Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die erste Predigt. - Auslegung der ersten Bitte.

Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die erste Predigt. - Auslegung der ersten Bitte.

Wohlan, meine lieben Kinder, auf daß ihr ja dieses heilige Gebet recht und wohl verstehen lernet, so sollt ihr zum Allerersten merken, daß wir arme Sünder nicht anheben oder den ersten Grund zu unserer Seligkeit legen, sondern unser lieber Herr, Gott, hebet an, uns durch die Predigt zu fordern und gerecht zu machen; denn er schickt uns fromme und rechtschaffene Prediger, die uns das heilige Evangelium ohne unser Zuthun predigen, und läßt uns anzeigen, daß wir uns Gutes zu ihm versehen sollen, und thut und dazu unsere Herzen auf, und gibt uns, daß wir dem Evangelium glauben können, wie Christus spricht: Ihr habt mich nicht außerwählt, sondern ich habe euch außerwählt.

Wenn er uns nun also zum Glauben beruft, und uns den Glauben gegeben hat, daß wir an ihn glauben, ihn für unsern Gott halten, und keinen andern Gott neben ihm haben, wie das erste Gebot lautet, alsdann sollen wir auch dazu thun, und Gott ernstlich bitten, daß er wolle fortfahren, und uns weiter helfen und geben, daß wir alles thun können, das er uns geboten hat, und glauben alles, das er uns zugesagt hat; denn, wer nicht glaubet, desselben Gebet gilt nichts: darum muß Gott anfangen, und uns zum Glauben berufen, und den Glauben in unser Herz geben, sonst würden wir nimmermehr etwas bitten. Und darum bitten wir nicht also: Lieber Gott, gib mir, daß ich glaube, daß du unser Vater seyest, sondern also:

Vater unser, der du bist im Himmel rc., das ist so viel gesagt: Lieber Gott, du hast mir vorhin ohne mein Zuthun Prediger geschickt und mir sagen lassen, du seyest mein Vater durch Christum, unsern Herrn, und hast mir mein Herz aufgethan, daß ich es auch glaube, du seyest mein Vater, darum bitte ich dich, lieber Vater, der du bist im Himmel, gib Gnade, daß dein Name geheiliget werde.

Und wer das noch nicht glaubte, der sollte es doch aus diesem Gebet lernen; denn Christus, unser lieber Herr, weiß ja den Willen seines himmlischen Vaters wohl, nämlich daß er unser lieber Vater seyn will, er hätte es sonst nicht gelehret, daß wir ihn Vater nennen sollten: darum sollt ihr, meine lieben Kinder, eine grosse Zuversicht zu unserm lieben Herrn, Gott im Himmel haben; denn er ist unser Aller Vater.

Nun seht ihr wohl, wie lieb ein jeder Vater hienieden auf Erben seine Kinder hat; denn die Väter ziehen ihre Kinder mit allem Fleiß, ernähren sie und kleiden sie, arbeiten um ihretwillen, lehren sie, bestellen ihnen Zuchtmeister und Lehrmeister, ersparen ihnen auch Güter, und sorgen für sie; und wenn die Kinder Unrecht thun, daß man sie strafen muß, so haben sie die Kinder dennoch lieb, und ist ihnen leid für sie, daß sie Unrecht gethan haben; und wenn sich die Kinder bessern, und es nicht mehr thun, so freuen sich die Väter, und ist ihnen schon alles vergeben und vergessen: also auch und noch vielmehr thut unser lieber Herr, Gott im Himmel. Der will unser Aller Vater seyn, will uns ernähren und bewahren, will uns lehren und unterweisen, daß wir selig werden; und wenn wir schon gesündigt, und Unrecht gethan haben, so will er uns dasselbige um Christi willen gern verzeihen; und, wenn er uns schon straft, so straft er uns doch nicht ewiglich, sondern nur zeitlich zur Züchtigung, allein darum, daß wir es nur nicht mehr thun sollen.

Darum, meine lieben Kinder, sollt ihr euch von Herzen freuen, und Gott, den Herrn, wiederum lieb haben, dieweil er unser Aller Vater ist, und uns so viel Gutes thut, und sollt das Vater unser gern beten; denn, wenn ihr betet, so redet ihr mit eurem Vater im Himmel; und er erhöret es, und thut euch alles Gute, und gibt euch was ihr bittet. Darum sollt ihr oft und fleißig beten, besonders wenn ihr aufsteht, wenn ihr in die Kirche geht, wenn ihr essen wollt, und wenn ihr euch niederlegt, auf daß ihr ja gewohnet, daß ihr gern und oft betet; denn durch das Gebet erlangen und holen wir alles, was uns Christus erworben, und Gott der Vater zugesagt hat.

Auch sollt ihr mit Fleiß merken, meine lieben Kinder, daß wir sprechen: „Vater unser, der du bist im Himmel“, zu einem Unterschied, daß wir nicht unsere Väter meinen hier auf Erden; denn auf Erden haben wir auch Väter, die sind Menschen, wie wir, und können uns nicht selig machen; aber in Himmel haben wir einen andern rechten geistlichen und ewigen Vater, der uns in allerlei Noth helfen, und dazu selig machen kann. Und gleichwie die Kinder ihr Fleisch und Blut von ihrem leiblichen Vater haben, und ihm gemeiniglich gleich sehen, also sollen wir auch den Geist von unserem himmlischen Vater haben, und ihm nach dem Geiste gleich seyn, das ist, wir sollen glauben, was er redet, und thun, was er gebeut, und lassen, was er verbeut, und sollen allerdinge gesinnet seyn nach seinem heiligen göttlichen Wort: alsdann ist er recht unser Vater, und wir seine lieben Kinder; und wie er im Himmel ist, so werden wir auch in den Himmel kommen, und ewig bei ihm bleiben. Das alles lehret uns unser lieber Herr Jesus Christus in dem, daß er uns also beten lehret: Vater unser, der du bist im Himmel.

Nun folgen hernach in diesem Heiligen Gebet sieben unterschiedliche Bitten, darin alles begriffen und gebeten wird, was uns Gott in den zehn Geboten befohlen, und im Glauben zugesagt hat; die sollt ihr, meine lieben Kinder, mit allem Fleiß lernen und merken, auf daß ihr wisset, was ihr bittet. Die ersten drei Bitten betreffen die zehn Gebote, und die andern vier Bitten betreffen den Glauben, wie ihr denn hernach fein hören werdet.

Die erste Bitte betrifft das andere Gebot, nämlich: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht vergeblich führen, und lautet also:

Geheiliget werde dein Name.

Und das ist, meine lieben Kinder, das ich vorhin gesagt habe, daß wir um das erste Gebot nicht bitten; denn unser lieber Herr, Gott, kommt uns zuvor mit der Predigt und mit seinem Geiste, beruft uns zum Glauben, und gibt uns, das wir ihn für unsern Gott und Vater erkennen, ehe denn wir ihm nachtrachten oder nachsuchen.

Dieweil er uns denn zum Glauben berufen, und durch die Taufe in die Heilige Christenheit gebracht hat, sollen wir nicht still stehen, sondern weiter trachten, und also beten: Lieber Vater im Himmel, dieweil du uns sein heiliges Evangelium geschickt und hast predigen lassen, dadurch wir gläubig geworden sind, und dich für unsern Gott erkennen, und dir als einem Vater vertrauet haben, und also etlicher Maßen das erste Gebot halten können, so laß nicht ab, höre nicht auf, sondern hilf uns weiter, daß wir auch das andere Gebot halten können, nämlich daß dein Name geheiliget werde. Solches Gebet gefällt dann Gott wohl, und wird erhöret, und gibt uns Gott Kraft und Macht, daß wir seinen Namen heiligen können.

Das heißt aber den Namen Gottes Heiligen, wenn man ihn für heilig hält, und also damit umgeht, wie man mit einem heiligen Dinge umgehen soll, das ist, wenn man sich in rechter Gottesfurcht und Liebe hält, daß man ihn nicht unnützlich nennet oder führet, sondern bekennet, lobet und preiset ihn, ruft ihn an in aller Noth, und dankt ihm; denn Gottes Name ist an ihm selbst heilig, und bleibt heilig; aber wir verunheiligen seinen göttlichen Namen mit unserem Mißbrauch, wenn wir ihn zu unheiligen Dingen gebrauchen, als da ist, wenn man uns recht von Gott redet, lehrt und predigt, oder Abgötterei treibt, oder wenn man bei seinem Namen unnützlich oder falsch schwört, oder wenn man dem Menschen oder andren Kreaturen mit Gottes Namen flucht, oder wenn man lächerliche und spöttliche Geschwätze von Gott und göttlichen Dingen treibt, oder wenn man Gottes Namen zu Zauberei und andern abergläubischen Sachen braucht, oder wenn man nicht nach seinem Worte lebet, sondern verachtet ihn, und macht, daß ihn andere Leute auch verachten, wie ihr denn im andern Gebote gehört habt.

Nun ist es aber je ein erschreckliches und elendes Wesen, meine lieben Kinder, daß wir Christen seyn sollen und wissen, daß Gott unser Herr und Vater ist, und sind dennoch so böse, schwach und unartig, daß wir seinen Namen nicht heiligen oder ehrlich halten.

Darum ist es wahrlich hoch von Nöthen, daß wir Gott treulich und ernstlich bitten, daß er uns helfe, daß wir seinen göttlichen Namen nicht verunheiligen, sondern heiligen und fördern helfen, daß er auch von andern Leuten geheiligt werde. Das geschieht aber, wenn man Gottes Wort recht predigt und lehrt, und wir recht christlich und wohl danach leben, das ist, wenn wir sein Wort glauben und bekennen, seine Gebote halten, ihn in aller Noth anrufen, und um alle Wohlthat Lob und Dank sagen.

