Burger, Carl Heinrich August von - Einundzwanzigste Predigt. Am vierundzwanzigsten Sonntage p. Trin. 1854.

Burger, Carl Heinrich August von - Einundzwanzigste Predigt. Am vierundzwanzigsten Sonntage p. Trin. 1854.

Text: Matth. 9,18-26.
Da er solches mit ihnen redete, siehe da kam der Obersten einer, und fiel vor ihm nieder, und sprach: Herr, meine Tochter ist jetzt gestorben; aber komm, und lege deine Hand auf sie, so wird sie lebendig. Und Jesus stand auf und folgete ihm nach, und seine Jünger. Und siehe ein Weib, das zwölf Jahre den Blutgang gehabt, trat von hinten zu ihm, und rührete seines Kleides Saum an. Denn sie sprach bei sich selbst: Möchte ich nur Sein Kleid anrühren, so würde ich gesund. Da wandte sich Jesus um, und sah sie, und sprach: Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Und das Weib ward gesund zu derselbigen Stunde. Und als er in des Obersten Haus kam, und sah die Pfeifer und das Getümmel des Volks, sprach er zu ihnen: Weichet, denn das Mägdlein ist nicht todt, sondern es schläft. Und sie verlachten ihn. Als aber das Volk ausgetrieben war, ging er hinein und ergriff sie bei der Hand; da stand das Mägdlein auf. Und dies Gerücht erscholl in dasselbige ganze Land.

Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen! Wen suchen wir, der Hülfe thue, daß wir Gnad erlangen? Das bist Du, Herr Christ, alleine!„ An diesen Vers eines alten kernhaften Kirchenliedes uns zu erinnern war die Erfahrung des Kirchenjahres, dessen letzten Sonntag wir heute begehen, sehr geeignet. Wahrlich die Thatsache, welche seine erste Zeile ausspricht, liegt uns immer nahe! Jetzt aber vollends vergeht keine Woche, wo uns nicht irgend eine neue Schreckenskunde sie erschütternd zu Gemüthe führt. Hat sie auch die Frage in uns hervorgerufen, und uns erfüllet mit dem ganzen Ernst, sie uns zu stellen: „Wen suchen wir, der Hülfe thu', daß wir Gnad erlangen?“ Dann kann es an der Antwort uns nicht fehlen, welche unser Lied gibt: „Das bist Du, Herr, alleine!“ Ja, wir haben einen Helfer mitten in der Noth des Todes, und der Weg zu Ihm heißt: Glaube. Selig, wer ihn gefunden hat und geht! Den beuget nicht die Angst der Welt, den wirft ihr Schrecken nicht darnieder; er ist gleich einem Schiffe auf hohem Meer, das seines Laufes gewiß ist. Die Wellen mögen über ihm zusammenschlagen, doch es sinkt nicht, und durch die tobenden Gewässer findet es die Einfahrt in den sichern Hafen, wo man von ausgestandenen Stürmen redet mit herzstärkender Befriedigung und mit dem Hochgefühl, das jedem Kampfe folgt, in dem wir siegen.

Aber freilich! „der Glaube ist nicht Jedermanns Ding;“ darum suchen ihn nicht alle, oder suchen ihn auf Wegen, wo sie ihn nicht finden können. Sie möchten gern sich überreden als ob sie ihn hätten, aber was sie haben, ist eine selbstgemachte Meinung, die nicht Stand hält. Sie bauen nicht auf den Fels, den Gott gelegt hat, sondern bereiten sich aus ihren eignen Gedanken ein Gewebe von Trugschlüssen, das an allen Enden reißet, so emsig sie auch immer daran bessern. Zu jenem freudigen Ausruf in unserm Liede: „Das bist Du, Herr, alleine!“ kommen sie nicht, und somit auch nimmermehr zu Ruh und Frieden; sondern ihre Stimmung wechselt zwischen Furcht und Leichtsinn, zwischen Angst und Lust, wie ein Ball hin und her fliegt zwischen zweien, die ihn schlagen. Das soll nicht also sein, Geliebte! „Es ist ein köstlich Ding, daß des Menschen Herz fest werde,“ schreibt der Apostel. Das Mittel dazu weist uns unser Text. Wir folgen seinem Inhalt, indem wir nach seiner Anleitung heute sprechen von der Beschaffenheit und Frucht des Glaubens, und

  1. zeigen, daß er nur Einen Grund und Einen Gegenstand hat, der ihn trägt und füllet;
  2. daß seine Empfindung wechseln kann dem Grade nach und nach ihren Aeußerungen; daß aber
  3. seine Wirkung unfehlbar ist.

