Brockhaus, Rudolf - Die Braut, das Weib des Lammes

Brockhaus, Rudolf - Die Braut, das Weib des Lammes

1926

R. Brockhaus, Verlag, Elberfeld

Die Schriftstellen sind angeführt nach der im gleichen Verlage erschienen Bibelübersetzung der sogenannten „Elberfelder Bibel“

Die Braut, das Weib des Lammes

„Und es kam einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, voll der sieben letzten Plagen, und redete mit mir und sprach: Komm her, ich will dir die Braut, das Weib des Lammes, zeigen. Und er führte mich im Geiste hinweg auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt, Jerusalem, herniederkommend aus dem Himmel von Gott; und sie hatte die Herrlichkeit Gottes.“ (Offenbarung 21,9-10).

I.

„Ist Israel die Braut, das Weib des Lammes?“ – Eine seltsame Frage! wird mancher Leser denken. Sie wäre auch vor Jahren, nachdem man den Unterschied zwischen Israel und der Kirche und den diesbezüglichen Ratschlüssen und Wegen Gottes wieder kennen gelernt hatte, kaum denkbar gewesen. Seitdem es aber dem Feinde gelungen ist, den durch Gottes Gnade geklärten Blick mancher Gläubigen bezüglich ihrer himmlischen Berufung und ihrer Beziehungen zu dem verherrlichten Menschensohn droben von neuem zu trüben, ist die Frage wieder aufgetaucht und wird besprochen – zum Schaden für viele. Der Wunsch nach einer möglichst einfachen, aber überzeugenden Behandlung dieser Frage ist in letzter Zeit wiederholt laut geworden. Im Aufblick zu Dem, der allein Weisheit und Verständnis zu geben vermag, sei der Versuch dazu gemacht. Es liegt in der Natur der Sache, daß dabei manches längst Bekannte berührt werden muß.

Es gibt zwei große Gegenstände in dem weiten Bereich des göttlichen Zeugnisses: ein irdisches und ein himmlisches Volk oder: die Juden und Gottes Absichten mit ihnen als einer auserwählten, abgesonderten Nation, und die Kirche oder Versammlung (Gemeinde) und Gottes Ratschluß über sie „in Christo“. Gott entfaltet seine Herrlichkeit im ersten Falle in irdischen, im zweiten in himmlischen Dingen. Liegt der Anfangs- oder Ausgangspunkt dort in der Erschaffung von Himmel und Erde: „von Grundlegung der Welt an“, so liegt er hier in der Ewigkeit: „vor Grundlegung der Welt“. Dementsprechend führt uns das „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ des Alten Testaments (1 Mose 1,1) zu dem Beginn alles Sichtbaren, das „Im Anfang war das Wort“ (Johannes 1,1) des Neuen Testaments vor die Uranfänge der Erde, in „die Tage der Ewigkeit“. Das Alte berichtet uns die Geschichte des ersten Adam, seinen Fall, seine Erprobung, erst ohne, dann unter Gesetz, und schließlich sein und seiner Rasse endgültiges Verderben; das Neue erzählt uns von der Erscheinung des letzten Adam, des Fleisch gewordenen Wortes, von seinem Gehorsam bis in den Tod und von seiner Erhöhung zur Rechten Gottes als Haupt eines neuen Geschlechts.

Der geheimnisvolle Ratschluß Gottes im Blick auf Christum und die Versammlung konnte unmöglich im Alten Testament geoffenbart werden. Vor den Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit bestimmt, „in den Zeiten der Zeitalter verschwiegen“, blieb er den Geschlechtern der Menschen verborgen, bis der Heilige Geist nach dem Tode und der Verherrlichung Christi herniederkam und die Apostel und Propheten des Neuen Testaments „in die Tiefen Gottes“ hineinschauen ließ. (1 Korinther 2,13).

Aber weil dieses Geheimnis dem Herzen Gottes so überaus teuer war, hat es ihm gefallen, es auch im Alten Testament in Bildern und Schatten wieder und wieder zur Darstellung kommen zu lassen, in Bildern, die das erleuchtete, geistliche Auge heute mit Bewunderung und Anbetung betrachtet, und durch welche das Herz des Gläubigen tiefe, wunderbare Belehrung empfängt. Der Geist Gottes, der im Alten Bunde nicht persönlich auf der Erde weilte, aber damals wie heute die Tiefen Gottes erforschte und durch Menschen und Geschehnisse redete, hat auf diesem Wege dem Wohlgefallen Gottes mannigfaltigen Ausdruck gegeben. So erblicken wir schon gleich in dem ersten Menschen „ein Vorbild des Zukünftigen“. (Römer 5,14). Aus der Seite des in tiefen Schlaf versunkenen Adam (Bild des Todes Christi) nimmt Gott das Weib und stellt es vor ihn als seine Gehilfin und Teilhaberin an dem Besitz und der Beherrschung alles dessen, was Gott ihm gegeben und unterstellt hatte. Geradeso ist die Versammlung (Gemeinde) gleichsam aus dem gestorbenen Christus genommen, „von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Epheser 5,30) und wird bald, in Herrlichkeit vor ihn gestellt, mit ihm alles teilen, was ihm von jeher gehörte, was er aber als Mensch auf Grund seines Werkes von Gott empfangen hat und deshalb ihr mitteilen kann. „Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben.“ (Johannes 17,22). – Adam und Eva wurden auch zusammen „Mensch“ genannt, obwohl Eva in einem Sinne Adam untergeordnet war und nach ihm geschaffen wurde, geradeso wie Christus und die Versammlung in 1 Korinther 12,12 „der Christus“ – eine geheimnisvolle Person – genannt werden.

