Bunyan, John - Die überschwängliche Gnade - I. Kapitel. Bunyan's Bekenntnisse seiner jugendlichen Gottentfremdung

Bunyan, John - Die überschwängliche Gnade - I. Kapitel. Bunyan's Bekenntnisse seiner jugendlichen Gottentfremdung

1628-1646.

In dieser meiner Erzählung, von dem gnädigen Wirken Gottes an meiner Seele, wird es wohl nicht verfehlt sein, wenn ich zuerst in wenigen Worten einige Andeutungen von meiner Abstammung und Erziehung gebe, damit dadurch die Güte und der Reichthum Gottes gegen mich destomehr hervorgehoben und verherrlicht werden möge unter den Söhnen der Menschen.

Meine Abstammung war, wie Viele wohl wissen, von einem geringen und unangesehenen Geschlecht, indem meines Vaters Haus von dem Stande war, der am geringsten und verachtetsten von allen Familien des ganzen Landes ist. Darum kann ich hier nicht, wie Andre, großsprechen von edlem Blut und von irgend einem hochgebornen Stande nach dem Fleische; obgleich ich dennoch die himmlische Majestät preise, daß Sie mich durch diese Thür in die Welt gebracht hat, um durch das Evangelium Theil zu nehmen an der Gnade und dem Leben, das in Christo ist.

Aber es gefiel Gott, trotz der Niedrigkeit und Unansehnlichkeit meiner Eltern, es ihnen in's Herz zu geben, mich zur Schule zu senden und Lesen und Schreiben lernen zu lassen, welches ich auch so lernte, wie es anderer armen Leute Kinder lernen; obgleich ich zu meiner Schande bekenne, daß ich bald fast gänzlich vergaß, was ich gelernt hatte, und das lange vor der Zeit, da der Herr Sein gnädiges Werk der Bekehrung an meiner Seele wirkte.

Was mein natürliches Leben angeht, so war es, in der Zeit, da ich ohne Gott in der Welt lebte, in der That „nach dem Laufe dieser Welt und nach dem Geiste, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens.“ Eph. 2,2-3. Es war meine Freude „vom Teufel gefangen zu sein, zu seinem Willen.“ 2. Tim. 2,26. Ich war „voll aller Ungerechtigkeit,“ welche auch so kräftig wirkte beides in meinem Herzen und Leben, daß ich von Kind auf nur wenige meines Gleichen im Fluchen, Schwören, Lügen und Lästern des heiligen Namens Gottes hatte.

Ja, so fest und gewurzelt war ich in diesen Dingen daß sie mir zur zweiten Natur wurden, welches, wie ich seitdem in Nüchternheit betrachtet habe, den Herrn so beleidigte, daß Er mich, selbst in meiner Kindheit mit schrecklichen Träumen und Gesichten scheuchte und erschreckte. Denn oft, wenn ich den einen und andern Tag in Sünden zugebracht hatte, wurde ich, während ich im Bette im Schlafe lag, sehr geängstigt von der Furcht vor Teufeln und bösen Geistern, welche, wie ich damals meinte, mich mitzunehmen trachteten, und von diesem konnte ich niemals loskommen, Ebenso wurde ich in diesen Jahren auch sehr geängstet von Gedanken an die fürchterlichen Qualen des höllischen Feuers; und ich fürchtete, daß mein Los noch unter jenen Teufeln sein werde, „welche da gebunden sind mit den Ketten und Banden der Finsterniß, bis auf das Gericht am großen Tage.“

Diese Dinge, sage ich, drückten meine Seele, als ich noch ein Kind von 9 oder 10 Jahren war, mitten in meinen Spielen und kindischen Eitelkeiten und mitten unter meinen eitlen Kameraden so darnieder, daß ich oft sehr niedergeschlagen und betrübt in meinem Gemüthe war; dennoch konnte ich nicht von meinen Sünden lassen. Ja, ich verzweifelte damals so an Leben und Himmel, daß ich oft wünschte, es möchte entweder keine Hölle geben, oder ich möchte ein Teufel sein, indem ich vermuthete, diese wären nur Quäler und wenn ich dann doch nothwendig in die Hölle müßte, so wollte ich lieber ein Quäler sein, als selbst gequält werden.