Herr Jesu Christ, den Deine ersten Jünger schon gebeten haben, und nicht umsonst: Herr, stärke uns den Glauben! wir nahen uns Dir mit dem gleichen Flehen. Siehe an mit Gnade und Erbarmen unsere große Schwachheit; habe Geduld mit unserer Zaghaftigkeit und mit unserm Kleinmuth; und wo auch nur ein Fünklein glimmt, da laß es nicht verlöschen, sondern fache es an zur Flamme, damit auch Andere davon entzündet werden! Gib auch in dieser Stunde einen vollen, reichen Segen Deines Wortes, das die Verheißung hat, es solle nicht leer wieder kommen! Amen.

I.

Der Glaube hat nur Einen Grund, der ihn trägt, und Einen Gegenstand, der ihn erfüllt; der eine Grund und Gegenstand ist Jesu Christi Macht und Gnade. Das zeiget uns auch unser Text. Er hält uns zwei Beispiele vor, zwei Bilder gefaßt in Einen Rahmen, von Menschen, deren Glaube nicht beschämt ward, sondern der gehofften Hülfe theilhaftig wurde. Sie sind in vielen Stücken sehr verschieden; aber in dem Punkte sind sie Eins: sie wissen, hilft uns Christus nicht, so hilft uns Niemand; aber Er kann helfen! - Darin nun haben wir von ihnen viel zu lernen. Gar häufig wird der Glaube verwechselt mit einem gewissen allgemeinen Gottvertrauen, das man sich selbst einredet, und wofür man weder die äußere Bürgschaft noch die innere Gewißheit hat, die nöthig ist, um wirklich damit zu bestehen in all den Proben und Versuchungen, die uns das Leben mit seinen mannigfachen Nöthen und Verlegenheiten, mit seiner Angst und seinen Plagen auflegt. Aber der Glaube hält sich an die Person des Herrn, des menschgewordenen Erlösers. Denn den hat der Vater gesalbet und versiegelt uns zum Helfer und zum Heiland, und hat Ihm alle Macht in Seine Hand gegeben, hat Ihn gesetzt zu Seiner Rechten und erhöhet über Alles zum Obersten, und hat Ihn doch so nahe uns gestellt, daß wir zu Ihm aufschauen dürfen als zu unserm erstgebornen Bruder, welcher Sein Fleisch und Blut nicht lassen kann, sondern Mitleid hat mit unsrer Schwachheit, weil Er versucht ward allenthalben gleichwie wir. In Ihm ist uns für unsre Zuversicht die Bürgschaft gegeben, die wir nicht entbehren können. Sein Eintritt in die Welt, Sein Wandel durch dieß Leben, Sein Ausgang aus demselben, Seine Auferstehung und Erhöhung sind lauter Wunder göttlicher Erbarmung, göttlicher Wahrhaftigkeit und Treue; jeder Zug derselben ist ein Pfand für unsre Hoffnung; jede Erweisung Seiner Helfermacht ein Ruf an uns zu Ihm zu kommen. Aber Er hat auch Seinen Geist ausgegossen in die Welt, damit Er von Ihm zeuge. Der Vater zieht zum Sohne hin durch Seinen Geist; der machet das Wort von Ihm fruchtbar; Er verbindet mit der Kunde von Ihm, die in unser Ohr fällt, einen Drang der Sehnsucht, eine Regung des Verlangens nach Ihm; Er bestätiget die Botschaft des Evangeliums an unserem Gewissen, und gibt dem, der sich nicht mit Willen davon abkehrt, steigende Gewißheit Seiner Wahrheit, bis Er ihn von Erfahrung durch Erfahrung zu jener vollen Sicherheit geführt hat, in welcher der Apostel schreiben konnte: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Beides, die äußere Bürgschaft und die innere Gewißheit, die der heilige Geist gibt, trifft zusammen, muß zusammen treffen und beisammen bleiben, wo Jemand sagen kann: Ich glaube! denn das heißt: Ich bin gewiß, daß ich nicht irre gehe; ich weiß, an wen ich mich halte, und Er hält mich, trotz allem Schein des Widerspiels, trotz aller Anfechtung, welche ich erdulde, mitten im Gedränge, das mich umstoßen möchte, aber meinen Jesum umzustoßen nicht die Macht hat, und darum auch mich nicht, der ich Ihm verbunden bin in Zuversicht des Glaubens!

Auch durch die Beispiele in unserm Texte sehen wir diesen Weg bestätigt, auf welchem es zum Glauben kommt bei einem Menschen. Die Werke, welche Jesus that, die glaubhafte Kunde von Seiner Helfermacht und Gnade sind der erste Anstoß, welcher den Obersten Jairus wie das Weib in ihrer Angst und Noth getroffen hatte. Sie schließen: der so Vielen schon geholfen hat, sollte Er es nicht bei mir auch können? Aber es kommt noch etwas Anderes dazu in ihrem Herzen. Es ist ein Zug des Vertrauens zu dem Herrn, der ihre Scheu und ihr Bedenken überwieget, und mit der Noth, in der sie schweben, wächst, und an der Kunde, die sie von Ihm hören, sich aufrichtet und sich damit nährt. Das ist der Zug, mit dem sie Gottes Geist zum Sohne hinführt. Es wurden Seine Zeichen ja gesehen von Tausenden, die kalt und trotzig blieben, und nachher Ihm so ferne standen, wie zuvor. Er war auch auf dem Wege, da Er zu des Jairus Hause ging, umdrängt von einer Menge, die neugierig Ihn zu sehen eilte. Aber das war kein Wunsch und kein Verlangen etwas von Ihm zu empfahen; das war kein hoffendes Sehnen, kein vertrauendes Hinzunahen, das sie antrieb und bewegte. Darum war auch ihr Sehen für sie unnütz, ihr Berühren ohne Kraft und Wirkung. Aber mitten aus der Menge rührt der Geist Gottes eines Weibes Herz, im Glauben einen Schritt zum Herrn zu wagen, und sie wird überschüttet mit Gewährung ihrer Bitte, die sie nicht einmal auszusprechen brauchte. Die Freunde des Jairus zweifeln, alle seine Angehörigen verlachen seinen Traum von Hoffnung, wo doch nichts mehr zu hoffen sei, nur er thut nicht mit ihnen; er wankt, er zittert; aber seine Seele hanget doch an dem Herrn, und die Erfüllung krönet überschwänglich sein Vertrauen. - So sehen wir, wie bei dem Glauben sich der Zug des Herzens, der von Gottes Geist geweckt wird, mit dem Worte des Zeugnisses von Christo einigt. Aber beides, meine Lieben, steht uns zu Gebote! Am Zeugniß ist kein Mangel. Gottes Bürgschaft ist aufgerichtet und steht fest; sie hat an Kraft, wofern es möglich ist, gewonnen durch die Bewährung der Jahrhunderte, auf die wir schon zurücksehen; und wahrlich das soll Niemand sagen, daß der Geist des Herrn nicht ausgeht noch immerdar, und an das Wort des Herrn Seine Gnadenzüge anschließt. So folgt doch Seinem Ziehen, Seinem Rufen! Muß denn die Noth noch größer werden, um Ihm Raum und Eingang bei uns zu verschaffen? Hier steht das Wort des Herrn: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen!“ So wisset, daß Er mitten unter uns ist, die wir versammelt sind in Seinem Namen. O daß Er heute etliche gewänne, die müde von der Eitelkeit der Welt im Namen Jesu ihre Kraft und ihren Frieden suchten! Er ist der Grund, der unsern Glauben trägt, der Gegenstand, der ihn erfüllet.

II.

Aber daß die Empfindung des Glaubens nicht bei Allen und nicht zu aller Zeit die gleiche und darum auch ihre Aeußerung verschieden ist, das wird dadurch nicht ausgeschlossen. Sehen wir doch auch solche Verschiedenheit in unserm Text. Der Oberste Jairus - seinen Namen nennen uns Lucas und Markus, deren ausführlichen Bericht ich mit der Erzählung unsers Textes verbinde, - er verlangte nichts Minderes, als daß der Herr selbst komme und die Hand auf seine Tochter lege; das, hofft er, kann sie heilen, ja vom Tod erwecken. Das Weib dagegen spricht bei sich: „Möchte ich nur Sein Kleid anrühren, so würde ich gesund.“ Der Glaube des erstern hängt noch sehr an äußern Zeichen; er will gleichsam der Wirkung zusehen, die er hoffet. Nur von der leiblichen Berührung Jesu, nur von dem segnenden Auflegen Seiner Hände, nur von Jesu ausgesprochnem und erklärtem Willen verspricht er sich die Hülfe, die er sucht. Der Glaube jenes Hauptmanns von Kapernaum, der Jesu wissen läßt: „Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund!“ ist noch nicht der seine. Er steht dem Thomas näher, welchem der Herr sagen mußte: „Weil du gesehen hast, glaubest du; selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Aber diesen letzteren dürfen wir das schüchterne demüthige Weib unsers Textes zugesellen, an der Alles schwach war, nur ihre Zuversicht zum Herrn nicht. Sie verlangt nicht, daß Er ihrethalben irgend sich bemühe, daß Er nur Kenntniß von ihr nehme, einen Blick nur auf sie werfe. Aber so hoch steht Seine Helfermacht in ihren Augen, daß nur sie Ihn berühren will, nur den Saum Seines Kleides, und gewiß ist, es genügt zu ihrer Heilung. So hat der Herr noch immerdar verschiedene Jünger, starke und schwache, geübte und noch unerprobte, angefochtene und Sieger, ängstliche Gemüther und Helden an Entschlossenheit und Muth. Aber auf Ihn sind sie allesamt gestellt mit ihrer Hoffnung; Ein Band des Vertrauens zu Ihm hält sie alle umschlungen und an Ihn gebunden; nur daß es etwa bei dem einen einem Ankertaue und bei dem andern einem Fädlein gleicht, das aber doch nicht reißet. Es ist hier nicht davon die Rede, was besser sei; wir stellen nicht die starke Glaubenszuversicht des Weibes in unserm Text auf gleiche Stufe mit dem ängstlichen Verlangen des Jairus. Eines ist köstlicher und werther als das andere. Aber nur das sage ich, entscheidend ist die Richtung des Vertrauens auf Jesum Christum unsern Herrn. Er ist der gute Hirte, welcher jedes Gliedes in Seiner Herde wartet, wie es recht ist, der die Lämmer an Seinem Busen trägt und die Schafmütter führt und vor den andern ein- und ausgeht. Selig, wen Gott begnadigt hat mit starkem Glaubensmuthe! Er lebt noch Eins so leicht; er kann viel leisten, Berge ebnen, Thäler überspringen. Aber darum will ich doch nicht verzagen, wenn ich auch nur kriechend den Spuren meines Herrn folgen kann, in Angst und Zittern, oft gemahnt an meine Schwachheit. Nur lassen will ich von Ihm nicht; denn alle meine Stärke, ob wenig oder viel, ruht doch in Ihm, nicht in mir selber, und Ihm ist es ein kleines Ding, durch wenig wie durch viel zu helfen. Er hat ja wohl auch sonst durch schwache Werkzeuge große Dinge aufgerichtet, auf daß die Ehre Sein bleibe, dem sie auch allein gebührt. Aber große Dinge begehre ich gar nicht; nur daß ich meine Seele rette, und als ein Knecht erfunden werde, so wenig tüchtig ich sonst sei, der wenigstens von seinem Herrn nicht gewichen ist; dann muß des Glaubens Ende mir doch werden, der Seelen Seligkeit. Aber lernen lasset uns aus unserm Texte, wozu er uns gegeben ist, daß es nicht darauf ankommt, ob wir Jesu Hände leiblich spüren, daß wir nicht unsern Glauben binden sollen an selbsterwählte Zeichen, die dem Herrn nicht noth sind. Ward der Sohn des Königischen durch Jesu Wort drum weniger gesund, weil Stunden Weges zwischen seinem Krankenlager und dem Herrn in der Mitte waren? Seine Antwort: Gehe hin, dein Sohn lebet! wirkte sie nicht in der Ferne so gut wie nahe? Deßhalb weil eben nah und ferne für unsern Herrn kein Maß und keine Schranke ist, die irgendwie Ihn hindert oder bindet! So laß auch du den Herrn: walten und schreibe Ihm nicht vor, wie Er dir helfen soll. Daß Er es kann und will, sei dir genug! und wenn die Noth bei dir, ehe die Hülfe eintritt, nur noch steiget, so töne dir in's Ohr Sein Wort, das Er sprach zu Jairus: „Fürchte dich nicht! glaube nur!“ Auch des Jairus Tochter lebte noch, als er ausging, Jesum für sie anzurufen. Auf dem Wege begegneten ihm die Boten mit der Nachricht: „Deine Tochter ist gestorben, was bemühst du weiter den Meister?“ (Marc. 5,35.) Aber wäre Jesus wohl mit ihm so weit gegangen, um jetzt umzukehren, weil es Menschen dünkte, es sei zu spät zu helfen? Ihm war es nicht zu spät! Er wußte zum voraus, daß es so kommen würde. Jairus aber sollte besser glauben lernen. Er lernt es in der Noth. Sie steiget nicht allein; es steiget mit ihr der Drang der Sehnsucht, der Zug des Vertrauens, und das läßt nicht zu Schanden werden. Darum nur getrost! Sprich nicht: Ich bin zu schwach; wenn die Anfechtung kommt, wie werde ich bestehen! Sie wird kommen, und mit ihr der Herr; Er wird dich stärken in ihr und durch sie, und wird dir Waffen leihen, wie du sie bedarfst, zur Stunde, da sie noth sind. Das hat Er noch jederzeit gethan an allen Seinen Jüngern. Nicht in der wechselnden Empfindung, die wir davon haben, steht die Kraft des Glaubens; sie ruhet in dem Herrn, den wir damit erfassen. Wir halten Ihn nicht, aber Er hält uns; Er weiß die Schwachen aufzurichten und die Aengstlichen mit Muth zu füllen. Wenn wir nur treu sind und von Ihm nicht lassen, dann ist die Hülfe uns gewiß.