In dem Opfer Abels, der Entrückung Henochs, der Erwählung Abrahams, der Opferung Isaaks, der Berufung Rebekkas usw. usw. haben wir weitere, bekannte Bilder oder Abschattungen neutestamentlicher Wahrheiten, aber sie waren, gleich den späteren gesetzlichen Einrichtungen, eben doch nur „Schatten der zukünftigen Dinge“, während „der Körper Christi ist“. (Kolosser 2,17).

Christus ist nach vollendetem Werke hinaufgestiegen in die Höhe. Aus den Toten auferweckt durch die überschwengliche Kraft Gottes, ist er zur Rechten Gottes in den himmlischen Örtern gesetzt worden über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft, und Gott „hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“. (Epheser 1,19-23). Und seitdem er dort ist, vollzieht sich die Sammlung der Glieder dieses seines Leibes aus allen Völkern der Erde vermittelst der Wirksamkeit des persönlich niedergekommenen Heiligen Geistes, des anderen Sachwalters, der in den also Gesammelten wohnt und in Ewigkeit bei ihnen bleibt. (Johannes 14,16-17). Von dem Vater gesandt, holt er, wie einst dieser, für den eingeborenen Sohn aus fernem Lande die Braut, für die Christus alles aufgegeben hat, und weckt ihre Liebe und ihr Verlangen nach ihm dadurch, daß er von seiner Herrlichkeit zeugt und von dem Seinen nimmt und ihr verkündigt. (Johannes 16,14; vergl. 1 Mose 24,22-53). In Verbindung damit lesen wir in Epheser 5,31-32 die wunderbaren Worte: „Deswegen wird ein Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dieses Geheimnis ist groß: ich aber sage es in Bezug auf Christum und auf die Versammlung.“

Beachten wir also: Denn in dieser Weise, von den Gläubigen als der Braut oder dem Weibe die Rede ist, so tritt stets Christus oder das Lamm vor unsere Blicke.

Doch der Leser möchte einwenden: Alles das ist gut und schön; aber was hat es mit unserer Frage zu tun? Ich antworte mit dem Apostel in Römer 3,2: „Viel, in jeder Hinsicht“. Es zeigt uns zunächst, daß Gottes Ratschluß, seinem Sohne eine Braut, ein Weib zuzuführen, von den Zeiten „vor Grundlegung der Welt“ her – also lange bevor Israel einen Platz in Gottes Gedanken fand – bestanden hat, ferner, daß dieser Ratschluß wohl in dem Vaterherzen verborgen blieb, bis der Sohn Gottes herniederkam und Mensch wurde, daß Gott aber, menschlich gesprochen, es nicht über sich gewinnen konnte, ganz davon zu schweigen. Menschen und Umstände mußten, wie weiter oben bemerkt, dazu dienen, wurden so gebildet und geleitet, daß sie immer wieder, wenn auch schwach, so doch überaus liebliche Bilder von diesem Ratschluß vor das Auge des Vaters hinstellten. Weiter lernen wir, daß der ganze Plan Gottes bezüglich der Erwerbung eines Weibes für seinen Sohn mit der Menschwerdung Christi in Verbindung steht, ja, diese zur unerläßlichen Bedingung hat. Es ist der Mensch gewordene Sohn Gottes, für den die Braut gesucht wird. Er selbst kommt und stirbt für sie, um sie aus ihrem elenden Zustande zu befreien. In seiner Liebe verkauft er alles, was er hat, wird arm, gibt sich selbst für sie, um sie zu heiligen und sie am Ende sich selbst verherrlicht dazustellen. (Epheser 5,25-27).

Erst nach dem Tode und der Auferstehung des Herrn konnte der Heilige Geist, wie bereits gesagt, herniederkommen, um die Braut zu sammeln. Der verherrlichte Menschensohn, der als solcher das Haupt bildet über alles, was im Himmel und auf Erden ist, führt die Braut heim ins Vaterhaus, wohin sie als sein Weib gehört. Dort wird die Hochzeit des „Lammes“ gefeiert. Ihr, dem nunmehrigen „Weibe des Lammes“, wird gegeben, sich in „seine glänzendreine Leinwand“ zu kleiden; die Gerechtigkeiten der Heiligen, mit anderen Worten alles, was die Braut in ihrer Wartezeit hienieden für ihren himmlischen Bräutigam sein und tun durfte, bilden ihr Hochzeitskleid, ihren Schmuck. Dann begleitet sie „den König der Könige und Herrn der Herren“ auf seinem Siegeszuge, um mit ihm die Welt zu richten und über alles zu herrschen; und endlich, nach Beendigung der tausendjährigen irdischen Segnung, wenn das Gericht der Toten vollzogen ist und die alte Schöpfung dem neuen Himmel und der neuen Erde Platz gemacht hat, kommt sie aus dem Himmel hernieder „wie eine für ihren Mann geschmückte Braut“, d. h. in derselben unvergänglichen Schönheit und Pracht, wie sie ihm einst bei ihrer Entrückung dargestellt wurde. Dann wird der, der auf dem Throne sitzt, sagen: „Siehe, ich mache alles neu“. Von Ewigkeit zu Ewigkeit wird Gott in der Erfüllung seines Ratschlusses ruhen und in seiner „Hütte“ (die Versammlung behält allezeit diesen bevorzugten Platz) bei seinem „Volke“, den Menschen der neuen Erde, wohnen. (Offenbarung 19,6-21,8).

