Brenz, Johannes - Zweiter Pfingstfeiertag.

Brenz, Johannes - Zweiter Pfingstfeiertag.

1548.

Ap.-Gesch. 2, 14-24. 37-42.

Da trat Petrus auf mit den Elfen, hob auf seine Stimme, und redete zu ihnen: Ihr Juden, lieben Männer, und Alle, die ihr zu Jerusalem wohnt, das sei euch kund getan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnt; sintemal es ist die dritte Stunde am Tage; sondern das ist es, das durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist, auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Ältesten sollen Träume haben; und auf meine Knechte, und auf meine Mägde will ich in denselbigen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen; und ich will Wunder tun oben im Himmel, und Zeichen unten auf Erden, Blut, und Feuer, und Rauchdampf; die Sonne soll sich verkehren in Finsternis, und der Mond in Blut, ehe denn der große und offenbarliche Tag des Herrn kommt; und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden. Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesum von Nazareth den Mann von Gott, unter euch mit Taten, und Wundern und Zeichen bewiesen, welche Gott durch ihn tat unter euch (wie denn auch ihr selbst wisst;) denselbigen (nachdem er aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes ergeben war) habt ihr genommen durch die Hände der Ungerechten, und ihn angeheftet und erwürgt. Den hat Gott auferweckt, und aufgelöst die Schmerzen des Todes, nachdem es unmöglich war, dass er sollte von ihm gehalten werden. Da sie aber das hörten, ging es ihnen durchs Herz, und sprachen zu Petro und zu den andern Aposteln: Ihr Männer, lieben Brüder, was sollen wir tun? Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden; so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung, und Aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzu rufen wird. Auch mit vielen anderen Worten bezeugte er, und ermahnte, und sprach: Lasst euch helfen von diesen unartigen Leuten. Die nun sein Wort gerne annahmen, ließen sich taufen; und wurden hinzu getan an dem Tage bei drei tausend Seelen. Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre, und in der Gemeinschaft, und im Brotbrechen, und im Gebet.

Wir haben gestern dargetan, dass der heilige Geist durch seine am Pfingsttage vollbrachten Wunder den Dienst und die Wahrheit und die Gewissheit des Evangeliums von Jesu Christo bekräftigt hat. Heute lasst uns hören, wie Petrus mit seinen Genossen die Verkündigung des Evangeliums übernommen, und welchen Fortgang der Dienst desselben gehabt hat.

Es ist nämlich gesagt worden, dass Christus kein weltliches Reich in seiner Kirche gestiftet habe, sondern den Dienst der Predigt seines Evangeliums. Nachdem nun Petrus den heiligen Geist empfangen hat, übernimmt er in der Begleitung und Anwesenheit seiner elf übrigen Genossen auf öffentlicher Straße der Stadt Jerusalem die Predigt vom Evangelio Christi.

Zunächst aber nimm in Acht, welch ein Schauspiel das gewesen ist. Es stehen da in Jerusalem vor einer zahllosen Menge die zwölf Apostel, völlig waffenlos, durch keine äußerliche Tracht ausgezeichnet, Fischer und Zöllner, nicht mit königlichen Kronen geschmückt, vor den Menschen gar verworfen und unedel. Allein niemals hat es seit Anbeginn des Erdkreises eine Ratsversammlung, eine Zusammenkunft, eine Kirchenversammlung gegeben, welche nicht von dieser Vereinigung der Apostel an Majestät übertroffen würde. Sie war nicht herrlich vor der Welt; aber vor Gott und den himmlischen Heerscharen ist niemals eine Verbindung von Menschen herrlicher gewesen. Diese Versammlung der Apostel schaute der heilige Geist samt den himmlischen Heerscharen tausend Jahre zuvor. Ps. 68,27.28: „Lobt Gott, den Herrn, in den Versammlungen, für den Brunnen Israels. Da herrscht unter ihnen der kleine Benjamin, die Fürsten Juda mit ihren Haufen, die Fürsten Sebulons, die Fürsten Naphthalis.“ Da ist geredet von der Versammlung der Apostel. Und Jes. 2,3: „Von Zion wird das Gesetz ausgehen, und des Herrn Wort von Jerusalem.“ Auch da ist geredet von den Aposteln, wie sie die Predigt des Evangeliums in der Stadt Jerusalem anheben. Darum darf man über dieses Schauspiel nicht nach menschlichem Sinne urteilen, sondern nach dem Sinne des heiligen Geistes.

Zu allererst also tadelt Petrus in seiner Rede die Lästerer und legt dar, was solche Wunder der verschiedenen Sprachen bedeuten. Sie lästern das Wunder, wie das Wunder Christi, da er Teufel austrieb; denn Etliche schrieben es „dem süßen Weine“ zu. Petrus aber spricht: Es ist nicht der Wein des [Götzen] Bacchus, sondern ist der Wein des heiligen Geistes; denn der Prophet Joel hat von diesem Wunder geweissagt (Joel 3,1-5). Im Gesetze Mosis aber gab es einen bedeutenden Unterschied der Personen: ein Stamm übertraf den anderen an Würde; der Stamm Levi allein war priesterlich, ganz verachtet die Lage der Knechte; den Knaben stand der Zugang zur Erkenntnis der göttlichen Geheimnisse nicht offen. Vor dem dreißigsten Lebensjahre ward Niemand zu dem Lesen der dunkleren prophetischen Stellen zugelassen, Niemand außerdem unter der Zahl des Volkes Gottes anerkannt, außer den Beschnittenen. Also ward die Erkenntnis der himmlischen Geheimnisse und das Heil in enge Grenzen beschlossen. Der Prophet Joel spricht aber, am Tage der Pfingsten solle der heilige Geist ausgegossen werden über alles Fleisch, über alle Gläubige, ohne Unterschied der Personen. Nicht nur die Greise, sondern auch die Jünglinge und Knaben, nicht nur die Männer, sondern auch die Weiber, nicht nur die Herren, sondern auch die Knechte sollen offenbar die göttlichen Geheimnisse erkennen; nicht nur die Juden, sondern auch die Heiden sollen Gottes Volk sein. Und dazu wird das so beachtenswerte Wort gefügt: „Es soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden.“

Über dieses Wort ist einiges Wenige zu sagen. Nämlich nicht allein Petrus führt Solches aus dem Propheten an, sondern auch Paulus legt es (Röm. 10,11-13) aus. Jeder, es ist hier kein Unterschied der Personen; Jeder, er sei Grieche oder Jude, Mann oder Weib, Knecht oder Herr, tugendhaft oder fündig, Greis oder Jüngling (Gal. 3,28): „wer den Namen des Herrn anrufen wird.“ So werden denn auch Türken, Heiden, Gottlose, die in ihrer Gottlosigkeit verharrend zu Gott rufen, das Heil erlangen? Denn wen gibt es wohl, der nicht den Anschein haben möchte, als riefe er Gott an? Hier achte darauf, was es heißt: in Wahrheit Gott oder den Namen Gottes anrufen. Das legt Paulus nämlich so aus: „Wie sollen sie anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von dem sie Nichts gehört haben?“ (Röm. 10,14). „So du mit deinem Munde bekennst Jesum, dass er der Herr sei, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du selig“ (Röm. 10,9). Gottes Namen anrufen, heißt also erstens: an Jesum Christum glauben; zweitens: in solchem Glauben Gott anrufen und seinem Rufe gehorchen. Er soll „selig werden“; er sagt nicht: er soll reich werden, gesund werden, ein König dieser Welt werden, sondern selig werden, das ewige Heil erlangen, ob er gleich arm ist, ob er stirbt usw. Das ist der erste Teil von Petri Predigt.

Der zweite Teil seiner Predigt enthält die Hauptartikel des apostolischen Bekenntnisses, und Petrus lehrt, dass dieser gekreuzigte Jesus der wahre Messias ist, weil auf ihn gehen die göttlichen Sprüche der Propheten vom Tode, von der Auferstehung, von der Himmelfahrt und der Sendung des heiligen Geistes und also auch alles Andere, was die Propheten vom Messias geweissagt haben. Aus dieser Predigt ist ein großer Teil des apostolischen Glaubensbekenntnisses zusammengestellt, und wer dasselbe kennt, der erkennt die wahren Geheimnisse unseres Heils offenbarer, als sie die Alten aus ihren Weissagungen, Träumen und Gesichten jemals zu schauen oder zu erkennen vermochten. Daher legt Petrus den Joel recht aus, dass, da am Pfingsttage das apostolische Bekenntnis offenbart und bekräftigt ist, nicht Greise, nicht Männer, nicht Herren allein, sondern auch Jünglinge und Weiber und Knechte Träume und Gesichte schauen und Propheten werden. Was wird nun durch solche Predigt bewirkt? War es genug, jene Predigt zu hören und die Wunder zu sehen? So meinen zwar Etliche, weil sie ihres Amtes zur Genüge gewartet zu haben glauben, wenn sie wenigstens die Predigt gehört haben. Es ist jedoch erforderlich, dass wir frommen Predigten nicht bloß die Ohren, sondern auch die Herzen leihen. Lasst uns an den Zuhörern des Petrus ein Beispiel nehmen. Der größte Teil zwar hat diese Predigt verachtet und ist seines Weges gegangen, aber dreitausend Menschen nehmen dieselbe mit vieler Frucht zu ihrem Heile an. Denn erstlich erkennen sie ihre Sünden. Als sie nämlich Petrus der größten Sünde, der Tötung Christi, angeklagt hat, verhöhnen sie ihn nicht, sondern es geht ihnen durchs Herz und sie erkennen ihre Sünde. Sodann nehmen sie Christum im Glauben an und werden. ihm durch die Taufe eingeleibt. Und bald werden sie mit Wundergaben des heiligen Geistes geziert, wie auch die Apostel. Endlich werden sie gehorsam, beharren in der Lehre der Apostel, helfen den Armen, haben alle Güter gemein und schicken sich also zum ehrbarsten Leben an. Ein beachtenswertes Tun!