III.

Denn die Wirkung des Glaubens ist unfehlbar! - Das ist ein großes Wort, aber es ist nicht zu viel gesagt. Es ist auch nicht von mir ersonnen. Der Herr spricht: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr es empfangen werdet, so wird es euch werden.“ Marc. 11, 24. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Marc. 9, 23. Denn der Glaube wirket nicht durch sein Vermögen oder durch eines Menschen Macht und Willen; er wirket durch die Kraft der Allmacht Gottes. Der Glaube verläßt sich auf den Herrn, und weiß, er darf und soll sich auch auf Ihn verlassen. Was aber Gott will, muß geschehen. Darum wenn ich Seines Willens nur gewiß bin, so kann es mir nicht fehlen. Aber Seines Willens bin ich gewiß, wenn ich mich halte an Sein Wort; wenn ich Sein eignes Wort vor Ihm ausbreiten kann und kann Ihm sagen: Siehe, Herr! das hast Du mir versprochen; laß mich erfahren, daß Du thust nach Deinem Worte! Solcher Glaube siegt; er ist noch nie zu Schanden worden. Er scheint vielleicht eine Zeit lang wirkungslos; aber siehe plötzlich erlangt er viel mehr als er Anfangs gehofft hat. Er muß oft warten, wiederholt anklopfen. Aber zur rechten Stunde wird er überströmet mit der Fülle der Gewährung. Getäuscht ward er noch nie, wenn es ein Glaube war, kein bloßes Wähnen, kein Versuchen Gottes, kein geschmückter Zweifel, keine Maske, unter der sich unlautrer Sinn verstecken wollte.