Daß die heilige Stadt, das neue Jerusalem, das in Offenbarung 21,2 „aus dem Himmel herniederkommt von Gott“, die Braut, das Weib des Lammes ist, wird im 9. und 10. Verse desselben Kapitels unzweideutig gesagt. Es darf uns nicht Wunder nehmen, daß sie uns unter diesem Bilde gezeigt wird. Eine Stadt ist das Bild einer geordneten Verwaltung und Regierung, und wir wissen, daß die Braut dazu berufen ist, dereinst mit ihrem Geliebten zu herrschen, ja, sogar Welt und Engel zu richten. (1 Korinther 6,2-3). Schon in Hebräer 12,22 lesen wir von „der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem“; so auch in Offenbarung 3,12 von „dem neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von Gott“, und in Galater 4,26 von „dem Jerusalem droben, welches unsere Mutter ist“. Es liegt auf der Hand, daß diese Bezeichnungen den irdischen, einst unter Israel bestehenden Verhältnissen entnommen sind, zugleich aber auch, daß sie völlig andere, dem Früheren entgegengesetzte Dinge beschreiben sollen. Es ist das Jerusalem droben, das neue oder himmlische Jerusalem, das an die Stelle des irdischen tritt und im tausendjährigen Reich zugleich mit und über diesem besteht. Diese himmlische Stadt bedarf nicht des Lichtes der Sonne oder des Mondes, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und die ihr das Licht vermittelnde „Lampe“ ist das Lamm. Dennoch werden „die Nationen“ durch ihr Licht wandeln und die „Könige der Erde“ ihre Herrlichkeit zu ihr bringen. (Offenbarung 21,23-24). Mit anderen Worten: In den Tagen der tausendjährigen Herrlichkeit wird eine Verbindung bestehen zwischen ihr und den Bewohnern der Erde. „Jehova wird über jede Wohnstätte des Berges Zion und über seine Versammlungen eine Wolke und einen Rauch schaffen bei Tage und den Glanz eines flammenden Feuers bei Nacht (die wohlbekannten Symbole der Gegenwart oder der Herrlichkeit Gottes); denn über der ganzen Herrlichkeit (des irdischen Jerusalem) wird eine Decke sein.“ (Vergl. Jesaja 4,3-6).

Zu der Braut, dem späteren Weibe des Lammes gehören nur wahre Gläubige, nur solche, die mit Christo in seinem Tode und seiner Auferstehung einsgemacht worden (verwachsen) sind, nur solche, die, durch den Geist zu einem Leibe getauft, als Glieder dem Leibe Christi eingefügt sind. Darum eiferte Paulus auch „mit Gottes Eifer“ für die Gläubigen in Korinth, da er sie „einem Manne verlobt hatte, um sie als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen“. (2 Korinther 11,2). Das Verhältnis von Gott selbst zwischen Christo, dem auferstandenen Menschen, und den himmlischen Heiligen gebildet, ist unlöslich. Es gründet sich nicht auf eine äußere Berufung, sondern ist Gottes Werk in Christo Jesu.

II.

Auf welch einen völlig anderen Boden treten wir, wenn wir uns jetzt zu Israel wenden!

An die Stellte von Ewigkeit und Himmel treten Zeit und Erde. Israel war das von Gott auserwählte irdische Volk, eine Nation, die als solche durch Bündnisse und Verheißungen sowie durch äußere Mittel: das Blut des Passahlammes, die Beschneidung, das Gesetz, den Dienst usw., von allen anderen Völkern der Erde abgesondert war – ein Volk, das wiederum als solches, zu Jehova, seinem Bundesgott, in Beziehung stand und auch am Ende der Tage wieder in Beziehung stehen wird. Die innere geistliche Verbindung, die zwischen den wahren Gläubigen in der Mitte Israels und Gott bestand, hatte nichts mit dieser allgemeinen äußeren Beziehung zu tun. Jehova betrachtete sein Volk, ob gläubig oder nicht gläubig, als sein „Weib“, das unter ihm war und ihm Gehorsam und Anerkennung seiner Rechte als „Mann“ schuldete. Wandte es sich von ihm ab zu anderen „Männern“, d. h. zu den Götzen der übrigen Völker, so wurde es eine „Ehebrecherin“. Es trieb „Hurerei“ in geistlichem Sinne. Daß diese Sünde auch in ihrer buchstäblichen Bedeutung in der Mitte des Volkes im Schwange war und im Laufe der Zeit furchtbare Formen annahm, ist bekannt, kommt aber hier nicht in Betracht.