Nach einiger Zeit verließen mich jedoch diese schrecklichen Träume und ich vergaß sie auch bald, denn meine Vergnügungen schnitten die Erinnerung daran schnell ab, als ob sie nie dagewesen wären. Darum. ließ ich in voller Kraft mit noch mehr Gier meiner natürlichen Lust den Zügel schießen, und erfreute mich in allen Uebertretungen gegen das Gesetz Gottes, so daß ich, ehe ich in den Ehestand trat, der wahre Rädelsführer in allen Arten von Laster und Gottlosigkeit war.

Ja solche Uebermacht hatten die Lüste des Fleisches über meine arme Seele, daß, wenn es nicht ein Wunder der köstlichen Gnade verhindert hätte, ich nicht nur durch die Wucht der ewigen Gerechtigkeit untergegangen wäre, sondern mich auch der Strafe der Gesetze ausgesetzt hätte, welche Schande und Schmach auch vor den Augen der Welt bringen.

In diesen Tagen waren mir die Gedanken an geistliche Dinge sehr verdrießlich. Ich konnte sie selbst nicht leiden, noch ertragen, daß Andre sie hegten. Sah ich Leute in christlichen Büchern lesen, so fühlte ich mich in ihrer Gesellschaft wie in einem Gefängniß.

Damals sagte ich zu Gott: „Hebe Dich von mir, ich will von Deinen Wegen nichts wissen.“ Hiob 12,14-15. Ich war damals leer von allen guten Gedanken; Himmel und Hölle hatte ich nicht mehr vor Augen und im Sinn, und was Seligkeit und Verdammniß anging, so waren sie das Geringste in meinen Gedanken. O Herr, Du kennest mein Leben, und meine Wege sind nicht vorborgen vor Dir!

Aber dessen erinnere ich mich wohl, daß, obgleich ich selbst mit der größten Freude und Ruhe sündigen konnte, es doch meine Seele erschüttert hätte, wenn ich Diejenigen hätte Böses thun sehen, welche wahre Christen zu sein bekannten. So hörte ich, als ich auf dem Gipfel der Eitelkeit war, Einen fluchen, der für einen frommen Mann angesehen wurde, und es gab mir einen solchen Schlag in meinem Geiste, daß mir das Herz weh that.

Aber Gott verließ mich nicht gänzlich, sondern folgte mir, zwar nicht mit Ueberzeugen von der Sünde; sondern mit Gerichten, die mit Barmherzigkeit vermischt waren. Einmal fiel ich in einen Bach am Meere, und entkam nur mit knapper Noth der Gefahr des Ertrinkens. Ein andermal fiel ich aus einem Nachen in den Bedfordfluß, aber die Barmherzigkeit Gottes erhielt mich. Bei einer andern Gelegenheit, als ich mit meinen Kameraden im Felde war, geschah es, daß eine Otter über den Weg kam. Ich hatte einen Stock und schlug sie auf den Rücken und betäubte sie. Darnach brach ich ihr mit meinem Stock das Maul auf und riß ihr den Stachel mit meinen Fingern aus, wobei ich mir, wäre mir Gott nicht gnädig gewesen, durch meine Verwegenheit, selbst mein Ende hätte bereiten können.

Auch des folgenden Umstandes erinnere ich mich mit Dankbarkeit: Als ich Soldat war, wurde ich einmal mit Andern an einen Ort beordert, der belagert werden sollte; aber als ich grade fertig war zu gehen, wünschte ein Anderer aus der Compagnie für mich einzutreten, womit ich zufrieden war. Er nahm meine Stelle ein und wurde, während er Schildwache stand, von einer Flintenkugel in den Kopf getroffen und starb.

Hier, wie ich sagte, waren Gerichte und Gnade; aber keines von Beiden erweckte meine Seele zur Gerechtigkeit. Darum sündigte ich fort und wurde mehr und mehr ein Empörer wider Gott und je länger je sorgloser hinsichtlich meiner eigenen Errettung.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/bunyan/bunyan-die_ueberschwengliche_gnade_kpl/bunyan_dug_kapitel01.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain