Brenz, Johannes - Sonntag Jubilate.

Brenz, Johannes - Sonntag Jubilate.

1537.

Joh. 16,16-23.

Über ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen; und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen: denn ich gehe zum Vater. Da sprachen etliche unter seinen Jüngern unter einander: Was ist das, das er sagt zu uns: Über ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen, und dass ich zum Vater gehe? Da sprachen sie: Was ist das, das er sagt: Über ein Kleines? Wir wissen nicht, was er redet. Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Davon fragt ihr unter einander, dass ich gesagt habe: Über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen; ihr aber werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden. Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, dass der Mensch zur Welt geboren ist. Und ihr habt auch nun Traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen. Und an demselbigen Tage werdet ihr mich nichts fragen.

Der evangelische Abschnitt, den wir verlesen haben, ist aus der Predigt entnommen, die Christus nach seiner letzten Mahlzeit, kurz vor seinem Leiden gehalten hat. Und weil er Solches geredet hat zu der Zeit, da er im härtesten Todeskampfe begriffen war, darum hat es eine gewisse besondere Kraft und muss mit großem Fleiße betrachtet werden.

Über ein Kleines.

In diesem Worte weissagt Christus erstlich von seinem Tode und seiner Auferstehung. „Über ein Kleines (sagt er), so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen; denn ich gehe zum Vater.“ Das ist nichts Anderes als: Ich werde sterben und auferstehen zur Verherrlichung meines Vaters. Er weissagt aber davon, nicht, um seine Klugheit zur Schau zu tragen, sondern um für unser Heil und das Evangelium zu sorgen. Denn Jesus hat gepredigt, er sei der wahre Messias, Leben und Heil. Wer aber hielte Denjenigen für den Messias, der von seinem eigenen Volke so schmachvoll behandelt wird? Wer meinte wohl, dass Derjenige lebe, der dem schmählichsten Tode überantwortet wird? Wer betete Den als Heiland an, welcher sich selbst nicht aus den Händen der Ungerechten retten konnte? Daher sagt Christus sein Leiden vorher, um darzutun und zu zeigen, er sterbe nicht gezwungen, sondern freiwillig, auf dass er seinem Vater gehorche, auf dass die Schrift erfüllt werde und, auf dass er durch seinen Tod uns vom Tode befreie. Und was er bei dieser Veranlassung tut, ebendasselbe hat er immerdar vor seinem Leiden eingeschärft. Nun spricht er: „Des Menschen Sohn wird verspottet und den Heiden überantwortet werden.“ Nun sagt er: „Der Fürst dieser Welt wird ausgestoßen werden;“ und: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.“ Und viel Anderes dergleichen, was er darum vor seinem Leiden einschärft, dass wir uns nicht ärgern, sondern glauben, er sei auch im Leiden und im Tode unser wahrer Messias und Heiland; denn das hat er ja durch seine Auferstehung von den Toten erwiesen.

