Brenz, Johannes - Vierter Epiphanias-Sonntag.

Brenz, Johannes - Vierter Epiphanias-Sonntag.

1542.

Matth. 8, 23-27.
Und er trat in das Schiff, und seine Jünger folgten ihm. Und siehe, da erhob sich ein groß Ungestüm im Meer, also, dass auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward; und Er schlief. Und die Jünger traten zu ihm, und weckten ihn auf, und sprachen: HErr, hilf uns; wir verderben! Da sagte er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stand auf, und bedrohte den Wind und das Meer; da ward es ganz stille. Die Menschen aber verwunderten sich, und sprachen: Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam ist?

Kurz ist das Evangelium von dem gestillten Sturm, das wir verlesen haben, allein es enthält viel gar bemerkenswerte Dinge. Denn es lehrt nicht bloß, welches Schicksal die Frommen in dieser Welt zu haben pflegen, indem sie der göttlichen Berufung Folge leisten, sondern lehrt auch sowohl uns selbst, als auch Jesum Christum, unseren Herrn, wahrhaft erkennen. Da nun die Erkenntnis unserer selbst und Jesu Christi uns zu unserem Heile notwendig ist, so darf uns Nichts über die Lehre des heutigen Evangeliums gehen. Als Jesus nämlich in Galiläa sein Amt, das Evangelium zu predigen, angetreten und bereits durch einige Wunder die Wahrheit seiner Lehre, wie die Majestät seiner Person kundgetan hatte, bestieg er eines Tages ein Schiff, und seine Jünger folgten ihm, denen er auch gebot, hinüber zu fahren. Aber siehe! ein so großer Sturm erhob sich auf dem Meere, dass das Schifflein von den Wellen bedeckt wurde.

Hier müssen wir eine Weile stehen bleiben. Was siehst du hier wohl, außer einer Tat, einem Befehl Christi und dem Gehorsam der Jünger? Christus besteigt das Schiff, die Jünger folgen. Christus heißt sie über das Meer fahren, die Jünger gehorchen. Du siehst, du hörst nichts Ungerechtes, und doch entsteht ein solcher Sturm, solches Unheil, dass Alles dem Untergang nahe scheint. Was? Hätte nicht Jemand denken können, es gebe kein Glück da, wo Christus sei? Und das ist nicht nur damals geschehen, sondern ist der gewöhnliche Lauf der Dinge in dieser Welt, dass gerechte Werke minder glücklichen Fortgang haben, als ungerechte. Und es gibt Leute, die öffentlich auszusprechen wagen, sie seien viel unglücklicher bei der Erfüllung als bei der Übertretung der Gebote Gottes. Und die Menschen pflegen oft an schlechten Sachen festzuhalten, bei den besten aber zu erschlaffen. Da nun Solches nicht jetzt erst hienieden vorgekommen, sondern von Anbeginn des Erdkreises also gewesen ist, haben Gottlose gemeint, es geschehe deshalb, weil es entweder keinen Gott gebe, oder, wenn einer da ist, derselbe für die menschlichen Verhältnisse keine Sorge trage. Allein es ist ein ganz anderer Grund, weshalb bei dem Trachten nach Gerechtigkeit auf dieser Welt kein großes Glück zu sein pflegt. Gibt es nämlich auch einen Gott im Himmel, der Alles lenkt, für alle Dinge sorgt, auch Alles aufs Beste geschaffen und geordnet hat: so ist doch, nachdem Adam gesündigt hatte, der Satan um der Sünde willen der Fürst dieser Welt geworden, der alle guten Ordnungen Gottes, wie er nur immer kann, verkehrt und zerstört und bewirkt, dass das Gute viel unglücklicher von Statten geht, als das Arge. Von solchem Fürsten, sowie von der wirklichen Sünde, haben die Heiden Nichts gewusst, und daher ist's kein Wunder, dass sie den wahren Grund so großer Verwirrung auf Erden nicht erkannt haben. Uns aber ist die Gewalt des Satans offenbar, und Christus lehrt sie deutlich in seinem Gleichnis von dem Feinde, welcher Unkraut unter den guten Samen aussät. Durch dieses Gleichnis wird klar bezeichnet, dass der Satan dasjenige, was Gott recht einsetzt und ordnet, stört und verwirrt. Da möchtest du nun sagen: Ich wundere mich nicht, dass der Satan Gott widerstrebt und mit ihm streitet, um seine Ordnungen zu verkehren; das aber bewundere ich, dass Gott an dem Satan Nachsicht übt und ihm so große Gewalt zu seinem Übermut einräumt. Darüber ist einiges Wenige zu sagen hier am Platze.