Petrus hatte bei seiner Predigt die allerfrevelhaftesten Leute, nämlich die Mörder Christi des Sohnes Gottes. Kein größeres Verbrechen als dieses konnte auf Erden geschehen, und dennoch werden sie so schnell vermöge der einen Predigt so gerecht und heilig, dass sie sogar wunderbare Gaben des heiligen Geistes empfangen. Wie ist das zugegangen? Andere Menschen, und vornehmlich Heuchler, nicht mit offenbaren Sünden behaftet, trachten oft ihr ganzes Leben lang bei Tag und Nacht unter den größten Mühsalen nach Gerechtigkeit und Heiligkeit, und finden sie dennoch niemals. Jene allergrößten Sünder zu Jerusalem aber finden und erhalten sie aus einer Predigt. Was wollen wir dazu sagen? Was Anderes, als was Paulus sagt (Röm. 9,31.32): „Israel hat dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgestanden, und hat das Gesetz der Gerechtigkeit nicht überkommen. Warum das? Darum, dass sie es nicht aus dem Glauben, sondern als aus den Werken des Gesetzes suchen.“ Die Heuchler gelangen deshalb niemals zur wahren Gerechtigkeit, weil sie sich von der wahren Tür verirren. Sie suchen die Gerechtigkeit in verdienstlichen Werken. Jene aus Jerusalem kommen zur Gerechtigkeit, weil sie die wahre Tür finden, ihre Sünden erkennen und an Christum glauben. Und zwar erlangen sie die Gerechtigkeit leicht, indem sie Christum finden; aber vieler Mühe bedarf's, um solche Gerechtigkeit zu bewahren. Denn es wird verlangt, dass du beharrst in der Apostel Lehre und im Bekenntnis, dass du den Glauben stärkst durch das Mahl des Herrn, ein ehrbares Leben führst, den Armen hilfst. Aber wie? Müssen auch die Güter zu dem gemeinen Besten dargebracht werden? Die Wiedertäufer benutzen dieses Beispiel, allein ganz grundlos. Denn auch die Apostel haben niemals Jemandem zugesetzt, das Seine zum gemeinen Nutzen herzugeben, zumal in anderen Orten und Gegenden. Denn die Christen zu Jerusalem hatten ihre besonderen Absichten, warum sie ihr Eigentum verkauften. Fürs Erste nämlich wussten sie, die Obrigkeit zu Jerusalem würde das Bekenntnis des Christennamens nicht dulden und die Habe der Christen mit Beschlag belegen. So wollten sie denn lieber verkaufen und Weniges davon bringen, als Alles verlieren. Zweitens wussten sie aus Christi Weissagung, dass Jerusalem nach einigen Jahren zerstört werden sollte. Christus hatte gesagt, es würde kein Stein auf dem anderen bleiben, und: „Weint über euch und über eure Kinder.“ Das berieten die Jünger mit einander und rüsteten sich deshalb zur Flucht. Eusebius schreibt, dass die Apostel nur zwölf Jahre in Jerusalem beisammen geblieben sind. Jakobus, der Bruder des Herrn, war der erste Bischof [der Christen] in Jerusalem. Daselbst gab es stets eine Gemeinde bis zur Zerstörung, und als diese bevorstand, zogen die Christen nach dem Städtlein Pella jenseits des Jordans. Anders war es in anderen Gegenden. Das Christentum besteht nicht in äußerlicher Gütergemeinschaft, sondern in wahrer Gottseligkeit. Das Christentum lässt einem Jeglichen das Seine, fordert indessen die Liebe, und nach dieser sollen wir trachten, auf dass wir den Glauben bewahren und durch den Glauben an Christum selig werden. Amen.

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