Zweitens erklärt Christus in diesem Schriftabschnitte die Frucht und den Nutzen seiner Auferstehung; denn er hat durch seine Auferstehung alle Traurigkeit in Freude, alle Trübsal in Wonne, allen Tod endlich in ewiges Leben und Seligkeit verwandelt und geheiligt. Solches aber zu erkennen ist uns zum Heile gar nötig. Denn zuvörderst sind wir von Natur so geartet, dass wir, so oft uns augenblickliche Trauer oder Trübsal drückt, sei es nun leibliche, wie Armut, Krankheit, oder geistliche, meinen, es sei fürderhin kein Heil vorhanden. Daraus gehen Schmähungen, Gehässigkeiten, Lästerungen wider Gott und Menschen hervor; darum stürzen wir in alle Arten von Sünden, weil wir denken, Gott achte unser nicht und werde uns niemals helfen. Ferner, wird uns vom Tode gepredigt, dass wir denselben mit Gleichmut ertragen und das Beste hoffen sollen, da pflegen wir stracks zu erwidern: Ich würde den Tod mit Gleichmut ertragen, wenn ich wüsste, was mir in der anderen Welt bereitet wäre, oder wenn Einer aus der anderen Welt wiederkäme, der uns anzeigte, um was es sich in derselben handelte. Daraus entstehen von Neuem Vorwürfe und Beschimpfungen wider Gott und endlich selbst Verzweiflung. Allein Christus tritt diesen verkehrten Meinungen und Anfechtungen in unserm evangelischen Abschnitte entgegen und lehrt, er sei Derjenige, der aus der andern Welt in diese Welt zurückkehren und verkündigen werde, was in der künftigen Welt geschehe und, was in der gegenwärtigen geschehen müsse. „Über ein Kleines (spricht er), so werdet ihr mich wieder sehen.“ Und ein anderes Mal: „Ich will euch nicht Waisen lassen; ich komme zu euch.“ Und was er verheißen, das hat er dann in der Tat auch vollbracht. Denn am dritten Tage ist er wieder auferstanden von den Toten und seinen Jüngern erschienen vierzig Tage lang, um seine Auferstehung auch recht zu bekräftigen. Und in diesen vierzig Tagen hat er vollkommen dasselbe gelehrt und bestätigt, was er zuvor gelehrt hat, und was wir am Allermeisten bedürfen. Er sagt (Luk. 24,26): „ Musste nicht Christus Solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?“ Und danach (Luk. 24,46): „Also ist's geschrieben, und also musste Christus leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tage.“ Was ist das Anderes als die Lehre, dass Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung bewirkt hat, dass dieser Welt Traurigkeit eine Werkstatt der in der künftigen Welt erfolgenden Freude, dass Trübsale und Tod in dieser Welt eine Werkstatt des künftigen Lebens und der Seligkeit sind für Alle, die an ihn glauben. Das ist's was er nach der Auferstehung gelehrt hat; das ist dasselbe, was er auch vor seiner Auferstehung in dem evangelischen Abschnitte gelehrt hat, den wir aus Johannes verlesen haben.

Und das versichert er nicht nur mit einfältigen Worten, sondern beweist es an dem Beispiel eines Weibes, das beim Gebären leidet. Er spricht nämlich: „Ihr werdet traurig sein, doch euere Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden. Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, dass der Mensch zur Welt geboren ist.“ Dieses Beispiel dürfen wir nicht unachtsam übergehen. Denn dass Christus der unter der Geburt leidenden Weiber gedenkt, und zwar gerade zu der Zeit, da ihm die höchste Trübsal bevorstand: das zeigt uns, dass der Schmerz gebärender Weiber vom Herrn geheiligt ist. Denn die Geburtswehen sind nicht von ungefähr, sondern von Gott verordnet und den Weibern auferlegt. „Mit Schmerzen (spricht er) sollst du Kinder gebären.“ Was Gott aber verordnet hat, dem gibt er dazu auch seine Gnade und seinen Segen; und obschon er solchen Schmerz um der Sünde willen verordnet hat, so hat er dennoch, weil Christus die Sünde gesühnt hat, auch den Schmerz der Geburt zu einem heiligen Kreuze geheiligt. Daher sagt auch Paulus (1. Tim. 2,15): „Das Weib wird selig werden durch Kinderzeugen, so sie bleibt im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung samt der Zucht.“ Dazu, dass Christus die beim Gebären leidenden Weiber als Beispiel anführt, damit er seine traurigen Jünger tröste, das beweist uns, dass Gott in dem Gebären der Weiber die Befreiung aus Trübsalen und die Auferstehung vom Tode dargestellt und abgebildet hat. Und die Geburt der Weiber wird uns wie eine öffentliche Predigt vorgestellt, daraus wir lernen sollen, der Schmerz sei eine Werkstatt der Freude, die Trauer eine Werkstatt der Wonne, der Tod eine Werkstatt des Lebens. Hören wir daher, dass ein Weib unter der Geburt leide, so lasst uns dieser Stelle gedenken, damit wir im Glauben stark werden.