Die kranke Tochter wünscht der Oberste in der Geschichte unseres Textes geheilt zu sehen. Er bittet darum im Glauben; er zweifelt nicht daran, der Herr vermag es zu thun. Aber siehe! die Tochter stirbt! Wo ist nun sein Glaube? Er wanket allerdings, er zaget; doch der Herr läßt ihn nicht gar versinken, und er erlanget, was er vorher zu bitten und zu hoffen sich nicht unterwunden hätte: seine Tochter, die schon gestorben ist, kehrt zurück in's Leben. O selige Versuchung, seliger Kampf des Glaubens, der so endet! - Zwölf Jahre hat das Weib gelitten und gebetet und geweinet; der Himmel schien verschlossen. Da ertönt der Ruf von Christo an ihr Ohr. Sie macht sich auf. Sie überwindet die Scham, welche sie zurückhält, die Schmach, die im Gesetz gelegt ist auf ihr Uebel, das Urtheil des Volkes, nach dem sie unrein ist und unrein macht, wen sie nur anrührt. Hier aber ist der Reine, vor dem ihre Schmach und Noth verschwindet wie ein Nebel, und was kein Fleiß und keine Pflege, kein Arzt und keine Arzenei vermocht, es ist mit Einem Male ihr gewährt. Krank, elend und zerschlagen ist sie ausgegangen; geheilt, voll Jubel, hochgemuth in seliger Erfahrung kehrt sie zurück. Ja ihr Glaube hat ihr geholfen! Er richtet die Demüthigen auf und läßt die Schwachen Stärke finden

So folget ihrem Beispiel; glaubt aus Hoffnung; haltet fest an dem Herrn. Verbindet im Glauben euer Los und euer persönliches Ergehen mit dem Siegen Seines Reiches, so gewinnt ihr Eines mit dem Andern. Es müssen doch alle Reiche dieser Welt des Herrn und Seines Christus noch einmal werden (Offenb. Joh. 11,15)! Es muß doch noch die ungezählte Schar aus allen Völkern, Sprachen und Zungen vor dem Stuhle Gottes und dem Lamme einmal stehen und Ihm ihre Jubellieder singen (Offenb. Joh. 7,9.10). Warum willst du nicht auch zu ihr gehören? Wer schließt dich aus, wenn du nicht selbst dich ausschließest? Wer heißt dich an Ihm, deinem Gott und Herrn, verzagen, wenn du nicht selbst von der lebendigen Quelle dich abkehrst zu den Pfützen, die du wählst, weil sie dir näher scheinen, die aber dich vom rechten Wege abziehen, bis du untergehst in Noth und Schrecken? Du meinst wohl: Ach, ich habe es schon versucht! mein Glauben hat mir aber nichts geholfen! - Ich nehme dich beim Worte; ja, du hast es vielleicht versucht! hast etwa einmal einen Anlauf dir genommen, um gleichsam im Vorbeigeh'n von dem Herrn etwas zu erlangen, was du gerade mochtest, und das hast du nicht bekommen. Mit Recht! denn Gott versuchen sollst du eben nicht. Du sollst dein Herz und Leben Ihm zum Opfer bringen, zu einem Opfer, bei dem du der gewinnende Theil bist, und dich also auf den Herrn verlassen, daß du gewiß bist, was dir gut ist, muß dir werden, ob früher oder später, auf dem Wege, den du denkest, oder einem andern; und sollst Gott ehren mit der Treue des Bekenntnisses, weil Er dein Gott ist und dein Hort, ob du nun lachest oder weinest, Freude oder Leid empfindest. Dann wirst du inne werden, daß Er treu ist, mehr als du verstehst und ahnest, und Seine Hülfe wird dich überraschen und beschämen, daß du Ihm dankst für Alles, und am meisten für die Zeit der Uebung, für die Zeit des Wartens. Denn sie hat deiner Seele wohl gethan, hat dich gedemüthigt und von Ungeduld und Eigenwillen dich geheilet, hat deinen Sinn geläutert und dein Herz gereinigt, und dich zu deinem Gotte näher hingezogen, daß du in Seiner Hülfe dich an Ihm erfreuest, und nicht bloß an den äußern Zeichen Seiner Gnade, welche Er in deine Hand legt. - Der Mann in unserm Texte konnte auch umkehren, als ihm die Nachricht von dem Tode seiner Tochter zukam, und konnte sagen: Ich habe es versucht, ob mir der Herr nicht helfe, aber siehe, es war auch umsonst! Dann hätte er's gemacht wie du in vielen Fällen. Aber er sprach nicht so. Er fühlte wohl den Schlag, der auf ihn fiel; es ging ihm die Anfechtung an das Herz und drang ihm in die Seele. Aber den Herrn verließ er nicht, und das Ende rechtfertigte sein Vertrauen also, daß er um Vieles nicht die Erfahrung hätte missen mögen, die Anfangs ihm so bitter war. -

Nur das schnöde Spiel, das Manche treiben, kann nicht gelten. Jahre lang und Jahrzehende, ja ihr ganzes Leben geht der Herr ihnen nach und wirbt um ihre Seelen, läßt durch Sein Wort sie zu Sich laden, ruft sie zur Buße und zum Glauben. Aber da ist kein Hören und kein Aufmerken; da geht der eine hin auf seinen Acker; der andere hat sonst was zu handthieren. Wir haben keine Zeit! antworten sie mit Einem Munde. Aber wenn sie in Noth sind, wenn die Folgen ihres Thuns oder göttliche Gerichte einbrechen und sie überfallen, dann rufen sie, und schnell soll Gott sie hören. Sie würden es nachher machen wie zuvor; von Buße und Bekehrung, von wirklicher Erkenntniß ihrer Irrthumswege, von Umkehr zu dem lebendigen Gott, der sie schlägt, um sie zu heilen, ist bei ihnen keine Rede. Doch wenn der Herr nicht thut nach ihrem Willen, dann lästern sie und sagen: Es ist mit dem Glauben auch nichts. Solche Zeugen können doch nicht gelten! Ihr Zeugniß kann nicht aufkommen wider Gottes Wort und wider die Erfahrung, die man in der Gemeinde der Heiligen macht alle Tage, wo auch viel Kampf und Noth ist, wo es nicht fehlt an Schmerz und Uebung, an Verleugnung und Entbehrung, aber noch weniger an Hülfe und Errettung, und wo die Antwort eines Jeden auf die Frage: Wollet ihr auch weggehen? heißen würde: Herr, wohin sollen wir gehen von Dir? Du hast Worte des ewigen Lebens und wir haben geglaubet und erkannt, daß Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!

Möchte die Zahl derer, welche also sprechen, in unsrer Mitte größer werden! möchte das Gebet des Herzens und das Bekenntniß ihres Mundes sie vereinen, daß sie sich gegenseitig stärkten in dem Herrn, nicht von Ihm zu lassen! Er ist noch allzeit nahe denen, die Ihn fürchten. Er pflanzet mitten in die Angst der Welt die Zeichen Seines Sieges auf, und macht zu Siegern alle, welche auf Ihn trauen. Herr! stärke uns den Glauben! das sei darum unsre Bitte an Ihn täglich. Er mehre unter uns die Buße zu Gott und befestige uns im Gehorsam Seines Willens, in der Geduld und Stille, die Sein harret! So wird auch der Jubel der Errettung hier und droben, in Zeit und Ewigkeit nicht mehr verstummen. Amen!

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