Zuvörderst übt Gott am Satan Nachsicht, auf dass uns, indem derselbe die göttliche Ordnung verkehrt und dem Gehorsam gegen Gott Unheil zufügt, unsere menschliche Natur offenbar und bekannt werde. Blicke doch hin auf Christi Jünger. Sie folgen ihm und haben, weil sie seine großen Wunder geschaut, schon ganz und gar des rechten Glaubens voll zu sein gewähnt. Als jedoch der Sturm sich erhebt und Christus schläft, da wird es augenscheinlich, dass sie kaum erst ein Fünklein wahren Glaubens empfangen haben. Bei diesem Ungemach also, das ihnen im Gehorsam gegen Christo widerfährt, wird der Unglaube ihres Herzens offenbar, der zuvor aufs Geheimste sich verbarg. Hiob gehorchte Gott, und dennoch ließ der Herr es dem Satan zu, den Hiob anzufechten; anfänglich zwar handelt derselbe recht, allein, nachdem ein Unglück das andere drängt, und Hiob Allen zum Abscheu wird, da bricht er sofort in die größten Lästerungen aus. Wer hätte wohl so viel Arges im Herzen eines gegen Gott so frommen Mannes gesucht? Du hast auch ein Beispiel an Mose und den Israeliten (2. Mose 5). Du siehst, dass dem gottseligen Jeremias das Nämliche widerfahren ist (Jerem. 20). Er gehorcht der Berufung Gottes und predigt von Jerusalems Zerstörung; und in diesem Gehorsam wird er verlacht, verachtet und sogar in Bande geworfen. Da wird er denn gar ungeduldig, dass er den Tag seiner Geburt selbst verflucht. Wer hätte dafür gehalten, dass solche Ungeduld in einem so heiligen Manne verborgen liege? Es frommt aber sehr viel, ja es ist notwendig, dass die Heiligen die Gottlosigkeit ihrer Herzen erkennen. Denn so sie nicht bekannt wäre, dann wäre die Huld Gottes nicht bekannt, und die Heiligen würden nicht beten ob ihrer Gottlosigkeit, sondern auf ihre äußerliche Frömmigkeit vertrauen. Trefflich ist von Jemandem gesagt worden: Viele hätten können weise werden, wenn sie ihre Torheit erkannt hätten. Ebenso lässt sich mit Recht sagen: Viele hätten fromm und heilig werden können, hätten sie nur ihre Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit erkannt. Übt Gott also am Satan Nachsicht, dass dieser seine Ordnung verkehrt und über den Gehorsam gegen Gott Unheil bringt, so tut er es zum Nutzen der Heiligen, damit sie aus dem Ungemach bei dem Gehorsam gegen Gott ihre eigene Natur erkennen und das wahre Heil suchen lernen.