Denn, wenn man unrecht lehrt, so wird Gottes Name dadurch verunheiligt; denn man lobt und preiset die falsche Lehre, als sey sie Gottes Wort und heilig, so sie doch des Teufels Lüge und unheilig ist. Wie könnte man aber Gottes Namen schändlicher verunheiligen, denn wenn man ihn an des Teufels Lüge hängt, und schmückt sie damit, daß die Leute desto schädlicher verführt werden? Desgleichen, wenn man die rechte Lehre verlästert und verfolgt, so wird Gottes Name auch verunheiligt und verschmäht; denn, wenn man sie Irrthum und Ketzerei schilt, so folgt, daß Gott auch ein Ketzer seyn müßte, der uns die Lehre gegeben hat: das ist aber eine gräuliche Schmach und Schande seinem göttlichen Namen.

Also auch, wenn wir Gottes Wort nicht glauben, verunheiligen wir seinen Namen, und schmähen ihn, als sey er nicht wahrhaftig. Und wenn wir sein Wort nicht frei vor aller Welt bekennen, so schmähen und verunheiligen wir seinen Namen auch; denn, wer sein Wort verleugnet oder widerruft, der thut eben, als wäre er und sein heiliges Wort nicht gut genug oder würdig, daß man vor den Hohen und Gewaltigen dieser Welt davon reden oder etwas darum leiden sollte.

Auch wenn wir Gott unsern Vater nennen, wie er es denn ist, und wir seine Kinder seyn wollen, und leben doch nicht als Gottes Kinder, so ist es dem Namen Gottes auch eine Schmach, und er wird dadurch verunheiligt, gleichwie es einem Vater eine Schande ist, wenn er unerzogene böse Kinder hat. Davon spricht Gott durch den Propheten Ezech. 36, 23.: Mein Name wird um euretwillen verlästert unter den Heiden.

Also ist es auch mit dem Anrufen und Danken; denn, wer Gott nicht anruft, oder ihm nicht dankt, der verachtet und verschmäht ihn, als sey er nicht der rechte wahre Gott, der uns in allen Nöthen geholfen habe, und noch helfen könne und wolle; denn, wer bekennt, daß er ihm geholfen habe, der soll ihm billig danken, und wer da glaubt, daß er ihm weiter helfen könne und wolle, der soll ihn billig anrufen.

Darum, wer nicht recht glaubt, oder nicht recht lehrt, oder Gottes Wort nicht in aller Gefahr frei bekennt oder nicht nach Gottes Wort lebt, Gott nicht anruft in allerlei Nöthen, und ihm nicht dankt um allerlei Wohlthat, der verachtet und verunheiligt den Namen Gottes, und gibt Ursache und Aergerniß, daß er bei andern Leuten auch verachtet und verunheiligt wird: das ist aber eine grosse gräuliche Sünde: darum sollen wir Gott fleißig bitten, daß er uns davor behüte.

Das ist nun die Meinung und der einfältige und rechte Verstand dieser ersten Bitte, nämlich Gottes Name ist zwar an ihm selbst heilig, aber wir bitten in diesem Gebet, daß er bei uns auch heilig werde. Das geschieht, wo das Wort Gottes lauter und rein gelehret wird, und wir auch heilig als die Kinder Gottes danach leben: das hilf uns lieber Vater im Himmel; wer aber anders lehret und lebet, denn Gottes Wort lehret, der entheiliget unter uns den Namen Gottes: davor behüte uns, himmlischer Vater.

Darum, meine lieben Kinder, merkt es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: wie verstehst du die erste Bitte? so sollt ihr also antworten: Gottes Name ist zwar an ihm selbst heilig, aber wir bitten in diesem Gebet, daß er bei uns auch heilig werde.

Und wenn man euch weiter fragt: wie geschieht das? so sollt ihr also antworten: Wo das Wort Gottes lauter und rein gelehret wird, und wir auch heilig als die Kinder Gottes danach leben, dazu hilf uns lieber Vater im Himmel; wer aber anders lehret und lebet, denn Gottes Wort lehret, der entheiliget unter uns den Namen Gottes: davor behüte uns, himmlischer Vater.

Beschluß zu allen Predigten über das Vaterunser.

Also habt ihr, meine lieben Kinder, den rechten, allgemeinen, einfältigen Verstand dieser (ersten, andern, oder dritten rc.) Bitte, den ihr mit allem Fleiß merken sollt, und Gott, den Herrn, ohne Unterlaß also bitten, und nicht zweifeln, er wird es erhören, und euch geben, daß ihr feine, fromme und heilige Leute werdet, wie Gottes Kindern, die ihren Vater im Himmel haben, wohl ansieht. Denn er hat uns zugesagt, was wir bitten in seinem Namen, und glauben, das wolle er und geben. Nun bitten wir ja in seinem Namen, wenn wir das Vater unser beten; denn er hat uns also gelehrt und geheissen, so sollen wir auch von Herzen glauben, Gott werde uns erhören, dieweil er unser Vater ist. Denn, wenn wir glauben, so werden wir gewiß erhört, und werden durch unser Gebet erlangen, daß wir empfangen, was wir glauben, und thun, was er uns geboten hat: das verleihe uns Gott Allen; Amen. (Dieser Beschluß soll zu Ende aller Predigten vom Glauben Vaterunser gelesen werden.)

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