Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die zweite Predigt. - Auslegung der zweiten Bitte.

Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die zweite Predigt. - Auslegung der zweiten Bitte.

Nun habt ihr im zunächst Vorhergehenden gehört die erste Bitte, und wie wir in derselbigen bitten, daß uns Gott geben wolle, daß wir das andere Gebot halten, nämlich, daß wir seinen Namen nicht vergeblich führen, sondern daß er unter uns geheiligt werde. Darum folgt jetzt darauf die andere Bitte, darin wir bitten, daß uns Gott geben wolle, daß wir auch das dritte Gebot halten, das ist, daß wir den Sabbath oder den Feiertag heiligen. Das geschieht, wenn wir nicht allein unsere Arbeit stehen lassen, sondern auch unsere böse Begierde und eignen Willen hinlegen, Gottes Wort hören, und demselbigen von ganzem Herzen folgen. Das können wir aber ohne besondere Gnade und Hülfe Gottes nicht thun: darum sollen wir fleißig und ernstlich darum bitten, wie uns Christus, unser Herr, in der andern Bitte gelehrt hat, die also lautet:

Zu uns komme dein Reich.

Auf daß ihr aber diese Bitte recht wohl versteht, meine lieben Kinder, so merkt mit Fleiß, was Gottes Reich sey, darum mir bitten; denn das Reich Gottes ist, wie Paulus sagt Röm. 14,17.: Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist.

Wiewohl nun diese Worte etwas schwer sind, so möchtet ihr sie doch wohl verstehen lernen, meine lieben Kinder, wenn ihr mit Fleiß darauf merkt. Denn ihr wißt wohl, daß ein jeder König oder Kaiser ein eignes Reich hat, und die Leute, die dieselbigen Könige und Kaiser für ihre Herren erkennen und halten, und ihnen gehorsam sind, die gehören in ihr Reich und sind unter ihrem Reich: also ist das eine König-Reich, wenn er schafft und gebeut, und also regiert, daß seine Unterthanen nicht thun, was sie wollen, sondern was ihnen ihr Herr gebietet.

Also hat auch Gott, der Herr, ein himmlisches Reich, und alle, die an ihn glauben, und seine Gebote halten, gehören in dasselbige Reich. Wenn Gott nun anfängt, sie zum Glauben zu berufen durch das Evangelium, so kommt Gottes Reich zu ihnen, das ist, Gott fängt an, und wird ihr Herr und König, und regiert sie, daß sie nicht mehr thun, was sie gut dünkt, sondern was sie Gott, der Herr, der ihr König ist, durch sein Wort unters weiset und lehrt.

Die weltlichen Herren regieren zwar mit Gewalt, mit Drohen und mit Strafen, und zwingen die Leute, daß sie ihnen gehorsam seyn müssen, thun auch recht daran; dann Gott hat es also geordnet; aber Gott, der Herr, thut dennoch nicht also in seinem himmlischen Reich, sondern regiert allein mit der Predigt des Heiligen Evangeliums, und mit dem Heiligen Geiste. Das geht also zu.

Gott, der Herr, läßt uns das heilige Evangelium predigen, wie Christus für uns gelitten habe, gestorben und wieder auferstanden sey, Wie ihr denn im Glauben vorhin gelernt habt, und thut uns dazu die Herzen auf, und gibt uns den Glauben, daß wir dem Evangelium glauben können; und wenn wir glauben, so gibt er uns seinen heiligen Geist, der uns regiert, und uns zu allen guten Tugenden und Werken führet.

Denn zum Ersten werden wir durch den Glauben gerecht vor Gott; denn der Glaube macht, uns theilhaftig aller Gerechtigkeit Christi, und gibt uns dieselbe zu eigen; und wer das durch einen rechten Glauben faßt, dem wird der heilige Geist gegeben; derselbige bringt dann die göttliche Liebe in unsere Herzen, die dann alle Gebote erfüllt. Darum, wer recht glaubt, der ist gerecht und fromm vor Gott durch die Gerechtigkeit Christi, die ihm geschenkt und zugerechnet ist, wie Paulus spricht Röm. 3,28.. Wir halten, daß der Mensch gerecht werde allein durch den Glauben. Er ist auch gerecht vor der Welt wegen der Liebe und ihrer Früchte, die der Heilige Geist in sein Herz gießet, und in ihm wirkt.

Zum Andern. Der Glaube macht Frieden und Sicherheit in unserem Herzen und Gewissen; denn durch den Glauben wissen wir, daß uns unsere Sünden vergeben sind: darum spricht Paulus Röm. 5,1.: Nun wir denn gerecht worden sind durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum.

Zum Dritten. Solcher Frieden bringt eine besondere Freude in unsere Herzen, daß wir Gott um solche Gnade lieben, loben, preisen, danken, und Lust gewinnen, alles das zu thun, was ihm wohlgefällt, und zu meiden alles, was ihm übel gefällt.

Seht da, meine lieben Kinder, das ist das Reich Gottes, wenn er durch das Evangelium und durch den heiligen Geist in uns herrscht, und schafft, daß wir gerecht werden, Frieden im Gewissen haben, und in dem heiligen Geist uns freuen über seine Wohlthaten, das ist's, was Paulus sagt Röm. 14,17.: Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geiste.