Israel war also als Volk das „Weib Jehovas“. Wird Israel denn niemals „Braut“ genannt? Doch. Als das Volk Ägypten verlassen, das Rote Meer durchschritten hatte und nun als das Eigentumsvolk Jehovas durch die Wüste zog, da betrachtete Jehova es als seine „Braut“, das will sagen, es war noch nicht voll und ganz in das neue Verhältnis zu seinem Gott eingeführt. Im Blick auf diese Zeit lesen wir in Jeremia 2,2-3: „So spricht Jehova: Ich gedenke dir die Zuneigung deiner Jugend, die Liebe deines Brautstandes, dein Wandeln hinter mir her in der Wüste, im unbesäten Lande. Israel war heilig dem Jehova, der Erstling seines Ertrags.“1)

Herrliche, gnadenreiche Worte! Aber ach! gleich nachher muß Gott klagend ausrufen: „Was haben eure Väter Unrechtes an mir gefunden, daß sie sich von mir entfernt haben und der Nichtigkeit (d. h. den nichtigen Götzen) nachgegangen sind?…Hat irgend eine Nation die Götzen vertauscht? und doch sind sie nicht Götter; aber mein Volk hat seine Herrlichkeit vertauscht gegen das was nichts nützt. Entsetzt euch darüber, ihr Himmel und schaudert, starret sehr! spricht Jehova.“ Und im nächsten Kapitel: „Fürwahr, wie ein Weib ihren Freund treulos verläßt, so habt ihr treulos gegen mich gehandelt, Haus Israel, spricht Jehova“. (Jeremia 2,5-11; Jeremia 3,20).

Immer und immer wieder reden die Propheten in ähnlicher Weise, indem sie Juda oder Israel, oder beide, aber auch Jerusalem eine Hure, ein ehebrecherisches Weib nennen, das ihrem Manne (Jehova) die Treue gebrochen hat, und darum von ihm ihr gerechtes Urteil empfängt: Entlassung und Überantwortung in die grausamen Hände ihrer Buhlen. (Vergl. Jesaja 50,1; Hesekiel 16; Hesekiel 23; Hosea 2,2-5; Hosea 3,1). Zugleich aber verkünden sie auch in ergreifender Weise die reuevolle Umkehr des Volkes „am Ende der Tage“ zu seinem „ersten Mann“, nachdem es „Zwiefältiges für alle seine Sünden empfangen hat“ (Jesaja 40,2), und Jehova sich ihm in Erbarmen wieder zuwendet. In der Zwischenzeit befindet sich Israel im „Witwenstand“, sie ist eine Vereinsamte, Unfruchtbare, gleicht einem verstoßenen Weibe usw. Im Zorneserguß hat Jehova sein Volk für einen kleinen Augenblick verlassen. Aber auch verstoßen? „Das sei ferne!“ ruft Paulus in Römer 11,1 aus. Nein, der Schilderung der Verwerfung des Messias in Jesaja 53 und seiner Leiden um der Sünden seines Volkes willen folgen sofort im nächsten Kapitel die wunderbaren Worte: „Jubele, du Unfruchtbare, die nicht geboren, brich in Jubel aus und jauchze, die seine Wehen gehabt hat! denn der Kinder der Vereinsamten sind mehr als der Kinder der Vermählten, spricht Jehova… Fürchte dich nicht, denn du wirst nicht beschämt werden…sondern du wirst…der Schande seiner Witwenschaft nicht mehr gedenken. Denn der dich gemacht hat ist dein Mann, - Jehova der Heerscharen ist sein Name – und der Heilige Israels ist dein Erlöser: Er wird der Gott der ganzen Erde genannt werden. Denn wie ein verlassenes und im Geiste betrübtes Weib ruft dich Jehova, und wie ein Weib der Jugend, wenn sie verstoßen ist, spricht dein Gott.“ (Lies Jesaja 54,1-10).

Noch viele andere, ähnliche Stellen könnten angeführt werden, vor allem Hosea 2,14-23, aber sie alle zeigen auf den ersten Blick den gewaltigen Unterschied zwischen dem Verhältnis des Volkes Israel als Braut oder Weib zu Jehova, seinem Gott, und dem gegenwärtigen bräutlichen Verhältnis der Gläubigen zu Christo, dem verherrlichten Menschensohn zur Rechten Gottes, oder dem späteren als „Weib des Lammes“. Es ist schwer zu verstehen, wie es überhaupt möglich ist, beide miteinander zu verwechseln und zu der Frage zu kommen, ob etwa Israel die Braut des Lammes sei; umsomehr als es sich ausnahmslos in dem einen Falle um irdische Verhältnisse und Segnungen (vergl. u. a. Hose 2,21-23), in dem anderen um himmlische handelt. Zugleich ist der von Israel zu seiner Befreiung Erwartete nicht etwa der erhöhte Menschensohn, von welchem der Heilige Geist gegenwärtig zeugt, - die Juden, auch selbst der Überrest zur Zeit der Endgerichte, kennen ihn so ja gar nicht, glauben nicht so an ihn, sondern sie erwarten Jehova auf dem Pfade seiner Gerichte, (Jesaja 26,8; vergl. Jesaja 25,9; Micha 7,7-10). Ein Rufen, wie es in Offenbarung 22,17 gemeinsam von dem Geist und der Braut ertönt, kann gar nicht auf Israel angewandt werden aus dem einfachen Grunde, weil zur Zeit des Endes, wenn dieser Ruf aus dem Munde des jüdischen Überrestes ertönen könnte, der Geist gar nicht mehr auf der Erde ist. Nachdem er die himmlische Braut dem Bräutigam entgegengeführt hat, wird er nach Joel 2,27 ff.2) erst wieder ausgegossen werden, nachdem die große Drangsalszeit vorüber ist und Gott sich seines Volkes wieder angenommen hat. Wie könnte also, von allem anderen abgesehen, der Geist mit den Gläubigen aus Israel gemeinsam rufen: „Komm!“?

