitet auch nicht, wer den Brand angezündet hat, daß er nicht unterdessen immer weiter um sich greife. Sondern jeder an seinem Theile greife zu und lösche und werde ein Reformator, ein Verbesserer, ein Arzt an sich und seinem Hause, seinem Nächsten; so kann er, wenn auch nicht Alle, ja vielleicht nicht einmal Viele, doch etliche erretten und vor Allem seine eigne Seele. „Wer aber einen Sünder bekehret von dem Irrthum seines Weges, der hat einer Seele vom Tode geholfen und wird bedecken die Menge der Sünden,“ sagt Jakobus (5,20). So hütet euch und nehmet nicht Theil an dem Murren der Unzufriedenen, den Klagen der Selbstgerechten, dem Hetzen und Verbittern der Schadenfrohen, sondern lernet etwas Besseres thun. Verlegt euch darauf, aus dem allgemeinen Brande jedes seinen Freund und Nächsten rettend herauszuholen, und habt Geduld! Ihr habet ja gelesen in unserm Texte, der Herr erbarmt sich Seiner Kinder und hat die Tage der Trübsal schon verkürzt. So harret still und lasset alle eure Dinge geschehen in der Liebe; dieß ist das Mittel, dem Unglück zu begegnen, es mindestens nicht zu vergrößern, ja mehr als dieß, es wenigstens, so weit eure Kraft reicht, zu beschränken.

Und endlich, seid vorsichtig wider die Stimmen geistlicher Verführung! Denn was können diese für Erfolge herbeiführen, als Täuschung und neues Aergerniß! Wenn sie euch nun sagen werden, um mit unserm Texte zu reden: Siehe, Er ist in der Wüste! oder: Siehe, Er ist in der Kammer! und ihr folgt dem Rufe und müßt erfahren, was euch der Herr vorausgesagt hat, daß Er nicht dort ist: habt ihr nicht dann euch selbst in schwerere Versuchung geführt? habt ihr nicht eure eigne Glaubenskraft, die ihr so nöthig habt zusammen zu halten, muthwillens selbst vergeudet? und wie mancher hat ganz und gar Schiffbruch gelitten am wahrhaften Glauben, weil er leichtgläubig war und nicht gewacht und nicht geprüft hat! Wenn der Herr kommen wird, so wird es so geschehen, daß über Seine Gegenwart kein Zweifel sein wird: „Denn wie der Blitz ausgeht vom Aufgang und leuchtet bis zum Niedergang, also wird „auch die Zukunft des Menschensohnes sein.“ Jetzt sind wir angewiesen, uns an Sein Wort zu halten und nicht zu bauen auf menschliche Anstalten, Ceremonien, Verfassungen, Gebräuche. Die haben alle nur bedingten Werth; der Herr wohnt nicht in ihnen und hat Seine Gnade nie an sie gebunden. Aber an Sein Wort und die heiligen Sakramente hat Er sie gebunden. Wo ihr die findet, dabei bleibt! und wer euch mehr und Besseres verheißt zu geben, als euch der Herr daran gegeben hat, dem traut nicht, denn er täuscht euch und wird, was er euch verspricht, nicht halten können; sondern Betrogne und Betrüger miteinander werden bittern Schaden davon nehmen.

Aber danket dem Herrn, daß Er euch so reichlich mit jenen Seinen besten Gaben hier noch segnet. Benützt sie treulich; sammelt auf die Zeit des Darbens, die etwa kommen könnte, und in Allem habt einen frohen Muth. Gefahr und Angst und Trübsal dient uns nur zur Uebung, wenn wir fest halten an dem Herrn; von Seiner Liebe können sie uns nimmer scheiden, und wer in Treue dem Herrn sein Kreuz nachträgt, wird mit Ihm zum Leben einmal eingehn. Wird der Kampf heiß, so währt er nicht mehr lange, und die köstlichste Verheißung der ganzen heiligen Schrift ist uns für den letzten Kampf gegeben, wenn unser Herr sagt: „Wer überwindet, dem will Ich geben mit Mir auf Meinem Stuhl zu sitzen, wie Ich überwunden habe und bin gesessen mit Meinem Vater auf Seinem Stuhl. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt!“ - Amen.

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