Wie nun ein weltlicher König sein Volk regiert mit seinen Geboten und mit seiner Gewalt und Macht, also regiert uns Gott mit seinem Wort des heiligen Evangeliums und mit der Kraft des heiligen Geistes, den er ausgießt über alle, die dem heiligen Evangelium glauben, und zieht uns dadurch, daß wir ihm willig und gern gehorsam sind; denn Gott will keinen genöthigten Dienst haben, sondern sein Volk soll alles freiwillig seyn. Das ist nun das Reich Gottes, wenn er uns also regiert, und und wir nicht thun, was wir wollen, sondern feiern von unserem eigenen bösen Willen und Begierden mit Leib und Gemüth, thun aber, was Gott der Heilige Geist in uns wirkt; das heißt die Feier recht heiligen, nämlich wenn wir feiern und Gottes Wort fleißig und gern hören, auf daß der heilige Geist in uns wirke eitel Heilige, göttliche und himmlische Werke, das ist Gerechtigkeit, Frieden und mit Freude, wie ihr jetzt gehört habt.

Darum, wer da bittet: Zu uns komme dein Reich, der bittet nichts anderes, denn das Gott geben wolle, daß wir mit unserem eignen Willen feiern können, auf daß wir nicht thun, was uns gelüstet, sondern lassen Gott durch sein Heiliges Wort und Geist eitel heilige Werke in uns wirken, damit das dritte Gebot, nämlich du sollst die Feier Heiligen, in uns erfüllt werde; denn also erklärt der Prophet Esaias dieß Gebot und spricht Jes. 58.13.: Wenn du nicht thust, was dir gefällt, an meinem heiligen Tag, so wird es ein lustiger Sabbath heissen, den Herrn zu heiligen und zu preisen.

Um das alles sollt ihr nun, meine lieben Kinder, Gott den Herrn fleißig bitten, nämlich daß er sein Reich zu uns kommen lasse, auf daß wir ihm also gehorsam werden, wie ihr gehört habt.

Es kommt aber das Reich Gottes auf zweierlei Weise zu uns. Zum Ersten durch die Predigt im Glauben, das ist, wenn man uns den Glauben predigt, wie ihr denselbigen gehört habt, nämlich daß uns unser Herr Christus von Sünde, Tod und Hölle erledigt habe durch sein Leiden, Sterben und Auferstehung; dann durch diese Predigt lernen wir Gott vertrauen und lieb haben: das nimmt dann von Tag zu Tage zu, und kommt also das Reich Gottes alle Tage zu uns, nicht allein zu denen, die erst anfangen zu glauben, sondern auch zu denen, die vorhin glauben; denn ihr Glaube wird durch die tägliche Predigt des heiligen Evangeliums gestärkt, und ihre Liebe wird gemehrt. Zum Andern kommt das Reich Gottes zu uns durch die Offenbarung in der Auferstehung, wenn wir am jüngsten Tage vom Tode wieder auferstehen, und in das Himmelreich genommen werden; denn daselbst werden wir gar fromm, heilig, unsterblich und ewig selig seyn. Das alles aber ist uns jetzt verborgen, und noch nicht vor Augen, aber am jüngsten Tage wird es offenbar werden. Darum spricht Johannes in seiner Epistel 1 Joh. 3,2.: Meine lieben Kinder, es ist noch nicht offenbar, was wir werden sollen, wir wissen aber, wenn es offenbar wird, daß wir dem Herrn Christo gleich seyn werden.

Solches alles läßt unser lieber Herr, Gott, in der Welt predigen von ihm selbst, ohne unser Verdienst und Zuthun, aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, wenn wir schon nicht darum bitten. Es hülfe uns aber nichts, wenn man es gleich in aller Welt predigte, wenn wir es nicht glaubten, das ist, wenn es nicht zu uns in unsere Herzen hineinkäme. Darum sollen wir mit allem Fleiß darum bitten, daß er es nicht allein predigen lasse, sondern auch den Glauben dazu gebe, und daß er ihn nicht andern Leuten allein, sondern auch uns gebe. Das alles ist nur so viel gesagt und gebeten, daß er sein Wort durch rechtschaffene Prediger uns wolle vortragen lassen, und uns durch den heiligen Geist gläubig und ihm selbst gehorsam machen, und denselbigen Gehorsam von Tag zu Tag mehren, und dann die übrige ungehorsame Welt mit all ihrer Bosheit durch den jüngsten Tag hinwegthun und austilgen und uns in sein ewiges Reich zu sich nehmen: das alles heißt „zu uns komme dein Reich“.

Das ist nun die Meinung und der einfältige rechte Verstand dieser andern Bitte, nämlich Gottes Reich kommt zwar wohl ohne unser Gebet von ihm selbst, aber mir bitten in diesem Gebet, daß es auch zu uns komme. Das geschieht dann, wann der himmlische Vater uns seinen heiligen Geist gibt, daß wir seinem heiligen Worte durch seine Gnade glauben, und göttlich leben, hier zeitlich und dort ewiglich.

Darum, meine lieben Kinder, merkt es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: Wie verstehst du die andere Bitte? so sollt ihr also antworten:

Gottes Reich kommt zwar wohl ohne unser Gebet von ihm selbst, aber wir bitten in diesem Gebet, daß es auch zu uns komme.

Und wenn man euch weiter fragt: wie geschieht das? so sollt ihr also antworten: Wenn der himmlische Vater und seinen heiligen Geist gibt, daß wir seinem heiligen Worte durch seine Gnade glauben, und göttlich leben, hier zeitlich und dort ewiglich.

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