Daß der Geist Gottes in jenen Gläubigen der Endzeit wirken, sie leiten, ihnen Ausharren schenken und in ihnen die Gefühle wecken wird, welche in so vielen Psalmen in ergreifender Weise zum Ausdruck kommen, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden. Es wird dann wieder ähnlich sein wie mit den Gläubigen des Alten Bundes oder den Jüngern zur Zeit des Herrn Jesus, nur mit dem Unterschiede, daß damals „der Geist noch nicht da war, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war“ (Johannes 7,39), während er am Ende der Tage nicht mehr da sein wird, weil er in den Himmel zurückgekehrt ist und deshalb im Beginn des Reiches wieder neu ausgegossen werden muß. Das Wohnen des Geistes in den Gläubigen, während ihr Herr droben im Himmel weilt, ist das charakteristische Kennzeichen der gegenwärtigen Zeit.

Viele Male begegnen wir auch in den prophetischen Büchern dem Ausdruck „an jenem Tage“. Es ist der Tag, von dem „nur der Vater weiß“, wie der Herr Jesus in Markus 13,32 sagt, den Gott festgesetzt hat zur Ausführung seiner Gerichte an den Völkern der Erde und seiner Gnadenabsichten mit Israel. Mit ihm stehen Zahlen, „Zeiten und Zeitpunkte“ (Apostelgeschichte 1,7; 1 Thessalonicher 5,1-2) in Verbindung, werden in dem Buche Daniel und in der Offenbarung Jahrwochen, Jahre, Monate und Tage genannt. Der Braut des Lammes wird dagegen nur vom Herrn gesagt: „Ich komme bald!“ Sie erwartet die Erfüllung ihrer Hoffnung täglich, stündlich, und wenn diese dann plötzlich eintritt, so ist die Befriedigung und frohlockende Freude ihr Teil, wie es für eine Braut bei der Rückkehr des so lang abwesend gewesenen Bräutigams natürlich ist.

Aber „jener Tag“? Er kommt nicht nur wie ein Dieb in der Nacht, als ein plötzliches Verderben über die sich sicher wähnenden Völker, sondern er bringt auch schmerzliche Reue, bitterliches Klagen und Jammern über den Überrest Israels. Wohl wird die Erscheinung des Erretters sie aus der Gewalt ihrer Feinde für immer befreien und „ewige Freude“ über ihr Haupt bringen (Jesaja 35,10), aber zunächst werden sie sehen, daß der zu ihrem Heil kommende der ist, den sie verworfen und ans Kreuz geschlagen haben. (Vergleich Sacharja 12,10-14). Der Freude geht tiefes, bitteres Leid voraus. Wie ganz anders ist es, wie gesagt, mit der Braut! Wäre wohl anzunehmen, daß sie jemals fragen könnte: „Was sind das für Wunden in deinen Händen?“ Nein, wir singen mit Recht „Er ist’s! frohlockt dann jeder Mund“. Wir werden in seliger, unvermischter Freude ihm begegnen, dem wir schon so lang gekannt, geliebt und erwartet haben, und „werden ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“. (1 Johannes 3,2).

Noch eins: Wenn in Hosea 2,16 gesagt wird, daß „an jenem Tage“ Jehova von Israel wieder „Mein Mann“ genannt werden wird, und er sich seinem Volke verloben wird in Ewigkeit, in Gerechtigkeit und Gericht und in Güte, Barmherzigkeit und Treue, so endet das Ganze mit den Worten: „Und du wirst Jehova erkennen“, und: „Und ich will zu Lo-Ammi sagen: Du bist mein Volk, und es wird sagen: Mein Gott“. Immer wieder begegnen wir dem tiefgehenden, grundsätzlichen Unterschied zwischen Israel und der Kirche, zwischen dem nach langer Entlassung wieder angenommenen Weibe Jehovas und der Braut Christi, dem Weibe des Lammes.

Wenn dieser Unterschied allgemein erkannt und festgehalten würde, so würde wohl auch niemand daran denken, das Buch der Offenbarung, wie es zuweilen geschieht, ein Buch für Israel oder gar ein „jüdisches Buch“ zu nennen. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir auch in der Offenbarung die Kirche nicht in der Weise dargestellt finden wie in den Schriften des Apostels Paulus, in ihrem vertrauten Verhältnis zu Christo als Haupt, noch auch den innigen Beziehungen begegnen, die zwischen Gott, dem Vater, und seinen Kindern bestehen, ist doch das ganze Buch nicht nur eine unmittelbare Mitteilung an die „Versammlungen“ (Offenbarung 1,11; Offenbarung 22,16), sondern enthält auch neben überaus ernsten und kostbaren Belehrungen für die Kirche in ihrer Verantwortlichkeit hienieden eine prophetische Darstellung ihrer Geschichte bis ans Ende.