Ferner gestattet Gott dem Satan, gerechte Handlungen unglücklich zu machen, um die Heiligen dadurch zum Glauben und zur Anrufung des göttlichen Namens zu reizen, zur Erlangung des wahren Heiles. Ein Beispiel hast du an den Kindern Israel (Richt. 20). Sie unternehmen nach Gottes Berufung den Krieg wider die Benjaminiten, werden aber zweimal besiegt und in die Flucht geschlagen. Denn sie haben Gott noch nicht in rechter Glaubensinbrunst angerufen, sondern sich auf die Menge ihres Heeres verlassen. Sie werden deshalb überwunden, auf dass sie den Herrn in wahrem Glauben anrufen lernen. Zudem ist Gott darum nachsichtig gegen den Satan, der seine Ordnungen verwirrt, weil er ja seinen Heiligen und den ihm Gehorsamen einen größeren Segen und größeres Glück bereitet hat, als das dieser Welt ist. Und ungerecht wär' es, dass die Gerechtigkeit oder der Gehorsam unglücklich wäre, gäbe es keine andere Welt, in der Gott die Mühsale der Frommen nicht vergelten würde. Nun aber, da Gott seine Frommen mit größeren Segnungen, als die der Welt sind, ehren will, handelt er nicht ungerecht, indem er dem Satan nachsieht, während er den Gehorsam gegen Gottes Gebote unglücklich macht. Die Apostel und Propheten gehorchen Gott und sind bei ihrem Gehorsam unglücklich, denn sie werden von den Gottlosen getötet. Aber Christus heißt die Apostel gutes Muts sein; „freut euch, sagt er, weil euer Lohn im Himmel groß ist“ (Luk. 6,23). Wenn wir nun sehen, dass die Gerechtigkeit und der Gehorsam gegen Gott in dieser Welt unglücklich sind, wollen wir nicht denken, es gebe keinen Gott, sondern denken, Gott lasse Solches nach seinem besten Ratschluss zu, auf dass die Gottlosigkeit des menschlichen Herzens bekannt und die Anrufung des Namens Gottes angeregt werde, und wir eine größere Wohltat von dem Herrn empfangen. Wir haben gesehen, wie das Meer sich gegen die Jünger verhalten hat, die mit Christo hinüberfuhren. Lasst uns jetzt sehen, wie die Jünger sich verhalten. Als der Sturm entstanden ist und Christus schläft, da zittern die Jünger, laufen hin und her und verzweifeln schier. Das ist ein Bild des menschlichen Herzens in der Anfechtung. Es meint eben, entweder gebe es keinen Gott, oder er wolle nicht helfen, oder, wie man sagt, er sei eingeschlafen oder gar tot. Das ist eine große Gottlosigkeit, und man muss Fleiß tun, weil sie in diesem Fleische nicht gänzlich vernichtet werden kann, sie wenigstens im Zaume zu halten. Denn Gott schläft nicht unter den Anfechtungen der Frommen, die in seiner Berufung wandeln und seinen Namen anrufen. Christus, Gottes Sohn, welchem Gott alle Macht gegeben hat, ist ja über alle Himmel aufgefahren, um Alles zu erfüllen, nicht bloß durch Betrachtung, sondern dadurch, dass er, allgegenwärtig, hilft. Paulus sagt (Röm. 8,34): „Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns.“ Diese äußerliche Sonne leuchtet zwar aufs Hellste und schaut vom Himmel herab auf einen jeglichen Ort hienieden, der unter ihr ist. Aber Christus, unser Herr, der jetzt in himmlischer Majestät wohnt, schaut weit heller, weit offenbarer auf Alles, sei es im Himmel, sei es auf Erden, und feiert nicht bei seinem Schau'n, sondern trägt so große Sorge für die Seinen, dass er auch ihre Seufzer zählt. Daher hab' ich, Gott, mein Leben dir anheimgegeben, du hast meine Tränen vor dein Angesicht gestellt; oder wie im Hebräischen (Ps. 56, 9) steht: „Zähle meine Flucht, fasse meine Tränen in deinen Sack. Ohne Zweifel du zählst sie.“ Siehe des Stephanus Beispiel. Als er gesteinigt werden sollte, sah er Jesum zur Rechten Gottes stehen, damit wir erkennen, dass Jesus in den Anfechtungen nicht schlummert, ob er auch Nachsicht übt. Paulus (2. Kor. 12,7-9), von des Satans Engel mit Fäusten geschlagen, bittet dreimal den Herrn; und dennoch schläft er nicht, sondern spricht: „Lass dir an meiner Gnade genügen.“ Gleich als spräche er: Ich sehe deine Mühsale; dass ich's aber zulasse, das geschieht zu deinem Besten; es genügt, dass ich's weiß und dir gnädig bin; alles Übrige mag gut sein. Wie es uns darum in Gottes Berufung ergehe: wir müssen nicht meinen, dass Gott uns verlassen habe, sondern dass er stets auf unser höchstes Heil bedacht sei.

Christus übrigens, durch die Zudringlichkeit der Jünger aufgeweckt, gebeut dem Meere und den Winden, die ihm auch sofort gehorchen. Ein gewaltiges Wunder! Durch ein Wort bewirkt er, was alle Herrscher dieser Welt mit ihren vereinten Kräften nicht hätten bewirken können. Einst wollte Xerxes, König der Perser, seiner Macht wegen, auch als Herr des Meeres erscheinen; und als ihm ein Seesturm die über den Hellespont gebaute Brücke hinweggerissen hatte, ließ er dem Meere Schläge erteilen, Fesseln hineinwerfen und sogar Brandmale aufdrücken. Was war eitler als dieses Schauspiel? Wer unsinniger als dieser König? Doch hinweg mit jenem gottlosen Heiden! Denn Christus, unser Herr, konnte den Ungestüm des Meeres wahrhaft stillen, und zwar mit Einem Worte. Wozu nun frommt uns die Erkenntnis dieses Wunders? Erstlich, dass wir die Wahrheit der Lehre Christi, sodann, dass wir die Majestät seiner Person erkennen; endlich, dass wir ermuntert werden, in allen Stürmen unseres Herzens den Namen Christi anzurufen. Ein großer Sturm ist die Erkenntnis der Sünden. Eine gewaltige Flut ist der Schrecken des Todes. Haben sie sich in unserem Herzen erhoben, so zeigt uns das heutige Evangelium den Herrn des Todes und der Stürme; und so wir ihn anrufen, ist es unmöglich, dass nicht sofort alle Stürme ruhig werden durch ihn, unseren Herrn Jesum Christum, welcher samt dem Vater und dem Heiligen Geiste Gott ist, zu loben und zu preisen in Ewigkeit. Amen.

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