Allein auf dass für die Schwachheit unseres Glaubens ganz und gar gesorgt würde, hat Gott uns auch an anderen natürlichen Dingen es dargestellt, dass der Schmerz ein Mittel der Belebung ist. Christus sagt (Joh. 12,24): „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt's allein; wo es aber erstirbt, so bringt's viel Früchte.“ Denn das Korn vergeht im Acker, und scheint äußerlich völlig verloren zu sein, bereitet sich aber dann hauptsächlich auf die Frucht. Gott hat also in der Natur des Kornes geschildert, dass die Ertötung der Belebung vorausgeht und, dass Unglück ein Mittel zum Glücke ist. Ja, dasselbe hat Gott auch im Winter abgebildet, zu welcher Zeit Alles vom Schnee bedeckt wird. Denn sähe Jemand, wie der Schnee Alles verhüllt, und wäre der natürlichen Verhältnisse unkundig: wie sollte er die so große Fruchtbarkeit des Sommers erwarten, die bald danach eintritt? Und dennoch die den Zweck der Dinge verstehen, die wissen, dass der Schnee den Sommer vorbereitet und dem Sommer von Nutzen ist. Die Zeit der Anfechtung ist aber nichts Anderes als die Zeit des Schnees. So hat ja der Herr am Schnee abgebildet, dass Trübsale keine Vernichtungen, sondern Mittel zu unserem Heile sind. Überdies hat Gott uns Solches nicht allein in der Natur dargelegt, sondern auch in den Verheißungen seines Wortes offenbart. „Der Herr tötet und macht lebendig, führt in die Hölle und wieder heraus“ (1. Sam. 2,6). „Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten“ (Psalm 51,19). „Ich bin bei ihm in der Not; ich will ihn herausreißen und zu Ehren machen“ (Ps. 91,15). „So wahr als ich lebe, spricht der Herr Herr, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe“ (Hesekiel 33,11).

O wir Glückliche, um derentwillen Gott schwört! Unglücklich aber sind wir, so wir auch seinem Schwur nicht glauben. Und diese Verheißungen hat Gott durch die klarsten Beispiele und Wunder bestätigt. Ein Beispiel ist die Befreiung Josephs, die Befreiung der Israeliten aus Ägypten, Hiob und David; ein Beispiel ist Jesus Christus, der an dieser Stelle auch sich selber uns vorhält. Ich gehe (spricht er) zum Vater, und werde wieder zu euch kommen, und ihr werdet mich sehen. Es ist aber Christus nicht bloß ein Beispiel, wie Hiob und David, sondern er ist auch Kraft, weil er durch sein Leiden und Auferstehen bewirkt hat, dass aller Heiligen Trübsale eine Werkstatt und ein Mittel des Heiles sind um Christi willen. Und also, da er einmal seinen großen Karfreitag gehabt hat, darauf Ostern gefolgt ist, hat er's vollbracht, dass alle Zeiten, darin wir leiden, geheiligt sind zu großen Karfreitagen, denen Ostern folgen muss, d. i., die Befreiung von allen Übeln. Und darum setzt er hinzu: „Eure Freude soll Niemand von euch nehmen.“ Was? Sind die Apostel nach seiner Auferstehung niemals traurig gewesen? Wird der, welcher einmal durch die Hoffnung der Auferstehung aus der Anfechtung befreiet ist, nie mehr angefochten werden? Gewiss werden wir angefochten, so lange wir in dieser Welt leben; weil aber Christus nur einmal gestorben und auferstanden ist, um ewig zu leben, darum haben wir in Christo immerdar Trost und Freude bereit, und diesen Trost kann uns Niemand rauben. Denn Niemand vermag entweder das Evangelium zu vernichten oder Christum aufs Neue zu töten.

Was aber, wenn ich die Trübsal durch Sünden verdient habe? Ist sie auch dann eine Werkstätte des Heils? Diese Trübsal verderbt zwar den Menschen durch ihre Natur; willst du indessen auch sie in ein heiliges Kreuz umwandeln, so ahme das Beispiel des Schächers nach, welcher, als er am Kreuze Buße getan hatte, vernahm: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Ferner, ob die Trübsal verdient oder unverdient komme, Lasst uns Fleiß tun, dass wir Christi Glieder seien durch den Glauben. Denn also wird es geschehen, dass seine Auferstehung bewirkt, dass wir durch Leiden eingehen ins Himmelreich und zur Herrlichkeit des Vaters durch Christum unseren Herrn. Amen.

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