Die Offenbarung ist ein Buch der Gerichte, der richterlichen Wege Gottes, und zwar zunächst mit der bekennenden Kirche als einem auf dieser Erde errichteten System, wo sie verantwortlich ist, das Zeugnis Gottes aufrecht zu halten, und dann mit der Welt. Dementsprechend ist auch der Charakter, in welchem Christus sich im Anfang des Buches offenbart, durchaus irdisch: Er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde. Von dem, was er jetzt im Himmel ist, ist gar keine Rede. Auch werden „Engel“ als Vermittler der Botschaften Gottes, Vollstrecker seiner Befehle usw. eingeführt, wie bei den Wegen Gottes mit dieser Erde im Alten Testament, und wir begegnen vielen Bildern, die uns aus jener Zeit wohlbekannt sind. Die Frage, warum die Heimholung der Braut nur in geheimnisvoller Weise erwähnt wird, findet ihre Beantwortung wieder in dem Umstand, daß das ganze Buch ein Zeugnis Gottes über die Erde und ihre Bewohner ist, in welchem die Entrückung der Kirche in den Himmel eben keinen Platz hat. Im 4. und 5. Kapitel erscheinen die himmlischen Heiligen im Himmel, und im Anfang des 21. Kapitels erblicken wir das Volk Gottes, die Menschen der neuen Erde, um die „Hütte Gottes“ geschart, aber in beiden Fällen wird uns nicht gesagt, wie sie dahin gekommen sind. Um das zu erfahren, müssen wir andere Stellen der Schrift, wie z. B. 1 Korinther 15,55 ff. und 1 Thessalonicher 4,133) u.a. zu Rate ziehen, indem wir so immer wieder die Wahrheit des Wortes erproben, daß „keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist“. (2 Petrus 1,20).

Selbstverständlich gedenkt Gott allezeit seines irdischen Volkes und seiner Beziehung zu ihm (Offenbarung 11,1-13.19) und bewahrt einen Überrest durch die Gerichte hindurch (Offenbarung 7,1-8; Offenbarung 14,1-5), aber das läuft nur nebenher, ist nicht der eigentliche Gegenstand des Buches.

Indes mag es gut sein, noch einige Einzelheiten zu gedenken. Im 21. Kapitel von Vers 9-27 wird uns, wie schon sahen, die Braut, das Weib des Lammes unter dem Bilde einer Stadt, des neuen oder himmlischen Jerusalem gezeigt. Daß wir dabei nicht an eine Stadt im buchstäblichen Sinne denken dürfen, geht schon daraus hervor, daß sie zwölftausend Stadien lang und breit und hoch ist, also einen gewaltigen Würfel bildet. Von einer solchen „Stadt“ können wir uns gar keine Vorstellung machen. Alles ist symbolisch in dieser Beschreibung: die Zahlen und Maße, die Perlentore, die Mauern von Jaspis, die Straße von reinem Golde wie durchsichtiges Glas, die Grundlagen usw., und alles ist vollkommen. Einen Tempel enthält sie nicht. Gott selbst ist ihr Tempel und das Lamm – wieder ein Beweis, daß an Israel hier gar nicht zu denken ist.

Aber, wendet man ein, auf die Tore der Stadt sind die Namen der zwölf Stämme Israels geschrieben. Ja, zunächst wohl aus dem einfachen Grunde, weil das Heil, wie der Herr Jesus selbst sagt, aus den Juden ist. Zugleich aber deuten diese Namen an, daß das neue Jerusalem, wie wir schon sahen, am Ende der Tage in Beziehung stehen wird zu dem wiederhergestellten Israel. Auf den Grundlagen der Stadt stehen aber die Namen der zwölf Apostel des Lammes, mit denen Israel als Volk gar nichts zu tun hat, während wir in Epheser 2,20 lesen, daß die Apostel und Propheten des Neuen Testaments die Grundlage der Behausung Gottes bilden.

Im 19. Kapitel wird uns die Hochzeit des Lammes beschrieben, zu welcher sein Weib sich bereitet hat. Die beiden vorhergehenden Kapitel schildern in erschreckenden, aber deutlichen Bildern die furchtbaren Endgerichte, die über die „Mutter der Huren“, die untreue Kirche, das geistliche Babylon, kommen, woraufhin der ganze Himmel in Jubel ausbricht: „Halleluja! denn wahrhaftig und gerecht sind seine Gerichte; denn er hat „die große Hure“ gerichtet, welche die Erde mit ihrer Hurerei verderbte usw.“ (Offenbarung 19,1-5). Mit einem zweiten Halleluja, das wie mächtiges Donnerrollen durch die Himmel hallt, und der Aufforderung: „Laßt uns fröhlich sein und frohlocken und ihm Ehre geben!“ wird dann die Hochzeit des Lammes angekündigt. Seine Braut, sein Weib, war längst bei ihm, aber jetzt erst, nachdem ihr entsetzliches Zerrbild auf der Erde gerichtet und entfernt ist, wird sie in die vollen Rechte ihrer Stellung eingeführt.

Wie gewaltig und ergreifend, aber auch wie einfach und folgerichtig ist das alles! Man muß dem Worte geradezu Gewalt antun, wenn man an dieser Stelle Israel einführen will. Und so ist es immer wieder in diesem Buche, mit Ausnahme der wenigen Israel betreffenden Abschnitte, die wir bereits andeuteten.

Ganz besonders unverständlich aber ist es, wenn man Offenbarung 22,17 mit dem Volke Israel in Verbindung bringen will. Wir machten schon weiter oben darauf aufmerksam. Nachdem unser geliebter Herr sich im vorhergehenden Werke als die Wurzel und das Geschlecht Davids, Gott und Mensch in einer Person4) und als der glänzende Morgenstern angekündigt hat, lesen wir: „Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und er es hört, spreche: Komm! Und wen da dürstet, der komme; wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Alles atmet hier Frieden, Liebe und Gnade, wie es bei der Stellung und Erwartung der himmlischen Braut, der Versammlung oder Kirche Christi, auch gar nicht anders erwartet werden kann.

Welch ein anderer Geist aber weht uns entgegen, sobald von der Hoffnung Israels am Ende der Tage die Rede ist! Durch wen und wann wird für den Überrest Israels Rettung kommen? Durch den „Gott der Rache“, der Vergeltung gibt seinen Feinden und die Blutschulden Jerusalems hinwegfegt durch den Geist des Gerichts und des Vertilgens. Erst wenn das geschehen ist, werden die in Zion Übriggebliebenen und in Jerusalem Übriggelassenen, alle, die „zum Leben eingeschrieben sind in Jerusalem“, dem Herrn heilig heißen. (Jesaja 4,2-4). Es ist schon oft auf den Unterschied hingewiesen worden, der auch in dieser Beziehung besteht zwischen dem Kommen des Herrn zur Einholung seiner himmlischen Braut und seiner Erscheinung zur Befreiung seines irdischen Volkes. Während im ersten Falle alle, die zur Braut gehören, entrückt, hinweggenommen werden und die Ungläubigen zurückbleiben, um den kommenden Zorn zu begegnen, werden im zweiten Falle gerade umgekehrt die Ungläubigen im Gericht hinweggerafft und die Gläubigen auf dieser Erde zurückgelassen werden, um in die Segnungen des Reiches einzugehen. Die Übrigbleibenden sind also im letzten Falle die Gesegneten. Es wird gerade so sein wie in den Tagen Noahs oder Lots: Die Gottlosen werden genommen, die Gerechten gelassen. (Vergl. Lukas 17,26-35).

Auch im 35. Kapitel des Propheten Jesaja, daß uns in farbenreichen Bildern die Herrlichkeit des Tausendjährigen Reiches schildert, werden die, welche unter dem Druck der letzten Drangsale zaghaften Herzens geworden sind, aufgefordert, die schlaffen Hände zu stärken und die wankenden Kniee zu befestigen, und dann mit Worten getröstet: „Seid stark, fürchtet euch nicht! Siehe, euer Gott kommt, Rache kommt, die Vergeltung Gottes! Er selbst kommt und wird euch retten.“ (Jesaja 35,4). Und im 64. Kapitel desselben Propheten ruft der Überrest: „O daß du die Himmel zerrissest, herniederführest, daß vor deinem Angesicht die Berge erbebten, wie Feuer Reisig entzündet, Feuer die Wasser wallen macht…indem du furchtbare Taten vollziehst, die wir nicht erwarteten!„5) Und in Psalm 94,1-2: „Gott der Rache, Jehova, Gott der Rache, strahle hervor! Erhebe dich, Richter der Erde, vergilt den Hoffärtigen ihr Tun!“ (Vergl. Jesaja 59,17-21; Psalm 80 u. a. St.).

Größere Gegensätze, als sie bestehen zwischen der Entrückung der Braut, die Erscheinung des „glänzenden Morgensterns“, und der Erlösung Israels, dem Aufgehen der „Sonne der Gerechtigkeit mit Heilung in ihren Flügeln“ (Maleachi 4,2), könnte es also gar nicht geben. Charakteristischerweise beschließt deshalb auch das eine das Alte Testament, die andere das Neue, und während die Erscheinung des Herrn von gewaltigen Naturereignissen und Gerichten eingeleitet und begleitet ist, und Engel das Reich des kommenden Königs vom allen Ärgernissen einigen (Matthäus 13,41), vollzieht sich seine Niederkunft zur Abholung seiner Braut, die durch die Auferstehung der „Toten in Christo“, der „durch Jesum Entschlafenen“ und die Verwandlung der dann auf Erden noch lebenden Gläubigen eingeleitet wird, ganz in der Stille, ohne alle auffallenden äußeren Erscheinungen, genau so wie seinerzeit seine eigene Auferstehung und Entrückung in den Himmel. Und während in dem letzten Falle die Aussicht, „allezeit bei dem Herrn zu sein“, da wo er jetzt ist, der Braut zur höchsten Ermunterung dienen soll (1 Thessalonicher 4,13-18), wird in dem ersten die Regierung eines „Königs“ in Gerechtigkeit und Frieden verheißen, und wenn dieser König dann herrschen wird „von Meer zu Meer und vom Strome bis an die Enden der Erde“, wird „Fülle von Frieden sein, bis der Mond nicht mehr ist“. Die „Königin“ (Jerusalem), nicht die Braut, wird zur Rechten des „Königs“ stehen in „Gold von Ophir“, und irdischer Glanz, zeitliche Segnungen werden ihr verheißen, eine Herrschaft, solange die Sonne besteht. (Vergl. Jesaja 32; Psalm 45,9; Psalm 72,7; Psalm 89,36-37).

Fassen wir zum Schluß das Gesagte noch einmal in einigen kurzen Sätzen zusammen:

1) Israel, das irdische Volk Gottes, wird in der Schrift wiederholt das Weib Jehovas genannt, niemals aber die Braut, das Weib des Lammes. Seinem „Manne“ untreu geworden, hat Israel alle Ansprüche, die aus jenem Verhältnis hervorgingen, verloren. Von einer Beziehung Israels als Braut zu Christo, dem Sohne des Menschen, oder dem Lamm ist nirgendwo die Rede.

2) Gott wird am Ende der Tage sich seinem Volke wieder zuwenden und in bedingungsloser Gnade, auf Grund der den Vätern (Abraham, Isaak und Jakob) gemachten Verheißungen, seine Beziehungen zu Israel wieder anknüpfen. Die „Witwe“, d. i. der aus den Gerichten „übriggebliebene Überrest“, wird zu ihrem „ersten Manne“ zurückkehren, und Jehova wird sich sein Volk wieder verloben in Gerechtigkeit und Gericht, und in Güte, Barmherzigkeit und Treue. Die „Nicht-Begnadigte“ wird wieder zur „Begnadigte“ werden (Hosea 2), Jehova selbst wird dann König sein über die ganze Erde, Jerusalem seine, des großen Königs Stadt. (Sacharja 14,9; Jesaja 24,23; Jesaja 52,7; Micha 4,7; vergl. Psalm 93-100).

3) Mit der Verwerfung des Messias-Jehova durch Israel erschloß sich für Gott die Tür zur Offenbarung und Ausführung seines ewigen Ratschlusses in Verbindung mit dem Sohne seiner Liebe. Ganz unabhängig von seinen Wegen mit Israel, und seine Verbindung mit dem Volke für diese Zeit völlig aufgehend, sandte er den Heiligen Geist auf die Erde herab, um aus Juden und Heiden ein himmlisches Volk, eine Braut für seinen Sohn zu sammeln. Während diese Sammlung vor sich geht, ist Israel Lo-Ammi: Nicht-mein-Volk.

4) Auf Grund seines vollendeten Werkes wurde Christus als „der Erstgeborene aus den Toten“ das Haupt seines Leibes, der Versammlung (Gemeinde). Wie dem ersten Adam, gab Gott dem zweiten Menschen, dem letzten Adam, eine „Ihm“ entsprechende Gehilfin. Diese, „von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“, liebt, nährt und pflegt er und wird sie bald als sein Weib sich selbst verherrlicht darstellen. Israel, als Volk, steht völlig außerhalb der Sache.

5) Ehe der Herr die Erde verließ, um droben eine Stätte für die Seinigen zu bereiten, hat er verheißen, wiederzukommen und sie zu sich zu nehmen, damit sie da seien, wo er ist, und nun schauen „Geist und Braut“ sehnend nach ihm aus und rufen: Komm! Diese Hoffnung gehört ausschließlich dem Christen, nicht dem Juden.

6) Im Buche der Offenbarung wird die Braut das Weib des Lammes genannt und unter dem Bilde des neuen himmlischen Jerusalem gesehen. So wird sie während des Tausendjährigen Reiches über der irdischen Herrlichkeit ihren Platz haben und im ewigen Zustand die Hütte Gottes bei den Menschen der neuen Erde bilden, gleichsam als Mittelpunkt dieses seligen Volkes, d. i. all der Erlösten, die nicht zu ihr, dem Weibe des Lammes, gehören. Israel als solches, hat damit nichts gemein.

7) Das geschlachtete Lamm, dem die Ausführung aller Regierungswege und Gerichte übertragen ist, weil es „überwunden“ hat, und dem, wiederum als kostbarer Lohn seiner Schmerzen, das Weib zur Seite gestellt wird, um alles mit Ihm zu teilen (Offenbarung 5 und Offenbarung 19), wird dann „das Reich dem Gott und Vater übergeben, auf daß Gott alles in allem sei“. (1 Korinther 15,24-28). Damit ist der ewige Zustand, der „Tag Gottes“ angebrochen. (2 Petrus 3,12-13). Der neue Himmel und die neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, sind da. Alles ist neu gemacht, und Gott wohnt in seiner Hütte, bei den Menschen von Ewigkeit zu Ewigkeit. (Offenbarung 21,1-8). Der Ratschluß Gottes in Verbindung mit Israel kommt mit dem Vergehen der alten Schöpfung zu seinem endgültigen Abschluß. Die Braut, das Weib des Lammes, behält ewiglich ihren Platz zur Seite ihres Mannes.

Gott erhalte unser Auge einfältig und unser Herz nüchtern und gebe uns, allezeit „das Wort der Wahrheit recht zu teilen“ (2 Timotheus 2,15), damit wir vor allem Irregehen bewahrt bleiben!

1)
Auch in den Evangelien wird auf das bräutliche Verhältnis angespielt. Johannes der Täufer sagt: „Der die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der da steht und ihn hört, ist hoch erfreut über die Stimme des Bräutigams“. (Johannes 3,29). Aber in dieser Stelle, wie auch in den anderen, wo Jesus von den „Söhnen des Brautgemachs“ redet (Matthäus 9,15; Markus 2,19; Lukas 5,34), handelt es sich wohl nur um ein liebliches Bild, ein Gleichnis; und selbst wenn man dasselbe weiter ausführen wollte, würde man doch wiederum nur den Jehova-Messias und sein irdisches Volk darin finden können.
2)
Anm.: R. B. schreibt im Original von „Joel 2,28 ff.“.
3)
Anm.: R. B. schreibt im Original: „1. Thess. 4, 13-5, 5 u.a.“
4)
Vergl. in Verbindung mit diesem Ausdruck: Matthäus 22,41-45; Römer 1,3-4; Römer 9,5; Offenbarung 5,5. In allen diesen Stellen soll das Auge nicht etwa auf Israel gelenkt werden, sondern auf das wunderbare Geheimnis der Person unseres Herrn und Heilandes, der als Mensch Sohn oder Geschlecht Davids, Löwe aus Juda etc. genannt wird, zu gleicher Zeit aber auch die Wurzel Davids ist, d. h. der Ausgangspunkt, die Quelle aller Segnungen und Verheißungen Davids – Gott, geoffenbart im Fleische.
5)
Anm.: Jesaja 64,1
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